Swami Krishnananda:

Antwort auf deine Fragen

Kapitel 24

Die Verbindung zwischen Körper und Verstand: Der geliebte Gott

Besucher: Welche Verbindung gibt es zwischen Körper und Verstand?

Swamiji: In den kalten Ländern gefriert die Meeresoberfläche und wird zu festem Eis. Verstehst Du, was ich damit sagen will? In der Tiefe bleibt der Ozean flüssig und an der Oberfläche wird er fest. Die Festigkeit zeigt sich nicht plötzlich an einem bestimmten Fleck, sondern bildet sich allmählich zu immer festerem Eis. Aus der Tiefe des Ozeans heraus wird das Eis dichter und fester, und umgekehrt, je tiefer man sich von der festen Eisoberfläche nach unten begibt, desto weicher und durchlässiger wird das Eis, bis es schließlich wieder so flüssig wie Wasser geworden ist. Wo verläuft die Grenze zwischen dem Eis und dem darunter befindlichen Wasser? Wo ist die Verbindungslinie zwischen beiden? Was verbindet das Eis an der Oberfläche mit dem Wasser am Grund? Gibt es eine Verbindung oder gibt es keine?

Besucher: Es gibt keine Verbindung.

Swamiji: Es gibt also keine Verbindung. Damit habe ich Deine Frage beantwortet, bzw., Du hast Dir Deine Frage selbst beantwortet.

Darum sage jetzt nichts mehr. Die Antwort muß aus dem Fragesteller selbst kommen. Die Antwort ist tief im Inneren des Fragestellers verborgen. Sie muß lediglich durch eine analytische Methode hervorgebracht werden. Was sagst Du nun? Die Antwort ist in Dir, doch Du fragst unnötigerweise, da Du nicht in der Lage bist, selbst die Antwort zu finden. Der Guru ist wie eine Hebamme. Ohne etwas Neues zu erschaffen, bringt er das hervor, was bereits vorhanden ist. Darum habe ich, wie eine Hebamme, etwas hervorgebracht. Möchte noch irgend jemand etwas fragen? - Als kurze Antwort genügt es zu sagen, daß der Verstand wie ein verflüssigter Körper ist. Wenn der Körper sich verflüssigt, wird er zum Verstand; Wenn der Verstand sich verfestigt, dann wird er zum Körper. Es gibt tatsächlich keine Verbindung; das, was als zwei Dinge erscheint, ist in Wirklichkeit nur eins. Wasser und Eis sind ein und dasselbe; es gibt keine zwei Dinge.

Man kann sich nicht auf eine Sache konzentrieren und sich dabei etwas anderes denken oder wünschen. Der Verstand ist mit den Wünschen identisch. Der Verstand setzt sich aus Wünschen zusammen und ist davon untrennbar, genauso wie ein Kleidungsstück aus vielen Fäden hergestellt wird und keinesfalls davon getrennt werden kann. Wie willst Du Dich konzentrieren, wenn nicht durch den Verstand, was gleichbedeutend mit den Wünschen ist? Wo sind die Wünsche? Welche Wünsche hast Du?

Wenn es Probleme bei der Einschätzung der Wünsche gibt, und wenn man nicht ganz genau weiß, was man tatsächlich in dieser Welt benötigt, dann ist der Verstand noch nicht zur Konzentration und Meditation bereit.

Du kannst Dich nur auf das konzentrieren, was Du Dir wünschst. Du kannst Dich nicht auf etwas konzentrieren, was nicht von Dir gewünscht wird. Du kannst Dich nur auf etwas konzentrieren, wozu Du tief im Inneren Deines Herzens eine Beziehung hast. Du kannst Dich nicht auf etwas konzentrieren, wozu Du keine Beziehung hast. Einige sagen: Konzentriere Dich auf einen Punkt an der Wand, eine Kerzenflamme, eine Rose oder einen Lichtblitz, praktiziere „Trataka“ (starrer, konzentrierter Blickkontakt auf ein Objekt). Das ist alles richtig. Dieses sind alles wundervolle Konzentrationsübungen. Aber, bist Du mit dem ganzen Herzen dabei? Hüpft Dein Herz vor Freude, wenn es an den Punkt an der Wand denkt? Oder betrachtest Du es als eine Art Bürde, die Dir durch einen Zuchtmeister auferlegt wurde? Ist die Yogameditation eine Art unfreundlicher Disziplin, die Dir als Bürde von irgend jemandem auferlegt worden ist, oder ist sie freudevoller spontaner Erguß Deiner eigenen Gefühle, weil Du es so wünschst?

Dies sind bestimmte gedankliche Hintergrundaspekte, deren Du Dir immer bewußt sein mußt. Wie kannst Du eine Liebe oder innere Beziehung zu einem Punkt an der Wand aufbauen, wenn Du genau weißt, daß er keine Bedeutung hat? Jemand behauptet, daß es gut für Deine Konzentration sei, und darum zwingst Du Dich zu dieser Konzentration auf den Punkt.

In der indischen Tradition begreifen wir das Objekt der Meditation als Ishtadevata. Im Sanskrit bedeutet es „geliebtes Objekt“ oder „geliebter Gott“. Das, was Du am meisten liebst, ist für Dich Gott. Wenn Du etwas zu einhundert Prozent liebst, dann wird es in jeder Hinsicht zu Gott. Es ist Gott. Nach Gott kommt nichts mehr und auch außerhalb von Gott existiert nichts mehr. Wenn eine Mutter ein Kind bekommt, auf das sie jahrelang gewartet hat, wird das Kind für die Mutter zu Gott, - sie denkt nur noch an das Kind, umarmt es und verehrt es als das teuerste Gut Ihrer Seele. Gibt es irgend etwas in dieser Welt, das Du als das teuerste Gut Deiner Seele betrachten könntest? Das ist Dein Ishtadevata, das geliebte Objekt Deiner Meditation.

Jeder von Euch muß sein geliebtes Objekt zur Meditation auswählen. Dasjenige Objekt, das nicht der Zuneigung entspricht, kann vom Verstand nicht akzeptiert werden, und darum auch nicht als Konzentrationsobjekt herangezogen werden. Andererseits wirst Du nämlich an dem Glauben festhalten, daß Du meditierst und nach vielen Jahren feststellen müssen, daß Du nichts erreicht hast, weil Du Dich in der fraglichen Disziplin wie ein Schuljunge verhalten hast, dessen Herz sich ganz woanders befindet.

Unser Swami erzählte mir, daß Du Dich mit Yama-Niyama beschäftigst. Tatsächlich beinhalten die Yama-Niyama-Regeln die Analyse über Dein Herz und Deine Gefühle. Wo befindet sich Dein Herz und wo Deine Gefühle? Was magst Du gerne? Erzähle es mir und ich werde Dir sagen, wer Du bist. Du brauchst niemandem zu erzählen, wer Du bist, aber Du kannst es Dich selbst fragen. Frag’ Dich selbst: Was für ein Mensch bin ich? Würdest Du Dich als sehr bedeutenden oder perfekten und von den Göttern geliebten Menschen bezeichnen? Oder fühlst Du Dich als winziges Nichts, als ein Niemand in dieser Welt? Wie ist es?

Ein Suchender ist der angenehmste Yogaschüler. Jemand, der Gott von ganzem Herzen liebt, der kann sich auch aus ganzem Herzen konzentrieren. Aber jemand, der den armseligen Flitterkram in dieser Welt, der anziehend, hübsch und sehr wertvoll aussieht, mehr liebt als die wahren Werte des Lebens, der kann sich nicht spirituell konzentrieren. Ein Lehrer und geistiger Führer ist zwingend erforderlich.

Das tatsächliche Objekt Deiner Liebe wird Deine Seele befreien und Dich von der Sterblichkeit zur Unsterblichkeit führen. Dieses solltest Du als das Objekt Deiner Meditation anschauen. Wer kann Dich in dieser Welt, mit Ausnahme dessen, was nicht von dieser Welt ist, beschützen? Diese Welt ist brüchig wie Glas. Sie wird wie ein Windhauch von einem Tag zum anderen verschwinden. Im Kosmos gibt es etwas Wesentliches, Unsterbliches. Man nennt es den Allmächtigen Gott, das Absolute, das Höchste Sein. Auf das mußt du Dich konzentrieren. Du kannst Dich auf die Nasenspitze, auf den Punkt zwischen den Augenbrauen, Dein Herz oder jeden anderen Körperteil konzentrieren, doch letztendlich muß Dein Verstand zum Absoluten Sein, dem Ishtadevata oder zum Objekt „der geliebten Anflehung“ geführt werden. Niemand kann Dich mehr lieben als Gott, und auch Du kannst niemanden mehr lieben als Gott. Gott liebt Dich und Du liebst Gott. Dieses ist Religion und Yoga zugleich. Wenn Dir dies klar ist, kannst Du Dich konzentrieren, ansonsten werden Deine Gedanken hin und her springen, weil Du nicht das richtige Objekt ausgewählt hast.

Das ausgewählte Objekt ist Ishtadevata, die am meisten geliebte, attraktivste und befreiendste Quelle Deiner Sicherheit. Du wirst herausfinden, daß es nichts Sichereres als Gott selbst gibt. Alles andere ist unsicher und letztendlich unzuverlässig. Darum ist Yoga im Sinne von „Gottesliebe“ eine Religion, und es ist im Sinne „der Konzentration des Verstandes“ eine Disziplin. Diese beiden Begriffe gehören zusammen. Tiefe Konzentration durch Willenskraft sollte mit auf Gott gerichtetem Gefühl vermischt sein. Religion und Yoga vereinigen sich in Form einer Aufwallung Deiner ganzen Persönlichkeit in Richtung auf den Schöpfer des Universums. Dies ist meine kleine Botschaft für Dich. Was soll ich Dir sonst noch erzählen? Gott segne Dich.