Yoga als eine universale Wissenschaft

  Kapitel 5:

   Hindernisse in der Yogapraxis und wie man sie überwindet

Die Yogapraxis besteht aus zwei Seiten, denen der Schüler besondere Beachtung schenken muß. Einerseits ist es die Praxismethode, die pedantisch genau befolgt werden muß, andererseits sind es die Hindernisse, die auf dem Weg aus den verschiedensten Gründen auftauchen. Während die positive Praxis wichtig ist, so ist ein Gewahrsein der Hindernisse auf dem Weg ebenso wichtig. Es reicht nicht aus, daß jemand seine Stärken kennt, sondern es ist auch wichtig, die Schwierigkeiten zu kennen, mit denen man auf dem Weg aus den verschiedensten Umständen heraus konfrontiert werden kann, - Schwierigkeiten, die je nach Fortschritt auf der Stufenleiter des Yogapfades, von unterschiedlicher Färbung sind. Es ist eine bekannte Tatsache, daß es einen bemerkenswerten Unterschied in der Haltung zwischen einem Yogaschüler und einem nüchternen denkenden Menschen mit weltlichen Instinkten und Launen gibt. Während jeder in der Welt sein tägliches Programm und seine Routine hat, so ist das Programm eines Yogaschülers von einem bemerkenswerten Unterschied. Er hat sich noch nicht vollständig an das neue Gesetz der Selbstintegration angepaßt, was für Yoga wesentlich ist, und unterscheidet sich bei der täglichen Routinearbeit von der Allgemeinheit in Gefühl, Gesellschaft und praktischer Anpassung. Darum versucht der Yogaschüler sich einem Gesetz anzupassen, was ihm weit mehr Integration abverlangt, als die Lebensbedingungen unter denen er zuvor gelebt hat. Auf diese Weise wird im positiven Sinn ein Versuch unternommen, um ein neues Kapitel innerer Lebensführung aufzuschlagen und nicht nur das äußerliche Verhalten zu verändern, sondern eine Art psychologische Veränderung findet in seinem Körper als Ergebnis mentaler Wandlung statt. Eine allgemeine mentale Veränderung oder Veränderung des Gedankengutes, berührt nicht den Körper. Dieses wäre eine zu kleine Veränderung, die zu schwach wäre, um die Psyche zu beeinflussen. Doch eine intensive Konzentration des Geistes auf eine vollkommen neue Weltanschauung beeinflußt den ganzen Körper, was der Körper manchmal kaum in der Lage ist zu ertragen. Dies kann die verschiedensten Krankheiten verursachen, denen ein normaler Mensch in der Welt kaum begegnet. Es kann viele Gründe für Krankheiten geben. Besonders bei ernsthaften Yogaschülern ist es die Unfähigkeit des Körpers, sich sehr willensstarken Gedanken anzupassen, die sich von normalen Gedanken, mit denen wir vertraut sind, unterscheiden.

Yoga ist Mäßigung im Verhalten

In Anbetracht dieser Schwierigkeiten, denen man möglicherweise bei der Yogapraxis begegnet, werden wir durch Schriften, wie die Bhagavad Gita, dazu angehalten, uns in unserer Zielstrebigkeit moderat zu verhalten und die Praxis nicht zu übertreiben. Wenn sich jemand dem Yoga verschreibt, versucht dieser Suchende in übertriebener Weise, seine Gefühle für Heiligkeit und Religiosität zu wecken, was ihn dazu bringt, ausnahmslos zu fasten, den Schlaf zu verringern, weniger zu essen, zu schweigen usw.. Während all diese Praktiken zusammengenommen vorteilhaft und vielleicht auch notwendig sind, so sollten doch nicht alle auf einmal und in übertriebenem Maße angegangen werden. Moderates Vorgehen ist eine größere Tugend als vollkommene Enthaltung. Vollkommene Enthaltung mag nicht so schwierig sein wie Mäßigung. Mäßigung ist weitaus schwieriger. Eine gemäßigte und angenehme Sprechweise ist für einen Menschen weitaus schwieriger als vollkommenes Mauna oder Stillschweigen. Yoga bedeutet Mäßigung im Verhalten und eher eine innere Anpassung, denn ein extremes Voranschreiten, obgleich sich Suchende manchmal, entsprechend ihrer Natur unvermeidlich, extrem verhalten. In dem Augenblick, wo wir an Spiritualität, Religion, Gott oder Yoga denken, sind bei uns innerlich bestimmte Gefühle geweckt, die konträr zu den Gefühlen in unserem täglichen Leben sind. Deshalb laufen wir auch zu den Ashrams und ausgesuchten Plätzen. Niemand kann so ohne Weiteres vor diesem inneren Gefühl, in heiliger Art und Weise berührt zu sein, davonlaufen, was dem armen Körper, dem diese Gedanken und Gefühle nicht vertraut sind, als etwas Extremes vorkommt.

Körperliche Erkrankungen

Im System des Patanjali-Yoga, heißt es in einer Sutra (Vers), daß der Yogaschüler auf Hindernisse vorbereitet sein muß; und Patanjali erwähnte viele Hindernisse. Die Hindernisse, von denen er sprach, sind körperliche Krankheiten. Man muß sich auf solche Möglichkeiten einstellen. Es muß nicht erst betont werden, daß Gesundheit sehr wichtig ist. Falls der Yogaschüler erkrankt und einen physischen Zusammenbruch erleidet, kann man in dem Augenblick nichts dagegen tun. Alles geschieht innerhalb von Sekunden. Daher sollte er bei der Suche nach dem Spirit nicht übertreiben und seinen eigenen Körper vernachlässigen, denn der Körper ist so lange eine unvermeidliche Begleiterscheinung des Spirits, wie der Spirit durch die Persönlichkeit in der empirischen Welt fungieren muß. Franz von Assisi bezeichnete den Körper als "Bruder Esel". Nun gut, er mag ein Lastesel sein, doch ist er ein wirklicher Bruder. Wir können ihn nicht vermeiden, denn er ist unser Bruder. Wie ein Esel, trägt er seine Lasten; darum laßt es gut sein. Wir müssen damit leben.

Wir müssen einigen Problemen, denen wir im Yoga begegnen, noch genügend Aufmerksamkeit schenken,. Dies ist notwendig, denn die Schwierigkeiten, denen wir möglicherweise begegnen, sind nicht nur auf jene beschränkt, die in den Sutras von Patanjali erwähnt werden. Patanjali lenkt unsere Aufmerksamkeit nur zu den allgemeinen philosophischen Schwierigkeiten. Wir begegnen jedoch vielleicht auch täglich persönlichen und scheinbar belanglosen Schwierigkeiten, die wir auf intelligente Weise mit Hilfe des Gurus angehen müssen. Die Sutras von Patanjali allein sind als Führung für uns nicht ausreichend, wenn wir tief in die Yogapraxis einsteigen. Doch, im Allgemeinen gesprochen, hat uns Patanjali eine Übersicht über die Probleme gegeben, mit denen wir meistenteils konfrontiert sind.

Dumpfheit des Geistes (Spirits)

Neben körperlichen Krankheiten, denen sich der Yogaschüler bei der Yogapraxis gegenübersieht, findet man auch eine Art von Lethargie oder Dumpfheit des Geistes. Der anfängliche Enthusiasmus kühlt nach einiger Zeit ab. Obwohl der Übende anfangs auf dem Yogaweg mit einem intensiven Verlangen begann, um etwas höheres später zu erreichen, kühlt sich dieser brennende Wunsch aufgrund seiner schlechter werdenden geistigen Verfassung ab. Von den drei Eigenschaften der Natur, weckt Sattva den Wunsch nach einem göttlichen Leben. Obwohl der Wunsch gut und ehrenwert ist, kann niemand die Gegenwart der anderen beiden Eigenschaften Rajas und Tamas, die immer wieder zu ihrem Recht kommen wollen, verleugnen. Wenn man der einen Seite zu viel Aufmerksamkeit schenkt, melden sich die anderen beiden vernachlässigten Aspekte der Persönlichkeit zu Wort. Es ist nicht richtig, wenn man die Eigenschaften untereinander vergleicht, denn niemand kann sagen, daß irgendeine Eigenschaft besser als die andere ist, obwohl man normalerweise sagt, daß Tamas schlecht ist und Sattva und Rajas gut sind. In Wahrheit sind alle drei Eigenschaften der Natur weder gut noch schlecht, und sie scheinen unter den verschiedenen Lebensbedingungen mal mehr oder mal weniger sinnvoll zu sein. Wir verfügen über alle drei Eigenschaften. Von ‘Tamasisch’ sagt man, daß er schwer, wie ein Holzklotz sei. Er ist in seiner Eigenschaft hauptsächlich schwerfällig und beständig. ‘Rajas’ ist bekannt für seine aktive Natur, die Unruhe verursacht, Wünschen nachläuft und permanent aktiv ist. Jeder spürt diesen Drang in sich. Während wir alle einen Funken des Verlangens nach einer Art höherem Leben in uns haben, so haben wir auch einen Wunsch, in der Gesellschaft für andere und uns selbst aktiv zu sein. Und es gibt auch den lethargischen Aspekt. Auf diese Weise steigt bei launenhaften Naturen manchmal, wenn nicht besonders darauf geachtet wird, dieses Verlangen nach Melancholie an die Oberfläche. Dieses gibt es bei allen Menschen. Es geschieht selbst dann, wenn täglich der Göttliche Name mit Hilfe eines Rosenkranzes wiederholt gesungen wird, denn dies heißt nicht, daß wir immer jeden Tag gleich gut aufgelegt und konzentriert sind. Manchmal gleitet die Maala aus der Hand, weil wir übermüdet oder erschöpft sind. Wer kann schon drei, vier oder fünf Stunden lang Japa üben? Obwohl es sich um den Namen Gottes zur Verehrung des Absoluten handelt, verweigert sich der Verstand, denn dieser trägt noch anderes in sich, als nur das Verlangen nach Gottesverwirklichung. Manchmal kann das, so sagt Patanjali, zu einer obsiegenden Dumpfheit oder Stumpfheit des gesamten Geisteskomplexes führen, - hier muß man sehr wachsam sein.

Zweifel und die Notwendigkeit eines Gurus

Dann kommt ein anderes Problem, eine Schwierigkeit von psychologischer Natur, von der in den Sutras von Patanjali berichtet wird. Es regen sich Zweifel. Dies ist ein wirklich schlimmes Problem, mit dem viele Suchende konfrontiert werden. Es sieht so aus, als ob die Mehrheit der Suchenden diese Schwierigkeiten hat. "Ist das richtig? Oder bin ich zu dumm, verschwende ich meine Zeit mit etwas in der Erwartung, daß etwas Großes daraus wird? Vielleicht liege ich vollkommen daneben. Vielleicht habe ich auch nicht den richtigen Lehrer, vielleicht bin ich dafür auch nicht geeignet. Ich bin im Augenblick total ungeeignet." Hunderte dieser Zweifel kommen dem Suchenden in den Kopf, und dies kann unter ungünstigen Bedingungen dazu führen, daß er selbst die Existenz Gottes anzweifelt. Es kann soweit kommen. Die Menschen verfluchen selbst Gott, wenn sie große Probleme haben und darunter leiden. Dann geben sie jede spirituelle Praxis auf, und es kommt beim Sadhana automatisch zu einem Bruch. Jeder kann, wenn dieses geschieht und alles schief läuft, Gott zürnen. Nun, gelegentlich können Zweifel auftreten, die sich langsam aufgrund mangelnder Erziehung und mangelndem Trainings unter einem richtigen Lehrer in den Verstand einschleichen. In solch einem Fall muß der Suchende plötzlich und ohne Führung in das Yoga hineinspringen.

In früherer Zeit gab es ein Lehrsystem, das "Gurukulavasa" genannt wurde, und das sich vom heutigen System völlig unterscheidet. Vom Guru oder Lehrer, Führer oder Meister wurde dabei sehr wenig Wissen über den Verstand des Schülers erwartet, weil nur unter dieser Bedingung das Geeignete gelehrt werden kann. Und wenn der Schüler in die Irre geht, weiß der Guru, was mit ihm geschieht und welches Gegenmittel sinnvoll ist. Doch heutzutage in der Neuzeit sind die Umstände anders, denn dieses System scheint nicht zu funktionieren. Darum erwächst selbst bei ernsthaftem Yogastudium oder sogenannter Praxis kein nennenswerter Vorteil daraus. Es wurde praktisch nahezu zu einer akademischen Angelegenheit oder einem Spaß.

Aus diesem Grund müssen wir darauf achten, wenn es sich um ernsthafte Arbeit an unserem Verstand handelt, wir etwas Spürbares anstelle des Gegenteils erreichen wollen und wenn wir uns selbst in eine ehrenwertere Existenzform verwandeln möchten, daß sich keine Zweifel in unseren Verstand einschleichen. Darum kann man selbst heutzutage nicht auf einen Guru verzichten, denn niemand ist so weise, alles über die Zukunft zu wissen. Alle Probleme, die auf uns zukommen, sind neu. Wenn sie vor uns erscheinen, nehmen sie eine neue Form an. Es mögen altbekannte Probleme sein, doch wenn sie auf uns zukommen, sehen sie neu aus. Und wir wissen nicht, wie wir mit ihnen umgehen sollen. Aus diesem Grund benötigen wir eine höhere Führung. Die richtige Führung ist auf dem Yogaweg unbedingt erforderlich. Wir sollten uns darüber im Klaren sein, daß wir den Yogaweg gewählt haben, und wir sollten wissen, was wir tun und an wen wir uns im Falle von Schwierigkeiten wenden können. Wir müssen uns wirklich darüber im Klaren sein, und es sollte keine Zweifel geben. Es ist unmöglich, sich der Yogameditation zu widmen, wenn irgendwelche Zweifel bestehen. Es kann sich um metaphysische bzw. persönliche Zweifel oder es kann sich um Zweifel bei der Einstellung im täglichen Leben handeln. Fehleinstellungen können nicht durch das Studium von Schriften korrigiert werden, denn Bücher können nicht zu uns sprechen oder unsere Fragen beantworten. Das Bücherwissen ist zweifellos Wissen, doch es ist totes Wissen. Wohingegen der Suchende lebendige Antworten auf seine ihn quälenden Fragen haben möchte, die direkt jetzt, beinahe jeden Tag, von seinem Herzen kommen. Darum ist, und das kann niemand leugnen, ein Lehrer erforderlich, und niemand sollte glauben, er könnte bei dem Yogaweg auf seinen eigenen Füßen stehen. Niemand kann es, es sei denn, er ist ein gesegneter Meister und als Inkarnation gekommen. Dies ist etwas anderes. Normalerweise ist es nicht möglich. Bevor jemand mit Yoga beginnt, sollte er sich selbst fragen: "Hege ich irgendwelche Zweifel über den Yogaweg, den ich im Namen der Spiritualität eingeschlagen habe?" Falls es Zweifel gibt, müssen diese ausgeräumt werden, selbst wenn dieses Monate dauern sollte, dies macht nichts. Er muß zusehen, daß er keine Zweifel mehr hegt. Alles sollte klar wie das Tageslicht sein. Dann wird er Fortschritte machen.

Es werden in den Patanjali Sutras noch andere Schwierigkeiten erwähnt. Nachdem alles klar zu sein scheint, entsteht eine gleichgültige Haltung. Eine Selbstzufriedenheit setzt ein. Der Suchende sagt zu sich selbst: "Nach alle dem, habe ich Fortschritte gemacht. Was macht es schon, wenn ich heute nicht meditiere? Ich werde morgen meditieren, denn heute habe ich viel zu tun." Es ergeben sich Fragen, die sich der Verstand selbst beantwortet. In der Mahabharata gibt es eine große Episode, die als Sanatsujatiya bekannt ist, wo der große Meister Sanatsujata den unsterblichen Rat an Dhritarashtra gibt, daß es nichts Schlimmeres geben kann, als seine Pflichten zu vernachlässigen. ‘Pramada’ ist das Wort, das in den Patanjali Sutras für das ‘Vernachlässigen der Pflichten’ benutzt wird. Und unsere Yogapraxis als Pflicht zu vernachlässigen, ist schlimmer als der Tod oder Mrityu. Es ist wirklich schlimmer als der Tod. Wir müssen uns Yoga genauso zuwenden, wie wir uns dem Frühstück, dem Mittagessen oder Abendessen zuwenden. Wir müssen es wie unsere eigene Mutter oder unseren Vater, Bruder oder Schwester lieben. Es gibt nichts wertvolleres als unseren Yoga. Yoga ist kein abstrakter Gedanke, sondern eine lebendige, substantielle Existenz, und wenn Yoga wie ein abstrakter Gedanke behandelt wird, so ist dies ebenfalls eine Art Zweifel, der ausgeräumt werden muß. Bei Yoga handelt es sich nicht um eine Idee, es ist auch kein Name, der einer konkreten, substantiellen Offenbarung des Absoluten Selbst verliehen wurde, mit dem wir uns stufenweise vereinen müssen. Auf diese stiefmütterliche Weise sollte man sich Yoga gegenüber nicht verhalten. Die tägliche Yogapraxis sollte möglichst immer wieder zur gleichen Zeit stattfinden. Der Zeitrahmen sollte nicht verringert werden. Es ist besser Zeit für andere Aktivitäten als für die Meditation zu verringern, denn Meditation ist die göttliche Berufung des Suchenden. Doch der innere Drang, der nicht sorgfältig beachtet, verfeinert oder erfüllt wird, kann unvorhersehbare Schwierigkeiten hervorrufen, engelhaft sprechen oder uns wie ein Teufel bedrohen. All das ist möglich, und wir müssen genau hinschauen, wen oder was wir vor uns haben, wenn sich eine Stimme meldet oder ein Objekt sich selbst vor uns aufbaut.

Der Schlaf und das Bedürfnis nach gelegentlicher Ruhe

Wenn der Suchende sich zur Meditation, Japa oder gar zum Studium setzen möchte, mag er sich gelegentlich schläfrig fühlen. Der Schlaf ist für die Gesundheit des Körpers sehr wichtig, und man sollte den Schlaf nicht über ein bestimmtes Maß hinaus verringern, da womöglich mangelnder Schlaf die Verehrung oder die Gebete stört. Wenn der Suchende übermäßig seinen Nachtschlaf kürzt, indem er gegen 1 oder 2 Uhr nachts aufsteht, so hat dies einen ungünstigen Einfluß auf seine Meditation. Er kann sich nicht richtig konzentrieren. Er mag eine Art schleichendes Gefühl krabbelnder Ameisen in seinen Kopfnerven empfinden; er fühlt sich schlecht und unglücklich dabei, und er wird seine Meditation so schnell wie möglich beenden. Der Zeitaufwand für die Meditation ist nicht so wichtig wie die Qualität der Konzentration, die einfach nicht vorhanden sein kann, wenn der Geist nicht richtig darauf vorbereitet ist. Und wenn unser Geist nicht glücklich ist, wie könnte ich ihn benutzen? Wenn wir dem Geist nicht geben, was er braucht, kann er nicht glücklich sein; und wenn er nicht glücklich ist, kann er auch nicht bereit sein. Wir müssen ihn so wie ein weiser Psychologe, Psychoanalytiker oder Schulmeister unterrichten, damit er sich selbst damit identifizieren und von seiner Warte aus auch verstehen kann. Auch, wenn sich der Suchende matt oder schläfrig fühlt, mag er sich selbst ermahnen: "Weshalb habe ich mich ernsthaft dem Yoga zugewendet? Welche Absicht steht dahinter? Wenn meine Absichten heilig, fromm und klar genug waren, warum verschließen sich meine Augen jetzt vor dem Ziel und verringern den Drang danach?"

Theoretisch ist Yoga sehr einfach, doch wenn der Suchende tatsächlich mit der Praxis beginnt, merkt er, daß es nicht so leicht ist. Ein Anfänger kann letztlich kein unabhängiges Yogaleben auf längere Zeit führen. Aus diesem Grunde wird er gebeten, Kontakt mit Gleichgesinnten zu suchen und mit ihnen gemeinsam am SATSANGA teilzunehmen. Sie können dann miteinander diskutieren. Leute mit gleichen Interessen können sich zusammensetzen und unterhalten oder vielleicht miteinander diskutieren. Zusätzlich zum Austausch von Gedanken untereinander, können sie zum eigenen Vorteil und je nach Bedarf, Zeit für Studien einplanen. Yoga bedeutet nicht immer nur Meditation mit geschlossenen Augen, sondern es kann vieles bedeuten, was letzten Endes irgendwie damit zusammenhängt. Kleine Studien sind ebenfalls notwendig. Vielleicht muß dieses auch zur regelmäßigen Routine werden. Ein gewisser Anteil an Yogatexten ist erforderlich, um den Geist auf etwas Höheres vorzubereiten. Anders können wir nicht permanent noble Gedanken hegen. Es ist nicht so einfach, den Verstand den ganzen Tag über immer mit hehren Gedanken zu beschäftigen. Das ist undurchführbar. Auf diese Weise gehen wir viele Wege, um den Verstand mit der Gewohnheit höheren Denkens vertraut zu machen. Diskussionen mit guten Menschen und Freunden ist hilfreich und wie ein zweites SATSANGA. Ebenso hilfreich ist ein Studium von Yogatexten großer Meister, Inkarnationen, Propheten und Gottheiten der Vergangenheit.

Wenn ein Yogaschüler bemerkt, daß mit ihm etwas nicht stimmt, er nicht weiß, was mit ihm geschieht, und er weder in der Lage ist zu meditieren noch mit jemandem zu sprechen, mag er seine Yogapraxis für drei Tage unterbrechen. Dies schadet nicht, denn er muß zunächst selbst herausfinden, ob er unter Erschöpfung leidet oder irgendwie behindert ist. Wenn ein Soldat auf dem Schlachtfeld kampfunfähig wird, bedeutet dies nicht, daß er dieses für alle Zeit bleibt. Andererseits wird ein verwundeter Soldat, wenn er sich selbst nicht wieder fit machen kann, aus der Schlacht genommen, versorgt und darf ausruhen. Ähnlich verhält es sich auf dem Schlachtfeld des Lebens, in diesem Yogakrieg ist es möglich, daß sich jemand erschöpft und nicht mehr in der Lage fühlt, den permanenten, täglichen, ohne Unterlaß stattfindenden Kampf aufzunehmen. Obwohl Patanjali lehrt, daß die Yogapraxis unaufhörlich, ohne Unterlaß und mit ständiger Bemühung stattfinden sollte, so müssen wir doch umsichtig sein. Ein Krieg mag weitergehen, doch wenn ein Soldat kampfunfähig wird, dann muß selbstverständlich der Kampf an dem Tag ohne ihn stattfinden. Der Soldat muß eine Pause einlegen, denn diese Pause ist auch ein Teil des Kampfgeschehens. Ebenso verhält es sich mit einer Pause bei der Yogapraxis. Auch hier wiederum ist ein Guru notwendig, um den Schüler beim Pausieren und bei der Wiederaufnahme der Praxis anzuleiten.

Das Geflüster des ‘Teufels’

Dann kommt das Geflüster des ‘Teufels’. Es kommt in einem weit fortgeschrittenem Stadium des Schülers. Der ‘Teufel’ sagt nichts, wenn sich der Schüler noch in einem Anfangsstadium befindet. Der ‘Teufel’ interessiert sich nicht für Anfänger. Doch wenn er befürchten muß, daß der Yogaschüler tatsächlich mit Hilfe seiner Aktivitäten seine niedere Ebene verläßt, wird er reagieren. In Wahrheit gibt es keinen ‘Teufel’. Es ist nur ein gebräuchlicher Begriff aus der Theologie, denn es gibt niemanden, der irgendwo einen ‘Teufel’ hat sitzen sehen. Es ist lediglich eine natürliche Reaktion der niederen Natur, wenn der Yogaschüler versucht, über diese hinauszuwachsen. Um ein Beispiel zu geben: Wenn jemand mit dem Strom schwimmt, gibt es keine Schwierigkeiten, denn der Strom trägt ihn fort. Doch, wenn jemand versucht, gegen den Strom zu schwimmen, bekommt er Schwierigkeiten. Der Strom stellt sich ihm entgegen, versucht ihn gar zu ertränken, denn er versucht sich, gegen ihn zu stemmen. Unsere normale natürliche Bewegung ist - von den Sinnen gesteuert - auf äußere Objekte gerichtet, sie dient dem Zufriedenstellen der Instinkte und Bedürfnisse, dem körperlichen Besitz und unterschiedlichsten Freuden, was egoistische Befriedigung einschließt. Nun, insoweit, wie die Notwendigkeit besteht, den großen Fehler zu verstehen, der mit dieser Art von Befriedigung verbunden ist, und je mehr sich darum der Suchende stufenweise zur Ebene einer größeren Integration eines höheren universalen Verstehens hinbewegt, desto mehr schaut es aus, als wäre jede weitere Stufe in diese Richtung gegen die normalen Gesetze der Natur. Natürlich bedeutet dies nicht, daß der Suchende gegen die Natur arbeitet. Doch sieht es aufgrund einer kleinen Unordnung, als Ergebnis extremer Methoden, so aus, als ob er sich in die Natur einmischt. Die Natur reagiert, wenn der Suchende zu große Schritte auf einmal machen will. Es handelt sich dabei nicht um einen Fehler der Natur, selbst wenn der Suchende seine instinktiven Bedürfnisse überwinden möchte, - die ihn in Richtung äußerlicher Objekte drängen, - was sehr vorsichtig geschehen muß, so als würde ein Arzt langsam eine Injektionsnadel einführen und der Patient nichts dabei spüren. Kein Arzt stößt einem Patienten eine Klinge in das Fleisch, nur um eine Injektion vorzunehmen.

In der Yogapraxis ist Vorsicht und Umsicht geboten

Es ist sehr wichtig, daß der Yogaschüler sich nicht für zu weise hält. Auch sollte er mit seinem Wissen sehr sorgsam umgehen. Weisheit, die unbedacht angewendet wird, hört auf Weisheit zu sein, darum sollte die Weisheit mit Bedacht angewendet werden. Dieses ist eine Besonderheit in der Kunst der Yogapraxis und fällt in die Verantwortlichkeit des Gurus. Der Schüler weiß nicht, was mit dieser Methode gemeint ist. Wenn er sich falsch verhält, wird er es erst feststellen, wenn er negative Auswirkungen verspürt. Erst, wenn er einen ‘Tritt’ bekommt, wird er merken, daß etwas schiefgelaufen ist, sonst weiß er gar nicht, was er falsch gemacht hat. Das Wünschen und die allgemeinen Bedürfnisse sind die Aktivitäten der äußeren Natur, die unsere Aufmerksamkeit im Yoga erzwingen. Wir können mit dem Strom der äußeren Natur schwimmen oder uns ihm entgegenstellen. Yoga erzählt uns, daß wir sehr aufmerksam sein müssen und den ‘Goldenen Mittelweg’ beschreiten sollen. Yoga sagt uns, daß wir weder ausschließlich mit der Natur, noch vollständig gegen den Strom schwimmen sollen. Beide Extreme sind unerwünscht, denn sie machen uns in den Augen der Prakriti zum Anziehungspunkt. Es ist besser unbeachtet zu leben, als ein attraktives Objekt zu werden; denn ein attraktives Objekt bekommt immer irgendwelche Schwierigkeiten. Wohingegen jemand, der unbemerkt ist, unbehelligt und glücklich leben kann. Darum sollte der Yogaschüler, selbst durch die Yogapraxis unbeeinflußt, seinen normalen Lebensgewohnheiten mitten in der Natur nachgehen, und nichts darüber verlauten lassen, wie beispielsweise: "Ich bin ein Yogaschüler!" Diese Art von Verlautbarung wird von der Prakriti (Natur) nicht gern gesehen. Falls die Reaktion der Natur streng ist, gibt es eine Umkehrung der Praxis. Ein innerer Wunsch kann die Sinne derart aktivieren, daß sinnliche wie auch egoistische Wünsche, heftiges Verlangen, von denen sich der Suchende im Namen des Yoga befreien möchte, ihn in die umgekehrte Richtung drängen können. Und diese aufgestauten Kräfte können stärker sein, als jene unterstützenden Kräfte in einem Menschen auf diesem Yogapfad. Umkehrkräfte sind immer stärker als jene Energien, die ein wenig Freiheit geben. Laßt uns festhalten, daß Yoga nichts mit aufgestauter Energie zu tun hat, sondern weise Anwendung der Energien bedeutet. Wenn Wasser, ohne jeden Abfluß, hinter einem Damm aufgestaut wird, wird der Damm eines Tages brechen, doch Dämme werden nicht so gebaut. Sie werden für die optimale Wassernutzung gebaut. Doch, wenn das Wasser nicht derartig genutzt wird, und es sich hinter dem Damm unkontrolliert aufstaut, wird der Damm brechen, und das Wasser das Land überschwemmen.

Wir sind als ein Teil der Natur automatisch in jene äußerlichen Aktivitäten dieser Natur in Raum und Zeit eingebunden, und können daher unseren äußerlichen Drang nicht so ohne Weiteres zügeln. Dieser Drang muß schrittweise kontrolliert werden. Bei Patanjali handelt es sich um ein Yogasystem von insgesamt acht Stufen. Der Yogaschüler kann weitere Stufen, falls notwendig, mit Hilfe seines Gurus kreieren. Zu seinem eigenen Vorteil kann das durchaus einhundert oder mehr Stufen umfassen. Wann immer ein Wunsch sich auftut, können wir einen Riegel im Namen von Yoga davorschieben, und ihn als Gegner verurteilen. In den Religionen werden alle Wünsche verdammt. Jede Religion ist gegen die normalen menschlichen Wünsche eingestellt. Es ist jedoch ein Fehler, alle Wünsche vollständig zu verdammen. Selbst wenn wir auf einen Gegner treffen, wäre es nicht weise, sich ihm sofort entgegenzustellen. Um den Gegner niederzuringen, bedarf es einer sehr geschickten und gut durchdachten Vorgehensweise. Und damit unser Vorgehen von Erfolg gekrönt wird, müssen wir unmerklich, wie ein Spitzel aus der Politik oder ein Spion im Krieg, vorgehen. Yoga ist mit den Aktivitäten auf dem Schlachtfeld vergleichbar. Wir ziehen nicht in die Schlacht, um als Verlierer den Platz zu verlassen, oder gar getötet zu werden. Die Absicht ist, im Krieg einen Sieg davonzutragen. Es liegt nicht in unserer Absicht, Yoga zu praktizieren, um uns die Schamröte ins Gesicht zu treiben, sondern wir wollen etwas erreichen. Solange wir nicht jedes Detail der Gegenseite genau kennen, wobei es sich hierbei um Prakriti (Natur) handelt, und solange wir kein richtiges Mittel gefunden haben, uns selbst bezüglich der Taktik der Natur richtig einzuschätzen, werden wir scheitern. Darum ist es besser, uns viele Tage und Monate auf diese Yogaschlacht vorzubereiten, als plötzlich in die Ebene der Meditation hineinzuspringen, die gemäß Patanjali eine der letzten Stufen darstellt. Häufig leben wir in der Vorstellung, fortgeschritten zu sein, und daß es keine Vorstufen mehr gäbe. Dies ist wiederum eine Selbstüberschätzung. Die Welt ist für jeden viel zu mächtig. Wir sollten diese Macht der Welt nicht unterschätzen. Wir sollten uns vor Augen führen, wie riesig und machtvoll die Welt in ihrer Natur ist, und welch eine außerordentliche Energie die fünf Elemente Erde, Wasser, Feuer, Luft und Äther in sich selbst tragen! Wir sollten uns im Klaren darüber sein, warum selbst die Vorurteile der menschlichen Gesellschaft stark genug sind, sich uns entgegenzustellen, wenn wir einen unklugen Schritt im Yoga machen.

Illusionen und Täuschungen

Patanjali erwähnte noch eine andere Schwierigkeit, die dem Yogaschüler begegnen kann. Dies ist die Wahrnehmung von Illusionen. Der Yogaschülern mag den Eindruck haben, daß er in seiner Meditation Gottesvisionen, himmlische Lichter, zu ihm sprechende Engel oder Düfte der Parijata-Blume aus Indra’s Garten wahrnimmt. All dies kann sich in seinem Verstand abspielen, was als Illusion bekannt ist. Es sind Illusionen, weil es keine göttlichen Visionen oder Wahrnehmungen sind, obwohl sie als etwas Außergewöhnliches und Übernormales ausschauen. Die meisten Farben oder Klänge, die bei intensiver Konzentration wahrgenommen werden, sind das Ergebnis des Druckes der auf dem Prana liegt, sei es aufgrund durch Pranayama oder durch Konzentration. Wenn wir unsere Augen fest zudrücken, sehen wir auch Farben. Selbst wenn jemand einen Schlag an den Kopf bekommt, sieht er Farben. Wir können sie nicht als göttliche Farben bezeichnen, denn sie sind das Ergebnis von einem Druck, der auf Prana ausgeübt wird. Der Druck kann von einem Schlag oder Stoß, einer Atemverhaltung (Kumbhaka) oder gar von einer einfachen psychologisch ausgeübten Konzentration des Geistes auf irgend etwas herrühren. Wenn so etwas geschieht, wird man sofort Farben des Pranas sehen und manchmal hört man eine feine Schwingung, die vom Anahata Nada (Tonschwingung in der Herzgegend) ausgehen. Sie sind insoweit lobenswert, wie sie das Ergebnis einer Konzentration sind. Doch man darf sie nicht als göttliche Wahrnehmung ansehen. Auf diese Weise ist Bhranti-Darsana oder das Wahrnehmen von Illusionen und deren fälschliche Annahme als Wirklichkeit, ebenfalls ein Fehler, der den Suchenden vom Sadhana abhalten sollte.

Nun gibt es noch andere Bhrantis oder Illusionen, die manchmal vom Suchenden Besitz ergreifen. Er glaubt zu fühlen, eine Inkarnation zu sein, und daß es seine einzige Pflicht sei, die Welt vor der Hölle zu retten. Viele aufrichtige Sucher beginnen zu fühlen, daß sie hier in der Welt sind, um die Menschheit vor der Verdammnis zu retten, und dann verlassen sie ihre eigene Yogapraxis. Zuvor studierten sie die Upanishaden, die Bhagavad Gita und praktizierten Yoga. Alles ist in Ordnung, nichts blieb übrig, mit Ausnahme der Aktivität des Erretters! Aus diesem Grund übernahmen sie die Verantwortung eines Propheten oder einer Inkarnation, strebten danach, die Menschheit vor der Hölle zu retten und danach betraten sie selbst die Hölle. Yogasuchende sollten nicht, aufgrund ihres Erfolges im Yoga, die Absicht solch falscher Vorstellungen hegen, Erretter der Menschheit zu sein. Es gibt keine Pflicht dieser Art. Und falls dies seine Pflicht ist, wird es ihm so klar wie das Sonnenlicht sein. Es gibt darüber keinen Zweifel. Es ist von derart hoher Klarheit, wenn Gott, einen Menschen mit dieser großen Verantwortung - die Menschheit zu retten - betraut. Darum sollte der normale Yogasuchende nicht glauben, daß es seine Pflicht sei, die Menschheit zu retten. Er ist ein sehr kleiner Schwächling, so wie eine Fliege. Diese unangebrachten Ideen sollten sich in seinem Verstand nicht erheben. Dies falsche egoistische Gefühl, ein großer Yogameister oder Erretter der Menschheit zu sein, sollte vollständig aufgegeben werden.

Die nächste Schwierigkeit, die Patanjali erwähnt, ist die Unfähigkeit des Verstandes, sich auf das gedachte oder auserwählte Objekt zu konzentrieren. Wie oft sich man auch konzentrieren mag, der Verstand ist nicht in der Lage, an einem Objekt festzuhalten. Einer Quecksilberkugel gleich, die man nicht in der Hand halten kann oder wie ein glitschiger Fisch, den man nicht ergreifen kann, entgleitet der Verstand seiner Kontrolle und will immer an etwas anderes denken. Und wie sehr man sich auch bemüht, er will sich nicht konzentrieren. Er ist wie ein Stier, der uns lieber mit seinen Hörnern durchbohren will, anstatt unsere Ermahnungen oder Belehrungen zu akzeptieren. Der Verstand kann sich derartig wild gebären, daß es in antisoziales Verhalten, nach innen wie nach außen münden kann. Es ist eine sehr schlimme Situation, wenn der Verstand wild wird! Es kann einen wahnsinnig machen. Aufgrund des außerordentlichen Drucks, den der Suchende entweder absichtlich oder durch die äußeren Umstände auf sich selbst ausübt, werden viele Menschen auf dem Yogaweg geisteskrank. Aus diesem Grunde muß der Yogaschüler sehr behutsam und vorsichtig vorgehen.

Die letzte Schwierigkeit, die Patanjali erwähnt lautet wie folgt: Selbst wenn der Yogaschüler einen Konzentrationspunkt erreicht, kann er seinen Verstand nicht für längere Zeit dort ruhen lassen. "Ja, ich konnte den Konzentrationspunkt erreichen, doch ich konnte dort nicht lange verweilen!" - Dies ist eine häufige Klage. Der Verstand kommt sofort zurück. Durch schrittweises Bemühen, täglicher Übung und verschiedene andere Methoden, bekommt der Verstand schrittweise die Fähigkeit, sich für immer längere Zeit zu konzentrieren.

Selbst wenn es zehn Geburten braucht, Gott zu erreichen, macht dieses nichts. Der intelligente Yogaschüler sollte seine Schritte nicht zurückverfolgen und zurückfallen. Er sollte langsam voranschreiten. Es gibt Schwierigkeiten einer zweiten Kategorie, die von Patanjali erwähnt werden, die anders als jene sind, auf die wir uns bereits bezogen haben. Ein Zustand der Verzweiflung, wenn die Praxis irgendwie schiefläuft, wird von dem großen Yogalehrer als Schwierigkeit der zweiten Kategorie bezeichnet. Melancholie und Selbstzweifel können sich selbst erst nach Jahren und nicht unbedingt gleich zu Anfang der Praxis einstellen. "Was soll das alles? Ich habe genug getan. Ich habe es satt." Der Geist spricht nach Jahren der Praxis in diesen Begriffen. "Alle Gebete sind ins Leere gegangen; die Meditation war für mich ohne jeden Erfolg. Ich habe die Welt und alles das verloren. Was soll gut daran sein?" So oder ähnlich spricht der Geist eines Tages, und der Suchende sagt nichts, weil er tief in seinem Herzen darüber bekümmert ist, daß er alles verloren zu haben glaubt. Dies eine Stufe des Kummers, die jeder große Meister durchschreiten mußten. Es wird berichtet, daß selbst große Denker und beharrliche Schüler, wie Buddha einer war, an einer Stufe in einen Zustand der Sorge und des Kummers kamen, wo sie glaubten, nichts erreicht zu haben. Wir können in der Biographie Buddhas lesen, daß er selbst einen Tag vor seiner Erleuchtung, keine Anzeichen dafür hatte. Er hatte entschieden, daß der Tod das einzige wäre, das Erlösung bringen würde. Das Ergebnis all diesen Leidens im Namen von Yoga ist Zerstörung und Verlust von allem. Diese Zustände von Melancholie, Niedergeschlagenheit, süßsaurer Miene und Rizinusöl-Gesicht, wie Swami Shivanandaji Maharaj zu sagen pflegte, mögen sich in den Geist schleichen. Dies sind Dhuhkha und Daurmanasya - Sorge und Niedergeschlagenheit. Wann immer sich ein solcher Zustand einstellt, sollte der Suchende die Zustände aufmerksam überleben und ihnen nicht unterliegen.

Die Hindernisse der zweiten Kategorie, die von Patanjali erwähnt werden, sind von unterschiedlicher Natur. Er betrachtet sogar das Atmen als Hindernis. Ein normaler Schüler wird nicht verstehen, was all dies bedeuten soll. Warum sollte das Atmen eine Schwierigkeit sein? Wir können ohne die Atmung nicht leben. Doch muß angemerkt werden, daß Patanjali vom Atmen als Hindernis spricht. Dies kann nur der fortgeschrittene Schüler mit außerordentlicher Wahrnehmungsfähigkeit verstehen. Patanjali betrachtet die Ein- und Ausatmung deshalb als Hindernis, weil diese Wechselbewegung der Atmung eine beruhigende Wirkung auf das Atmen selbst hervorruft, was sich auf die Gedankenbewegung auswirkt. Niemand kann aufgrund der wechselnden Atembewegung fortgesetzt, beharrlich denselben Gedanken fassen, und darum wird Pranayama als Teil der Yogapraxis beschrieben. Pranayama bedeutet Verhalten des Atems und ein Verhindern der normalen Wechselbewegung des Atems. Es wird angenommen, daß das Verhalten des Atems direkt zur Zielstrebigkeit des Geistes, zur Konzentration des Bewußtseins und zur Befreiung von der Gedankenbewegung führt, die den Sinnesobjekten zustrebt. Als Ergebnis beharrlicher Yogapraxis, wird sich früher oder später der Atemprozeß mit dem Gedankenprozeß verbinden, und die Lebensenergie des Yogi wird ‘EINS’ mit seinem psychologischen Sein. All dies führt dazu, daß seine Persönlichkeit in ein Bewußtseinszentrum konzentriert wird, wo keine Atmungbewegung mehr stattfindet. Dies ist der Zustand des Samadhi, der letzte Zustand.