Swami Krishnananda:

Antwort auf deine Fragen

Kapitel 64

Drei Arten der Meditation

Spanischer Besucher: Wie kann ich die Meditation auf das „Kosmische Bewußtsein“ praktizieren.

Swamiji: Wessen bist Du Dir im Augenblick der Meditation bewußt? Dieses ist dann der Gegenstand Deiner Meditation. Du benutzt kein besonderes Ob­jekt, sondern Du bist Dir der Erde, des Himmels, der Raumzeit, der Sterne in der ganzen Atmosphäre bewußt. Kannst Du Deinen Verstand so weit aus­dehnen, daß Du Dir all dieser Dinge gleichzeitig, - nicht eins nach dem anderen, sondern gleichzeitig - bewußt bist? Kosmisches Bewußtsein beginnt mit der Konzentration auf alle Dinge gleichzeitig.

Ich komme wieder auf die Analogie der Körperglieder zurück. Du bist Dir der vielen Körperglieder gleichzeitig bewußt. Du denkst nicht heute so und morgen so: “Heute an eine Nase und morgen an ein Ohr“; nein, so denkst Du nicht, sondern Du bist Dir aller Körperglieder sofort bewußt. Das nennt man vollkommenes Bewußtsein. Wenn Du Dir auf ähnliche Weise aller denkbaren Dinge gleichzeitig bewußt sein kannst - der ganzen Welt, der Raumzeit und der Objekte, - wenn Du diese Übung durchführen kannst, wäre es für Dich eine Bemühung hin zum transzendentalen Bewußtsein. Dies ist eine Form der Meditation.

Ich sage damit nicht, daß jeder nur auf diese Art meditieren sollte. Dieses ist nur ein Weg. Doch anfangs wird diese Art der abstrakten Konzentration als schwierig empfunden. Darum wird allgemein die Konzentration auf eine Gott­heit empfohlen, und ich würde gern wissen, welche Gottheit Du vorziehst. Es hörte sich so an, als ob Du die Wiederholung des Mantras „OM namah Shivaya“ bevorzugst. Die Bedeutung dieses Mantras ist eine Verneigung vor der großen Gottheit Shiva. Kannst Du an Gott Shiva, seine Merkmale, seine Charakteristik, sein Wissen und seine Macht denken?

Spanischer Besucher: Ja, Swamiji.

Swamiji: Kannst Du Dich auf diese Gestalt konzentrieren?

Spanischer Besucher: Der Verstand wandert mal hierhin und mal dorthin. Ich kann mich nicht ständig darauf konzentrieren.

Swamiji: Der Verstand wandert deshalb hierhin und dorthin, weil er sich etwas anderes wünscht, als das, worüber Du meditieren möchtest. Er sagt sich, daß er etwas anderes tun möchte. Nun stelle Dir selbst die Frage und frage Deinen Verstand: „Warum wendest Du Dich woanders hin, wenn Du Dich letztendlich für eine Gottheit wie Shiva entschieden hast, von der Du alles bekommen kannst, was auch immer Du wünschst? Glaubst Du vielleicht, daß Shiva Dir nicht alles geben kann? Warum konzentrierst Du Dich auf Shiva, wenn Du bezweifelst, daß ER Dich mit allem segnen kann?“

Der Verstand spielt Dir einen doppelten Streich. Einerseits sagt er Dir, daß dies das Konzentrationsobjekt ist, und daß ich, wenn ich darauf meditiere, alles bekomme; doch das Unterbewußtsein sagt: „Nein, die Gottheit wird mir nicht alles geben; ich möchte lieber zum Marktplatz gehen.“ Auf diese Weise treibt der Verstand sein Spiel mit Dir, in dem er von zwei unterschiedlichen Dingen zur selben Zeit spricht. Warum solltest Du auf Shiva meditieren, wenn du Dir sicher bist, daß es nichts bringt? Doch Du fühlst, daß es sich eigentlich nicht so verhält: „Er wird mich sicherlich segnen." Du wirst vielleicht alles, was Du Dir wünschst, durch die Meditation auf diese Gottheit bekommen. Doch eine andere innere Stimme sagt Dir: „Nein, nein. Du solltest Dich nicht darauf konzentrieren. Geh’ lieber in ein Restaurant und iß etwas Delikates.“ Auf diese Weise wird die innere Stimme sich bei Dir bemerkbar machen.

Du mußt Dich wie ein Lehrer verhalten. Du bist doch Lehrer von Beruf und weißt, wie man Schüler behandeln muß, und der Verstand ist nichts anderes als ein Schüler; sag’ ihm: „Du bist ein dummes Etwas. Warum läufst Du hierhin und dorthin, wenn Du alles aus dem Supermarkt bekommen kannst und Shiva eine Art Supermarkt ist? Warum gehst Du zu einem Kramladen? Was macht das für einen Sinn?“

Sag’ Deinem Verstand immer wieder: „Du bist dumm! Warum wanderst Du hierhin und dorthin? Weißt Du denn nicht, daß Du alles, was Du möchtest, von IHM bekommen kannst? Und nicht nur das, Du kannst selbst alles bekommen, was sich jenseits Deiner Vorstellungen befindet. Ein Meer voller Segen erwartet Dich. Gehe nicht!“ Du kannst es ihm auch wörtlich sagen. Sag’ es Deinem Verstand nicht nur in Gedanken, sondern mit Worten. „Geh’ nirgendwo hin! Du bekommst alles hier!“ Sprichst Du nicht genauso mit Deinen Schülern in der Schule? „Dies ist gut für Dich. Ändere Dein Verhalten. Lerne!“

Sprich’ mit Deinem Verstand, wie der Vater zu seinem Kinde: Sei nicht dumm; geh’ nicht überall hin. Du verlierst nur Energie und verschwendest Deine Zeit. Du kannst alles, was Du wünschst, an einem Ort haben. Identifiziere Dich darum mit Dir selbst, meditiere auf IHN und Du wirst von IHM gesegnet werden.“ Wenn Du dabei an die Gottheit Shiva glaubst, ist es in Ordnung, dann fahre damit fort.

Du kannst jetzt diese oder auch eine höhere Methode, nämlich die Konzentration auf das Kosmische Bewußtsein, anwenden, die ich bereits erwähnt habe. Und in jenem kleinen Buch, das ich Dir heute morgen gegeben habe, werden weitere Methoden angesprochen: d.h. die Meditation auf etwas Äußerliches, Innerliches und Universales. Dies sind die drei Meditationsstufen.

Bei der Meditation auf die Gottheit Shiva handelt es sich um die Meditation auf etwas Äußerliches, - wobei die Gottheit vor Deinen Augen als ein kosmisches Äußerliches betrachtet wird. Dies ist eine Art der Meditation auf dem Weg zur Hingabe, Bhakti genannt.

Bei der Meditation auf etwas Innerliches, handelt es sich um eine rein psychische Kontemplation, wie beispielsweise bei der buddhistischen Methode. Die buddhistischen Meditationen sind rein psychologisch. Man konzentriert sich weder auf irgendeinen Gott oder Gottheit, noch auf etwas anderes. Vielleicht sind Dir irgendwelche Techniken aus dem Buddhismus bekannt; im Hinduismus gibt es ebenfalls solche Techniken. Die Beobachtung des Atems, des Verstandes, der Gedanken, und das Lenken der Gedanken in verschiedene Regionen des Körpers usw. sind Meditationen, die sich auf etwas Innerliches beziehen. Und die höchste Form der Meditation ist die Konzentration auf das Universale.

Du fängst mit der Meditation auf das Äußerliche an. Man muß nicht sofort auf etwas Innerliches meditieren. Die Meditation auf die Gottheit Shiva ist vollkommen in Ordnung. Fahre mit dieser Methode fort. Du steigst dann langsam immer höher hinauf.

Spanischer Besucher: Swamiji, ist die Beobachtung der Gedanken oder die Beobachtung der Gedanken, ohne sich damit zu identifizieren, eine andere Form der Meditation?

Swamiji: Das ist auch eine Methode. Du kannst jede Methode auswählen, die Du möchtest. Du kannst wahlweise alle drei Methoden gleichzeitig anwenden: Du kannst entweder zu Shiva beten, Deinen inneren Verstand analysieren oder kosmisch denken. Alle drei Methoden sind gut; wenn Du in der Lage bist, kannst Du sie alle drei miteinander kombinieren.

Wenn Du Deine Büroarbeit oder irgendeine andere Arbeit erledigst, sollte dies den ganzen Tag über den Hintergrund Deiner Gedanken bilden. Nur dann wird es zu Deinem Selbst werden. In Wirklichkeit gibt es keine andere Beschäftigung. Dies ist die Hauptbeschäftigung; alle anderen Beschäftigungen vereinigen sich mit dieser einen Hauptbeschäftigung. Alles, was Du mit irgendeiner anderen Arbeit, Beschäftigung usw. erreichen willst, wirst Du durch diese Hauptbeschäftigung bekommen. Dies ist das Hauptobjekt und der eigentliche Sinn des Lebens. Die Vereinigung mit der Wirklichkeit ist das Hauptobjekt. Dies ist der eigentliche Sinn des Lebens. Da wir nicht dazu in der Lage sind, dies zu erreichen, suchen wir überall nach Arbeit usw.. Nach der Vereinigung mit der Wirklichkeit brauchen wir nicht mehr nach einer Arbeit zu suchen, denn wir werden von der Natur bekommen, was auch immer wir uns von ihr erhoffen. Doch anfangs sind wir dazu nicht in der Lage, darum müssen wir, zusammen mit unseren Meditationsbemühungen, dienen und ebenso arbeiten.