Studien über vergleichbare Philosophie

 

Plotin

Plotin kam in seiner berühmten Mystik der Vedanta am Nächsten und ist mit den östlichen Weisen in Theorie und Methodik in völliger Übereinstimmung. Seine Philosophie ist als Neoplatonismus bekannt, da er die Philosophie Platos zu einer hohen Mystik weiterentwickelt hat. Für Plotin ist Gott oder das Absolute ein Alles. Die vielschichtige Welt ist auf das Absolute begründet, obwohl das Absolute sich jenseits aller Gegensätze und aller Verschiedenartigkeit befindet. Es ist die erste ursachenfreie Ursache. Die Welt geht von dem Absoluten als Überfluss seiner Vollkommenheit aus. Wir können Gott nicht definieren, denn Definition wird durch bestimmte Attribute begrenzt. Alle logischen, ethischen und ästhetischen Prinzipien wie Wahrheit, Güte und Schönheit sind nicht in der Lage, Ihn in Seiner wahren Größe abzubilden. Es kann nichts über das Wesen der Wirklichkeit Gottes ausgesagt werden, und das, was wir als Höchstes über Ihn angeben können, ist eine falsche Beschreibung Seines Seins. Er ist jenseits von Sein und Nichtsein, jenseits aller Vorstellungen und Wahrnehmungen. Er ist jenseits des Denkvermögens, Gefühls und Willens, jenseits von Subjekt und Objekt, jenseits der wahrnehmbaren Prinzipien und Kategorien. Er kann nicht einmal als selbstbewusstes Sein bezeichnet werden, denn dies beinhaltet Dualität. Er ist der Denker und der Gedanke, und auch das, was gedacht wurde. Er ist alles. Er allein ist.

Dieses entspricht der Kurzfassung der Advaita Vedanta von Shankara. Dass die Welt in der Anschauung Plotin‘s ein Überfluss der Vollkommenheit Gott ist, erscheint sonderbar. Denn für die Vedanta gibt es einen solchen Überfluss nicht; für sie gibt es nur das Absolute, und die Welt ist Sein Erscheinungsbild, und nicht das Ausströmen aus Seinem Sein. Dies steht im Gegensatz zu einer relativen Schöpfung des Universums aus dem Absoluten, wie sie in den Upanishaden angedeutet wird. Für Plotin ist die Welt weder die Schöpfung Gottes noch Seine Evolution, sondern nur ein Ausströmen. Plotin ist zweifellos darum bemüht, dass dieses Ausströmen die Vollkommenheit Gottes in keiner Weise berührt. Plotin verurteilt weder die Parinamavada  noch die Theorie der Transformation einiger indischer Schulen. Gott wird nicht durch die Verwandlung oder Transformation seines Selbst zur Welt. Er bleibt immer, was Er ist, und das Ausströmen ist mit den Sonnenstrahlen vergleichbar. Gott geht niemals verloren oder erschöpft sich. Plotin befreit auf diese Weise von der Frage des Pantheismus. Gott ist beides: durchdringend und ausströmend. Die Welt entsteht, besteht und löst sich schließlich in Gott auf. Der Gedanke Gottes und das Objekt dieses Gedankens sind ein und dasselbe, und die Welt ist der Gedanke Gottes. Der Gedanke Gottes ist lediglich die Aktivität seines eigenen Seins; Er ist das sofortige, augenblickliche und allumfassende Wesen eines reinen Bewusstseins, das alles auf einem Schlag direkt und intuitiv weiß und die dualistischen Kategorien der relativen Bedingung transzendiert, die sich durch eine Folge von Ideen ergibt.

Plotin führt die Ideen Platos, - die Urbilder aller Dinge im Universum und die Gedanken des göttlichen Geistes, - in sein System ein. Doch Plotin erhebt sich über Plato, indem er die göttlichen Gedanken nicht von den Ideen abhängig macht. Gott ist für ihn vollkommen unabhängig. Plotin macht die Platonischen Ideen zu dem ideenhaften Prozess des Ishvara der Vedanta.  Für Plotin ist die ganze Welt das, was die Vedanta mit Ishvara-Srishti oder kosmischer Offenbarung meint, und die sich von Jiva-Srishti oder individueller Vorstellung unterscheidet.

Der Universale Gedanke Gottes, der mit dem Schöpferwillen von Ishvara vergleichbar ist, offenbart die Weltseele in der zweiten Stufe der Ausstrahlung. Diese Weltseele hat etwas von der Charakteristik von Hiranyagarbha, und während sie in dem reinen göttlichen Gedanken verwurzelt ist, seine Charakteristik hat, hat sie das Bestreben, Ordnung in die Sinnenwelt zu bringen. Wenn sie sich in der Sinnenwelt bewegt, wird sie zur Seele der körperlichen Welt. Die Weltseele hat einen ewigen Aspekt, da sie im reinen Gedanken verwurzelt ist, und sie hat einen relativen Aspekt, da sie die Natur beseelt und von der vorübergehenden Teilung abhängt. Die Weltseele bringt Materie hervor und verhält sich in der Materie wie in ihrer beseelten Ursache.

Die Theorie ist der Vedanta sehr ähnlich, ausgenommen die verschiedenen Gedankenmodelle, die man insbesondere bei den Griechen findet. Doch Materie ist für Plotin ein Prinzip des Übels. In der Vedanta ist Materie hingegen eine Erscheinung Gottes, und sie wird nur zum Übel, wenn sie jemanden erregt und das Leiden des Einzelnen vergrößert. Ansonsten ist sie ein Teil des verehrungswürdigen Ishvara-Körpers. Übel ist kein kosmisches Prinzip in der Vedanta; das Übel existiert nur für das Individuum, und es muss der Unwissenheit ihrer wahren Natur der Dinge zugeschrieben werden.

Plotin bezieht sich auch auf das Vedanta-Konzept der Jivashrishti, wenn er sagt, dass die Seelen in der Weltseele wie Gedanken enthalten sind, sie verfügen über die Materie und geben ihr einen sinnlichen Charakter. Plotin drückt sich jedoch nicht sehr klar aus, was die Funktion der Seelen  bei der Erschaffung und ihrer Aufgabe in der Materie angeht. Wenn er sagt, dass sich die Seelen jenseits des Raumes befinden und die Materie dort produzieren, müssen wir sie als Ideen in der Weltseele betrachten, die das körperliche Universum offenbaren und alles in der vereinten Intelligenz der Weltseele zusammenhalten. Wenn es heißt, dass sie der Materie ihr sinnliches Aussehen verleihen, kann man sie so betrachten, als wären sie zu Individuen aufgeteilt worden, die die Objekte der Welt in der Sinneswahrnehmung beleben. Das Erschaffen von Materie und diese Materie dann zu Sinnesobjekten zu machen, kann jedoch nicht die Aufgabe der Seelen in ein und derselben Bedingung ihres Bewusstseins sein; die eine Bedingung ist transempirisch und die andere empirisch. Die erste Variante kann die Teilung durch Raum, Zeit und die Objekte hervorbringen, doch nicht diese erschaffenen Objekte beseelen. Plotin betrachtet das Erscheinen der Weltseele, der Materie und ihrer Teilung in Sinnesobjekte als parallelen Prozess, der nur in der Vorstellung oder den Gedanken unterschieden werden kann. Hier konkurriert er wiederum mit der Kosmologie der Vedanta.

Das System von Plotin erhebt sich zu höchsten Höhen und versetzt die Schöpfung jenseits der Zeit, ohne Anfang und Ursprung durch den gött-lichen Willen. Plotin hat in seiner Philosophie auch Aspekte der Samkhya, wenn er die Welt für ewig ansieht und nicht von äußerlichen Veränderungen spricht. Seine Philosophie hat auch Elemente von der Bhedabheda Doktrin über das Verschiedene in dem Nichtverschiedenen, und er ist auch kein beharrlicher Nichtdualist. Dies ist nur ein gelegentlicher Abstieg in den philosophischen Gedanken, oder es ist ein Hinweis auf den Versuch, der Welt verschiedene Aspekte der einen Wirklichkeit zu vergegenwärtigen.

Plotin beharrt darauf, dass das Wesen der Seele die Freiheit und ewige Existenz ist. Sie ist Teil der Weltseele und, wie in der Vedanta, entsteht die Bindung der Seele parallel mit der Schöpfung der Vielheit der Welt durch Ishvara und wird tatsächlich durch die Leidenschaft der Jiva verursacht. Auf diese Weise wird die individuelle Seele, als Ergänzung zur Offenbarung der Weltseele, durch ihre Sinnlichkeit gebunden. Der Segen der Seele liegt in der Ausrichtung auf Gott, in ihrer Kontemplation auf das Wirkliche und in der Befreiung von ihrer Leidenschaft. Das Ziel des Lebens ist die Verwirklichung Gottes oder der absoluten Intelligenz. Dies ist durch eine außerordentliche Disziplin der Seele möglich, durch Loslösen von Körperbindungen und durch Kontemplation auf die Ewigkeit. Die Seele erlangt in Ekstase glückselige Visionen und erreicht die Einheit mit der Wirklichkeit. Ekstase findet jenseits von Kontemplation statt und ist mit dem Yoga-Samadhi und der Vedanta verwandt. Plotin ist einer der wenigen Mystiker, mit dem sich die Vedanta einverstanden erklären könnte; bei beiden findet man das verklärende Element vorbehaltloser Hingabe zum Absoluten. Plotin war ein großer Heiliger und man sagt, er wäre in seinem Leben mit mehreren glückseligen Vision des Absoluten gesegnet gewesen. Weil Plotin, nach Meinung einiger Schüler, die Weisheit Indiens erreicht, hat ihn der orientalische Schlag getroffen als er den Eroberer Gordon in seiner Ostinitiative begleitet hatte.

Plotin’s Erleuchtungen sind wundervoll: „Alles ist transparent, nichts bleibt im Dunkeln, nichts ist von Bestand, alles ist für alle in Ausdehnung und Tiefe klar; das Licht durchläuft das Licht. Und alle tragen alles in sich, und alles sieht immer alles, sodass alles überall ist, alles ist alles, alles ist herrlich, und die Herrlichkeit ist unendlich. Jedes Einzelne ist groß; das Kleine ist groß: die Sonne ist wie alle Sterne, jeder Stern ist wie alle Sterne und die Sonne. Während das Wesen im Einzelnen dominiert, spiegeln sich alle in allen anderen wider.“ „In dieser klaren Welt ist alles transparent. Kein Schatten schränkt die Vision ein. Alle Wesen sehen einander und durchdringen einander in einer höchst vertrauten Tiefe ihrer Natur. Das Licht trifft überall auf Licht. Alles Sein beinhaltet die gesamte klare Welt und trägt sie auch vollkommen in sich selbst. Dort wohnt reine Bewegung; denn DER, der die Bewegung hervorbringt, ist nicht fremd und behindert sie auch nicht in ihrer Entfaltung. Die Ruhe ist vollkommen, denn sie wird durch nichts gestört. Das Schöne ist vollkommene Schönheit, denn sie wohnt nicht dort, wo es keine Schönheit gibt.“ „Wenn diese Vision wahrgenommen wird, gibt es keinen Verstand mehr, da diese Vision das Verstehen beinhaltet. Und man sollte hier nicht von der Sicht sprechen, denn das, was gesehen wird, wird weder von dem Sehenden gesehen noch von ihm wahrgenommen, wenn man schon von einem Seher und Gesehenen als zwei und nicht einem spricht. Darum ist diese Vision schwer zu beschreiben, denn wie kann ein Mensch sich selbst als das Andere beschreiben, wenn er IHN als sich selbst wahrnimmt?“

Wer kann es sich leisten, diese Ähnlichkeit mit den wundervollen Aussagen von dem Heiligen Yajnavalkya zu verleugnen, die in der Brihadaranyaka Upanishad wieder gegeben werden.