Studien über vergleichbare Philosophie

 

Plato

Für Plato, dem angesehen Schüler Sokrates‘, ist Philosophie ein ‚teures Vergnügen‘, das in dem Wissen des Universalen Bewusstsein, - der Wirklichkeit, - mündet. Die Sinneswahrnehmung kann nicht die Natur der Wirklichkeit offenbaren, sondern ist nur eine Erscheinung. Wahres Wissen ist Wissen, dass sich selbst als Wissen erkennt, jenes Wissen, das auf dem Verstand beruht und sich auf sicherem Boden weiß. Offensichtlich versteht Plato unter diesem Wissen jenes Wissen, das nicht von seinem Inhalt oder äußeren Objekten abhängt, und mit dem wirklichen Bewusstsein der Wirklichkeit, wie es in der Vedanta beschrieben wird, korrespondiert. Das Bewusstsein ist für die Vedanta rein und sieht sich selbst allein als das Absolute Sein. Dieses Wissen steht über der Sinneswahrnehmung und ist mit der Existenz selbst identisch. Es ist ‚Chit‘ (Absolutes Bewusstsein), was dasselbe wie ‚Sat‘ (Existenz / Sein) ist. Plato’s Vision des reinen Wissens oder Seins ist die Darshana (Vision / Innenschau) des Absoluten der Heiligen in Indien.

Die Liebe zur Wahrheit wird für Plato durch die Kontemplation schöner Gedanken geweckt. Die Kontemplation des Schönen ist der Weg zur Kontemplation der Wahrheit. Die Liebe der Wahrheit führt zur Abneigung der Sinne von den Objekten, und erhebt uns über die Sinneswahrnehmungen, - vom Individuellen zum Universalen. Dieser Gedanke oder diese Vorstellung ist in der Seele verwurzelt; er kommt nicht über die Sinnenerfahrung. Der Mensch ist für Plato das Maß aller Dinge, denn in der menschlichen Seele finden sich seit Urzeiten universale Grundsätze oder Gedanken. Unter Kontemplation des Schönen versteht Plato das Kontemplieren auf die Sinnenobjekte, die als etwas Schönes wahrgenommen werden, während die Vedanta solch eine Kontemplation als Weg zum Erkennen der Wirklichkeit ablehnen würde, denn Schönheit ist nicht wirklich in den Objekten vorhanden. Die Schönheit hat ihr Wesen in bestimmten Beziehungen, die durch die Berührung von Subjekt und Objekt erzeugt werden. Die Schönheit ist ein relativer Wert und kein absolutes Prinzip. Hier können wir den großen Unterschied zwischen der griechischen und der indischen Sichtweise erkennen. Der Gehalt des Schönen verändert sich so weit wie sich der Wahrnehmende der Schönheit in seiner Beziehung zu den Objektbedingungen verändert, was bei den Freuden aller ästhetischen Werte eine bedeutende Rolle spielt. Doch, wenn Plato unter Schönheit die Wirklichkeit versteht, die allen Dingen obliegt, so bleibt der Vedanta nichts weiter übrig, als jene Kontemplation als Weg zur Verwirklichung der Wahrheit zu akzeptieren.

Die von Plato erwähnte Liebe der Wahrheit, von der man sagt, sie brächte die Leidenschaftslosigkeit für die Sinnesobjekte hervor, ist mit dem Nitya-Anitya-Vastu-Viveka (Unterscheidung zwischen dem Wirklichen und Unwirklichen), wie in der Vedanta erwähnt, verwandt, und ist die Vorbedingung für die Abneigung für die Sinnesobjekte (Vairagya). Es ist diese Liebe der Wahrheit, die Hingabe zur Ewigkeit, das der Sadhana oder spirituellen Praxis des Suchenden Leben und Wert einhaucht. Es ist wiederum dieses, das den Einzelnen zum Universalen erhebt, in dem sie eine vollkommene Veränderung im Individuum herbeiführt. Die Vedanta sagt ebenso wie Plato, dass dieses Verstehen (Viveka – das höhere Verstehen) nicht durch die Sinne kommt, sondern aus der Seele emporsteigt, wenn der Geist genügend von dem niederen Verlangen gereinigt worden ist. Viveka ist so etwas wie ein Wissen in einem höheren Sinne.

Gemäß Plato ist das Wissen die Übereinstimmung von Gedanke und Wirklichkeit oder Sein. Der universale Gedanke von Wahrheit, Güte und Schönheit muss beispielsweise Objekte oder Wirklichkeiten kennen, die mit ihm übereinstimmen. Der Gedanke ist ein vollkommenes Sein, das wirklich, existent und unabhängig von irgendwelchen Gedanken ist. Der höchste Grundsatz oder die höchste Wahrheit ist das Objekt reinen Wissens, das sich von der verändernden, fließenden und bildlichen Welt unterscheidet. Wahres Sein ist unverändert und ewig. An dieser Stelle bringt Plato Heraklit und Parmenides zusammen und überträgt sie auf eine höhere Ebene. Plato erklärt, dass das Wissen vom Ewigen Sein wahres Wissen ist. Dieses Wissen wird mit dem begreifenden Gedanken identifiziert, der allein in der Lage ist, das Ewige zu erfassen. Wahres Wissen ist begreifendes Wissen. Entsprechend der Vedanta ist niederes, relatives Wissen eine Übereinstimmung von den Gedanken und deren Objekten, doch beim höheren, universalen Wissen gibt es keine Form der Übereinstimmung, sondern eine Einheit, da im universalen Wissen der Wissende und das Wissen eins sind. Die Vedanta würde eher die übereinstimmende Theorie als die Theorie der Übereinstimmung akzeptieren, so weit es das auf Erfahrungen beruhende Wissen betrifft. Doch gibt es keinen Widerspruch zur Theorie der Übereinstimmung, so weit es das weltliche Wissen betrifft. In Übereinstimmung mit Plato akzeptiert die Vedanta Philosophie, dass die Objekte der Gedanken nicht vollkommen unwirklich sein können und auf Wirklichkeiten aufbauen müssen. Dieses trifft selbst auf gewöhnliche Gedanken zu, denn alle Gedanken in der Erfahrungswelt werden durch die Sinneserfah-rungen beeinflusst. Die unveränderliche Ewigkeit Plato’s ist die Kutastha-Nitya (unwandelbare Wirklichkeit) der Vedanta, für die wahres Wissen nicht begreifbar oder nur bloßer Gedanke ist, denn solches Wissen beruht auf Selbstverwirklichung, wo sich Gedanken in Erfahrungen auflösen.

In seinen berühmten Doktrin des Denkens führt Plato aus, dass diese Ideen hinter den einzelnen Gedanken das Wesen, die substanzielle Wirklichkeit sind, die als Archetyp allen Dingen gemeinsam sind. Diese Ideen sind im menschlichen Geist nicht nur Gedanken, sondern sie sind unabhängig, und der göttliche Gedanke Gottes ist von diesem ewig durchdringenden Wesen ebenfalls abhängig, das allen Dingen zu Grunde liegt und das von allen Veränderungen der Erscheinungswelt unberührt ist. Aus Plato’s Sicht sind die Dinge Kopien oder unvollkommene Bilder dieser universalen Ideen. Die universale Idee von Pferd und Mensch usw. existiert unabhängig von Pferd und Mensch. Diese Ideen begründen einen wohl geordneten Kosmos und kennen kein Chaos. Es gibt eine organische Wechselbeziehung zwischen diesen Ideen, die alle logisch angeordnet und der absoluten Idee des Guten untergeordnet sind. Diese Idee des Guten ist letztendlich die Ursache aller Ursachen und ist das absolute wirkliche Sein. Wahrheit, Wirklichkeit und das Gute sind dasselbe. Plato führt aus, dass die Einheit des Guten nur von Bedeutung ist, wenn es Pluralität gibt, und es kann keine Pluralität ohne Einheit geben. Das Universum ist ein logisches System von Ideen, eine organische Einheit von spirituellen Einheiten. Dieses System wird durch den absoluten Zweck der Idee des Guten bestimmt. Philosophie wird von Plato als das Streben nach Wissen der Idee des Guten in diesem rationalen System eines moralischen und spirituellen Kosmos betrachtet.

Im Geist eines Philosophieschülers sollten sich gegenüber Plato‘s Sichtweise bzgl. des ‚Pferdes‘ als Vorstellung im Universum, das über dem körperlichen Pferd stehen und unabhängig usw. sein soll, Zweifel regen. Damit kommen wir zu der Idee des Universums über ein Pferd, das als tat-sächliches Pferd durch die Sinne, wie alle Objekte, wahrgenommen wird. Es sieht so aus, als würde man durch die Objekte zum Universalen gelangen. Von Plato müsste man annehmen, dass er eine Intuition des Universalen gehabt hat, sonst muss man seine Theorie über die Wahrnehmung des Universalen durch die Dinge als unlogisch ansehen. Plato sagt aus, dass die Ideen nicht nur Gedanken im menschlichen Geist, sondern unabhängige Wirklichkeiten sind. Es gibt keine Rechtfertigung dieser Sichtweise, wenn die ‚Universalen Ideen‘ auf die abstrakten Vorstellungen beschränkt sind, die die Menschen durch ihre Sinne als Objekte im Hintergrund mit wahrnehmen. Die Vedanta stimmt mit Plato nicht überein, da nach Plato selbst der göttliche Gedanke auf demselben Prinzip der Abhängigkeit dieser universalen Ideen beruht, obwohl der göttliche Gedanke die Quelle der Offen-barung des physikalischen Universums ist, wie er in der Vedanta als Ishvara-Srishti begriffen wird, und was als Ursache menschlicher Vorstellung oder Idee des Universalen gilt. Falls die einzelnen Dinge lediglich unvoll-kommene Kopien oder Schatten der universalen Ideen wären, dürften die Letzteren, wie bei den Dingen, in keiner Weise beschränkt sein (Menschen eingeschlossen), sondern müssten übernatürliche Wirklichkeiten jenseits der menschlichen Wahrnehmung sein. Dieses genau macht Plato, doch er scheint diese universalen Ideen mit diesen allgemeinen Vorstellungen 'in einen Topf zu werfen‘, wie bei dem Beispiel mit dem Pferd, dem man keine unabhängige Wirklichkeit zuordnen kann. Plato’s Ideen können nur unabhängig sein, wenn sie den selben Geiststoff wie der göttliche Gedanke besitzen, und nicht aus etwas bestehen, was selbst den göttlichen Gedanken abhängig werden lässt. Wenn die universalen Ideen keine göttlichen Gedanken sind, müssen es menschliche Gedanken sein und können keine ewigen Wirklichkeiten sein.

Für die Vedanta ist es nicht nötig, dass die Einheit des Wirklichen auf Pluralität basiert, denn für die Vedanta gehört Pluralität zur Beziehungswelt, die das Wirkliche selbst bei ihrem Ende nicht berührt. Pluralität ist endlich, und alles Endliche ist nicht wirklich. Für Plato ist selbst das rationale Universum ein organisches System, was ein bestehendes universales Bewusstsein als Seele des Universums voraussetzt. Es ist schwer zu verstehen, wie die Einheit der Seele von irgendeiner Pluralität abhängen soll. Wir können nur insoweit zwischen Plato und der Vedanta eine Verbindung herstellen, wie wir die Ideen von denen Plato spricht, zu den Ideen des göttlichen Geistes machen, die die Ursache menschlicher Individualität sind, und nicht solche Universalen, die bei ihm als abstrakte Vorstellungen wie den Pferden usw. gelten. Wir dürfen unter den ‚Guten‘ auch nicht das ethische Prinzip von Güte verstehen, sondern die Rechtfertigung des Absoluten im Hintergrund, das absolut Gute und den Segen Gottes in allen Dingen.

Plato’s Welt der Sinne ist keine Illusion, die durch die Sinne erschaffen wird, sondern es ist eine Wirklichkeit auf niedrigerem Niveau als die Ideen. Für die Vedanta ist die Welt Ishvara-Srishti, eine Schöpfung Gottes, und sie ist Vyavaharika-Satta oder empirische Wirklichkeit, was den Wert einer praktischen Betriebsfähigkeit hat. Die Welt ist keine Illusion, die durch den menschlichen Geist als etwas außerordentlich Subjektives erschaffen wurde, sondern ist eine Wirklichkeit, die mit dem Körper des Virat, der gröbsten Erscheinungsform des Schöpfungs-Bewusstseins zusammen arbeitet. Die Vedanta macht einen Unterschied zwischen kosmischer Schöpfung und individueller Vorstellung, die als Ishvara-Srishti und Jiva-Srishti begriffen werden. Der Einzelne glaubt, dass dies die Ursache seiner Bindungen ist, und nicht die bloße Existenz des Universums als ein Objekt der Wahrnehmung. Für die Vedanta sind die Welt und das Individuum miteinander in Beziehung stehende Wirklichkeiten, die sich spontan erheben und ebenso wieder im Absoluten verschwinden. Zwischen ihnen gibt es keine hierarchische Beziehung oder Ursache und Wirkung. Das Individuum ist ein Teil des Universums, und es liegt nur an der Vorstellung des Individuums, die als Illusion bezeichnet werden kann und nicht an dem tatsächlich Gegenwärtigen.

Plato setzt Gegenstände, die sich von den Ideen unterscheiden, und die in ihrer Erscheinungsform die Erfahrungen ausmachen, als ein anderes Prinzip voraus. Gegenstände oder Sinnenwelt allein sind bedeutungslos, sondern sie beziehen ihren Wert von dem Wirklichkeitsgehalt der Ideen, die ihnen Form und Wert verleihen. Für die Vedanta besteht die phänomenale Welt aus Nama-Rupa (Namen und Formen), die von sich aus wertlos sind und die kein anderes Wesen als Satchidananda (Existenz-Wissen-Glückseligkeit) in sich tragen. Die Welt hängt von Brahman ab, und als unabhängige Einheit ist die Welt wertlos. An dieser Stelle stimmen Plato und Vedanta überein.

Die Vielfalt der materiellen Welt liegt gemäß Plato an den zügellosen Erscheinungen der unendlichen Ideen, die sich jenseits von den Sinnen und dem Geist befinden. Die phänomenale Welt ist insoweit wirklich, wie sie durch die Ideen erreicht werden kann. Wie bei der Prakriti (kausalen Ge-genstandswelt) in der Samkhya (Philosophiesystem Kapilas), ist bei Plato diese Ebene ein Reich unbewusster Aktivitäten und blinder Kausalitäten, die zu einem Status erhoben wird, wo es einer Führung zu einem bewussten Zweck und einer intelligenten teleologischen Bewegung (Gottesbeweis), die durch rationale Ideen unterbrochen wird, unterliegt. Sie verhält sich ähnlich wie Purusha (Absolutes Sein) in der Samkhya. Doch die Samkhya hält daran fest, dass Materie eine ewige Einheit ist, wohingegen für Plato Materie ohne die ewigen informierenden Ideen wertlos ist. Das was wirk-lich ist, ist Bewusstsein, und in den Abstufungen, wo sich das Bewusstsein in den Erscheinungen selbst offenbart, werden die Erscheinungen durch den Wirklichkeitsgrad bestimmt.

Plato scheint zu glauben, dass Materie ein willenloses Selbst von Ideen ist. In der Vedanta-Philosophie ist Materie keine Einheit, die von der Ewigkeit isoliert ist, sondern sie ist lediglich eine Erscheinung des Ewigen in Raum, Zeit und Kausalität. Die Aktivitäten der materiellen Welt sind alle bewusst auf die Erfüllung der kosmischen Selbstverwirklichung ausgerichtet. Materie ist kein willenloses Selbst, sondern kooperiert willentlich mit dem System des Kosmos. Wenn die Materie ihre Spiritualität vergessen hat, scheint sie wie ein Hindernis zu sein, doch wenn der Einzelne bewusst und überlegt nach Selbstverwirklichung strebt, wird er feststellen, dass das materielle Universum zur Trittleiter für das große Ziel wird. Man fühlt jedoch, dass Plato’s System förmlich nach Dualismus riecht, und eine Unterteilung zwischen der ideellen und der wirklichen Welt bzw. zwischen der ewigen und der vorübergehenden Welt ist, obwohl man sein System als ein vollkommen spirituelles System akzeptieren kann. Die glühende Verehrer Plato’s sind jedenfalls fest davon überzeugt, dass es sich auf Grund der beseelten Ideen des Guten um ein Nichtduales System handelt. Doch hier handelt es sich mehr um eine Interpretation als um eine Enthüllung. Alles hängt davon ab, wie viel Wirklichkeit Plato seiner phänomenalen Welt der Erscheinungen zubilligt.

Plato nähert sich in seiner Kosmologie mehr den Nyaya und Vaiseshika Philosophien, als anderen Schulen. Sein Demiurg (einem aus dem Urchaos der Welt erschaffenden Gott) erschafft lediglich eine Welt aus Materie und Geist, die bereits besteht. Der Demiurg ist kein wirklicher Schöpfer, sondern ein Architekt wie der Gott von Nyaya und Vaiseshika; er ist ein besonderes Wesen des Kosmos, der die bestehende Materie zur Welt ordnet. Die Ideen im Geist des Schöpfergottes von Plato könnte mit den subtilen vielschichtigen Offenbarungen in Form vom Hiranyagarbha der Vedanta verglichen werden. Doch Hiranyagarbha ist nicht nur eine ordnende Hand des aus Materie bestehenden subtilen Universums, sondern dieses Universum bildet den Körper von Hiranyagarbha. Manchmal bezeichnet Plato diese Ideen als „Das was ist“, als die einzige Wirklichkeit. Doch so lange wie diese Ideen eine Pluralität in sich tragen, ist das Attribut einer Absoluten Wirklichkeit kaum haltbar. Hiranyagarbha ist nicht die letztendliche Wirklichkeit, so doch ein kosmisches Prinzip, das die dem vielschichtigen Universum unterliegende Einheit erklärt, wobei Hiranyagarbha selbst den relativen Kategorien der phänomenalen Existenz zuzuordnen ist. Weiterhin spricht Plato von dem dynamischen Charakter der Ideen, ihren Aktivitäten und ihrer Schaffenskraft, was bedeutet, dass sie weit von der unveränderlichen Ewigkeit entfernt sind.

Plato’s Demiurg erschafft eine Weltseele, die im Universum den Charakter eines Organismus einnimmt. Der Weltkörper entstand nach dem Vorstellungsmuster der Ideen, die der Weltseele ihren Stempel aufdrückten. All dies findet ihre Ähnlichkeit in der dreifältigen Erscheinung des Schöpfers als Ishvara, Hiranyagarbha und Virat in der Vedanta. Von Plato wird jedoch die Weltseele als etwas Übles gebrandmarkt, obgleich Plato davor zurückweicht, diesen Punkt überzubewerten und die Saat einfach der Unvollkommenheit des Menschen selbst zuzuweisen.

Plato behauptet, dass Wissen weder etwas Neues ist, noch dass es neu erworben wird, sondern auf Erinnerungen bereits vorhandenen Wissens beruht. Gefühle sind keine Quelle des Wissens; Gefühle dienen nur dazu, um das versteckte Wissen im rationalen Teil der Seele zu aktivieren. Die Seele ist, bevor sie über die Sinne mit den Objekten in Berührung kommt, bereits ein Wissensträger. Aus Sicht von Plato hat die Seele ihre wahre Natur des Wissens vergessen, und sie wird daran erinnert, wenn sie mit den Kopien dieser Ideen (Objekte) in der Welt der Sinne in Berührung kommt. Wissen bedeutet ein Wiederentdecken dessen, was innerhalb der Seele vorhanden ist. Es wurde aber vergessen, weil die Seele im materiellen Körper gefangen ist. Wenn die niedere Natur überwunden wird, entdeckt die Seele ihre vergangene und ursprüngliche Schönheit des angeborenen Wissens in einem körperlosen Zustand wieder. Auf diese Weise setzt Plato die vorherige Existenz und die Unsterblichkeit der Seele ins Bild.

Die Vedanta hält sich bzgl. eines bereits vorhandenen Wissens, wie Plato es ausdrückt, zurück. Dieses ist nur in tiefer Meditation zu entdecken und zu verwirklichen, und philosophisch betrachtet, akzeptiert die Vedanta, dass alles, was wir wissen, lediglich eine unvollkommene Offenbarung des Absoluten ist. Doch würde die Vedanta nicht akzeptieren, dass es in der Wahrnehmung durch die Sinne irgendein bewusstes Erkennen der Absoluten Wirklichkeit gibt. Die verkörperte Seele erinnert sich in ihrer empirischen Wahrnehmung nicht an Übernatürliches; was sie sieht, ist eine Gegenwart des materiellen Körpers, der mit der Wirklichkeit verwechselt wird. In der Sinneswahrnehmung findet keine Erinnerung an die Ewigkeit statt, obgleich es philosophisch richtig ist, dass aller empirischer Drang ein verdrehter Schatten der eigenen Liebe zur Ewigkeit ist.

Plato sagt, dass die Wahrnehmung von sinnlichen Schönheiten ein Hinweis auf das Streben der Seele nach dem unsterblichen Sein ist. Eine Erinnerung an das Schöne (als Idee) ist in der Seele mit einem Gefühl von Liebe aufgestiegen. Auch die Vedanta betont das Gefühl von Liebe im Leben, und wenn der Weg bewusst verfolgt wird, ist dies ein Schritt hin zur Ewigkeit. Doch das sinnliche Gefühl des Schönen ist ein Trugbild des göttlichen Seins. Es ist wahr, dass sich die Wirklichkeit des Göttlichen in den Dingen widerspiegelt; doch was die verkörperte Seele in dem sinnlich Schönen anzieht, ist nicht das göttliche Element, sondern beim Erkennen ihres Ebenbildes durch der Sinneswahrnehmung wird die unvollkommene Seite ihrer Natur befriedigt. Etwas Schönes, wie es nie zuvor wahrgenommen wurde, ist nur ein in das wahrgenommene Objekt projizierter Wunsch. Dies wird in der Vedanta als Jiva-Srishti bezeichnet (etwas, das Schönheit in den Dingen erschafft). Doch Plato macht daraus einen Teil von Ishvara-Srishti oder außersinnliche Wirklichkeit. Es findet keine Wahrnehmung des Schönen ohne eine Subjekt-Objekt-Beziehung statt, und alle Beziehungen sind in der Einheit des ewigen Seins einbezogen. Das Absolute Sein ist in allen Dingen als Seelenwirklichkeit vorhanden, doch handelt es sich dabei nicht um die Sinneswahrnehmung, obgleich man zugeben muss, dass es keine Wahrnehmung ohne die Wirklichkeit im Hintergrund gibt. Schönheit ist das Ergebnis eines Austausches gegenseitiger unvollkommener Erfahrungen und ihrer entsprechenden Gegenstücke, die eine Erfahrung von Gleichmut, Erfülltsein, ein Gefühl von ‚Alles Besitzen‘, Ebenmaß, Rhythmus, Harmonie, System, Auftrag und Einheit geben, was letztendlich die Charakteristik des Absoluten widerspiegelt. Doch das Absolute wird nicht bewusst in ästhetischer Freude erfahren, denn hier wird die Charakteristik des Absoluten in Objekte projiziert und ihres wahren Wertes beraubt, denn das Absolute kann nur ohne Objektbeziehung erfahren werden. Schönheit ist eine Reflexion des Absoluten in der Sinneswahrnehmung, wenn die letztere eine Harmonie durch die gegenseitige Berührung von Subjekt und Objekt offenbart. Doch diese Erfahrung kann nicht zur Verwirklichung des Absoluten führen, wenn man sich darüber bewusst ist, was wirklich geschieht wenn das Schöne wahrgenommen wird und man es absichtlich in eine höhere Ebene konvertiert.