Swami Krishnananda:

Antwort auf deine Fragen

Kapitel 61

Stufen des Karmas

Besucher: Haben wir bezüglich des karmischen Gesetzes im Leben eine Wahl oder ist uns alles vorbestimmt?

Swamiji: Wir haben eine Wahl, oder?

Besucher: Oder ist uns unser Leben vorbestimmt - was bedeuten würde, daß wir keine Wahl hätten; doch was mit uns geschieht ist die Konsequenz aus unserer Vergangenheit; oder haben wir eine Wahl?

Swamiji: Was auch immer man in der Vergangenheit getan hat, hat zwei Aspekte: einerseits hat man etwas Gutes, Wohltätiges, Nobles und Gütiges oder andererseits etwas Schädliches, Schmerzhaftes, Leidvolles usw. getan. Niemand vollbringt nur eine Art und Weise der Handlungen. Manchmal sind wir sehr gütige, wohltätige, freundliche und ehrenwerte Menschen; manchmal sind wir mürrisch, selbstsüchtig usw.. Die beiden Aspekten des Karmas erzeugen zwei verschiedene Reaktionsarten. Die negative Art unser Handlungsweise, selbst die negativen Gedanken, bringen uns in eine Richtung, über die wir keine Kontrolle haben. Das ist das, was man als den bestimmenden Faktor bezeichnet. Doch die guten Handlungsweisen - gute, ehrenwerte und erfreuliche Taten - werden den Verstand erstrahlen lassen und mit einem Bewußtsein persönlicher Leistungsfähigkeit für die richtige Richtung versorgen. Aus diesem Grunde fühlt man sich manchmal hilflos und manchmal in der Lage, etwas tun zu können.

Wenn man also das Gefühl hat, hilflos zu sein, und nichts unter seiner Kontrolle zu haben, daß sich alles jenseits der eigenen Möglichkeiten befindet, dann arbeitet das negative Karma. Wenn man aber fühlt, daß es gar nicht so schlecht aussieht: „Ich kann etwas Gutes tun“, dann arbeitet das gute Karma. Auf diese Weise sind diese Aspekte wie die beiden Flügel des einen Vogels der eigenen ganzheitlichen Handlung.

Janie: Wenn man einmal die Unterscheidungsfähigkeit besitzt, nicht zu handeln, oder durch die eigenen Gedanken zu Handlungen getrieben zu werden, würdest Du sagen, daß dies das Ende des Karmas ist?

Swamiji: Beenden des Karmas?

Janie: Wenn jemand die Möglichkeit hat, aufgrund seiner Entscheidungsfähigkeit, die Handlung zu unterlassen?

Swamiji: Dies bedeutet nicht das Ende des Karmas, sondern es ist eine Stufe auf dem Wege, das Karma zu beenden. Wenn das Karma vollständig erfüllt worden ist, würde man nicht länger als ein menschliches Wesen existieren. Doch im Augenblick ist es ein gutes Zeichen dafür, daß Du Dich in die richtige Richtung bewegst.

Amir: Swamiji, was meinst Du damit, wenn Du sagst, daß man am Ende des Karmas nicht mehr als menschliches Wesen existieren würde?

Swamiji: Es ist das Karma, das Dir das Gefühl verleiht, daß Du als eine individuelle Persönlichkeit existierst. Wenn sich das Karma aufgelöst hat, wirst Du mit dem Kosmos verschmelzen und zur Universalen Existenz werden. Du wirst danach kein Herr Soundso mehr sein. Du wirst zum Universalen Sein. Du wirst mit Gott vereint sein. Es ist so, als käme man aus dem Gefängnis und wäre vollkommen frei.

Amir: Doch ist das irgendein Unterschied im Vergleich zu meiner jetzigen Situation?

Swamiji: Situation?

Amir: Unterscheidet es sich irgendwie von der Situation, in der ich mich jetzt befinde?

Swamiji: Du wirst überhaupt nicht mehr da sein. Ich sagte Dir bereits, daß Du wie ein Fluß im Ozean sein wirst. Existiert der Fluß im Ozean oder existiert er nicht? Was meinst Du dazu?

Amir: Er existiert nicht.

Swamiji: Doch, er existiert; er hat nicht aufgehört zu existieren. Genauso wirst Du existieren, und dennoch nicht existieren. Du wirst als eine größere Sache im Vergleich zu jener kleinen Sache existieren, die Du früher gewesen bist. Deine Ausdehnung wird sich in die kosmischen Perspektiven hinein erweitern.

Amir: Die Situation, über die Du gesprochen hast, befindet sich nach meinen Erfahrungen die ganze Zeit unmittelbar vor meiner Nase.

Swamiji: Unmittelbar vor Dir?

Amir: Sie befindet sich genau dort, wo ich bin.

Swamiji: Ja, man kann es so sagen.

Amir: Und alles, was zu tun bleibt, ist, die Natur der Wirklichkeit so zu erkennen und zu akzeptieren, wie sie im Augenblick ist. Es gibt weder ein irgendwohin gehen, noch gibt es die Notwendigkeit, irgend etwas Neues zu erfahren.

Swamiji: Es verhält sich genau so, doch zur selben Zeit besitzt Du ein Bewußtsein, unabhängig und außerhalb davon zu existieren.

Amir: Das glaube ich nicht.

Swamiji: Wenn es nicht dort wäre, würdest Du jetzt nicht zu mir sprechen. Wenn das Bewußtsein der Persönlichkeit nicht vorhanden wäre, würdest Du nicht zu mir sprechen, sondern es wäre wie mit dem Himmel, - der Himmel spricht nicht zu mir. Man weiß dann selbst nicht einmal mehr, daß man existiert, genauso wenig wie der Fluß weiß, daß er existiert, wenn er zum Ozean geworden ist, obgleich er wiederum weiß, daß er in einem anderen Sinne existiert. Ansonsten würde man in seiner Dualität bis in alle Ewigkeit verbleiben. Du würdest für alle Zeit Herr Soundso sein, der auf so etwas wie ein außenstehendes Universum schaut. Das ist nicht das Ziel des Lebens. Du wirst mich mit Deinem Bewußtsein vereint sehen, so daß Du danach nicht mehr zu mir sprechen mußt. Dies ist im Augenblick etwas schwierig zu verstehen.

Michael: Swamiji, meinst Du damit das Ende aller Wiedergeburten?

Swamiji: Wiedergeburt?

Michael: Ja. Oder wie in Deinem Buch, wo du über den Guru schreibst, der keine Person, sondern etwas darüber hinausgehendes ist.

Swamiji: Der Guru ist eine sehr große Ausdehnung des Bewußtseins, das, wie bei einer hohen Stromspannung, die durch einen Kupferdraht fließt, in einer Person zu wohnen scheint. Der Kupferdraht ist das einzig sichtbare vor Deinen Augen, doch ist er mit etwas aufgeladen, das weit jenseits der Begrenzung des Kupferdrahtes liegt. Einige sechstausend, zehntausend Volt mögen dort hindurchfließen. Auf diese Weise fließen zehntausend Volt des Bewußtseins durch die göttliche Persönlichkeit, obgleich die Stromspannung nicht gesehen werden kann; man sieht nur die Kupferleitung. Solche Menschen nennen wir Übermenschen. Und was hattest Du gefragt?

Michael: Im Guru existiert offenbar noch eine Person.

Swamiji: Ja, ja, sicherlich!

Michael: Doch wurde das Karma in seinem Falle getilgt?

Swamiji: Sein Karma wurde nicht vollständig getilgt, jedoch es ist nur sehr bruchstückhaft und hell erleuchtet vorhanden und nicht so, wie das gebundene Karma bei anderen Menschen. Ja, sein Karma ist wie ein Spiegel, im Gegensatz zum Karma anderer Menschen, das wie ein Backstein ist. [Gelächter]

Janie: Swamiji, heißt das, daß zum Verbleib im menschlichen Körper ein geringer Rest an Karma andauert, oder daß ein geringer Karmateil vorhanden ist?

Swamiji: Es verbleibt ein kleiner Rest an Karma, der jedoch keine große Bindung darstellt, da es leuchtet wie ein Spiegel. Man kann darin die ganze Wahrheit sich reflektieren sehen, was im Falle einer Steinwand nicht möglich ist, dies ist der große Unterschied zwischen einem Übermenschen und einem normalen Menschen. Diese sogenannten Übermenschen sind Inkarnationen.

Richard: Swamiji, wie kann sich der Ozean (der Ewigkeit) seiner eigenen Existenz bewußt sein?

Swamiji: Es ist richtig, daß sich der Ozean seiner Existenz bewußt ist. Man nennt ihn Gott. Der Name Gottes steht für das Universale „Meer“ des Bewußtseins Selbst, doch handelt es sich dabei nicht um ein Gewässer, sondern um ein „Meer“ des Bewußtseins