Swami Krishnananda:

Antwort auf deine Fragen

Kapitel 9

Das Absolute

Swamiji: Was willst Du opfern?

Besucher: Alles, - wenn ich kann.

Swamiji: Nein. Das Absolute möchte Dich. Es möchte nicht irgend etwas von Dir, sondern es möchte nur Dich. Du kannst dem Absoluten nichts geben, weil Dir nichts gehört. Du bist allein auf dieser Welt. Es gibt keinen Besitz; das ist alles nur eine Illusion. Niemand kann irgend etwas besitzen. Alles ist unabhängig, das bedeutet, daß Du Gott nichts geben kannst; Du kannst nur Dich selbst geben. Du bist das Endgültige, Du bist selbst das Opfer.

Besucher: Ist die Meditation der einzige Weg, oder gibt es noch andere Wege, um ES zu erreichen?

Swamiji: Es gibt noch andere Wege, die aber schließlich alle nur in der Meditation enden. Am Ende steht die Meditation.

Besucher: Welche Wege können wir zur Einführung in die Meditation benutzen?

Swamiji: Wo befindet sich im Augenblick das Absolute?

Besucher: Ich fühle, daß es sich überall befindet.

Swamiji: Wenn das so ist, gibt es dann irgend etwas außerhalb des Absoluten oder existiert nur das Absolute? Wie verhält es sich mit all diesen Leuten, die hier sitzen? Befinden sie sich innerhalb des Absoluten?

Besucher: Ja sicherlich befinden sie sich alle innerhalb des Absoluten.

Swamiji: Welche Haltung nimmst Du gegenüber allen Dingen auf dieser Welt ein? Wenn Du etwas siehst, was fühlst Du dann?

Besucher: Ich respektiere alles.

Swamiji: Es gibt kein “alles”. Du hast gesagt, daß es nur ein Absolutes gibt, warum sprichst Du dann von “allem”? Das, was Du "Alles" nennst, ist in das Absolute aufgegangen.

Besucher: Ja. Ich sehe das Absolute in allem und jedem.

Swamiji: Wenn dieser Gedanke immer vorherrscht, dann ist das die höchste Meditation auf das Absolute. Aber, wenn Du manchmal das Gefühl hegst, daß es viele Dinge außerhalb des Absoluten gibt, dann wird die Meditation nicht vollständig sein. Diese Augen, die viele Dinge sehen, sagen Dir immer, daß es viele Dinge außerhalb des Absoluten gibt, darum kannst Du Deiner Wahrnehmung nicht vertrauen. Wenn Du Dein tiefes inneres Gefühl davon überzeugen kannst, daß das, was auch immer Du siehst, sich innerhalb jenes Höchsten befindet (einschließlich Deines und jedermann Selbst'), dann ist das Meditation. Dann kannst Du das Absolute erreichen.

Besucher: Ist es mit dem Absoluten genauso wie mit dem Unendlichen, - d.h., daß, je näher man zum Absoluten kommt, es sich desto weiter entfernt?

Swamiji: Nein. Du wirst dem Absoluten immer näher kommen. Es ist nicht die arithmetische Unendlichkeit damit gemeint. Dein Selbst ist das unendliche Selbst. Es ist nicht wie beim Horizont, der beim Näherkommen immer weiter zurückweicht. An dieser Stelle bedeutet das Unendliche nicht eine “unendliche Entfernung”, sondern etwas “Einschließliches”. Es ist nicht mathematisch, sondern spirituell zu verstehen. Das Absolute ist “Reines Sein”.

Besucher: Es gibt viele Glaubenssätze. Wie kann man das Unendliche begrenzen, indem man sagt, daß es nur einen Weg gibt?

Swamiji: Du kannst das Absolute nicht begrenzen. Es schließt alle Glaubenssätze in sich ein. Alle Glaubenssätze sind Bestandteile des Absoluten. ES kann durch keine besondere Doktrin eingeschränkt werden. Es ist kein empirisches Konzept. Der Verstand ist nicht in der Lage, “Reines Sein” auszudrücken, weil ES nicht gedacht werden kann. Du glaubst, Du würdest Dich außerhalb des Absoluten befinden. Wenn Du Dich innerhalb des Abso­luten befindest, wie soll sich in Dir dann eine Frage erheben?

Besucher: Ist es wahr, daß nur eine Wahrheit existiert, oder gibt es mehrere Wahrheiten?

Swamiji: Es gibt nur eine Wahrheit, - nicht mehrere Wahrheiten. Es gibt viele Stufen der Wahrheit, aber schließlich ist es nur eine Wahrheit. Wir haben jetzt “Tag”. Das ist eine Wahrheit, aber es ist nicht überall auf der Welt “Tag”. Die Wahrheit, die für diesen Ort richtig ist, mag für einen anderen Ort nicht gelten. Es ist wahr, daß Du ein menschliches Wesen bist, aber das ist nur ein Teil der Wahrheit. Tatsächlich bist Du ein kleiner Druckpunkt im kosmischen Meer; - das ist eine höhere Wahrheit und nur ein Beispiel für die verschiedenen Stufen der Wahrheiten. Letztendlich gibt es nur eine Wahrheit.

Besucher: Wir versuchen immer die Wahrheit zu finden.

Swamiji: Du hast keine andere Pflicht, als die Wahrheit zu finden. Das ist die höchste Pflicht.

Besucher: Einige Leute glauben nicht, daß sich die Wahrheit hier in unserem Universum befindet; sie glauben, daß diese im Himmel sei.

Swamiji: Sagen diese Leute, daß diese Welt nicht wahr ist?

Besucher: Wir haben alle unsere eigene Wahrheit; sie führt zu Sekten oder verschiedenen Religionen, die unterschiedliche Auffassungen vertreten.

Swamiji: Das ist der Fehler der Menschen. Es ist kein Fehler der Welt. Die Welt hat keine Religion. Nur die Menschen haben ihre Religionen.

Besucher: Ist es möglich, einfach so zu leben, ohne zu versuchen, die Wahrheit zu finden, und nur zu versuchen, sich in den Kosmos zu integrieren - allein, um einen Punkt im Kosmos zu fühlen?

Swamiji: Das wäre eine große Sache. Wenn Du das bewerkstelligen könntest, gäbe es keine Notwendigkeit, etwas anderes zu tun. Das ist das Höchste. Danach gibt es keine Probleme mehr.

Besucher: Wie können wir die Wahrheit erreichen, wenn wir in die materialistische Gesellschaft verwickelt sind?

Swamiji: Wenn Dir Dein Verstand sagt, daß Du diese sozialen Bindungen durchdringen mußt, dann hast Du mit dieser besonderen Idee, daß Du Dich aus dieser Gesellschaft herausheben mußt, bereits den ersten Schritt unternommen. Durch tiefe Meditation wird sich Dein Bewußtsein von selbst aus den sozialen Bindungen herausziehen und Du wirst in das Stadium der Meditation übergehen. Selbst in dieser Welt kannst Du auf diese Art meditieren. Im Gegensatz zur menschlichen Gesellschaft und dem modernen Materialismus, mußt Du Dir lediglich eine Stunde pro Tag Zeit nehmen, um alleine zu sein und so zu denken. Eine Stunde korrektes Denken wird alle anderen Probleme der übrigen Stunden des restlichen Tages richtigstellen.

Besucher: Während des Versuches, die Wahrheit zu finden, fühle ich, daß es nur eine Sache gibt, die wichtig ist, nämlich, “zu lieben”.

Swamiji: Wen zu lieben?

Besucher: Die ganze Schöpfung.

Swamiji: Das ist dieselbe Wahrheit. Die ganze Schöpfung zu lieben bedeutet, Gott selbst zu lieben.

Besucher: Ist es wahr, daß alle Handlungen dieser Welt aus dem Willen Gottes hervorgebracht werden?

Swamiji: Es ist zugleich wahr und auch nicht wahr, denn so lange Du fühlst, daß es unwahr ist, ist es nicht wahr. Selbst wenn es wahr ist, wird Dir dadurch nicht geholfen, weil Dein Herz es nicht akzeptiert. Wenn Gott wirklich alles vollbrächte, würdest Du nicht mit mir sprechen. Vielmehr würdest Du still verweilen und alles würde schön sein.

Besucher: Ich habe mich zwei Tage lang still verhalten, doch heute verlasse ich den Ashram.

Swamiji: Am dritten Tag ging es also schief. Erzähle Gott: “Zwei Tage habe ich auf Dich gewartet, und am dritten Tag war ich mit Dir nicht einverstanden.” Alles wird auf perfekte Art durch den Willen Gottes erledigt. Der ganze Kosmos ist der Körper Gottes. Genauso wie dieser Körper eine Offenbarung der Seele ist, so ist das ganze Universum eine Offenbarung des Allmächtigen Absoluten Bewußtseins; darum kann sich nichts ohne den zentralen Willen zur Handlung bewegen. Wenn jener Wille nicht vorhanden ist, kannst Du Deinen Finger nicht heben, werden keine Haare an Deinem Körper wachsen, kannst Du nicht sprechen, hört Deine Atmung auf und Dein Herz schlägt nicht mehr.

Aber (und dieses “Aber” ist wichtig), niemand auf der Welt möchte es wahrhaben, daß es so ist. Du sagst, daß Du aus Delhi kommst; Du sagst nicht, daß Du von Gott kommst. Dein menschlicher Verstand erschafft sofort eine andere Assoziation, indem er zum Beispiel die Identifikation mit Mann und Frau, mit dieser Handlung oder jener Handlung usw. herstellt. Doch wie können sich solche Ideen im Verstand einer Person erheben, wenn solche Handlungen überhaupt nicht stattfinden und das Universum simultan handelt? Es beruht auf unvollkommenem Wissen und mangelndem Verständnis vom Kosmos, welches Dir das Gefühl vom, “wir” handeln, gibt. Wenn Dein Verstand in der Lage wäre, selbständig auf die kosmische Organisation umzuschalten, würdest Du keinerlei Probleme mehr haben.

Besucher: Wenn jede Handlung direkt oder indirekt durch den Willen Gottes entsteht und sich selbst manifestiert, dann verbleibt kein Raum für den Willen des Menschen.

Swamiji: Das, was Du letztendlich als den freien Willen bezeichnest, ist nichts anderes, als die Handlung durch den Willen Gottes.

Besucher: Wie kann man dann jemanden für seine in der Vergangenheit liegende Handlungsweise verantwortlich machen?

Swamiji: Irgend jemand fühlt, daß er etwas getan hat. Fragt man ihn, dann wird er sagen, daß dies seine Kuh, sein Land, sein Besitz usw. ist. Gibt es irgend jemanden, der z.B. sagen würde, daß dieses Gebäude Gott gehört? Wir sind gebunden und frei zugleich in Bezug auf unsere Gefühle in unseren Herzen. Wenn Du sagst, daß Du etwas getan hast, dann trägst Du dafür auch die Konsequenzen. Aber wer will von sich behaupten, daß er es nicht getan hat? Jeder Mensch mit Körperbewußtsein wird fühlen, daß er etwas getan hat.

Deine Handlungen und Deine ganze Existenz sind in die kosmische Handlung eingebunden. Was auch immer Du tust, ist ein Teil davon. Aber begehe nicht den Fehler, Dein Bewußtsein davon zu trennen, so, als wärest Du der Handelnde.

Besucher: Aber es berührt mich.

Swamiji: Es berührt Dich, weil sich Dein praktisches Leben von dem unterscheidet, was Du sagst oder denkst.

Besucher: Ich kann nichts dagegen tun.

Swamiji: Dann bringt es nichts, darüber zu diskutieren. Du solltest darüber nicht sprechen, da es Dich eigentlich nicht berührt. Gott kann Dir nicht helfen, wenn Du Ihm nicht vollkommen vertraust.

Du mußt langsam, Stufe für Stufe, durch Befreiung, Selbstlosigkeit, Wohltätigkeit, ohne Einfluß zu nehmen, mit dem Gefühl der Güte im Herzen und einem ideellen Bemühen, voranschreiten. Das ist der Anfang einer guten Führung und die erste Stufe hin zu Gott. Danach betest Du ein wenig und kontemplierst über diese Dinge, die wir diskutiert haben. Später wird die wirkliche Meditation beginnen. Gott wird für Dich sorgen.

Besucher: Falls es das Ziel des Menschen ist, sich selbst zu verwirklichen, um schließlich befreit zu werden, wie erklärt sich diese ganze Übung, dieser Kreislauf der Vorbestimmung des Menschen?

Swamiji: Die ganze Sache, die Du jetzt angesprochen hast, ist in dem kosmischen System so enthalten, wie die Wellen und all diese Luftblasen und das Kräuseln der Wasseroberfläche des Ozeans Bestandteile des Ozeans selbst sind. Du wirst alles sofort in IHM finden und es wird sich danach keine Frage mehr ergeben.