Studien über vergleichbare Philosophie

 

Philosophie und Leben

Das Ziel der Philosophie ist es, ein rechtes Leben zu führen. Geniale wirkliche Philosophie, die ihren Namen wert ist, versetzt den Menschen in die Lage, ein höchstmögliches aufrichtiges Leben zu führen, - ein Leben der Weisheit, dass frei von Unvollkommenheit ist, durch das ansonsten ein unphilosophisches Leben gekennzeichnet ist. Philosophie ist weder eine intellektuelle Ablenkung noch eine akademische Pedanterie, die über Fakten der weltlichen Erfahrungen hinwegsieht; sie ist weder eine Meisterleistung leerer Stipendien noch ein Hobby sorgenfreier Gelehrter; doch sie ist die intelligente Analyse der unmittelbaren Gegebenheiten des Lebens als ein Ganzes, eine Prüfung der Verwicklungen der Erfahrungen, und sie ist eine wissenschaftliche Theorie, die sich aus der Meditation zum Zweck der Regulierung der Funktionen entwickelt, die für die verschiedenen Phänomene des individuellen Bewusstsein verantwortlich sind. Die Philosophie ist darum die Kunst für ein vollkommenes Leben, - ein Leben, wo die allgemeinen Vorstellung darüber transzendiert werden, und wo das absolute Sein, das mit der Existenz identisch ist, verwirklicht wird.

In Swami Shivananda finden wir einen machtvollen Vertreter solch einer Philosophie, - der großen Philosophie der Vedanta, und wir finden in ihm auch eine ideale Persönlichkeit, die in die Erfahrung des Ziels, das durch die Vedanta gelehrt wird, verwurzelt ist. Sein Leben und seine Lehren sind von den wundervollen Synthesen der verschiedenen Aspekte erleuchtet, die ein Leben zu einem Ganzen werden lassen. Die Vedanta von Shivananda ist weder träumerisch noch subjektiv, noch eine weltablehnende Doktrin der Illusion, noch primitiv, noch bindet sie die Sinne, noch ist sie die weltbestätigende Theorie der menschlichen Gesellschaft. Seine Philosophie ist die der Göttlichkeit des Universums, von der Unsterblichkeit der Seele des Menschen, die mit dem absoluten Selbst identisch ist, der wesentlichen Einheit mit der Wirklichkeit von allem im Universum. Dahin lenkte er das Leben der Menschen, die in sich die verschiedenen Ebenen der Wirklichkeit trugen, die das menschliche Leben von Anfang bis Ende begleiten.

Der höchst einzigartige und anspornende Teil seiner Lehre, die er in seinem ganzen Leben immer wieder veranschaulichte, war, dass er keine Lebenserfahrung unterdrückte oder sich vor ihr Taub stellte. Eine Philosophie, die irgendwelche Aspekte übersieht, oder Aspekte teilweise als unvollkommen missachtet, ist es nicht wert, als eine Wissenschaft des Lebens betrachtet zu werden. Swami Sivananda ermahnte seine Schüler, nach dem Höhepunkt des Lebens, schüchtern mit den Objekten der Wirklichkeit, die sich selbst vor dem erhabenen Idealisten auftun, zu kämpfen. Jeder Stufe der Wirklichkeit muss die volle Aufmerksamkeit geschenkt werden, sonst würde diese sich gegen den Sucher wenden, der mit aufwärts gerichteten Augen stolz darüber hinweggeht. Swami Sivananda ist der Treffpunkt der Weisheit der Upanishaden mit dem praktischen Menschen aus der Arbeitswelt. Die Vedanta verschließt nicht ihre Augen vor den herzzerreißenden Bedingungen des irdischen Lebens, noch übergeht sie den Körper oder den Geist, die nach unten ins empirische Leben gezogen werden, obwohl der Wirkungsbereich der Vedanta überirdisch ist. Die Vedanta ist nicht überirdisch, weil sie in jeglicher Weise mit einem transzendentalen Egoismus auf die trostlose Erde schaut, sondern weil sie verwandelt und dann ihren gefallenen Bruder, das weltliche Leben, in ihrer Brust des alles-einschließenden Wissens und der Liebe umarmt. Sie wird den Bruder nicht umarmen, wenn er nicht durch das göttliche Leben berührt wurde. Das Universum ist in Brahman eingeschlossen, wenn es seinen begrenzten Charakter eines Universums verliert.

Swami Sivananda ist jemand mit außergewöhnlichen Erfahrungen, der mitten im Leben steht, und lehrt, dass sich Brahman als das Universum in allen Ebenen oder Stufen offenbart, und dass der Sadhaka darum alle niederen Stufen verehren muss, bevor er die nächst höhere Stufe erklimmen kann. Gute Gesundheit, klarer Verstand, tiefes Wissen, machtvoller Wille und moralische Stärke sind alles Teile des Prozesses der Verwirklichung des Absoluten, wie sie durch die Vedanta gepredigt werden. Die Bedeutung dieses bildhaften Lebens wird lebendig, wenn man, wie Swamiji, auf eine allumfassende Disziplinierung des niederen Selbst besteht. Er gebrauchte das Lied von „ein wenig“, wobei er gleichzeitig auf die Entwicklung verschiedener Seiten der menschlichen Natur bestand. Seine Vedanta steht nicht im Widerspruch zu Yoga, Bhakti und Karma. All diese Richtungen werden bei ihm zu einer Philosophie, so wie Elemente bei unterschiedlichen Erfahrungen ein Ganzes bilden. „Richtig anordnen, annehmen und unterbringen“, „Gutes in allem zu erkennen“, und all die Prinzipien der Natur auf dem Weg einer integrierten Fusion der Kräfte des Individuums hin zur Selbstverwirklichung zur richtigen Anwendung zu bringen, sind einige der Hauptfaktoren, womit er seine Lebensphilosophie formte. Er war ein höchst praktischer Mensch, obwohl er auf der höchsten Spitze der Metaphysik des Absoluten stand. Er war ein Idealist und ein Realist, ein philosophischer Mensch, eine fremdartige Mixtur von Gegensätzen, die in ihm eine liebende Mutter zu finden schienen, die die streitenden Kinder wieder vereint. Alles zu lieben, und Gott in Allem zu sehen, denn Gott ist alles, und Gott als die Identität von Allem in einer höchsten Vollkommenheit zu verwirklichen, sind seine Hauptregeln. Seine Vedanta ist der Höhepunkt der Weisheit, ein Ausdruck der Verwirklichung Brahman’s, was durch philosophische Analyse erreicht wird, die durch die Abwesenheit der Ablenkung des Geistes und durch konsequentes Dienen von Ishvara erreicht wird. Diese Hingabe wiederum ist ohne Selbstreinigung, die durch selbstlose Pflichterfüllung gegenüber allen Menschen ohne Ausnahme erwirkt wird, nur schwer zu erreichen. Er beschreibt Methoden, um die körperlichen, vitalen, mentalen und intellektuellen Ebenen des Bewusstsein zu meistern, um dem Suchenden mit seiner Sadhana einen Fortschritt ohne Hindernisse auf dem Weg zu dessen großer spirituellen Bestimmung, der Verwirklichung des Absoluten, zu ermöglichen.

Swami Sivananda akzeptiert die verschiedenen Philosophieschulen als Stufenleitern der Teilaspekte, die die Aspekte der Philosophie des nicht-dualen Absoluten parteiisch vertreten. Aus diesem Grunde ist seine Philosophie Realismus: Das physikalische Universum ist von den Individuen unabhängig; es scheint, wenn es von den Individuen erblickt wird,  materiell zu sein, doch ist es ein Ausdruck der spirituellen Wirklichkeit. Seine Philosophie ist Idealismus: Das Universum ist ein Ausdruck des kosmischen Geistes, und die Werte des Lebens sind ein Ausdruck der individuellen Geistorgane. Sie ist Empirismus: Die Individuen nehmen Ereignisse des äußerlichen Universums, das unabhängig von ihrem Denken stattfindet, gefühlsmäßig wahr; Gott steht über dem Menschen und erscheint als das Universum. Sie ist Realismus: Die Ausprägungen des individuellen Wissens werden durch die individuellen Denkorgane gebildet, und selbst das ganze Universum wird durch die notwendige Natur und die universalen Gesetze des kosmischen Geistes bestimmt. Sie beruht auf eine Freiwilligkeit: Der Zwang des Willens dominiert die individuelle Natur und lässt sie leiden; das Verlangen des Willens im Menschen schränkt die Funktionen seines Intellekts ein und bringt sie dazu, die Wünsche ins Unterbewusstsein zu verdrängen, obwohl der Wille durch ein höheres Verstehen erkannt und überwunden werden kann. Die Philosophie ist Dualismus: Es existiert, so weit es das menschliche Leben in der Welt betrifft, ein Unterschied zwischen der Vernunft und dem Verstand, der Materie und dem Geist, dem Individuum und Gott, dem Tatsächlichen und dem Möglichen, der Erscheinung und der Wirklichkeit, und darum muss man den Gesetzten des Universalen folgen, das sich jenseits der Phänomene befindet. Nur in der Selbstverwirklichung sind diese Unterschiede aufgehoben. Seine Philosophie ist realistischer Idealismus: Alles Existierende kann nichts Anderes als reines Bewusstsein sein. Alles Existierende ist Ihm untergeordnet. Das Universum ist vom Wirklichen abhängig. Gott ist die dynamische Ursache des Universums. Sie ist Pragmatismus: Das Wahre hat auch einen praktischen Wert. Die Welt der Sinne ist eine praktische Wirklichkeit (Vyavaharika-satta), denn sie führt zu erfolgreichen Handlungen. Die Existenz von Ishvara oder der Übergott des Universums muss akzeptiert werden. Diese Hypothese ist für das Leben unentbehrlich. Sie ist Philosophie des Unbestimmten: Die wesentliche Natur des Menschen ist spirituelles Bewusstsein, das frei ist und über allen Bestimmungen des Universums steht. Sie ist eine Philosophie des Bestimmten: Das relative Individuum ist durch den Geist und den Körper beschränkt, was sich für die Handlungen der universalen Gesetze als Subjekt darstellt. Sie ist Evolutionismus: Alle Dinge sind Produkte, die sich entwickeln, und diese neigen dazu, sich selbst bei ihrem Aufstieg hin zum Absoluten durch verschiedene Vorwärts- und Rückwärtsbewegungen zu entfalten. Sie ist phänomenal: Das Universum der Sinne ist ein Reich der sich verändernden Erscheinungen oder der Phänomene des Wirklichen, und dass menschliche Wissen beschränkt sich auf diese Phänomene. Sie ist transzendental: Das Absolute steht über den Kategorien des Universums. Sie ist immanent: Ishvara ist das innewohnende und das belebende Prinzip des Universums. Sie ist Agnostizismus: Die Wirklichkeit ist allein durch das menschliche Denken unzugänglich. Sie ist Mystizismus: Das Absolute wird in spiritueller Intuition und spirituellem Sein direkt verwirklicht. Sie ist Pantheismus: Der Stoff des Universums befindet sich innerhalb von Ishvara. Sie ist Theismus: Ishvara ist die Ursache der Offenbarung des Universums und regiert es als sein Herr. Sie ist Absolutismus: Das Absolute ist die einzige Wirklichkeit, und Sein Wesen ist Bewusstsein. Das Universum und die Individuen sind seine Offenbarungen oder Erscheinungen. Sie ist mechanisch: Ereignisse folgen in der Welt der Sinneswahrnehmungen und des Verstandes den Gesetzen der Raumzeit. Sie ist theologisch: Alle Bewegungen und Aktivitäten werden von Ishvara, der letztendlichen Ursache, gesteuert, und er bestimmt das Universum durch das Gesetz Seines Seins, zu dem das Universum mit seinen Inhalten organisch in Beziehung steht.

Die Vedanta von Swami Sivananda akzeptiert mit Vorbehalt alle philosophischen Theorien als unterschiedliche Sichtweisen und nicht als die ganze Wahrheit. Seine Vedanta ist eine Synthese aller Philosophien ebenso wie eine Transzendenz von Philosophien des nicht-dualen Bewusstseins, die alle Existenzen in einem absoluten Wesen sublimieren. Wahre Religion ist die Praxis dieser Philosophie, und Sivananda’s Religion ist eine Religion des Universums, die für alle Menschen, bezogen auf die Entwicklungsstufe ihres Bewusstseins, Gültigkeit hat. Vertrauen, Vernunft und Erfahrung, Theorie und Praxis, Kunst und Religion, Dienen, Lieben und Nächstenliebe, Reinigung, Reflexion, Meditation und Verwirklichung gehen in Sivananda‘s Philosophie und in seinen Lehren Hand in Hand.

Die Vedanta Philosophie des Heiligen Swami Sivananda ist eine Praxis bezogene und lebendige Philosophie und keine, einfach ausgedrückt, Theorie über das Universum. Es ist keine Theorie, sondern eine Darstellung von der Natur des praktischen Lebens. Man kann diese Art eines spirituellen Lebens in idealer Form im Leben von Sri Krishna finden, so wie es in der Bhagavad Gita dargelegt wird. Swami Sivananda ist ein lebendiges Beispiel für solch eine hoch gestellte Persönlichkeit, die weit von denen entfernt ist, die glauben, dass Philosophie vom Leben abzutrennen sei, und dass die Vedanta nichts mit der existierenden Welt zu tun hätte. Die Vedanta von Swami Sivananda ist die Wissenschaft, die den Menschen die wahre Bedeutung und den Wert menschlicher Bemühungen, und die Bedeutung der körperlichen Existenz im Reich der Erfahrungen eröffnet und den Menschen ein wertvolles und ehrenvolles Leben ermöglicht, damit sie sich zum glückseligen Absoluten erheben können, wo das Universum identisch mit dem eignen Selbst verwirklicht ist, wo nichts anderes als das Selbst je existiert, und wo als Ergebnis der Verwirklichung, der Heilige zum Retter allen Seins wird.