Swami Krishnananda:

Antwort auf deine Fragen

Kapitel 67

Verzicht und Umwandlung

Ein Besucher: Welchen Stellenwert nimmt Verzicht in der Meditation, von der Du gesprochen hast, im spirituellen Leben ein?

Swamiji: Wie lautet Deine Frage?

Besucher: Welchen Stellenwert nimmt der Verzicht im Meditationsprozeß zur Verwirklichung des persönlichen wahren Selbst’ ein?

Swamiji: Kannst Du mir erklären, was Du mit Verzicht meinst? Was verstehst Du wirklich darunter?

Besucher: Ich meine damit, daß man mehr an der Verwirklichung des persönlichen Selbst, als an irgend etwas anderes im Leben interessiert ist.

Swamiji: Nein. Wenn Du daran interessiert bist, Dein Selbst zu verwirklichen, dann meinst Du damit, daß dies auch mit Verzicht verbunden ist, nicht wahr?

Besucher: Ich glaube, daß dies das Ergebnis eines größeren Interesses ist.

Swamiji: Auf was verzichtet man denn? Auf welche Dinge möchtest Du zu diesem Zweck verzichten?

Besucher: Möglicherweise auf die bisherige Lebensweisen, alte Denkmuster, auf die bisherigen Umgangsformen mit den Menschen, auf die althergebrachte Weise des Verstehens.

Swamiji: Dies ist richtig. Doch tatsächlich bedeutet Verzichten, auf alle Wünsche, die mit der weltlichen Wahrnehmung verbunden sind zu verzichten. Hast Du Wünsche, die weltlicher Natur sind? Wenn Du auf sie verzichten kannst, hast Du die Vollkommenheit erreicht. Die alten Denkmuster usw., die Du so eben erwähnt hast, sind in Wahrheit die alten Denkmuster des Wünschens in Bezug auf die weltlichen Dinge.

Besucher: Ja.

Swamiji: Wenn man über diese Art des Wunschdenkens hinausgeht, wenn dieses Selbst der einzige Wunsch ist und nichts außerhalb dieses Wunsches übrigbleibt, hat man wirklich verzichtet. Verzichten bedeutet nicht, die weltlichen Objekte, Menschen und Dinge aufzugeben, sondern das Verlangen danach. Viele Menschen sind im Augenblick hier anwesend. Kann man sagen: „Ich verzichte auf sie?“ Diese Frage erhebt sich überhaupt nicht, da ich keine innere Beziehung zu ihnen habe. Aus diesem Grunde erhebt sich auch die Frage bezüglich des Verzichtens nicht. Genauso muß man sich gegenüber allen Dingen in der Welt verhalten, dann erhebt sich auch nicht die Frage nach dem Verzichten.

Besucher: Ja.

Swamiji: Sobald man von etwas innerlich berührt ist, erhebt sich damit auch die Frage nach dem Verzichten oder nicht Verzichten. Du bist an dem Selbst interessiert. Und wenn nichts weiter interessiert, dann hast Du auch gänzlich verzichtet und das Beste getan, was man in der Welt tun kann. Dies ist meine Antwort auf Deine Frage.

Besucher: Danke

Besucher: Swamiji, ich habe noch eine andere Frage bezüglich der Umwandlung - wie und zu welcher Zeit findet Umwandlung statt?

Swamiji: Welche Art von Umwandlung meinst Du?

Besucher: Ich meine die Umwandlung der Persönlichkeit, der bisherigen Lebensweise, der Art und Weise, wie man die Dinge bisher gesehen und verstanden hat, im Sinne von mehr Interesse in das Selbst.

Swamiji: Die Umwandlung ist tatsächlich ein Zustand des Bewußtseins. Wenn man sich etwas gewahr wird, nimmt das Bewußtsein die Sache in Besitz und erscheint in äußerer Form, wobei es gleichgültig ist, ob es sich um ein menschliches Wesen oder irgendeinen anderen Gegenstand in der Welt handelt. Man wird für die Zeit, wo man darüber nachdenkt, in die Form des Objektes transformiert. Doch, wenn die Objekte, wie Du soeben beschlossen hast, für Dich nicht existieren, weil sie Dich innerlich nicht berühren, hast Du mit nichts in der Welt zu tun, und das Bewußtsein transformiert sich selbst in seine wahre Natur hinein.

Unser Bewußtsein beruht auf Erfahrungen, ist gefühlsbetont und von Objekten erfüllt. Wir sehen diese Welt; wir schauen auf die Gebäude, Wände und auf so viele Menschen um uns herum. Unter diesen Wahrnehmungsbedingungen findet eine psychologische Umwandlung statt. Der Verstand nimmt die Form dessen an, was er erkennt; dann ist er in der Lage, die existierende Sache, als solche zu erkennen. Genauso, wie Geschmolzenes, das sich in einen Schmelztiegel ergießt, die Form des Schmelztiegels annimmt, nimmt auch der Verstand die Form irgendeines Objektes an, welches er erkennt oder mit den Sinnesorganen wahrnimmt.

Dies nennt man Bindung an die Objekte. Wenn Du von nichts mehr berührt wirst, - Du siehst so viele Menschen hier, doch Dein Verstand wird nicht in die äußere Form dieser Menschen transformiert, da er innerlich nicht mit ihnen verbunden ist, - ist es ein leeres Sehen und Schauen, ohne irgendwelche gefühlsbetonten Bindungen. Wenn diese gefühlsbetonten Bindungen zu den Dingen aufhören und Deine inneren Beziehungen im Reinen Selbst zentriert sind, erfährt man, wie gesagt wird, eine metaphysische Umwandlung, - eine transzendentale Umwandlung in die Form Gottes Selbst, wie ich es bezeichnen möchte. Anstatt das Dein Bewußtsein die Form der Dinge, die es außerhalb von sich selbst erkennt, annimmt usw., wird das zentrierte Bewußtsein, ohne Beziehungen zur äußeren Raumzeit, in die Form des transzendenten SEIN’s, was Gottesbewußtsein ist, hinein modifiziert. Diese Form, die Du erwartest, findet dann automatisch statt, wenn Du Dich von dem Objekt-bezogenen-Bewußtsein oder jeglichem Wunschdenken befreit hast. Dies erwartest Du in Deinem spirituellen Umwandlungsprozeß.

Wenn das Selbst sich irgend etwas wünscht, verliert es meistens den Kontakt zu sich selbst und bewegt sich außerhalb in den Formen der Objekte sinnlicher Wahrnehmungen. Dies ist für den Verstand unnatürlich. Die Sinne müssen von solcher Wahrnehmungsaktivität zurückgezogen werden, denn das Bewußtsein muß in sich Selbst ruhen. Das Ruhen des Bewußtseins in sich Selbst ist die höchste Form der Yogameditation, was Universales SEIN bedeutet. Danach gibt es nichts mehr. Dies ist das letztendliche Ziel.

Ein britischer Besucher: In Deinem Buch „The Realisation of the Absolute“ ist ein Abschnitt, wo Du sagst, daß, wenn sich die Natur auf ihre Weise revanchieren wird, sich jemand nicht selbstverwirklicht. Das hört sich so an, als ob die Natur eine Absicht damit verfolgt oder einen Grund dafür hat. Ich würde mich freuen, wenn Du mir das erklären kannst.

Swamiji: Die Natur revanchiert sich nicht, doch sie zwingt die Menschen in die Naturgesetze, denen wir uns sozusagen alle fügen müssen. Das Bewußtsein der Endlichkeit, die Todesfurcht, das Gefühl der Unsicherheit und ein Gefühl, mit allem unzufrieden zu sein, sind die Reaktionen der Natur gegenüber dem Menschen, der sein Selbst nicht verwirklicht hat.

Selbstverwirklichung bedeutet das Ewige Universale SEIN zu erfahren, wobei die Natur mit eingeschlossen ist. Da es Universal ist, gibt es niemanden mehr, der ES kontrollieren kann. ES kann auch von niemandem mehr eingeschränkt werden, und da es überall ist, kann ES auch nicht sterben. ES kann nicht geboren werden; ES ist vollkommen frei und letzten Endes Absolut. So beschreiben wir den höchsten Zustand der Verwirklichung, die unter vielen Namen als Selbstverwirklichung, Gott-Verwirklichung und die Verwirklichung des Absoluten bekannt ist, - dort, wo das EINE EINS ist, existiert davon nichts mehr außerhalb, was Dich irgendwie beschränken könnte.

Das ist die letztendliche Freiheit, das Ziel des Lebens, wonach sich jeder im tiefen Meditationsprozeß bemühen muß. Tiefe Meditation ist notwendig. Man muß praktisch all seine Zeit in Kontemplation auf diese höchste Vollkommenheit, auf das Vollkommene Ganze, was als Absolutes bekannt, wo alles vorhanden, welches ALLES in ALLEM und untrennbar von der eigenen Existenz ist, verwenden.

Diese Meditation ist die höchste Pflicht eines jeden Menschen, und man wird in jeder Beziehung vollkommen, alles wird erfüllt werden, wenn diese Pflicht getilgt wurde. Dies ist die Sache, nach der wir in all unseren Aktivitäten und Handlungen tagaus, tagein streben und um die wir uns bemühen müssen. Was auch immer unsere Aufgabe in diesem Leben ist, alles muß auf diesen großen Meditationsprozeß hin zum Absoluten ausgerichtet werden. Dies ist die Pflicht aller Menschen.