Yoga als eine universale Wissenschaft

  Kapitel 15:

  Theorie und Praxis der Meditation (1)

Nun betreten wir ein Kapitel, das sich ausschließlich mit der Praxis beschäftigt, während wir uns zuvor mit den theoretischen Grundlagen des Yoga, wie von Patanjali dargelegt, beschäftigt haben. Vielleicht ist der praktische Teil auch der schwierigste Teil der Lehre. Dharana, Dhyana und Samadhi sind die letzten drei Stufen und bilden den Hauptteil des Yoga beim achtfachen Yogapfad. Die vorhergehenden Kapitel sind das Vorspiel zu diesem letzten Sprung, der den Sucher in das Unbekannte führt. Im vorhergehenden Kapitel wurden einige Ideen über Dharana - die Konzentration -, seine Bedeutung und seinen Wert dargelegt. Im Allgemeinen wenden sich die Yogaschüler unter dem Eindruck, daß Yoga Meditation bedeutet, direkt der Meditation zu. Obwohl diese Auffassung richtig ist, so ist es doch ohne eine gute Vorbereitung mit Hilfe verschiedener Yogatechniken, für den Geist ein schwieriger Prozeß. Wenn wir uns zur Konzentration hinsetzen, können wir uns prüfen, wie wir uns dabei fühlen. Fürchten wir uns? Sind wir erschöpft? Möchten wir so schnell wie möglich wieder aufstehen und geht unsere Aufmerksamkeit in irgendeine andere Richtung? Haben wir manchmal das Gefühl, daß die Konzentration oder Meditation schmerzhaft für uns ist, und möchten wir uns so schnell wie möglich wieder davon befreien? Oder sind wir andererseits beglückter, je häufiger und länger wir uns zur Konzentration hinsetzen? Fühlen wir, wenn wir uns nach der Meditation erheben mehr Energie, mehr Zufriedenheit und mehr Verständnis für die Dinge als zuvor? Oder fühlen wir, wenn wir uns erheben, eine Art Niedergeschlagenheit, so als würde unsere Hoffnungslosigkeit bestätigt oder haben wir ein flaues Gefühl? Diese Fragen sollte sich jeder stellen, und die Antworten lassen ihn erkennen, wo man steht.

Wähle den Konzentrationspunkt

Yogalehrer können hunderterlei über die Konzentration erzählen. Jeder Yogalehrer wird seine eigene Technik propagieren, - was auch immer er studiert haben mag, oder was auch immer er gehört hat, oder was auch immer er selbst praktiziert. All diese Methoden sind zulässig. Alle Methoden sind gut, vorausgesetzt sie werden mit dem rechten Ernst betrieben. Die Anfangsschwierigkeiten liegen für jeden Yogaschüler in der Wahl des Konzentrationobjektes; dabei geht es um die Frage, ob man ein inneres oder äußeres Objekt wählen sollte? Dies ist schwer zu entscheiden, denn beide Alternativen scheinen richtig zu sein, und der Schüler schwankt zwischen diesen beiden Alternativen. Selbst wenn er sich für das eine oder andere entscheidet, weiß er nicht, was er sich vorstellen soll. Woran denkt der er? Viele antworten dann: "Wenn ich mich konzentriere, denken ich an nichts." Dies ist eine dumme Antwort. Es ist unmöglich, an nichts zu denken, solange man nicht schläft oder sich in einem übernatürlichen Zustand des Bewußtseins oder in einer Versenkung befindet. Ein Anfänger kann sich nicht in einem Zustand befinden, wo der Geist nicht aktiv ist. Es mag aufgrund totaler Versenkung in eine Sache so ausschauen, als gäbe es keine Aktivität. Wenn sich der Geist weit in eine Richtung hineinbewegt, kann es so aussehen, als ob keine Aktivität mehr vorhanden wäre, doch der Geist bleibt aktiv.

Um diese Schwierigkeiten der Auswahl zu vermeiden und nach eigenem Gutdünken zu entscheiden, wurde immer empfohlen, die Schüler einzuweihen. Einweihung bedeutet, daß die Schüler mit dem Konzentrationsprozeß und der Beschreibung des Objektes vertraut gemacht werden, wobei auf kleinere Schwierigkeiten, die dem Schüler beim Üben auf dem Weg begegnen könnten, hingewiesen wurde. Besonders bei der traditionellen Mystik bzw. Yoga hat normalerweise niemand selbständig begonnen. Jeder erhielt eine Vollmacht oder eine Einweihung von einem Meister. Selbst alle großen Meister hatten ihren Guru. Die Einweihung auf diesem mystischen Yogapfad, der Meditation, der Spiritualität oder dem Gottesbewußtsein ist durch einen Guru erforderlich.

Jedes Objekt ist so gut wie das andere, vorausgesetzt es ist möglich, die Werte zu finden, nach denen wir im Leben suchen. Das Objekt selbst ist unbedeutend. Was wir in ihm sehen ist wichtig. Das Visualisieren der Werte in dem Objekt ist als Folge von Bedeutung und nicht das substantielle Objekt. Was ist in dem Menschen oder in den Dingen dieser Welt, mit Ausnahme der Bausteine, aus denen die Dinge bestehen, wie Erde, Luft, Feuer, Wasser und Äther? Der Körper eines jeden Menschen besteht aus diesen Elementen, und jedes gesegnete Ding besteht ausschließlich aus diesen Elementen. Doch erkennen wir darüber hinaus keine Unterschiede? Der eine Mensch hat diesen, der andere jenen Wert. Das eine Ding ist dies, das andere ist etwas anderes. Wir müssen aus gutem Grund etwas in den Menschen und Dingen der Welt erkennen. Und das, was wir in den Menschen und Dingen lesen, hat Konsequenzen für uns und nicht für jene Menschen oder Dinge. Ansonsten gibt es nichts Wertvolles in dieser Welt, es sei denn, wir erkennen irgendeinen Wert darin.

Das Visualisieren der Werte in den Meditationsobjekten und Objekten der Verehrung

Das Visualisieren der Werte in den Objekten ist ebenfalls schwierig. Wenn wir ein Bildnis, eine Idee oder etwas Körperliches verehren, verlagern wir die gesamte Charakteristik des transzendenten Seins auf dieses Objekt. Verneigen wir uns nicht häufig vor Fotos oder Portraits von Persönlichkeiten, die wir als verehrungswürdig erachten? Was gibt es außer Papier und Tinte in einer Fotografie? Verneigen wir uns nicht vor Papier und Tinte? Nein. Aufgrund unserer Psyche, die etwas Besonderes mit diesem Objekt verbindet, stellen wir zu diesem Foto einen bedeutsamen oder besonderen Zusammenhang her. Dies scheint fremdartig und nur schwer verständlich. Niemand weiß, worin die tiefere Bedeutung bzw. der Wert liegt oder wo es herkommt; ob es von uns selbst ausgeht oder ob es vom Objekt kommt. Man kann nicht sagen, daß es von unserem Kopf ausgeht. Wir verehren nicht irgend etwas in unserem Kopf, denn wir sehen etwas außerhalb. Und doch kann man nicht behaupten, daß es wirklich außerhalb ist. Es findet eine seltsame Vermischung von Werten statt. Religiöse Menschen glauben, daß es mit der Natur des Geistes zu tun hat, mit der Charakteristik ihres Strebens nach Gott. In jeder Religion gibt es bestimmte Vorstellungen, selbst bei denen, wo kein besonderer Wert auf Idole und Bildnisse gelegt wird. Es gibt keine Religionen ohne Idole. Lediglich die Definition unterscheiden sich. Einige verehren Steine, andere verehren Bildnisse, Marmorstatuen, Portraits oder gar eine Art von Atmosphäre, die sie physisch erschaffen, wo gebetet und wo jene Atmosphäre als das Idol ihrer Anbetung angesehen wird. Welcher Gestalt das Idol auch immer sein mag, es handelt sich um einen Gedanken, der notwendigerweise aus dem religiösen Streben heraus, die physikalische äußere Atmosphäre überlagert. Auf diese Weise beten wir in den Tempeln, Auditorien, Kirchen oder Moscheen, wo sich unser Geist versammelt, um eine Macht anzurufen, die als Gegenwart gefühlt und damit in das Bildnis, den Gedanken oder das Portrait transferiert wird und dann irgendwie in mysteriöser Weise beseelt, wobei es in der Lage ist, nur durch den Anhänger und niemanden sonst geschätzt zu werden. Wir fangen an, das Durchdringen von irgend etwas Mächtigem in dem Objekt unserer Anbetung zu fühlen. Wir opfern unsere Gebete irgendeinem körperlichen Objekt. Es handelt sich nicht um eine Gebet oder ein Verehren eines Gemäldes im körperlichen Sinne. Es ist eine psychologische Atmosphäre, die wir in uns aktivieren. Oder besser ausgedrückt, es handelt sich um eine spirituelle Atmosphäre, die sich unter bestimmten Bedingungen jenseits unseres psychologischen und logischen Horizontes erhebt. Religion übersteigt die Grenzen des Wissens und der Logik, und sie können nichts darüber mitteilen. Sie können nichts sagen, denn sie liegen außerhalb des religiösen Bereiches.

Der religiöse Geist und das Einfließen der Seele in das Absolute

Es gibt etwas im Menschen, das sich den Definitionen von Wissen und Logik widersetzt. Es gibt etwas im Menschen, das ihm sagt, das er mehr als ein Mensch ist, obwohl er sich selbst nur als Mensch betrachtet. Es gibt so eine Ahnung, daß in uns mehr als nur ein Mensch steckt, und dieses Gefühl kommt in einem Zustand intensiven Entzückens an die Oberfläche, was entweder durch große Freude oder Sorge verursacht wird. Heftige Schmerzen und ausgelassene Zufriedenheit durchbrechen die Grenzen unserer Persönlichkeit. Zu diesem Zeitpunkt fühlt man sich weder als Mann noch als Frau. Man ist in dieser Situation jemand, den man nicht beschreiben kann. Dieser Geist, der den Einzelnen manchmal überkommt und die Grenzen durchbricht, ist ein religiöser Geist. Niemand kann Religion definieren. Nur jemand, der religiös ist, weiß was Religion ist. Religion ist weder etwas, was man in einem Buch beschreiben kann, noch ist es etwas, was man in Bibliothek als Information finden wird. Niemand, kann weder ‘Sorgen’ definieren, und noch Freude beschreiben, es sei denn, er hat es am eigenen Leib erfahren. Seht! So verhält es sich mit diesem religiösen Geist, der die Ursache aller Ursachen ist, der hinter unserer Lebensmühsal steckt, der uns um etwas bemühen läßt, das wir nicht in dieser Welt sehen und doch in allen Formen visualisieren können. Die Menschen beten Bäume, Steine und selbst den Himmel an, der scheinbar leer ist. Sie schauen in die Leere und beten zur großen Allmacht, die sie gegenwärtig fühlen, gleichgültig, ob sie es mit ihren Augen, oder ob sie es mit ihrem normalen Geist wahrnehmen oder nicht. Wenn wir nicht von einem religiösen Geist besessen sind und die Bedeutung von Religion nicht richtig verstehen, wird es für uns unmöglich, Yogakonzentration oder Meditation ernsthaft zu beginnen.

Meditation oder Konzentration ist kein Experimentieren mit irgendwelchen Dingen, sondern es ist ein Einfließen der Seele in das Absolute, wobei sie von dem Wert vollkommen überzeugt ist, und darum ist es nicht notwendig, in irgendeiner Form zu experimentieren. Wenn jemand mit Yoga experimentiert, kommt nichts dabei heraus, genauso wenig wie man mit Menschen experimentieren darf, um zu sehen, ob beispielsweise jemand ein guter Freund ist oder nicht. Man wird durch etwas zum Freund, was jenseits unserer normalen mit Wissen behafteten Beobachtungsgaben liegt. Wir werden manchmal direkt zu etwas, zu jemanden hingezogen oder durch Faktoren abgestoßen, die häufig genug jenseits unseres Urteilvermögens liegen. Wir mögen etwas oder mögen plötzlich etwas nicht, nicht weil wir einen logischen Entschluß aufgrund einer gründlichen Analyse gefaßt haben, sondern weil uns etwas beeinflußt, was jenseits dieser Welt ist. Wenn wir wirkliche Yogaschüler sind, wird uns ein derartiger Geist besitzen, besonders dann, wenn wir auf der Stufe von Dharana oder Dhyana sind. Dies sind sehr weit fortgeschrittene Stufen, und wir sollten nicht glauben, daß wir immer bereit dazu sind. Wir müssen die vorhergehenden Yogastufen geradewegs tief durchschreiten und schauen, wo wir uns bezüglich der Anforderungen befinden. Wir haben versucht, etwas über Yama, Niyama und die anderen Stufen zu verstehen, - jene Stufen, die dieser Stufe vorausgehen, über die wir gerade sprechen. Wir sollten nicht glauben, daß alles vorbei ist, und wir hätten all diese Stufen umgangen. Niemand kann sie so einfach umgehen, denn ihre Fangarme können jeden einfangen, gleichgültig welche Größe jemand erreicht haben mag. Niemand hat die Größe, die Welt vollständig zu beherrschen. Darum müssen wir jederzeit wachsam sein, auch wenn wir manchmal glauben, im Yoga ziemlich weit fortgeschritten zu sein, - selbst dann, müssen wir wachsam sein und prüfen, ob wir mit beiden Beinen in der Bedeutung der vorhergehenden Stufen fest verwurzelt sind.

Wir können alles als unser Konzentrationsobjekt auswählen, denn alle Objekte sind gleich gut, insoweit wie diese Objekte wiederum mit allem verbunden sind. Wenn wir eine Sache kennen, besteht keine Notwendigkeit andere Dinge kennenzulernen. Das ist die Natur. Wenn wir uns in irgend etwas tief versenken, sind wir in die Tiefen aller Dinge gegangen. Wenn wir eine Sache richtig berührt haben, haben wir alle Dinge berührt. Auf diese Weise können wir uns zu unserem Zweck für jede Form entscheiden. Häufig wählen sich die Menschen ein Gottesideal als Konzentrationsobjekt. Dies wird sehr häufig gemacht, obwohl auch andere Menschen ein reine unpersönliche Form, wie eine Flamme, Blume oder ein strahlendes Licht als Objekt nutzen. Der Grund, weshalb die Menschen ein Gottesideal als Konzentrationsobjekt wählen, ist der Glaube an Gott. Wir können uns davon nicht lösen. Auf diese Weise sind wir wohl oder übel davon angezogen, und welche Vorstellung wir auch immer von Allmacht haben, diese Vorstellung wird sich bei Dharana durchsetzen. Welches Gottesideal wir auch immer haben, welche gedankliche Vorstellung wir auch immer damit verbinden, ist richtig. Die Psychologie oder die Konzentrationslogik läßt sich auf alle Formen anwenden, ob sie religiös oder nicht religiös ist. Die Schöpferidee ist der allgemeine Anfangsgedanke in der religiösen Praxis, und wir können diese Technik insoweit hervorheben, als dies die Vorliebe allen Denkens bei allen Religionen ist. Wer kann leugnen, daß er sich nicht manchmal zu etwas Unsichtbarem hingezogen fühlt, von dem er sich Beistand erhofft, wenn er am Ertrinken ist? Der innere Geist, der sich selbst in einer größeren Gemeinschaft zu überwinden versucht, ist der religiöse Geist. Dies muß uns in unserer Yogapraxis leiten. Darum laßt uns für unser Gottesideal als Konzentrationsobjekt im Yoga entscheiden, denn wir haben keine andere Wahl.

Gott und seine Allgegenwart

Die nächste Frage beschäftigt sich damit, wie wir uns selbst bei unserer Hingabe zu Gott in unserem Herzen richtig verhalten können. Was ist Gott? Welche Vorstellung wir auch immer von dem Schöpfer haben mögen, welcher Religion wir auch immer angehören, wir glauben sicherlich an die Allgegenwart Gottes. Und diese Vorbedingung in Bezug auf den Absoluten Schöpfer gilt für alle Religionen, und niemand wird behaupten, daß sich Gott nur an einem Ort befindet. Während dies die Grundidee bei allen Religionen ist, so ist es doch für den Geist sehr schwierig diese Allgegenwart Gottes zu glauben. Man kann sagen, daß Gott allgegenwärtig ist, doch wir können uns dies nicht wirklich vorstellen. Wir mögen uns um diese gedankliche Vorstellung bemühen, doch es wird meistens schiefgehen. Denn diese Verwicklung ist verheerend, und wir sind nicht darauf vorbereitet. Wir können nur sagen, daß ER allgegenwärtig ist und dann stillschweigen. Doch sollten wir in die Bedeutung oder die logische Folgerung dieser Tatsache unseres Akzeptierens nicht tiefer eindringen. Also belasten wir unseren Geist nicht allzusehr damit und geben uns mit der Allgegenwart Gottes zusammen mit Seiner Allwissenheit zufrieden, und setzen unsere tatsächliche Idee von Gott noch in Beziehung mit der Allgegenwart göttlichen Seins, um Seine Allgegenwart zu respektieren. Was allgegenwärtig ist, muß automatisch auch allwissend und allmächtig sein. Dies folgt und muß folgen. Was überall ist, steht auch mit allem in Verbindung, und darum kennt es auch alles. Daraus schließen wir, daß der Allgegenwart auch Allwissenheit folgt. Insoweit, wie ER alle Wurzeln und Zweige kennt, muß ER auch über alles wachen, und darum ist ER allmächtig. Darum ist Gott allgegenwärtig, allwissend und allmächtig. Sarvantaryami, Sarvajna, Sarvasaktiman ist Gott.

Wenn Gott überall ist, dann ist ER auch in allem. Darum können wir alles als Symbol Seiner Gegenwart betrachten. Dies zieht uns zu Bildnissen, Formen, Ideen oder was auch immer hin. Das, was überall ist, befindet sich auch in jeder Einzelheit. Wenn ER in jeder Einzelheit zu finden ist, so ist auch alles als Konzentrationsobjekt geeignet. Alle Formen sind Gesichter oder Finger Gottes. Darum kann sich der Yogaschüler glücklich schätzen, daß er auf Gott selbst, den Schöpfer, meditiert, obwohl er nur ein kleines Bildnis vor sich hat. Dies macht nichts, denn selbst dieses kleine Bildnis ist Teil Seiner Gegenwart. Der Schüler sollte sich tief im Inneren selbst als Teil dieses großartigen Schatzes betrachten, daß er seinem Meditationsobjekt auferlegt. Dies ist notwendig.

Wenn jede Form in der Lage ist, Seine Allgegenwart zu bewahren, und wenn es nur einen Schöpfer gibt, dann erfüllt jede Form ihren Zweck. Und darum kann es keine unterschiedlichen Glaubensgrundlagen in den verschiedenen Religionen geben. Auf diese Weise ist jede Differenzierung der Religionen untereinander falsch. Dies kann man nicht als Religion bezeichnen. Dies ist ein Hohn. Wenn Religionen soziologisch und politisch werden, was tatsächlich geschieht, ist das ein Hohn, - um so schlimmer für eine Religion. Es ist unsere Pflicht, die Religionen nicht auf diese Weise zu betrachten, sondern so, wie sie eigentlich sein sollten. Von diesem Standpunkt aus betrachtet, ist jede Form ein "Fahrzeug" der allgegenwärtigen Allmacht. Eine derartige innere Überzeugung wird in uns eine Kraft der Freude hervorrufen, eine Macht der Zufriedenheit, einen Drang, den wir manchmal nicht in der Lage sind zu kontrollieren. Wenn diese Überzeugung tief in unseren Geist eingedrungen ist, daß die Formen die Allgegenwart Selbst darstellt, werden wir von dem Kern und bei dem bloßen Gedanken daran überwältigt und verblüfft zugleich sein. Und dieses religiöse Erstaunen, wird durch die Macht der Konzentration hervorgebracht. Das ist Meditation. Tiefe Meditation ist nichts weiter als ein Zustand eines erstaunten Geistes, der sich von Angesicht zu Angesicht der allgegenwärtigen Allmacht in einer Form, einem Bildnis, einer Vorstellung oder irgendeinem Idol gegenübersieht. Wenn wir uns zur Konzentration oder Meditation hinsetzten, sollte solch ein religiöser Geist von uns Besitz ergreifen.

Meditation - eine kosmische Aktivität und kein individuelles Ereignis

Nachdem wir uns mit den übernatürlichen Aspekten der Meditation beschäftigt haben, kommen wir nun zum praktischen Teil für die Eingangsstufen. Wie sollen wir uns am Anfang verhalten? Wir müssen sitzen; das ist alles. Sthira-sukham asanam: wir müssen sitzen und nicht stehen. Wir haben bereits kennengelernt, daß es sich nicht um eine richtige Haltung handelt. Wir können uns nicht hinlegen. Wir müssen uns in solch einer Asana hinsetzen, die angenehm ist und nicht schmerzt. Und wir sollten unseren Geist mit noblen, feinfühligen und göttlichen Gedanken betrauen. Wir sollten zu uns selbst sagen, daß wir für einen großartigen Zweck sitzen, selbst wenn es nur für einige Minuten ist, und daß es nicht nur für uns selbst, sondern für die ganze Gesellschaft oder gar für die ganze Welt wertvoll ist.

Daß es sich bei der Meditation lediglich um ein individuelles Ereignis handelt, ist falsch und muß darum aus unserem Gedankengut entfernt werden. Viele sogenannte spirituelle Menschen und religiöse Anhänger vertreten die irrtümliche Auffassung, daß Meditation eine individuelle Angelegenheit wäre und keine Beziehung zu anderen Menschen hätte. Einige spirituelle Sucher mögen diese Auffassung vertreten. Andere wiederum machen einen Unterschied zwischen sozialem Service und spiritueller Meditation, als wären es zwei verschiedene paar Schuhe. Sie glauben, daß sozialer Dienst eine größere Anzahl Menschen erreichen würde, als die individuelle Meditation, die nur für den Meditierenden selbst gut sei. Dieser Gedanke spukt mächtig in unseren Köpfen herum, selbst wenn wir den Rand Gottes berühren. Der Teufel will uns selbst im letzten Augenblick nicht verlassen. Der Teufel ist am übelsten, wenn er unseren Intellekt direkt angreift, und danach können wir nicht mehr ordentlich denken. Wer auf Erden behauptet denn, daß sich das Äußere vom Inneren unterscheidet? Haben wir nicht wiederholt darauf hingewiesen, daß es in dieser weiten Schöpfungsmacht von Purusha und Prakriti, nichts Innerliches und Äußerliches gibt? Was ist in dieser weiten Atmosphäre eines Beziehungssystems von Werten, - genannt Schöpfung -, innen und außen? Wieso kann es da ein individuelles Bemühen geben? Ist nicht die Bhagavad Gita das große Epos darüber, daß es so etwas wie individuelle Aktivität überhaupt nicht geben kann? So etwas existiert nicht, und darum gibt es auch keine individuelle Meditation. Es gibt kein: ‘Meine Meditationspraxis’. Darum ist es auch dumm zu glauben, daß Sozialarbeit sich von spiritueller Meditation unterscheidet. Beide sind nicht voneinander trennbar. Meditation ist eine kosmische Aktivität und kein individuelles Bemühen. Es ist nicht nur ein Mann oder eine Frau, die irgendwo in der Ecke eines Hauses sitzen und über irgend etwas nachdenken, - was dann ‘Meditation’ genannt wird, - sondern es ist die Berührung der Wurzel und der Schalthebel des Kosmos. Wenn wir uns den Anforderungen aufrichtiger Konzentration oder Meditation anpassen, mischen wir uns direkt in die Struktur des Kosmos ein. In diesem Augenblick sind weder Individuen noch Teil der Gesellschaft, sondern wir sind Funken des ‘Spirits’ und Teil der Kosmischen Kraft. Wenn ein einzelner Tropen des Ozeans ganz normal zu denken anfinge, würde dieser Tropfen den ganzen Ozean beeinflussen. Es gibt diese Art von individuellen Tropfen natürlich nicht. Jeder einzelne Tropfen ist der Ozean als solches. Wenn dieser Ozean nun aktiv wird, wird der ganze Ozean aktiv. Wenn nun ein Einzelner anfängt, sich mit dem richtigen Verständnis zu konzentrieren, konzentriert sich das ganze Universum. Welche Freude, welch eine Zufriedenheit, welch eine Energie steigt auf und wie glücklich ist der einzelne Mensch dabei! Danach ist man nicht mehr in der Lage zu sprechen. Der Mund bleibt angesichts dieser enormen einströmenden Energie und ebenso einwirkenden Freude, aufgrund des richtigen Verstehens der wahren Bedeutung der Konzentration, geschlossen. Wie großartig Yoga ist! Dies müssen wir reflektieren und die Wahrheit über Dharana und Dhyana verstehen. Wir tun nichts für uns allein, sondern für alle. Den größten Dienst, den wir der ganzen Schöpfung erweisen können, ist das Vereinen mit dem Schöpfer, der sich nicht von Seiner Schöpfung unterscheidet.

Der spirituelle Sucher muß sich diese ehrenwerten Gedanken immer wieder vor Augen führen. Es mag einige Zeit dauern, bis dies möglich ist. Das heißt nicht, daß er in dem Augenblick daran denken muß, wenn er sich zur Meditation hinsetzt. Der Geist wird das nicht mitmachen, denn der hat seine eigenen Einstellungen, Ängste, Gefühle und Sorgen. Wenn man Emotionen und Spannungen verspürt, sollte man nicht meditieren. Dann sollte man sich besser hinlegen, ausruhen oder eine Stunde schlafen. Wenn man sehr viel innere Unruhe verspürt, wäre es ratsamer, sich hinzulegen und zu schlafen, eine Tasse Tee zu trinken oder einen langen Spaziergang zu machen, um darüber nachzudenken, was die Sorgen im Geist verursacht haben mag. Niemand kann ein Freund Gottes sein, wenn er gleichzeitig ein Feind der Menschen ist. Man muß mit jeder Stufe der Schöpfung im Frieden leben, und Yoga ist nichts weiter, als mit jeder Stufe der Schöpfung Freundschaft zu schließen. Alle Spannungen und Ungleichheiten werden auf allen Ebenen schrittweise überwunden. Darum sollte man innerlich eine gesunde Einstellung haben, wenn man sich zur Meditation hinsetzt. Sonst wird es langweilig, denn diese edlen Gedanken werden nicht auf ewig den Geist beschäftigen. Manchmal kommen solche Gedanken in Gegenwart großer Persönlichkeiten, man liest gerade eine großartige Schrift oder ein Wunder geschieht.

In diesem Gemütszustand, mit einem ernsthaften Geist, ohne ablenkende Gedanken oder Ideen, sollte man sich in angenehmer Haltung hinsetzen und versuchen, sich in der vorgeschlagenen Art und Weise zu konzentrieren. Zu Anfang bedarf es bei der Konzentration möglicherweise einer äußeren Form. Wie könnte man - ohne irgendeine äußere Form - an irgend etwas denken? Dies ist der Grund, warum viele Schüler vor sich ein Bild aufstellen. Es mag sich dabei um ein Bild von Christus, Krishna, Devi oder irgendeiner anderen gesegneten Persönlichkeit handeln. Der Meditierende schaut mit offenen Augen auf das Bild der Inkarnation, die er als Göttlich verehrt. Fühlen wir uns nicht berührt, wenn wir ein Bild einer großen Persönlichkeit anschauen, die wir als ein mächtiges Genie in dieser Welt verehren? Wieviel mehr fühlen wir uns berührt, wenn es sich dabei um eine göttliche Inkarnation handelt? Wenn wir ein göttliches Bild anschauen, sind wir berührt. Warum müssen wir uns erst den Inkarnationen zuwenden? Selbst wir uns einem Portrait eines Meisters auf irgendeinem Gebiet des Lebens zuwenden, fühlen wir uns irgendwie berührt. Dies empfinden wir selbst bei Churchill, Chruschtschew, Einstein oder Kennedy. Wenn wir uns diese Gesichter anschauen, fühlen wir uns im psychologischen Sinne irgendwie bewegt. Und wenn wir vor uns ein Portrait von solch großen Persönlichkeiten wie Krishna, Jesus Christus oder Mohammed, oder mystischen Meistern wie Laotse, Konfuzius, Zoroaster oder anderen großen Meistern, die diese Erde je betreten haben, anschauen, fühlen wir uns irgendwie über uns selbst hinaus gehoben. Dieses erhebende Gefühle ist bereits Konzentration und Meditation. Wir können uns beim Anblick dieser Bilder nicht selbst in diese gehobene Stimmung versetzen; dies geschieht automatisch. Aus diesem Grunde nutzen wir diesen psychologischen Vorteil eines Bildes für unsere Meditation. Dies sind die ersten Schritte der Konzentration. Viele Menschen lieben ihren Vater oder ihre Mutter außerordentlich. Darum laßt diese Menschen Bilder ihrer Eltern zur Meditation benutzen. Andere wiederum mögen aus irgendwelchen Gründen bestimmte Dinge (Bilder) dieser Welt, und auch diese Dinge sind genauso gut, vorausgesetzt sie versetzen uns in die Lage, daß wir uns über uns selbst erheben.

Die Technik und die Meditationsstufen

Man sollte ein Bild bzw. Bildnis betrachten, sollte das Idol anschauen und seine Größe, Würde, Sublimierung, Ausstrahlungskraft, das Wissen, die Macht und die Fähigkeiten desjenigen oder dessen Inkarnation spüren. Dann sollte man die Augen schließen, das äußere Bildnis vergessen und aus dem Geist verbannen. Und so sollte man darüber nachdenken: "Wie mag Einstein wohl gedacht haben? Er war eine großartige Persönlichkeit. Wie hätte er wohl gedacht? Woran liegt es, daß ich nicht so wie er denken kann?" Wenn man seine eigenen Gedankengänge analysiert, wird man automatisch emporgehoben. Der Verstand Einsteins konnte über die Grenzen weltlicher Objekte hinausgehen und in die Mystik von Raum, Zeit und Ursache eindringen. Oh, wie wundervoll! Wie mag Jesus Christus zu seiner Zeit wohl gedacht haben? Was für Gedanken hatte wohl Krishna? Was mag er jeden Tag, von morgens bis abends, gedacht haben? Wenn wir uns andauernd damit beschäftigen, könnten wir verrückt werden. Wie müssen wir uns vorstellen, was sie gedacht haben? Was mag Sankaracharya wohl jeden Tag - von morgens bis abends - gedacht haben? Woran hat wohl der Herr Krishna gedacht? Woran mögen Brahma, Vishnu oder Shiva in diesem Augenblick wohl denken? Wir werden sofort verrückt, wenn wir auf diese Weise anfangen wollen, irgendwelche Vorstellungen zu entwickeln. Nun gut, diese Verrücktheit mag gut sein, wenn sie von uns Besitz ergreift, denn damit kann der Geist zu seiner ursprünglichen Konzentration zurückgebracht werden. Wenn man nicht mehr denken kann, sollte man die Augen öffnen, der Blick kann wieder auf das Bildnis gerichtet werden, und man kann sich dann die wundervollen Werte dieser Persönlichkeit vor Augen führen. Die Augen können wieder geschlossen werden und man kann versuchen, unabhängig von dem äußeren Bildnis, diesen Gedanken nachzugehen. All dies kann über mehrere Monate oder gar Jahre hinweg geübt werden. Der Geist kann nicht so leicht für spirituelle Zwecke zur Ausdauer bewegt werden, denn er hat viele gespeicherte Eindrücke, Samskaras, unterdrückte Wünsche und Frustrationen.

Nach Monaten oder Jahren dieser Praxis ist möglicherweise ein äußerliches Bildnis nicht mehr erforderlich. Vorbild und Bildnis werden überflüssig; man kann seine eigene Vorstellung darüber entwickeln. Doch wenn man darüber nachdenkt, befindet man sich in dem früheren Denkmuster. Obwohl es nichts Äußeres mehr gibt, findet innerlich derselbe Denkvorgang statt, der zuvor über das äußere Bildnis empfunden wurde. Auf diese Weise erhebt sich lediglich ein Unterschied zwischen dem Bild und dem Gedankeninhalt, doch beide haben dieselbe Charakteristik. In der weiteren Stufe der Konzentration beschäftigt man sich - unabhängig von der äußeren Form - nur mit dem Gedankeninhalt. Solange man sich nicht auf Gedankeninhalte konzentrieren kann, muß die anfänglich beschriebene Praxis beharrlich über einen langen Zeitraum fortgesetzt werden.

All dies ist lediglich eine Ausführung der möglichen Stufen, die der spirituelle Sucher durchlaufen muß. Obwohl sich die Stufen von einem zum anderen im Detail unterscheiden mögen, so stimmen sie im weitesten Sinne mit der obigen Beschreibung überein. Zu Anfang bedarf es der äußeren Form. Nach einiger Zeit ist dies nicht mehr erforderlich. Man bekommt die Fähigkeit, sich ausschließlich auf etwas Gedankliches zu konzentrieren. Die dritte Stufe bedeutet noch mehr Fortschritt, und hier kommt wirkliche Religion, Spiritualität, Mystik und Yoga ins Spiel. Wir können das, was von uns Besitz ergreift, als etwas wirklich Göttliches bezeichnen. Die Allgegenwart der Allmacht, die wir an bestimmte gedankliche ‘Erscheinungen’ zu binden suchen, wird sogar außerhalb dieser Erscheinungsformen fühlbar, genauso wie bei einem im Ozean versunkenen Topf, bei dem das Wasser innerhalb und außerhalb zu finden ist. SEINE Allgegenwart befindet sich nicht nur innerhalb des Meditationsobjektes, sondern auch außerhalb. Wenn sich diese Allgegenwart in einer Erscheinungsform befindet, warum sollte sie sich nicht dann auch in anderen Formen befinden? Diese Gnade, die in einer höheren Religion entwickelt wird, ist jenseits der gegenwärtigen Religionen in dieser Welt. Wenn man Gott in allem und nicht nur in einer Erscheinungsform, wie in Christus, Krishna, Brahma oder Allah erblickt, wird man wirklich religiös. Man geht über das normale religiöse Vertrauen hinaus, wird wirklich religiös, zu einem Überindividuum und bleibt nicht länger ein einzelner Anhänger einer Religion, wie zuvor. Die Allgegenwart der Allmacht vermittelt selbst das Gefühl auch außerhalb der verehrten Erscheinungsform zu sein. Zu diesem Zeitpunkt nimmt der Sucher vor sich eine Art Lichtblitz wahr. Bis dahin wird kein Licht wahrgenommen. Der Sucher wird nur unter der Konzentration leiden, und manchmal werden aufgrund dieser Anstrengung sogar Schmerzen empfunden. Doch wenn er zur dritten Stufe kommt, wird er durch das Licht eine Befreiung von der Konzentration empfinden, - ein Licht, was wie ein normales Licht wahrgenommen wird, wird vor seinem geistigen Auge aufblitzen. Er glaubt mit eigenen Augen vor sich ein Licht zu sehen, obwohl es sich nicht um ein wirklich physisches Licht handelt, sondern um ein Licht, das aus der Konzentrationspraxis entsteht. So wie bei einem Bombardement mit einer Atombombe Energie frei wird, befreit sich aus dem bombardierten Geistatom Energie in Form eines Lichts, das überphysisch ist. In der dritten Stufe der Konzentration empfindet der Sucher in einem begnadeten Zustand, so als wäre er über die Erde erhoben. Er glaubt nicht mehr länger ein Mensch dieser Welt zu sein. Er gehört auch anderen Welten an. Und er hat nicht nur Freunde von dieser Welt, sondern auch in anderen Reichen. Er kann sich all ihrer Unterstützung bedienen. Er wird Lichtblitze in allen möglichen Variationen und Mustern sehen und er hat überall Freunde. Er wird jedem zulächeln. Er braucht nicht die Stirn zu runzeln oder seine Augen vor irgend jemanden in dieser Welt zu verschließen. Er hat keine Feinde und Abneigungen sind ihm fremd, denn dies ist für ihn völlig ausgeschlossen. Alles ist voller Liebe, was früher völlig unbekannt für ihn war.