Yoga als eine universale Wissenschaft

  Kapitel 13:

  Der Umgang mit den Wünschen und deren Überwindung

Die Yoga-Vasishta sagt, daß Pranas auf verschiedene Art und Weise ablenken können. Und wenn sie in hohem Maße ablenken, ist es nicht sicher, daß Pranayama, insbesondere durch Atemverhalten, Abhilfe schaffen kann. Bevor Pranayama angewendet wird, sollte zunächst Ruhe in den Geist einkehren. Aufgrund intensiver Wünsche, Kümmernisse, Ängste oder verschiedener anderer Emotionen werden die Pranas sehr stark abgelenkt und machtvoll in eine bestimmte Richtung gezogen. Wenn die Probleme während des Sitzens zunehmen, wäre es gefährlich, den Atem anzuhalten bzw. Pranayama zu üben, denn Geist und die Pranas sind untrennbar miteinander verbunden. Bevor man sich dem Atemprozeß zuwendet, muß zunächst jede Art von nervöser oder psychologischer Spannung, entsprechend der äußeren Bedürfnisse, beseitigt werden.

Zu Beginn der Yogapraxis ist Pranayama weder ratsam noch möglich. Es ist lediglich möglich, tief ein- und auszuatmen. Viele von uns atmen nicht richtig. Wir atmen nur sehr flach, ohne jegliche Intensität bei der Ein- bzw. Ausatmung. Wir nehmen nicht genügend Atemluft auf. Die Luftaufnahme ist für unsere Gesundheit unzureichend. Darum ist es zunächst wichtig, tiefes Ein- und Ausatmen zu üben. Dies sollte an einem gut durchlüfteten Ort geschehen, und nicht in einem geschlossenen Raum, denn frische Luft ist notwendig. Frische Luft heißt nicht, im Sturmwind, sondern bei einer frischen Brise. Ein bißchen Luftbewegung ist für ein gutes Ergebnis der Atemübung notwendig. Diese Ein- und Ausatmung allein ist nicht nur für das körperliche Wohlbefinden sehr nützlich, sondern gibt auch Frieden.

Ein-, Ausatmen und Verhalten des Atems

Man findet zwar Unterschiede bei der Ausführung von Pranayama in den Beschreibungen über Hatha Yoga, doch ähneln sich alle in ihrer Wirkungsweise. Die verschiedenen bekannten Methoden des Pranayama wollen letztendlich eine Meisterschaft über den Atemprozeß erzielen. Das Atmen als solches wird als Sukha Purvaka Pranayama bezeichnet. Ein-, Ausatmen und Atemverhalten - Rechaka, Puraka, Kumbhaka - sind die drei Arten des Pranayama-Prozesses. Zu Anfang sollte der "Atem vertrieben" werden. In der Sukha Purvaka steht geschrieben, daß zum Ausatmen das rechte Nasenloch mit dem Daumen verschlossen wird, damit der Atem durch das linke Nasenloch entweichen kann. Die Atemluft sollte mit einer tiefen Ausatmung langsam aus dem linken Nasenloch ausströmen. Danach wird durch dasselbe Nasenloch ruhig und gleichmäßig wieder eingeatmet. Zu Anfang gibt es keinen Grund, den Atem anzuhalten. Nach der Einatmung durch das linke Nasenloch, sollte die Atemluft dann durch das rechte Nasenloch entweichen, wobei das linke Nasenloch mit dem Ringfinger verschlossen bleibt. Derselbe Atemprozeß wird in umgekehrter Weise wiederholt usw.. Dieses ist mehr, als das Atmen durch beide Nasenlöcher gleichzeitig. Die Form des Wechselatems, ohne dabei jedoch den Atem anzuhalten, ist bereits die zweite Stufe.

Bei der dritten Stufe kommt das ‘Atemverhalten’ hinzu, was Kumbhaka genannt wird. Hierbei muß man sehr sorgfältig vorgehen, es sollte nicht übertrieben werden, denn das ‘Atem anhalten’ wird als notwendige Voraussetzung für höhere Techniken beschrieben, doch beinhaltet es nicht den ganzen Yoga. Es heißt, wer sich das ganze Leben ausschließlich mit dem Atemprozeß beschäftigt, studiert lediglich die Grammatik und geht nicht zur eigentlichen Literatur über, um den Sinn dahinter zu verstehen. Man kann behaupten, daß Pranayama die Grammatik des Yogas ist, doch ist es nicht das ganze Yoga. Pranayama ist wichtig, doch nicht das Ganze.

Patanjali, der große Yoga-Psychologe, erwähnt drei Pranayamas, und dies sind Rechaka, Puraka und Kumbhaka. Die Ein-, Ausatmung und das ‘Atem anhalten’ sind jeweils ein Pranayama-Prozeß. Doch der Autor der Yoga-Sutras erwähnt vorzugsweise noch einen vierten Prozeß, den er als Kevala-Kumbhaka bezeichnet. Dabei handelt es sich um ein plötzliches ‘Atem verhalten’, ohne daß weder die Ein- und Ausatmung, noch der Geist Einfluß auf dieses Verhalten haben. Wir hören instinktiv auf zu atmen und sind hellwach, wenn wir beispielsweise ein schweres Gewicht heben oder mit größtmöglicher Aufmerksamkeit über einen schmalen Grad an einem Abgrund entlang gehen. Vielleicht ist uns nicht einmal bewußt, daß wir den Atem anhalten. Wir Atmen weder ein noch aus; wir hören einfach auf zu atmen. Und dies geschieht, wann immer es unsere höchste Aufmerksamkeit erfordert. Kevala-Kumbhaka ist jene Methode, wo ein automatisches ‘Atem verhalten’ stattfindet, und wo die Aufmerksamkeit auf ein bestimmtes Objekt gelenkt wird.

In vielen Schriften über das Yogasystem findet man Kommentare darüber, wie lange eine Pranayama-Sitzung, und wie lange die einzelnen Phasen Kumbhaka, Rechaka und Puraka etc. dauern sollten. Diese detaillierten Anweisungen sind für den Anfänger ohne Bedeutung und weisen auf hoch technisches Pranayama hin, das für den Anfänger weder praktikabel noch notwendig ist. Doch wir müssen uns daran erinnern, daß Prana eine sehr wichtige Sache ist, als daß wir sie so einfach übergehen könnten. Von der inneren Prana-Bewegung, hängt unsere Gesundheit, Kraft und bis zu einem gewissen Grade auch unser geistige Friede ab. Unsere Kraft hängt von einer harmonischen Bewegung ab, und unsere Schwäche liegt an unseren chaotischen Aktivitäten oder daran, daß wir uns ablenken lassen.

Prana und Geist

Häufig wird darüber kontrovers diskutiert, ob Prana den Geist oder der Geist das Prana beeinflußt. Diese Diskussion ist überflüssig, denn beide beeinflussen sich gegenseitig. Wenn unsere Pranas gestört sind, liegt dies ebenso am Geist und umgekehrt. Darum tun wir gut daran, dem Denkprozeß und dem Atmungsprozeß gleichermaßen Rechnung zu tragen. Raja Yogis haben betont, daß es wichtiger sei, den Geist - insbesondere die Gefühle - zu beruhigen, als den Atem anzuhalten. Das Beruhigen des Geistes hat die höchste Priorität, denn der Geist ist der interne Mechanismus hinter der äußeren Atembewegung. Darum muß man dem Gefühlsleben mehr Aufmerksamkeit schenken als ihrem äußeren Ausdruck in Form der Prana-Bewegung. Wenn der Geist beruhigt ist, kommt Prana automatisch auf ein sehr gesundes Niveau zurück. Doch, wenn der Geist unruhig und aus irgendeinem Grunde gestört ist, wird kein ‘Atem verhalten’ dem entgegenwirken, obwohl es dazu beitragen kann, eine Gefühlskontrolle zu erreichen. Darum sind Pranayama und Pratyahara - bei der internen Yogatechnik der Selbstkontrolle - zweierlei Dinge.

Der Druck durch unerfüllte Wünsche

Das Atemregulieren ist nicht nur für die mentale Konzentration erforderlich, sondern sie dient auch der Gesundheit. Für die Yogapraxis müssen wir gesund sein, obwohl wir alle zu den unterschiedlichsten Krankheiten neigen. Während eine gesunde Lebensenergie (Prana) die körperliche Gesundheit und die Gesundheit des gesamten Organismus einbezieht, sollte den anderen krankmachenden Faktoren ebenfalls Rechnung getragen werden, und wir sollten uns nicht mehr, - als den Umständen entsprechend nötig, - in ein krankmachendes Umfeld begeben. Unhygienische Verhältnisse, schlechtes soziales Umfeld und andere Streßfaktoren können zu Krankheiten führen. Körperliche Krankheiten sind das größte Hindernis, das unsere Yogapraxis behindert. Wir möchten uns hinlegen und entspannen. Wir haben entweder Kopf-, Nacken- oder Gliederschmerzen; manchmal haben wir sogar Fieber. Wir leiden unter den verschiedensten Gebrechen, all diesen Dingen müssen wir Rechnung tragen.

Die Yoga-Vasishta sagt, obwohl die Pranas zweifellos durch körperliche oder physiologisches Unwohlsein oder chemische Unordnung in der Verdauung gestört werden, so werden sie doch weit mehr durch unerfüllte Wünsche beeinflußt. Yoga mit heimlichen Wünschen zu praktizieren, ist gefährlich, denn die Wünsche werden wie Dynamit explodieren. Es ist richtig, daß es niemanden gibt, der wunschlos ist, doch sollten uns die Wünsche durch ihre Macht nicht zerstören. Es sollte keine Genußsucht in irgendeine Richtung existieren. Kleine Wünsche hat jeder. Niemand ist davon frei. Doch sie stören uns nicht, denn häufig genug sind wir uns dessen nicht einmal bewußt, es sei denn, wenn sich die Wünsche weiterentwickeln und nach Erfüllung drängen. Nicht alle Wünsche drängen gleichzeitig nach Erfüllung. Einer nach dem anderen drängt nach vorn, oder sie kommen - den Umständen entsprechend - zu unterschiedlichen Zeiten. Es gibt wichtige Wünsche, die es zu erfüllen gilt, da sie zum Wesen des Menschen oder zum Lebensumfeld gehören, in dem wir uns bewegen. Doch gibt es auch nervöse Spannungen, die durch verschiedene Zwangsvorstellungen hervorgerufen werden können, die nur schwer zufriedenzustellen und kaum hilfreich sind. Solche Gefühle sind physiologischen, gesellschaftlichen oder literarischen Ursprungs. Sie stören den Geist oder führen zu den besagten falschen Vorstellungen. Diese Störungen können den Geist tagelang beschäftigen, und es ist nur schwer möglich, den Geist wieder zu beruhigen. Wenn wir uns in unserer Yogapraxis aufrichtig bemühen wollen, müssen wir uns gesellschaftlich vernünftig verhalten und voller Harmonie und den Grundsätzen der Disziplin (Yama und Niyama) gegenüber wach sein.

Das Ziel dieser Praxis des Pranayama-Prozesses ist das Zurückziehen der Sinne. Die Sinne sind die Instrumente, mit denen die Lebensenergie in Richtung bestimmter Objekte oder die eigenen äußeren Ziele hinarbeitet, um eine Befriedigung des Geistes zu erzielen. Der Geist ist der innere Dynamo, der die Energie für das Leben (Prana) erzeugt, die durch die Kanäle der Sinne zu bestimmten Sinnesobjekten fließt. Dies entspricht der weisen Anweisung des dritten Kapitels der Bhagavad Gita, wo uns gesagt wird, daß die Sinne nicht kontrolliert werden können, wenn der Geist nicht kontrolliert wird, und der Geist kann nicht kontrolliert werden, wenn der Intellekt nicht diszipliniert wird, und der Intellekt kann nicht zurückgezogen werden, wenn er nicht im Herzen ruht. "Indriyani paranyahur-indriyebhyah param manah, manasastu para buddhiryo buddheh paratastusah." In der Kathopanishad, ist die Anweisung noch weiter gefaßt: Manasastu para buddhih buddheratma mahan parah; mahatah paramyvayaktam avyaktat purushah parah; purushan na param kinchit-sa kashtha sa para gatih." Wenn wir über das Wesen der Meditation sprechen, werden wir uns mit diesen Versen später noch eingehender beschäftigen. Damit kommen wir wieder zu dem Punkt, daß die Sinne, durch die Kontrolle über die Lebensenergie, von unnötigen Aktivitäten zurückgezogen werden, was wiederum durch eine gewisse Kontrolle des Geistes erreicht wird. Man kann den Geist nicht einfach von einer Sekunde auf die andere unterdrücken. Dies wird erst in tiefer Meditation erreicht werden und nicht vorher. Doch kann man sich, wie bei vorbeugender Medizin, darauf vorbereiten, indem man durch verschiedene Methoden die Gesundheit verbessert, obwohl wir dadurch nicht völlig gesund werden.

Die Notwendigkeit der leitenden Hand eines Gurus

Jeder Yogaschüler sollte sich selbst gegenüber aufrichtig sein. Häufig können wir unser Herz anderen Leuten gegenüber nicht öffnen. Häufig können wir uns aufgrund unserer Zurückhaltung, wegen unseres Schamgefühls oder wegen unserer Schwäche, die wir nicht im Griff haben, oder weil wir uns ganz einfach fürchten, gegenüber unserem Guru nicht einmal öffnen. Durch soziale Umstände fühlen wir uns psychologisch eingeengt. Wir müssen ein paar Worte über unsere gesellschaftliche Einbindung verlieren. Die Gesellschaft, in der wir uns befinden, ist nicht immer hilfreich. Häufig genug werden die Menschen aufgrund gesellschaftlicher Zwänge, die die menschliche Seite vermissen lassen, ungerechtfertigt unter Druck gesetzt. Doch Yoga ist eine psychologische Disziplin und weit mehr noch eine spirituelle Disziplin. Einem Guru gegenüber können wir unser Herz ganz öffnen, und man sollte nicht zögern oder zurückhaltend sein. Der Guru ist kein gewöhnlicher weltlicher Mensch, er steht in gewisser Weise über uns, und er kann uns darum durch schwierige psychologische Situationen hindurchhelfen, denn er selbst ist durch diese Stufen hindurchgegangen. Den Arzt schreckt keine Krankheit ab, denn er ist mit allen Krankheiten vertraut, seien sie ansteckend, abschreckend, infektiös oder was auch immer. So verhält es sich mit mentalen Spannungen, nervlichem Druck oder Wünschen gegenüber einem Guru.
 
Sehr häufig fühlen wir den Segen Gottes durch ein plötzliches inneres Licht aufflammen, woraufhin wir uns veranlaßt fühlen, uns von der Welt zurückzuziehen. Dieser Lichtblitz geschieht aufgrund besonderer Lebensumstände, und wenn wir zu einer höheren Wirklichkeit erwacht sind. Doch dieser Lichtblitz, der den Rückzug von der Welt einleitet, geht nicht automatisch mit der Kontrolle unseres Geistes einher. Wenn eine große Flut einen kleinen Strom in seinem ursprünglichen Bachbett verschluckt, ist der kleine Strom wie vom Erdboden verschwunden, doch wenn die Flut sich zurückzieht, kommt der kleine Strom in all seinen Farben wieder zum Vorschein. Wenn uns auf ähnliche Weise eine Inspiration göttlicher Liebe übermannt, sind wir uns unserer bisherigen Wünsche nicht mehr bewußt, denn wir fühlen uns durch die göttliche Liebe wie berauscht. Und jeder, der von irgend etwas besessen/berauscht ist, weiß nicht mehr, wer er wirklich ist. Doch das Glücksgefühl oder der Rausch geht vorüber, denn niemand kann ein Leben lang besessen sein. Darum werden wir wieder normal, wenn das Glücksgefühl verflogen ist, und dann wissen wir wieder, wer wir sind.

Darum benötigen wir unter besonderen Umständen einen geistigen Führer. Der Glaube, ein Meister zu sein, ist ein Irrglaube. Niemand kann sicher sein, daß seine Füße wirklich fest auf spirituellem Grund stehen. Es kommt der Tag, wo wir wanken. Darum bedürfen wir einer geistigen Führung. Beim Zurückziehen der Sinne - Pratyahara genannt - müssen wir psychologisch und intellektuell hellwach sein, obwohl wir uns gleichzeitig spirituell weiterentwickeln. Die Gnade Gottes ist die größte Kraft, denn es gibt nichts Mächtigeres. Letztendlich werden wir feststellen, daß wir nicht die Kraft haben, unsere Sinne oder unseren Geist wirklich selbst zu kontrollieren. Anfangs haben wir scheinbar viel Kraft, doch auf einmal, zu irgendeinem Zeitpunkt, fühlen wir uns hilflos. Wir mögen große Meisterleistungen bei der Selbstkontrolle durch Fasten, Wachsamkeit, Japa, Meditation, Svadhyaya usw. vollbringen. Alles scheint gutzugehen, bis wir uns einem Wirbelsturm gegenläufiger Naturkräfte gegenübersehen, dem wir nicht gewachsen sind, und hier kann uns nur Gott helfen. Wer kann dieser Welt widerstehen? Sie ist wie ein mächtiger Dämon, und unsere kleinen Bemühungen sind nichts, was dieser mächtigen Furie ‘Welt’ widerstehen kann.

Gebete - Eine sichere Kraftquelle

Wir kommen zu einem wichtigen Punkt, den wir schon früher einmal besprochen haben. Man muß immer in einem Gefühl des Betens und aufrichtiger Hingabe zur Allmacht sein. Vermittle niemals den Eindruck eines Raja-Yogi, so, als hättest Du Gott nicht nötig. Das ist ein Fehler. Niemand kann nicht nur diesem Yoga folgen. Die Gnade Gottes ist erforderlich. Die größten Yogis waren voller Demut und Hingabe. Gebete wirken wunder; und menschliches Verhalten ist ein großer Aktivposten. Jeden Tag müssen wir unseren Meister/Guru anbeten und zu unserer Allmacht beten, die unser Wohltäter und Freund ist. Durch unsere aufrichtigen Gebete zu IHM erwecken wir Sein Mitleid, und Seine Gnade folgt unverzüglich. Er übernimmt tatsächlich das Sadhana (Handeln) für uns. Er ist der "Handelnde". All unsere Aktivitäten sind letztendlich die Handlungen Gottes. Wir sind wie die kleinen Kinder, die glauben, selbständig zu handeln, während all diese Dinge zu unserem Wohlergehen von jemanden anders ausgeführt werden. ER ist wie eine Art "Eltern". Wir sollten Seine Existenz nicht vergessen. Das tägliche Gebet zu IHM ist besonders bei der Sinneskontrolle - diesem schwierigen, abenteuerlichen Teil des Yoga - eine sichere Kraftquelle. So funktioniert das!

Isolation ist keine Lösung für Anziehungskraft

Die Sinne müssen zurückgezogen werden. Die Yogaschriften sagen uns, daß es verschiedene Stufen des Pratyahara - dem Zurückziehen der Sinne - gibt. Zu Anfang scheint es so, daß Pratyahara oder die Sinneskontrolle das simple trennen der Sinnesorgane von den jeweiligen Objekten bedeutet. Wir begeben uns einfach an einen anderen Ort, wo diese Objekte fehlen. Wir gehen von Europa nach Indien, wo es die Objekte, die unseren Geist anregen, nicht gibt. Dies ist eine Möglichkeit, und sie ist vielleicht notwendig. Wir gehen nicht dorthin, wo wir uns gestört fühlen. Jeder Platz, der einen schwankenden Geist verursacht, wird solange gemieden, bis man sich nicht mehr durch diese Atmosphäre mit den Objekten gestört fühlt, denn die Gegenwart der Objekte wird sicherlich wieder ein Unwohlsein bei den Sinnen, der Lebensenergie und dem Geist auslösen.

Das Weglaufen ist jedoch keine Flucht vor den Schwierigkeiten der Sinne, denn die Bhagavad Gita hat uns bereits gewarnt: Vishaya vinivartante niraharasya dehinah, rasavarjam rasopyasya param drishtva nivartate. Wenn wir uns von den anziehenden Objekten entfernen, sind wir enthaltsam und leiden Hunger, und in diesem Sinne üben wir Selbstkontrolle, doch das Verlangen nach den Objekten hat uns nicht und kann uns nicht verlassen. Die eigene Isolation, - weg von den anziehenden Objekten, - ist keine Lösung für das Problem, denn das grundsätzliche Verlangen bleibt in uns, und man wird, wo auch immer sich Gelegenheit bietet, danach verlangen; und der Geist bleibt unbefriedigt, da er von den geliebten Objekten getrennt wurde. Während die körperliche Isolation eine sehr wirkungsvolle Notwendigkeit ist, so ist sie doch nicht ausreichend, wenn man sich nur in Isolation und keiner höher stehenden Methode, wie dem Sublimieren der Wünsche, übt. Die Folge kann heftige Aufruhr von innen her sein, die zu irgendwelchen Verwirrungen nervöser oder psychologischer Art führen kann.

Obwohl die Sinneskontrolle einerseits eine sehr wichtige und notwendige Praxis ist, so ist sie andererseits sehr gefährlich in der Handhabung, denn Wünsche sind nicht in den Sinnen, sondern im Geist. Darum bedeutet Sinneskontrolle gleichzeitig eine Art von Gefühlskontrolle. Der Geist steht nicht außen vor. Den Geist zu kontrollieren, bedeutet sich selbst zu kontrollieren. Die Gefühlskontrolle und die Sinneskontrolle bedeuten letztendlich Selbstkontrolle.

Der Impuls des Geistes kann von allen Körperteilen ausgelöst werden. Wenn ein Fluß durch eine Barriere aufgehalten wird, sucht er mit seiner ganzen Energie nach einem Ausweg, und drängt nicht nur mit einem Teil seines Wassers vorwärts. Das ganze Gewässer sucht nach einem möglichen Ausweg, und wenn nötig, wird es die Barriere zerstören. Es wird zu einer vernichtenden Bewegung, die von dem gesamten Gewässer ausgeht, und nicht nur von einem Teil. So verhält es sich auch mit den Wünschen. Ein Wunsch geht vom ganzen Körper aus, und selbst wenn es so aussieht, daß nur einige Organe besondere Wünsche haben, so handelt es sich dabei lediglich um einen Kanal des Ausdrucks eines ganzen Impulses, der von dem gesamten Organismus ausgeht; genauso wie ein kleiner Abfluß eines gestauten Flusses, - ungeachtet der Tatsache, daß der ganze Fluß hinter dieser kleinen Öffnung steht, - das Wasser nur an einer kleinen Stelle herausläßt. Darum sollten wir, auch wenn es so scheint, daß nur ein Sinnesorgan aktiv ist und die anderen schweigen, nicht den falschen Eindruck gewinnen, daß die anderen Sinnesorgane still blieben.

Die Sinne verhalten sich wie Militärexperten. In einer Schlacht werden nicht alle Soldaten gleichzeitig in die Schlacht an der Front eingreifen. Man verfolgt bestimmte Taktiken. Ein Teil des Regiments wird angreifen, und weitere Regimenter bleiben aus guten Gründen im Hintergrund. Dies heißt nicht, daß die Letzteren schlafen. Ähnlich verhält es sich mit den Sinnesorganen, wenn ein Sinnesorgan aktiv ist und die anderen nicht aktiv sind. Dies bedeutet nicht, daß die Letzteren schlafen und wir nichts mit ihnen zu schaffen haben. Sie sind aus gutem Grunde nicht aktiv, ebenso wie die Soldaten nicht alle gleichzeitig in die Schlacht eingreifen. Darum müssen wir alle Sinnesorgane im Auge behalten, auch wenn es so scheint, als wäre alles in Ordnung.

Obwohl wir uns möglicherweise nur durch eines oder zwei Sinnesorgane gestört fühlen, so sind doch alle Sinnesorgane in Aufruhr. Denn sie praktizieren eine Weisheit, die in allen Sinnesorganen vorhanden ist, wobei sie sich nur durch einen Kanal bemerkbar machen, und nicht mit allen Systemen gleichzeitig frontal angreifen, was auch nicht von Erfolg gekrönt wäre. Doch welches einzelne Sinnesorgan zur Zeit auch immer arbeiten mag, der Antrieb kommt aus dem gesamten Organismus. Das ganze System ist voller Wünsche. Es sind nicht nur die Augen oder nur die Ohren, die etwas wünschen, sondern was auch immer dem ganzen System zur Befriedigung dient. Und dieser allumfassende Drang nach Wunscherfüllung sucht sich durch einen einzigen Ausgang, einem Sinnesorgan, den Weg nach außen. Manchmal agieren auch alle Sinne gleichzeitig. Darum sind wir ein Bündel von Wünschen, und wir sollten nicht glauben, daß wir uns außerhalb dieser Wünsche befinden. Wir sollten auch nicht glauben, daß sich die Wünsche nur auf den Geist oder die Sinne konzentrieren, die sich außerhalb befinden. Der Geist ist nicht außerhalb von uns. Nichts dergleichen ist als äußeres Objekt wahrnehmbar. 'Geist' ist nur ein Name für etwas, was wir einem nach außen projizierten Drang unseres Selbst, - innerhalb eines Gesamtmusters, - gegeben haben. Unser eigener 'äußerlicher' Bewegungsdrang oder Impuls wird als 'Geist' bezeichnet, und darum sind wir der 'Geist'. Wenn wir sagen, daß der Geist etwas wünscht, sind wir selbst derjenige, der wünscht. Und das ICH ist nicht nur ein I-Punkt unserer Persönlichkeit, sondern das ‘ICH’ ist das Ganze, von Kopf bis Fuß, mit jeder Faser des Seins und mit jeder Zelle des Körpers. Darum ist der Mensch selbst der Geist und der Geist ist das Wünschen. Und auf diese Weise wird der Pratyahara-Prozeß zu einem weit größeren Abenteuer als nur ein kleines Bemühen zur Kontrolle der Sinnesorgane.

Die entsprechende Intensität verschiedener Wünsche und wie man ihren Herausforderungen begegnet

Wenn jemandem die Frage nach seinen Wünschen gestellt wird, wird er vielleicht sagen: "Nichts". Dies ist unwahr. Wünsche können sich nicht offenbaren, wenn kein Bedarf vorliegt. Dies muß man sich klar machen. Wenn Wünsche sich nicht offenbaren, bedeutet dies nicht, daß es keine Wünsche gibt. Warum offenbaren sie sich nicht von selbst? Es gibt im Augenblick keinen Grund, daß sie sich aus sich selbst heraus offenbaren. Warum sollte jemand etwas sagen, wenn es dazu keinen Grund gibt? Er bleibt still. Er spricht nur, wenn es notwendig ist. Wenn jemand nichts sagt, so bedeutet dies nicht, daß er dazu nicht in der Lage wäre. Er spricht, wenn es für ihn erforderlich scheint. So verhält es sich auch mit den Sinnen. Warum sollten sie sich andauernd bemerkbar machen, wenn sie auf anderem Wege zufriedengestellt sind? Wenn jemand auf bestimmte Art und Weise in seiner ganzen Persönlichkeit Zufriedenheit erlangt hat, gibt es keinen Grund auf irgendeine andere Art nach Befriedigung zu streben; es sein denn, die einstige Zufriedenheit verliert ihren Reiz und macht schließlich unzufrieden, weil sie nicht zum Ziel führt. Wenn man in seinem Leben Erfüllung findet und glücklich ist, dann offenbaren sich die anderen Wünsche nicht automatisch selbständig. Warum sollten sie das auch tun? Doch, wenn die Erfüllung der Wünsche keine wirkliche vollkommene Zufriedenheit bringt, und es tut sich eine Lücke auf, dann steigt langsam eine neue Vision über weitere Erfüllungsmöglichkeiten auf. Und in einem völlig neuen Licht in Raum und Zeit erscheint ein anderer, neuer Weg oder eine andere zur Zufriedenheit führende Technik.

Auf diese Weise muß jeder Yogaschüler Psychologe seines eigenen Geistes sein. Er muß all diese Techniken des Geistes verstehen, und er muß wissen, wie er zu gegebener Zeit damit umgehen kann. Was ist zu tun, wenn der Geist aufrührerisch ist? Wie muß er mit einem sensiblen Geist und seinen begründeten Fragen umgehen? Was erwartet der Geist, wenn er selbst nichts tut und schläft? Es gibt drei Stufen des Wünschens: Erstens gibt es das heftige, tumultartige Aufbegehren und Aufschreien. Was muß man hier unternehmen? Dies sollte überdacht werden. Zweitens, was ist zu tun, wenn der Geist zu gegebener Zeit sensibel ist und sein Hinterfragen gerechtfertigt ist? Im dritten Fall, gibt der Geist keinen Laut von sich; er schläft. Was bleibt zu tun? Diese Dinge werden in den Patanjali Sutras erwähnt, wo gesagt wird, daß die Wünsche schlafen gehen. Diese Wünsche können sich wie Wechselstrom verhalten. Sie offenbaren sich auf unterschiedliche Weise: Mal sind sie wie ein Aufschrei, dann in ihrem Verhalten wieder schmollend und still. Zu gegebener Zeit müssen wir die richtige Methode anwenden. Der schlafende Gegner ist manchmal gefährlicher als der Aktive, denn der Erstgenannte sammelt in einer Ruhephase neue Kräfte. Der sogenannte Impuls in uns, auch 'Wunsch' genannt, ist ein intelligenter Drang. Er ist nicht dumm. Jeder Wunsch ist intelligent und weiß, mit welchen Haken oder Krücken er zum Ziel kommt. Nicht jeder Wunsch ist nun teuflisch, obwohl jeder Wunsch in der Lage ist, zu einer gefährlichen Waffe zu werden, wenn er über unsere Kräfte geht. In jeder Stufe muß man sich darüber klar werden, wie man gleich zu Anfang mit der richtigen Technik den Gegner in den Griff bekommen kann. Der Yogaschüler muß in diesem Sinne ein Meister der Kriegstechnik werden. Er muß alle Kniffe kennen, die er selbst anwenden kann und andere ebenso nutzen können. Wenn eine bestimmte Waffe von dem Gegner benutzt wird, wie kann man ihr begegnen? Mann kann in der Mahabharata und den Ramayana viele Astras und andere Waffen finden. Und wenn ein bestimmter Pfeil von diesem Gegner benutzt wird, müssen wir wissen, was auf uns zukommt. Wir sollten nicht im Glauben sein, daß etwas Befreundetes auf uns zukommt. Doch durch das rechtzeitige Entdecken seiner wahren Natur, sind wir in der Lage, dem zu begegnen und durch geeignete Gegenmaßnahmen zu neutralisieren. Wenn wir nicht ständig in Alarmbereitschaft sind und nur vor uns hin träumen, merken wir nicht, was wirklich vor sich geht.

Die Philosophie der Wünsche und deren Erfüllung

Bis zu einem bestimmten Grade ist es erforderlich, die Struktur unseres Geistes kennenzulernen. Vor der psychologischen Schulung ist eine philosophische Ausbildung notwendig. Die Yogapraxis kommt erst hinterher. Darum ist vor dem Beginn der Yogapraxis, ein psychologisches Grundwissen, das sich auf einer philosophischen Disziplin begründet, notwendig. Wir sollten nicht ohne Vorkenntnisse mit der Praxis beginnen. Wünsche entstehen aufgrund unserer Existenz in der Welt, aufgrund unserer Lebensumstände und aufgrund unserer Beziehungen zur Außenwelt. Alle Wünsche beruhen auf unseren verlorengegangenen 'Spirit' zu uns selbst. In Wirklichkeit fragen wir nach unserem eigenen Selbst. Wir bitten nicht um irgendwelche Dinge.

Man muß sich die Frage stellen: "Worin liegt die Bedeutung, wenn wir sagen: 'Wir bitten um uns selbst?' - Wir bitten eindeutig um irgend 'etwas' anderes." Dieses sogenannte 'etwas', um das wir bitten, ist lediglich ein Instrument, um in unserem Geist eine Art Gefühl hervorzurufen, das in uns selbst eine Form von Zufriedenheit reflektiert. Dies ist ziemlich schwer zu verstehen. Die Welt wird als eine Art Werkzeug angesehen, um in uns Zufriedenheit zu erzeugen; die Welt ist nicht die Quelle unserer Zufriedenheit. Wir können in uns selbst kein Gefühl der Zufriedenheit ohne äußere Instrumente erzeugen. Das Universale Selbst ist für uns die ultimative Quelle der Glückseligkeit. Alle Freude ist in diesem all-durchdringenden Sein. Die Absolute Allmacht ist die Quelle aller Glückseligkeit, die Verkörperung aller Freude, die Sache nach der wir suchen, und die uns in Richtung auf die sogenannten Sinnesobjekte zerrt. Wenn wir nach Sinnesobjekten suchen, suchen wir tatsächlich nach Gott. Dies ist im Augenblick dort, wo wir uns befinden, kaum geschätzt. Gott spricht überall und durch alle Objekte. Vielleicht ist das Grund, warum es irgendwo in einem Vers der Kathopanishad heißt, daß die Straßen, durch die unsere Körper hin zum Ziel bewegt werden, die Sinnesobjekte sind. In der Upanishad ist kein besonderer Kommentar dazu zu finden. Um Vishnu-Loka (die Heimstatt Gottes) zu erreichen, muß unser Organismus entlang der Straße der Weltobjekte bewegt werden. Die Welt ist weder Freund noch Feind; sie ist, was sie ist. Wir müssen dies verstehen und nicht nur Kapital daraus schlagen. Die große Quelle der Freude ist das Selbstsein, was Universal ist, doch das Universale Selbst wurde zu einem individualisierten Selbst. Die unendliche Purusha wurde zur endlichen Jiva. Wenn man also um die Erfüllung besonderer Wünsche nachsucht, bittet man tatsächlich um die Unendlichkeit des eigenen Selbst, was die Purusha ist. Die Jiva - das lokalisierte Individuum - sucht sich Ausdruck durch die Sinnesobjekte zu verleihen, indem sie ihr eigenes Selbst als Purusha errichten möchte. Jeder fragt nach dem Unendlichen der Purusha und nicht nach den Objekten der Welt. Doch, da das Unendliche nicht wahrnehmbar und nur die Welt wahrnehmbar ist, laufen die Menschen dem hinterher, was durch die Sinne sichtbar ist, und bei diesem Vorgang, wird der unsichtbare, übernatürliche Drang völlig ignoriert, wobei die Menschen nicht einmal wissen, daß dieser Drang überhaupt existiert.

Die Schwierigkeiten der Sinneskontrolle und die Notwendigkeit der Gnade Gottes

Sinneskontrolle setzt ein klein wenig mehr Verständnis voraus. Um uns in dem Verstehen zu üben, bedarf es philosophischer Disziplin. Man sollte nicht glauben, daß es leicht sei, die Sinne zu kontrollieren. Die Sinne sind schrecklich. Wir können die Sinne nicht allein durch unseren Willen kontrollieren. Doch sie können bis zu einem gewissen Grade unterworfen werden, genauso wie chronische Krankheiten teilweise kontrollierbar sind. Solche Krankheiten können nicht völlig geheilt werden, doch können sie in ihrem Ausmaß kontrolliert werden. Auch auf die Sinne trifft dieses gewissermaßen zu, denn nur in tiefer Meditation, im Samyama, im Samadhi und letztendlich im Kaivalya Moksha können sie völlig erobert werden. Vorher ist es nicht möglich.

Wie bei der Pratyahara-Technik in den Yoga-Sastras erwähnt, kann das Zurückziehen der Sinne auf verschiedene Weise erreicht werden. Die einfachste Form ist die körperliche Isolation von den verführerischen Dingen. Wenn man einen angenehmen Platz in guter Atmosphäre gefunden hat, sinnt man über die Umstände perfekter Kontrolle, über das Wünschen nach Sinnesobjekten und nicht nur über deren Wahrnehmung nach. Selbst der Geschmack an den Sinnesobjekten muß verschwinden. Vairagya oder der Verzicht bzw. das Zurückziehen sind Zeichen für die Abwesenheit der Wünsche. Vairagya oder Viraga bedeutet Abwesenheit von Raga, was Freiheit vom Verlangen bedeutet. Die innere Freiheit vom Verlangen wird als Vairagya oder Zurückziehen bezeichnet. Vairagya ist nicht nur die körperliche Trennung von Objekten. Doch wie können wir frei vom Verlangen nach etwas sein, wo wir doch wissen, daß dieses 'etwas' Zufriedenheit geben kann? Wir sind völlig durcheinander, und wir glauben, daß Objekte uns zufriedenstellen können. Darum bedarf es weiterer Aufklärung durch rationale Vorgehensweise. Wir können unser Wünschen solange nicht kontrollieren, wie unsere Wünsche nicht vollständig erfüllt wurden, sei es durch Auslöschen, indem die Bedürfnisse erfüllt wurden, oder durch ein Sublimieren dieser, indem deren tiefere Bedeutung verstanden wird. An dieser Stelle ist die Gnade Gottes von lebenswichtiger Bedeutung. Nur Gott kann uns helfen, und sonst niemand. Daiva hyesha gunamayi mama maya duratyaya, mameva ye prapadyante mayametam taranti te. Es liegt in Gottes Hand oder Shakti, was sich als Wunsch offenbart. Wer kann dem widerstehen? All unsere Kraft ist machtlos gegenüber der Shakti Gottes. Herkules kann Gottes Shakti nicht widerstehen. Der einzige Ausweg für den spirituellen Sucher ist die Hingabe: "Oh Gott! Hilf mir, ich bin hilflos", und ER wird für ihn sorgen.

Pratyahara im Patanjali Yoga

Patanjali geht nicht weiter in die Einzelheiten von Pratyahara ein, doch gibt er uns eine sehr wichtige Definition: Er sagt, daß Pratyahara der Zustand ist, wo die Sinne scheinbar eins mit dem Geist sind. Sie sind nicht länger außerhalb des Geistes, sie werden, so wie sie sind, selbst zum Geist. Die Strahlen wurden durch die 'Sonne' zurückgezogen und nichts geht mehr danach von dem Geist aus. Die Sinne haben sich in Svarupa oder in die Geistform, wie sie waren, selbst aufgelöst. Das ist Indriya Pratyahara.

Der Geist wird schwach, wenn sich ein Teil von ihm nach außen bewegt, genauso wie eine Energieversorgung schwächer wird und an Stromspannung verliert, wenn zu viele Verbraucher im Stromnetz sind. Genauso kann der Geist schwach werden, wenn er sich um zu viele äußere Dinge kümmert. Doch wenn alle Verbindungen nach außen abgeschnitten werden, gewinnt der Energieversorger wieder an Kraft. Genauso verhält es sich mit der Geisteskraft. In dem Augenblick, wo die Indriyas mit den Sinnesobjekten gekappt werden, gewinnt der Geist wieder an Energie. Wenn beispielsweise ein Fluß gestaut wird, nimmt die Wassermenge an der Barriere zu und gewinnt an Kraft, genauso gewinnt auch der Geist an Kraft, wenn die Kanäle der Sinne geschlossen werden. Dies ist die Botschaft aus Pratyahara im Patanjali-Yoga, doch die Kommentatoren gehen noch weiter. Von einem Rishi wird überliefert, daß die höchste Form der Sinneskontrolle der Zustand ist, wo man nicht mehr in der Lage ist, irgend etwas außen vor sich wahrzunehmen. In diesem Zustand ist man selbst mit offenen Augen nicht mehr in der Lage, irgend etwas Äußerliches zu erkennen. Manchmal geschieht dies auch im normalen Leben. Wenn unser Geist tief über etwas nachdenkt, und unsere Augen können dabei geöffnet sein, so nehmen wir doch nichts wahr, nicht einmal ein vorbeifahrendes Auto; und wir hören nichts, selbst dann nicht, wenn neben uns ein Schuß fällt. Dies geschieht deshalb, weil unser Geist in eine Sache außerordentlich vertieft ist. Im Pratyahara ist das höchste Ziel jene Stufe, wo wir selbst bei aktiven Sinnen nicht in der Lage sind, irgend etwas wahrzunehmen. Das ist das Ziel des Pratyahara, doch um diesen Zustand zu erreichen, müssen wir schrittweise vorgehen.