Swami Krishnananda:

Antwort auf deine Fragen

Kapitel 26

Der letzte Gedanke

Mila (Besucherin aus Venezuela): Bislang habe ich immer geglaubt, daß der letzte Gedanke der wichtigste Gedanke sei. Mir wurde jetzt aber gesagt, daß er nicht so wichtig ist. Der letzte Gedanke beeinflußt meine Wiedergeburt nicht in der Form, daß man, an ein Tier denkend, auch als Tier wiedergeboren wird.

Swamiji: Wenn Du denkst, daß Du ein Tier bist, dann wirst Du als ein Tier wiedergeboren werden.

Mila: Aber, mir wurde gesagt, daß es nicht so ist, und daß der letzte Gedanke auch nicht so wichtig ist. Darum sag’ mir bitte, wie es sich nun wirklich verhält?

Swamiji: Der letzte Gedanke ist der Ausdruck der Macht aller Gedanken, die Du während Deines gesamten abgelaufenen Lebens gehabt hast. Er ist wie eine Frucht Deines Lebensbaumes.

Mila: Aber woher kommt der Gedanke an ein Tier?

Swamiji: Das „Tier“ entsteht aus Deinen Bindungen, die Du hast. Dieser Gedanke kommt beispielsweise daher, daß Du ein kleines Kind zu Hause hast, um das Du Dich ständig sorgst und immer wieder daran denkst. Es ist richtig, daß Du betest und meditierst, aber Du denkst auch an das Kind. Ein kleiner Hase oder irgend etwas anderes, um das Du Dich kümmerst und an das Du immer wieder denkst, wird auch Dein letzter Gedanke sein können. Der Gedanke wird kommen, und die Meditationstechnik, die Du anwendest, wird nichts daran ändern, solange Du eine Bindung zu einem Kind hast. Dieser Gedanke an das Kind wird niemals aufhören, weil Dein Gefühl bei dem Kind und nicht bei der Meditation ist. Dein Intellekt ist in der Meditation und Dein Gefühl ist bei dem Kind. Darum wird zuletzt der Kindgedanke kommen und darin liegt die Gefahr. Deine Liebe zu Gott sollte gefühlsbeladen sein und nicht nur „ein intellektuelles Akzeptieren“ zum Inhalt haben. Unsere Beziehung zu einem Kind ist gefühlsbetont und nur gefühlsbetonte Dinge werden im letzten Augenblick auf uns zukommen. Sag’ mir, woran Du den ganzen Tag denkst?

Mila: Nun, ich sehe das Bewußtsein in den Bäumen, in den Steinen, in allem.

Swamiji: Denkst du auch noch an andere Dinge?

Mila: Ich hoffe, daß ich nicht an andere Dinge denke, denn man sagt, daß man selbst noch vor der Himmelstür herunterfallen kann. Welchen Weg können wir im letzten Augenblick einschlagen?

Swamiji: Wenn Du immer und unter allen Umständen - morgens, abends, wenn Du zu Bett gehst und schläfst, wenn Du sprichst und wo auch immer Du bist, diesen einen Gedanken hegst - nur an das denkst, was ich bereits erwähnte, kannst Du IHN niemals vergessen, dann wird dies auch Dein letzter Gedanke sein. Aber Du mußt IHN auch in Deinem Herzen fühlen. Wo ist Dein Herz? Das, was Du ständig in Deinem Herzen trägst, wird auch Dein letzter Gedanke sein.

So wird sich beispielsweise an Deinem Lebensende eine heimliche Leidenschaft, von der Du niemandem etwas erzählst, mit großer Macht entfalten, und alles weitere bewirken. Wenn es aber nicht so ist, wenn Du auch gefühlsmäßig nur an die eine große wundervolle Sache denkst und Du Dir nichts anderes in dieser Welt wünschst - auch keine Freunde -, wenn Du nichts besitzt und Dich nur mit IHM, dem Absoluten Sein, verbunden fühlst und Tag und Nacht nur an IHN denkst, dann wird der letzte Gedanke auch nur IHM gelten. Was Dir Dein Gefühl sagt, das wird Dein letzter Gedanke sein. War das die Antwort auf Deine Frage?

Mila: Ich habe die Frage nur gestellt, weil man mir sagte, Swami Chidananda hätte gesagt, daß der letzte Gedanke nicht wichtig ist. Ich war aber der Meinung, daß in der Bhagavad Gita zu lesen steht, daß der letzte Gedanke wichtig ist, das ist der Grund für meine Frage.

Swamiji: Wieso kann sich der letzte Gedanke von dem unterscheiden, was Du während Deines ganzen Lebens gedacht hast? Es wird derselbe Gedanke sein. Warum sollte sich der letzte Gedanke davon unterscheiden? Dieser letzte Gedanke ist das „Häubchen Sahne“, das alle Deine Gedanken garniert.

Mila: Man könnte abgelenkt werden.

Swamiji: Nein, von dem intensivsten Gedanken kann man nicht abgelenkt werden. Es gibt keine Ablenkung. Wie sollte das möglich sein? Wenn Du allerdings mit Deinen Gedanken sehr intensiv an Deinem Besitz, Erbe und Bankkonto hängst, unter dem Motto, - wenn ich sterbe, wer wird dieses alles bekommen? - wird es sicherlich ein Problem geben. Viele Menschen beten zu Gott und meditieren, befürchten aber, daß der Falsche, - wenn sie sterben -, den Besitz erben wird? Dieser Gedanke bezüglich des Besitzes wird auch das Ende beherrschen.

Wenn Du aber sagst: „Laß den Besitz doch zur Hölle gehen. Es macht mir nichts aus, wenn er zur Hölle geht, denn ich habe schließlich meine Pflicht getan. Laß den Besitz irgend jemanden übernehmen. Ich werde ihn als mildtätige Gabe weitergeben und alles beenden, damit ich mit Gott alleine sein kann. Ich habe niemanden mehr außer Gott und mich selbst. Ich stehe vor IHM. Ich stehe für immer Tag und Nacht vor IHM. Ich schaue auf IHN und ER schaut auf mich.“ Wenn dies Deine Gedanken sind, gibt es auch keine Probleme. Denke darüber nach.

Mila: Und was sind die zukünftigen Hindernisse? Wir können doch indirektes Wissen erreichen.

Swamiji: Du betest und meditierst jeden Tag, nicht wahr? Welche Hindernisse sollte es dabei geben?

Mila: Nein. Das meine ich nicht. Du sagst, daß es drei Arten von Hindernissen gibt: Die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft.

Swamiji: Kommen Dir diese Gedanken während der Meditation?

Mila: Nein. Aber ich denke daran, was die Zukunft wohl bringen wird? Wie bereite ich mir Hindernisse für die Zukunft? Ich verstehe die Vergangenheit und die Gegenwart, aber ich kann nicht die zukünftigen Hindernisse verstehen. Was kann ich bezüglich der Zukunft tun?

Swamiji: Die zukünftigen Hindernisse resultieren aufgrund jener Wünsche, die Du Dir erfüllen möchtest, aber im jetzigen Leben nicht erfüllen kannst. Aufgrund einiger Probleme kannst Du diese Wünsche im jetzigen Leben nicht erfüllen, und das sind die Probleme der Zukunft. Wenn es aber jetzt keine Wünsche mehr gibt, die zu erfüllen wären, wenn Du jetzt eine reine Weste hast, dann gibt es auch in der Zukunft keine Probleme mehr und die Zukunft wird Dir dann auch keine Probleme bereiten.

Mila: Vielen Dank.