Erläuterungen zur Mandukya Upanishad

 

Das Mysterium von Traum und Schlaf: Hiranyagabha

Die erste Phase des Atman, das Wachbewusstsein, wurde erklärt. Im Inneren des Wachbewusstseins befindet sich etwas Subtiles, was als Traumbewusstsein, Taijasa, oder auch als kosmisch subtiles Bewusstsein, Hiranyagarbha, bekannt ist. Dieses ist das Thema des nächsten Mantras der Mandukya Upanishad, beginnend mit Svapnasthanah.

Der Traum hat seine Heimat in Svapnasthana. Dieses ist sich nur der inneren und nicht der äußeren Vorgänge (Antah-prajna) bewusst. Saptanga hat sieben Glieder. Ekonavimsatimukha hat neun Münder. Praviviktabhuk absorbiert in sich nur das Subtile. Taijasa ist die zweite Phase des Atman.

Jetzt befassen wir uns mit dem Traumbewusstsein, der Welt der subtilen Wahrnehmung. Wir sehen normalerweise Träume als Folge der Wahrnehmung des Wachzustandes, und man glaubt, dass jene im Traum gesehenen Objekte mehr psychologisch als physikalisch anzusehen sind. Im Wachzustand kommen wir wirklich mit Objekten in Berührung, doch im Traum berühren nur unsere eigenen Vorstellungen die Objekte. Im Weltlichen findet tatsächlich Zufriedenheit, Vergnügen und Schmerz statt. Im Traum hingegen begegnen wir dieser Zufriedenheit usw. nur in einer Vorstellungswelt. Im Wachzustand entstammen die Objekte nicht der eigenen Schöpfung, während im Traum die Objekte unserer eigenen mentalen Schöpfung entspringen. Dieses ist die allgemeinen Auffassung.

Die Mandukya Upanishad analysiert den Traum und kommt zu einem anderen Schluss. Wir betrachten die Traumwelt als unwirklich und den Wachzustand als wirklich. Doch dieses ist nicht die ganze Wahrheit, denn wir können nicht alle Aspekte betrachten. Wir müssen noch etwas genauer hinschauen, wenn wir beide Seiten miteinander vergleichen wollen. Doch wer kann dieses tun? Weder derjenige, der ständig wach ist, noch derjenige, der immer träumt. Eine richtige Beurteilung kann nicht auf die jeweiligen Zustände begrenzt bleiben. Genauso wie ein Richter vor Gericht weder zur einen noch zur anderen Seite tendieren darf, so darf hier der Beurteilende weder dem Wach noch dem Traumzustand angehören, um einen vollkommenen Vergleich anzustellen. Man kann nur richtig urteilen, wenn man beide Bewusstseinszustände gleichzeitig betrachten kann. Doch wer kann wirklich in diesem Fall richtig urteilen oder vergleichen? Man kann einen Vergleich beider Zustände nur anstellen, wenn man sie durchläuft. Wer durchläuft den Wach- und Traumzustand gleichzeitig? Wenn man von einem in den anderen Zustand springt, ist man jeweilig nur in einem Zustand, d.h., wenn man im Traum ist, ist man nicht wach und umgekehrt. Wie kann man in beiden Zuständen gleichzeitig sein? Solange man nicht in beiden Zuständen gleichzeitig ist, kann man sie nicht richtig vergleichen bzw. beurteilen. Doch wir stellen Vergleiche an und bewerten die Beziehungen der beiden Zustände. Dieses ist die Wahrheit der allgemeinen empirischen Wahrnehmung. Wir sind offensichtlich nicht ausschließlich im Wach- bzw. Traumzustand verankert. Wir unterscheiden uns von den besonderen Erfahrungen beider Zustände. Uns füllt weder der Wach- bzw. der Traumzustand vollständig aus. Wir sind in der Lage, Zeugen beider Zustände zu sein. Dieser Zeuge nimmt weder für den einen noch den anderen Zustand Partei. Wir können offensichtlich unabhängig von beiden Zuständen sein. Wir verkörpern ein drittes Element. Was ist dieses dritte Element? Dieses ist der Kernpunkt der Untersuchung in der Upanishad. Genauso wie man eine Expertenkommission einberuft, um komplizierte Vorgänge aufzuklären, so scheinen auch wir uns in eine unvorein- genommenen Untersuchungskommission zu begeben, um das Wachen und Träumen näher beleuchten zu können. Wir gehören weder vollständig zum Wach- noch Traumzustand. Wir versetzen uns in eine höhere Warte des Bewusstseins, wo wir den Wach- bzw. Traumzustand besser analysieren und beurteilen können.

Wenn wir die beiden Zustände ohne Vorurteil in vollständiger Wachheit beurteilen, so ist die Voraussetzung besser als der Traum, - und ohne jedes Vorurteil kommen wir zu erstaunlichen Ergebnissen. Warum glauben wir, dass die Objekte des Wachzustandes wirklich sind? Weil sie von funktionellem Wert sind. Die Nahrung des Wachzustandes und nicht die des Traums, kann unseren Hunger stillen. Aus diesem Grund sagt man, die Nahrung im Traum ist unwirklich. Doch wir vergessen dabei, dass die Nahrung im Traum unseren Hunger im Traum stillen kann. Warum stellen wir einen falschen Vergleich über die beiden Zustände an? Wir beschränken die Nahrung im Traum auf die Traumwelt und vergleichen dabei den Hunger von Traum und Wachzustand, und beziehen uns nicht auf die Nahrung in der jeweiligen Situation als solche. Wenn man sagt, wir sehen Menschen im Wachzustand, mit denen wir sprechen und handeln, so geschieht das Gleiche auch im Traum. Wir können im Traum anderen die Hände schütteln, kämpfen und sogar einen Traumtod in einer Schlacht erfahren. Wir können im Traum Gerichtsverfahren durchleben, plötzlich reich werden, Bürovorsteher oder Könige sein. Was macht es dabei für einen Unterschied, ob wir wachen oder träumen, wenn die Beziehungen zwischen uns und der Außenwelt in beiden Zuständen dieselben sind? Was lässt uns sagen, dass die Traumwelt unwirklich und der Wachzustand wirklich ist? Der Vergleich ist ungerecht. Wir sind parteiisch. Wir sehen nicht beide Seiten. Die Mandukya Upanishad lässt keine Beurteilung von außen zu. Man muss unvorein- genommen an den Kern herangehen. Sie lässt keine unterschiedlichen Positionen zu, weder auf Seiten des Wach- noch des Traumzustandes. Ein Philosoph sagte einmal: wenn ein König zwölf Stunden lang träumt, ein Bettler zu sein bzw. umgekehrt, worin liegt dann der Unterschied? Wer ist König und wer Bettler? Natürlich gehen wir davon aus, dass der König im Wachzustand der wirkliche König ist. Doch hier

stellen wir wieder einen falschen Vergleich an. Solche Vergleiche halten nicht Stand, denn sie unterliegen einem parteiischen Vorurteil. Der wache Geist beurteilt die erlebte Welt des Wachzustandes. Dieses ist nur die eine Seite, die von sich behauptet Recht zu haben, und die andere Seite nicht berücksichtigt. Das träumende Subjekt kommt zum gleichen Ergebnis bzgl. seiner Traumwelt. Man sieht dieses auf Grund des Wachzustandes als falsch an. Wenn man träumt, stellt sich diese Frage überhaupt nicht. Man ist mit dem Traum glücklich, man lacht oder weint im Traum. Warum sollte man im Traum weinen, wenn die Schmerzen im Traum unwirklich wären? Man könnte sagen: ‚Es ist ein Traum; warum sollte ich mich sorgen?‘ Wenn man im Traum einer Schlange begegnet, springt man über sie hinweg. Warum springen wir über die Traumschlange? Sie ist doch nicht wirklich!? Man ist erregt oder schreit gar vor Schreck auf. Man kann im Traum vom Baum fallen, sich dabei die Beine brechen, und man spürt wirklich Schmerzen. Manchmal zittern einem selbst beim Aufwachen noch die Beine. Man berührt sie und fragt sich, was ist geschehen? Es braucht seine Zeit, bis man feststellt, dass nichts geschehen ist.

Ein direkter Vergleich, unvoreingenommen, auf philosophischer Basis, zwischen Wachen und Träumen macht uns unbehaglich. Man weiß plötzlich nicht mehr, wo man sich befindet. Träumt man oder ist man wach. Man hat von etwas Besitz ergriffen oder auch nicht, - dieses ist nicht klar. Es verbessert auch nicht die Situation, wenn die Traumerfahrungen möglicherweise auf Grund der Eindrücke im Wachzustand entstanden sind. Es ist nur ein Weg der Argumentation. Wenn man Erfahrungen macht und diese analysiert, stellt man keinen Unterschied zum praktischen Leben fest. Es kann natürlich sein, dass die Eindrücke des Wachzustandes eine Traumwelt erschaffen, doch die Erfahrungen im Wachzustand haben auch ihren Ursprung. Wenn man die Erfahrungen in der Traumwelt als Folge der Eindrücke des Wachzustandes sieht, dann sieht man die Traumwelt als unwirklich an, doch dann muss man auch die Welt im wachen Zustand als unwirklich ansehen, denn sie beruht ebenfalls auf Erfahrungen, die zu anderer Zeit gemacht wurden. Wenn die Traumwelt die Folge einer Ursache ist, dann gilt dieses für die Welt im Wachzustand ebenfalls. Wenn der kausale Zusammenhang in unserer Beurteilung der Traumwelt dazu führt, dass diese unwirklich ist, dann muss dieses auch auf die Welt im Wachzustand Anwendung finden. Und warum klammern wir uns vielmehr an die Objekte im Wachzustand als in der Traumwelt? Wir klammern uns auch an Traumobjekte, doch wir vergessen sie meistens, wenn wir erwachen. Wenn man bei dem Vergleich der beiden Zustände die Traumwelt als unwirklich ansieht, warum vergleicht man die Welt im Wachzustand nicht mit einem höheren Zustand? Warum begrenzen wir die Analyse auf die beiden Zustände: Wachen und Träumen? Was lässt uns glauben, dass es nur diese beiden Zustände und nichts darüber hinaus gibt? Genauso, wie man im Traum keinen Vergleich mit dem Wachzustand anstellen kann, so kann man solange keinen Vergleich zwischen dem Wachzustand und einem höheren Leben machen, wie man aus diesem Leben nicht erwacht ist. Im Traum denkt man nur an die Traumwelt und nicht an einen Wachzustand. Man vergisst das Reich der wachen Welt. Man ist derart in die Traumwelt vertieft, dass man das Leben im Wachzustand vergisst, sodass man nach dem erwachen, und nicht früher, gespannt in die Welt des Wachzustandes geht. Wenn dieses mit dem Träumen geschieht, dann geschieht dieses auch mit dem Wachzustand. Wenn im Traum alles als etwas Wirkliches erscheint, scheint es auch im Wachzustand. In einer berühmten Analogie scheint ein Seil eine Schlange zu sein, und obwohl keine Schlange vorhanden ist, gerät man durch die Illusion in Panik. Das Seil war nicht erkennbar, denn wir sahen nur eine Schlange im Seil. Nachdem wir die Wirklichkeit in Form eines Seils erkennen, ist die Schlange nicht mehr vorhanden. Nur die Illusion durch unsere Beurteilung verursachte den Schreck, d.h. in dem Seil eine Schlange zu sehen. Wie in diesem Beispiel, stellt sich die Frage, ob wir die Dinge im Wachzustand wirklich richtig beurteilen? Was lässt uns glauben, dass die Welt, die wir im Wachzustand erleben, wirklich ist? Es ist dasselbe, was uns, anstatt des Seils eine Schlange zu sehen, entsprechend reagieren lässt. Wir werden durch die Objekte dieser Welt berührt. So wie unser Gefühl im Beispiel der Schlange durch die Wahrnehmung Besitz ergreift, so kämpfen wir beim Samsara auf Grund der Wahrnehmungen, die es in Wirklichkeit nicht gibt.

Die Schlange im Seil ist ein Mysterium. Man kann nicht sagen, es gibt sie, noch kann man sagen, es gibt sie nicht. Von einem Gesichtspunkt aus ist sie da, denn wir reagieren und springen über sie hinweg, andererseits ist sie nicht da, denn es handelt sich nur um ein Seil. So verhält es sich mit der ganzen Welt im Wachzustand. Die Welt existiert solange, wie wir sie sehen, wir an ihr kleben, über sie weinen und uns mit ihr abgeben, so wie wir uns mit der Schlange abgeben, die wir im Seil erkannt haben wollen. Doch wenn wir eine völlig andere Wirklichkeit sehen, wenn die Erkenntnis greift und das Seil gesehen wird, dann endet das Trauma über die Schlange. Eine ähnliche Erkenntnis werden wir erleben, wenn Licht in die Welt gebracht wird, - nicht das Licht der Sonne, - sondern das Licht der Weisheit oder die Verwirklichung. Wenn dieses Licht aufblitzt, wird die Schlangenwelt verschwinden und wir erkennen das Brahman-Seil. Dann werden wir ausrufen: ‚Oh, dieses ist alles! Warum bin ich unnötigerweise allen möglichen Dingen nachgelaufen?‘ So wie wir jetzt über ein Traumerlebnis nach dem Aufwachen sprechen, so werden wir uns gegenüber dieser Welt verhalten, wenn wir im Bewusstsein des Absoluten erwachen. Darum ist dieses die Welt, in der wir leben. Wir mögen sie als wirklich oder unwirklich ansehen. Beide Sichtweisen scheinen richtig zu sein: es ist richtig, die Welt ist da, denn wir sehen sie; und sie ist nicht wirklich da, denn sie ist einer höheren Erfahrung untergeordnet.

Dieses analytische Verstehen der Beziehung zwischen Wachen und Träumen lässt uns ein Licht auf die Beziehung zwischen Mensch und Gott werfen. So wie der Wachzustand die Traumwelt erschafft, so ist Gott der Schöpfer dieser wachen Welt. Und das, was geschieht, wenn wir aus dem Traum erwachen, geschieht auch, wenn wir

von dieser Welt zu Gott emporgehoben werden. Verliert man irgendetwas, wenn man erwacht? Nein! Dann verliert man auch nichts, wenn man Gott verwirklicht. Wenn man also das Gefühl hat, beim Erwachen aus dem Traum nichts zu verlieren, dann gilt dieses auch für die Gottverwirklichung bzgl. des Wachzustandes. Man verliert nichts durch die Gottverwirklichung. Man wird erhöht in seinem Dasein. In der Traumwelt sieht man Phantome, im Wachzustand fühlt man die Dinge real und in Gott sieht man die Dinge, wie sie wirklich sind. Dieses ist die Analyse der Traumerfahrung in Bezug auf den Wachzustand. Die Traumwelt befindet sich nicht außerhalb des Geistes; die Welt des Wachzustandes ist nicht außerhalb des Absoluten.

Träumen ist nicht nur ein metaphysisches Problem, sondern auch ein psychologisches Ereignis. Es handelt sich um die Rückkehr des Geistes von einer Welt gefühlsmäßiger Handlungen in sein eigenes Innerstes. Darum wird es als Antah-prajnah und als Praviviktabhuk bezeichnet. Es ist Antah-prajnah, weil der Geist eine Traumwelt unabhängig von den Operationen der wachen Sinne projizieren kann. Die Augen mögen geschlossen sein, doch man kann im Traum ‚sehen‘. Man kann die Ohren verstopfen, zu Bett gehen, und doch kann man im Traum hören. Das Gleiche gilt für das Schmecken und für andere Gefühle, obwohl die Sinne nicht wie im Wachzustand aktiv sind. Der Geist projiziert sich selbst als Sinne des Traumes und ist in der Lage, mit den Traumobjekten Kontakt aufzunehmen, wobei auch teilweise Offenbarungen desselben Geistes stattfinden. Der Geist teilt sich selbst in Subjekt und Objekt, Seher und Gesehenes. Man ist im Traum Betrachter sowohl als auch Betrachtetes. Die Traumwelt ebenso wie der Betrachter verschwinden mit dem Erwachen, wo vorher eine Vereinigung von Subjekt und Traumobjekten in Form in einem integrierten Bewusstsein stattfand. Eine ähnliche Vereinigung findet in Ishvara-sakshatkara oder der Gottverwirklichung statt. Die äußere Welt und ihr Betrachter kommen in einem universalen Bewusstsein zusammen. Dieses wird als Allwissenheit bezeichnet. In dem gleichen Sinne - wie im Traum - ist sich der wache Geist aller Dinge bewusst ist. Die Traumwelt ist nicht wirklich außerhalb, und genauso ist die Welt im Wachzustand nicht außerhalb von Gott. Und genauso, wie sich der Traumwelt im Wachzustand zurückzieht, so zieht sich die Welt des Wachzustandes in den kosmischen Geist von Ishvara zurück. Aus Sicht des Einzelnen können die Traumerfahrungen als Folge der Eindrücke des Wachzustandes angesehen werden. Doch es ist völlig anders, wenn man diese Bedingungen aus Sicht des Makrokosmos betrachtet. So wie man den individuellen Wach- und Traumzustände kennt, die durch das Bewusstsein belebt sind, und die als Visva und Taijasa bezeichnet werden, so gibt es aus Sicht des Kosmos Virat und Hiranyagarbha, die zu den kosmischen Wach- und Traumzuständen gehören. Während Taijasa im Allgemeinen eine Folge des individuellen Wachzustandes in der Welt (Visva) ist, so kann man nicht folgern, dass Hiranyagarbha eine Folge von Virat sei. Dieses ist der Unterschied zwischen individueller Wahrnehmung und kosmischem Wissen. Das Traumbewusstsein (Taijasa) hat bestimmte Charakteristika von Visva. Der subtile Körper hat dieselbe Kontur wie der physische Körper. Wenn der physische Körper eine Form ist, so ist der subtile Körper dessen Wesensart. Auf diese Weise hat der subtile Körper eine Verbindung zum physischen Körper und passt weitestgehend in Form, Struktur und Muster zum physischen Körper. Darum werden die Wörter Saptanga und Ekonavimsatimukha bzgl. Wach- und Traumzustand wiederholt.

Visva oder Jagaritasthana entspricht Saptanga und Ekonavimsatimukha; und so verhält es sich auch mit Taijasa oder Svapnasthana. Hiranyagarbha und Virat scheinen dieselbe strukturelle Formation zu besitzen, obwohl Hiranyagarbha subtiler als Virat ist. Hiranyagarbha und Virat sind beide von kosmischer Natur, und ihr Unterschied liegt nur im subtilen Bereich, aber nicht in der Struktur. Hiranyagarbha wird ebenso wie Virat als Zustand der Verwirklichung angesehen. Die sieben Köpfe, wie sie bzgl. Visva oder Vaisvanara beschrieben werden, treffen auch auf Hiranyagarbha und Taijasa zu. Taijasa (individuell) und Hiranyagarbha (kosmisch) sind Antahprajna, d.h. innerlich bewusst, weil ihre Objekte nicht physisch, sondern subtil sind. Sie werden aus den Tanmatras gebildet, d.h. Sabda, Sparsa, Rupa, Rasa und Gandha. Obwohl Wach- und Traumzustand vom Charakter, bezogen auf Saptangatva und Ekonavimsatimukhatva, ähnlich sind, so ist das Traumbewusstsein Praviviktabhuk, d.h. beides: individuell und kosmisch. Den Unterschied, den man bzgl. Visva und Vaisvanara macht, kann man auch auf Taijasa und Hiranyagarbha beziehen. Die Beziehungen sind jeweils identisch. Die Traumwelt ist aus individueller Sicht sehr komplex, doch aus kosmischer Erfahrung relativ einfach.

Psychologen und Psychoanalytiker, wie Freud, Adler und Jung im Westen haben die Traumwelt analysiert. Sie sind zu dem Schluss gekommen, dass Träume auf bestimmte Komplexe der Persönlichkeiten beruhen, wobei Freud sie auf Sex, Adler auf die Gefühle und Jung sie auf den allgemeinen Drang von Größe und Harmonie zwischen der introvertierten bzw. extrovertierten Natur bezog. Die Ansichten dieser Psychologen sind teilweise richtig, und wir können viel von ihnen lernen. Doch sie sind andererseits auch nicht ganz richtig. Die Psychoanalytiker gingen von der bewussten auf die unterbewusste Ebene und teilweise auch auf die unbewusste Ebene, doch sie haben den spirituellen Aspekt ausgelassen. Für die Psychoanalytiker existiert der universale Atman nicht. Alles ist Geist, ob unbewusst, unterbewusst oder bewusst. Man muss ihnen allerdings zu Gute halten, dass sie weiter gegangen sind als die Psychoanalytiker im Allgemeinen, die sich nur auf die Funktionen der Welt im Wachzustand beschränkten. Die Psychoanalytiker fanden heraus, dass es etwas unter der Bewusstseins- ebene geben müsste, d.h. Unterbewusstsein und Unbewusstsein, die von verschiedensten Komplexen angefüllt sind. Unsere Persönlichkeit macht mehr aus, als auf der bewussten Ebene erscheint. Die Psychoanalyse fand heraus, dass es eigentlich keinen freien Willen gibt, denn der so genannte freie Wille beschränkt sich auf das sichtbare Individuum. Wenn ein Arzt einen Patienten hypnotisiert, dann unterliegt der Patient dessen Willen, ohne zu wissen, dass er hypnotisiert wurde. Der Patient hat das Gefühl,

dass er nach eigenem freien Willen handelt. Die Psychoanalytiker glauben, dass unsere Freiheit auf diese Weise funktioniert, ohne zu wissen, dass wir durch eigene innere Impulse hypnotisiert sind, die sich aus den Komplexen ergeben, aus denen wir geschaffen sind. Wir sind also nicht wirklich frei. Der hypnotisierte Patient sagt auch von sich, er sei frei. Wenn er wieder gesund wird, in ein normales Bewusstsein zurückkehrt, handelt er jedoch anders als zuvor. Auch wir werden anders handeln als jetzt, wenn wir von unseren psychologischen Komplexen, in die wir heutzutage gefangen sind, befreit sind.

Jeder Mensch hat viele Komplexe. Auch aus Frustrationen können Komplexe werden. Zu Anfang haben wir kleine Wünsche. Nicht jeder Wunsch ist erfüllbar. Die Gesellschaft und die äußere Welt können nicht verleugnet werden. Beide stehen den Wünschen entgegen. Die Gesellschaft hat ihre eigenen Gesetze, die nicht alle individuellen Wünsche zulässt. Darum werden viele Wünsche durch repressive Maßnahmen unterdrückt. Wenn man Wünsche andauernd unterdrückt, wirkt man gekünstelt. Man ist nicht mehr man selbst. Wenn dieses über einen langen Zeitraum geschieht, werden die unerfüllten Wünsche zu Komplexen. Diese psychologischen Komplexe können zu Krankheiten ausufern, wie z.B. Stottern, Taubheit, Blindheit, Appetitlosigkeit, Leberproblemen, Lahmheit und andere Probleme. Es heißt, dieses geschieht über viele Jahre und vielen Inkarnationen, die wir durchlaufen haben. Wir bestehen aus Spannungen, Komplexen und künstlichen Situationen. Dieses ist Jivabhava, alles ist künstlich, schwierig, voller Spannungen und Leid. Diese Umstände verursachen Träume zum Zweck, um sich von den Wünschen zu befreien. Die unterdrückten subtilen Wünsche offenbaren sich im Traum, wenn der Wille nicht arbeitet. Die Wünsche können sich nicht im Wachzustand bemerkbar machen, da die so genannte Wirklichkeit dem entgegensteht. Man kann auch nicht alle Wünsche so einfach in die Welt hinausposaunen. Die ‚Leute‘ argwöhnen, zensieren und machen dem anderen das Leben schwer. Die Wünsche sind sehr intelligent. Sie wissen, wo sie sich Gehör verschaffen können und wo nicht. In der Traumwelt gibt es keinen Zensor. Es existieren weder Wille noch Intellekt oder rationales Denken, sondern nur Instinkt. Man lebt dann nur noch in einer instinktiven Welt. Die wirkliche Persönlichkeit gewinnt im Traum die Oberhand.

Träume können durch unterdrückte Wünsche hervorgerufen werden. Die westlichen Psychoanalytiker betonen allein diesen Aspekt. Doch indische Psychologen, wie Raja-Yogins und die Philosophen der Vedanta, haben auch andere Aspekte berührt. Natürlich können die Träume ihre Ursache in Frustrationen durch unerfüllte Wünschen haben. Doch dieses ist nicht die ganze Wahrheit, denn sie können auch durch das Karma in der Vergangenheit bedingt sein. Verdiente bzw. unverdiente Folgen können sich in Träumen widerspiegeln, wenn sie sich im Wachzustand keinen Ausdruck verschaffen können. Selbst die Gedanken anderer Menschen können uns berühren. Ein Freund, der intensiv an uns denkt, kann uns im Traum erreichen, oder wir machen Erfahrungen im Traum, die seinen Gedanken entsprechen. Die eigene Mutter, die weit weg ist, ruft beispielsweise nach uns und kann damit unseren Traum beeinflussen. Alles dieses bedeutet, das telepathische Einflüsse Träume erzeugen können. Im Falle eines spirituellen Suchers, kann der Guru einen Traum verursachen, um durch seine Gnade katastrophale Erfahrungen, die man sonst im Wachzustand durchmachen müsste, als Traum zu erfahren. Durch die Macht des Gurus, kann dadurch ein Beinbruch oder Fieber im Wachzustand verhindert werden. Auf diese Weise kann Saktipata auch im Traum stattfinden. All dieses ist den westlichen Psychoanalytikern unbekannt. Ishvara’s Gnade kann auch im Traum erfahren werden. Gott segnet uns mit bestimmten Traumerfahrungen. Wir fragen uns manchmal: „Warum erfahren wir dieses oder jenes nicht im Wachzustand? Warum wirkt der Guru nur im Traum? Warum erfahren wir Ishvara’s Gnade nur im Traum?“ Die Grund ist im gegensätzlichen Leben zu suchen, dass sich nur auf den Ausdruck des Egos beschränkt. Wir behindern Ishvara‘s und Guru’s gnadenreiches Wirken durch unser egohaftes Handeln. Im Traum ist unser Ego in gewisser Weise zur Ruhe gekommen. Es heißt, wir sind dann normaler und der Wirklichkeit näher. Darum ist es dann den gnadenreichen Mächten leichter als im Wachzustand zu wirken. Ein Arzt bringt seinen Patienten zuerst zur Ruhe und zum Schlafen, bevor der Heilungsprozess beginnen kann, weil sich sonst das Ego einmischen könnte. In der Hypnose wird der Patient zum Schlafen gebracht. Die Nerven müssen beruhigt werden. Die Erregungen des Geistes und das Ego dürfen dem Heilungsprozess nicht im Wege stehen. Der Traum kann in dieser Weise für das Wirken der höheren Kräfte vom Guru oder von Ishvara von Nutzen sein.

Träume können vielfältige Ursachen haben. Träume können ihre Ursache im Wachzustand haben, als Konsequenz von Eindrücken von Wahrnehmungen. Träume, die nur vom Geist ausgehen, werden als Pravivikta, Sukshma, d.h. als Nicht-körperlich bezeichnet, wie im Fall von Taijasa und Hiranyagarbha. Während Hiranyagarbha über kosmisches Wissen verfügt, so hat der Jiva, wie bereits dargestellt, keine solchen Kenntnisse. Hiranyagarbha ist Ishvaras Form, und Taijasa ist Jivas Form. Auf diese Weise ist die Traumwelt ein zweifaches Mysterium.