Swami Krishnananda:

Antwort auf deine Fragen

Kapitel 13

Nur Gott allein als Wunsch

Priester: Offiziell bin ich ein Priester, aber ich sehne mich nach Gott-Verwirklichung.

Swamiji: Ein verwirklichter Gottmensch zu sein, ist demzufolge eine inoffizielle Bezeichnung. Es gibt aber keinen Gegensatz zwischen den beiden. Nichts ist falsch daran, ein Priester zu sein. Du kannst Priester sein, aber Du mußt göttlich ausgerichtet sein. Der Priester muß letztendlich unter dem Diktat des Papstes ein öffentliches Amt bekleiden. Das Christentum ist eine systematische Organisation, bei der vom Priester erwartet wird, daß er entweder in der Kirche oder in der Öffentlichkeit predigt. Seine Predigten hängen von den Anweisungen ab, die er erhalten hat.

Priester: Die Botschaft muß überbracht werden, aber die Hauptsache kommt von innen.

Swamiji: Es ist auch die Pflicht eines Priesters, Menschen zu bekehren. Ist dies auch ein Teil Deiner Pflichten?

Priester: Was erwartet wird, ist nicht der Versuch andere zu bekehren, sondern, den eigenen Glauben zu bekennen.

Swamiji: „Bekehren“ ist nicht ein Teil der Aufgaben eines Priesters?

Priester: Wenn es so wäre, würde ich damit nicht übereinstimmen.

Swamiji: Wenn ein Priester ein gutes christliches Leben führt, aber niemanden bekehrt, würde man es da nicht als falsch ansehen, wenn er seine Pflicht nicht wahrnimmt?

Priester: Nein. Genauso versuche ich zu leben

Swamiji: Einige Christen glauben, daß „Bekehren“ auch eine Pflicht ist, da das Christentum die „wahre Religion“ ist, und daß jeder, der einer anderen Richtung folgt, vielleicht einer niederen oder einer falschen Religion angehört, so daß das „Bekehren“ eine der wesentlichen Pflichten ist. Dies ist eine Doktrin, die den Priestern mit auf den Weg gegeben wird. Du sagst, daß diese Notwendigkeit nicht besteht.

Wenn ein Christ fühlt, daß seine Religion die einzig „wahre und beste“ Religion ist, folgt diesem Gefühl die Schlußfolgerung, daß andere Religionen niedriger sind. Wenn diese Idee, daß andere Religionen unter dem Christentum stehen, mit dem Gefühl der eigenen Überlegenheit gepaart sind, folgt automatisch, daß es gut wäre, andere Menschen zur „wahren“ Religion zu bekehren. Wenn ein Priester also niemanden bekehrt, kommt er seiner Pflicht nicht nach.

Priester: Wenn er aber möglicherweise mit den ersten beiden Punkten nicht übereinstimmt, dann fällt der dritte Punkt weg. Andererseits wäre ich nicht hier, wenn ich an den ersten Punkt glauben würde.

Swamiji: Ich bin vielen guten Christen begegnet, und es waren ehrenwerte Leute. Ein Priester aus Italien mag mich sehr. Er erzählte allen Leuten, daß ich ein sehr netter Mensch und auf dem richtigen Weg wäre, und daß ich eines Tages Christ werden würde!

De Smet (ein Besucher) ist ein sehr gelehrter Christ. Wir hatten viele philosophische Diskussionen miteinander. Wir sprachen über das Konzept der Dreieinigkeit, der Existenz der Sünde usw.. Viele Menschen sind in dem Konzept der Sünde gefangen. Wo existiert Sünde? Existiert sie irgendwo oder befindet sie sich nirgendwo? Solche Fragen ergaben sich und wir haben darüber diskutiert. Schließlich vereinbarten wir einen Waffenstillstand und waren glücklich damit.

Du bist ein spiritueller Mensch. Du sehnst Dich nach Gottverwirklichung. Möchtest Du am Ende wirklich Gott oder möchtest Du etwas anderes? Manchmal sagt einem auch das Herz oder das Gefühl, daß man sich doch noch etwas anderes wünscht? Diese Frage gilt es zu beantworten. Bist Du Dir hundertprozentig sicher, daß Dein Herz nach Gott und nach nichts anderem verlangt?

Priester: Grundsätzlich und als Wunsch, aber nicht immer in der Wirklichkeit.

Swamiji: Jetzt hast Du gerade das Wort „Wunsch“ gebraucht. „Wunsch“ bedeutet „Verlangen nach etwas“. Ist es ein Verlangen nach Gott oder ist es ein Verlangen nach etwas anderem? Diese Frage muß durch das eigene Herz beantwortet werden. Wenn es nur das Verlangen nach Gott ist, kann man es überhaupt nicht als Wunsch bezeichnen. Es ist ein heiliges Verlangen, eine Sehnsucht, und darum ist nichts Falsches daran. Jeder sollte das Verlangen nach Gott haben; wenn dies der einzige Wunsch ist und es keinen anderen Wunsch gibt, ist es wundervoll. Aber, wenn dieser Wunsch etwas anderes als Gott beinhaltet, dann muß man sich fragen: Was wünsche ich mir außer Gott?

Sage mir, gibt es irgend etwas in dieser Welt oder in der ganzen Schöpfung, das derjenige, der Gott sucht, sich noch wünscht? Gibt es irgend etwas anderes außer Gott in dieser Welt, das Du gerne haben möchtest? Oder gibt es nichts außerhalb von Gott, das Du Dir wünschst?

Priester: Grundsätzlich nicht und auch nicht in Gedanken, - aber in Wirklichkeit.

Swamiji: Was entspricht denn nicht der Wirklichkeit? Ist die Wirklichkeit irgend etwas anderes?

Priester: Im wirklichen Leben gibt es ein großes Verlangen nach Gott.

Swamiji: Laß uns glauben, daß die Welt wirklich und Gott nicht ganz so wirklich ist. Sollen wir uns zu dieser Schlußfolgerung durchringen?

Priester: Gott ist vollkommene Wirklichkeit.

Swamiji: Wie wirklich? Ist Gott mehr, gleich oder weniger wirklich als die Welt?

Priester: Im Grunde ist ER das einzig Wirkliche, aber in der Praxis.....

Swamiji: Nein, komme mir nicht mit der Praxis oder so etwas. Solch eine Praxis gibt es nicht. Entweder sind die Gedanken aufrichtig oder nicht. Du kannst nicht behaupten, daß „A“ gleich „A“ ist und es nichts anderes außer „A“ gibt, und dasselbe im praktischen Leben verneinen. Dieses „A ist gleich A“ existiert nur in der Professorenschule, aber im Herzen der Herzen ist „A nicht gleich A“. Dort gibt es neben dem „A“ auch noch ein „B“. Wie kannst Du solch ein duales Leben führen? Welches Leben führst Du eigentlich? Ent­spricht Dein wirkliches Leben der Wahrheit, von der Du sprichst, oder nur dem Schuldenken? Welches Leben führst Du eigentlich?

Priester: Es gibt da einen Widerspruch.

Swamiji: Wer führt Dich in diesen Widerspruch? Ich analysiere lediglich die Situation, ich spreche nicht als Guru oder Mentor zu Dir. Einen Widerspruch kann es nur zwischen zwei Realitäten geben, nicht aber zwischen „wirklich und unwirklich“. Das ist unmöglich und Du hast zugegeben, daß beide Dinge wirklich sind. Gott ist Wirklichkeit und die Welt ist auch Wirklichkeit.

Priester: Es gibt einen Widerspruch zwischen der „Wirklichkeit“ und der „Unwirklichkeit“, die als Wirklichkeit erscheint.

Swamiji: Nein. Wenn sie (die Unwirklichkeit) als Wirklichkeit erscheint, dann ist sie einzig und alleine Wirklichkeit. Eine Sache, die Du als „wirklich“ bezeichnest und die für Dich „wirklich“ zu sein scheint, hast Du als „wirklich“ akzeptiert. Wenn Du sie nicht akzeptierst, kannst Du der Wirklichkeit sagen: „Ich akzeptiere diese Sache nicht, weil sie nur eine Erscheinung ist.“

Vielleicht sagst Du aber: „Nein, nein. Es ist keine Erscheinung für mich. Es ist Wirklichkeit, die mich ernsthaft berührt.“ Wenn das der Fall ist, mußt Du mit dem Umfang dessen, was für Dich „wirklich“ ist, vorsichtig umgehen. Dann mußt Du noch herausfinden, welche der „Wirklichkeiten“ dieser Welt - und wie viele - Dich berühren.

Wenn Du in dieser Welt etwas wünschst, muß dieses nicht notwendigerweise eine Quelle des Widerspruchs sein. Glaubst Du, daß der Widerspruch aufhört, wenn Dein Wunsch erfüllt wird? Glaubst Du wirklich, daß der Widerspruch aufhört, wenn Dein Wunsch erfüllt ist?

Priester: Nur vorübergehend. Dann kommt etwas Neues.

Swamiji: Dann wird Dein Wunsch wieder erfüllt. Wenn Du den zweiten Wunsch ebenfalls erfüllt bekommen hast, bist Du dann zufrieden? Nein. Es folgt der dritte Wunsch. Warum geschieht das? Warum funktioniert der Verstand auf diese Weise? Warum bewegt sich der Verstand von einem Objekt zum nächsten, ohne daß er zufriedengestellt ist? Dieses ist eine philosophische und nicht nur eine theologische Frage. Es gibt einen Grund dafür, daß das Gemüt sich etwas wünscht und mit der Erfüllung des Wunsches danach nicht zufriedener wird. Woher kommt dieses Gefühl der Unzufriedenheit?

Priester: Letztendlich sucht das Gemüt nach Gott, aber es geht nicht direkt darauf zu.

Swamiji: Wenn Du es so empfindest, dann wird sich Dein Problem auflösen. Glaubst Du daran, daß Gott Dich beschützt und Dir bei Deinen Problemen hilft, oder glaubst Du, daß ER keine Macht dazu hat? Warum suchst Du keine Zuflucht in Ihm? Wenn Du Gott wirklich vertraust, wenn Du sagst, daß Deine Probleme durch Gott gelöst werden, und wenn Du Zuflucht in Ihm suchst, wird ER schließlich Dein Mentor sein, und Du wirst in der Lage sein, Zuflucht in Ihm zu suchen? Du kannst es nicht, weil Dich das andere, der Wunsch nach der Welt, anzieht, nicht wahr?

Priester: Teilweise, aber das ist die beste Antwort, die ich je bekommen habe.

Swamiji: Es gibt ein christliches Gebet: „Unser Vater im Himmel, geheiligt werde Dein Name, Dein Reich komme......, Dein ist das Reich, die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.“ Dieses ist eines der besten Gebete überhaupt. Glaubst Du, daß dieses Gebet keine Wirkung hat?

Priester: Es wirkt. Ich muß mein Vertrauen darin erneuern.

Swamiji: Hast Du dazu kein Vertrauen?

Priester: Doch, ich habe Vertrauen.

Swamiji: Dann wird es funktionieren. Es muß funktionieren. Ich glaube nicht, daß es irgendwelche Probleme geben wird. Dieses war eine Art selbst erzeugter Verwirrung. Man kann es nicht als ein Problem bezeichnen, vielmehr ist es eine Art Gedankenfehler, den Du selbst behandeln, oder von einem Mentor bzw. von Gott behandeln lassen kannst. Wenn Dein Herz wirklich in Ihm ruht, dann wird Gott den Fehler beseitigen. Was sagst Du jetzt? Sei glücklich.