Swami Krishnananda:

Antwort auf deine Fragen

Kapitel 1

Auf freiem Willen

Swamiji: Man sagt, daß alle Teilchen des Körpers - nenne sie Zellen, oder was auch immer - Schöpfungen, Offenbarungen, feste Formen der sich anhäufenden Kraft sind, die durch die ganzheitliche Handlung der Planeten und der Sonne auf ein ganz bestimmtes Zentrum namens ‘menschliche Individualität’ einwirkt. Somit bist Du ein Kind des Sonnensystems. Du wurdest nicht durch Vater und Mutter usw. geboren, - was alles nur soziale Komponenten Deines Daseins sind -, vielmehr hast Du eine weit größere Bezie­hung zum Sternenhimmel. Du bist ein Bürger des Sonnensystems.

Wir sollten nicht mit dem Gefühl leben, daß die Sonne so weit entfernt ist, daß die Planenten für unser Auge nicht sichtbar sind, und daß die Sterne noch weiter entfernt sind. So ist es nicht. Es gibt keine Entfernung in diesem elektromagnetischen Feld der Sternen-Region und der Atmosphäre der Sonne. Als „elektromagnetisches Feld” können wir den Bereich bezeichnen, in dem die ganze Atmosphäre arbeitet. Es ist für das physische Auge nicht sichtbar. Es ist selbst so kraftvoll und machtvoll, daß es sich in bestimmten Formen manifestieren kann, die individuell benannt werden. Sie mögen die Formen aus der Pflan­zenwelt, dem Tierreich oder dem menschlichen Bereich annehmen.

Aber es gibt noch mehr darüber zu sagen. Die ganze Raumzeit-Struktur ist der Ursprung, aus dem heraus das Sternensystem operiert. Raumzeit ist eine komplexe Existenz, des­sen Ausdehnung und Reichweite über das Sonnensystem und das Sternenreich hinaus­gehen. Es ist der Einfluß, der sich durch jede Bewegung des Raumzeit-Kompl­xes ausdrückt, welches sich selbst in Form des Sonnensystems, der Milchstraße usw., bis hin zu unseren Körpern offenbart. So sind wir kleine Tropfen in dem Meer elektroma­gnetischer Mächte, hervorgerufen durch die sogenannte Folge von Raumzeit. Du befin­dest Dich weder in Rishikesh, noch in Delhi, noch an irgendeinem anderen Platz. Solch ein Ding wie die Erde gibt es überhaupt nicht. Es ist nur ein Name, den wir einer kon­zentrierten Form kosmischer Energie, dessen Teil wir sind, gegeben haben.

Wir werden in diesen Körper aufgrund zusammenwirkender Handlungen verschiedener Mächte geboren. Eine davon ist die Nahrung, die wir zu uns nehmen. Die Ernährung der Mutter hat großen Einfluß auf die Bildung des ungeborenen Kindes. Die Nahrung, die Dein Verstand in der Form von Erde, Wasser, Luft und Raumzeit wahrnimmt, bildet die Grundlage. Diese Zusammensetzung beeinflußt die Persönlichkeit, und wir können nicht sagen, wessen Kinder wir sind, welchem Land wir angehören oder von welcher Nationa­lität wir sind. Unser Vater befindet sich irgendwo, wir kennen ihn nicht, und denken über ihn keine Minute lang nach, so als wäre er überflüssig.

Jedes Atom des Raumes hat Augen. Es gibt eine kosmische Intelligenz, die alles durch­dringt. Diese kosmische Intelligenz, welche den ganzen physischen Kosmos beseelt, kann als etwas Kosmisches, das in Beziehung zur durchdringenden Intelligenz in Deiner Persönlichkeit steht, interpretiert werden. Dr. Rao oder Krishnamurty sind nicht das, was vor einer Kameralinse sichtbar ist. Die Ankündigung, daß "Dr. Rao kommt", bedeutet nicht, daß ein 1,80m großer physischer Körper kommt. Das ist nicht alles . Es hat eine weitreichende Bedeutung, oder nicht? Oder ist es ein sich bewegendes Individuum aus Fleisch und Knochen, von denen es viele auf der Welt gibt. Von Bedeutung ist das, was Du als ”Selbst” bezeichnest. Es gibt etwas Bedeutendes in Dir; - dieses Bedeutende ist das, was Du bist. Diese Bedeutung ist die schöpferische Kraft hinter unserer Existenz, so daß wir nicht nur aufgrund unserer scheinbaren individuellen Initiative existieren. Unsere sogenannte Initiative, - das Bemühen, das uns fortbewegen läßt -, ist ein Impuls, der direkt aus dem Zentrum des Kosmos kommt. Wenn dieses Zentrum nicht funktioniert, können wir keinen Finger heben; alles wird zusammenbrechen. Das Anheben der Finger und das Gehen der Beine geschieht nicht nur aufgrund der Nahrung, die wir essen oder durch die Medizin, die wir zu uns nehmen, sondern aufgrund der Erlaubnis, die wir aus dem Zen­trum erhalten haben. Wenn unser Körper krank ist, dann ist jedes Glied des Körpers eben­falls krank.

Dr. Rao: Swamiji, besteht diese Erlaubnis nur, um überhaupt oder auf ganz besondere Art und Weise zu handeln?

Swamiji: Um selbst zu existieren.

Dr. Rao: Um zu existieren und auch in besonderer Art und Weise zu handeln?

Swamiji: Auch das. Nun, warum sollte es Dir erlaubt sein, auf besondere Art zu handeln? Das ist eine andere Frage. Es kann Dir auch erlaubt sein, auf eine andere Weise als derje­nigen, mit der Du gerade beschäftigst bist, zu handeln. Das liegt an Deinen früheren Inkarnationen. Warum wird das Licht im Spiegel auf unterschiedliche Weise reflektiert?

Dr. Rao: Ich möchte einige Fragen stellen. Intellektuell verstehe ich Die Botschaft, die Du mir gegeben hast, weil ich ebenso in der Lage bin, abstrakt zu denken. Nun, die Bücher, die ich habe, haben mir geholfen, zu einer Hypothese zu kommen, - von der ich glaube, daß es eine Hypothese ist. Und das ist der Gedanke, den ich jeden Tag immer wieder durchgehe. Falls dieses als Meditation betrachtet werden kann, dann meditiere ich darüber. Aber, bevor ich zum nächsten Punkt komme - , wenn Du sagst, ich sei hier aufgrund eines Druckes einer externen Kraft...

Swamiji: Ja, ja, ja. Es hat Dich geformt und in diesen Zustand versetzt und Dich zu dem gemacht, was Du bist, die Umstände Deiner Geburt und sogar die Lebensdauer, und die Art und Weise Deiner Existenz, und die Art der Handlung eingeschlossen. ”ES” bedingt alles.

Dr. Rao: Wenn alles durch "ES" bedingt ist, werde ich zum Handelnden.

Swamiji: Du bist nicht der Täter. ”Es” selbst tut es. So etwas wie Dr. Rao oder irgend jemand anderen gibt es nicht und existiert auch nicht. Schau, - wenn der Finger sich be­wegt, bewegt sich genau genommen nicht der Finger. Es ist der ganze Körper, der be­fiehlt, daß der Finger sich entsprechend heben soll. Genauso sind wir die Finger der kosmischen Kraft, die Dir befiehlt, daß Du Dich auf diese Weise bewegen sollst. Wenn der Finger die Chance hätte, ein Bewußtsein zu besitzen, würde er glauben, sich unabhängig zu bewegen.

Dr. Rao: Diese Schlußfolgerung ist deshalb nicht haltbar, weil sich der Finger, - solange ich nicht von zentraler Stelle aus den Befehl dafür gebe -, nicht aus sich selbst heraus bewegen würde. Der Finger tut genau das, was ich denke. Er ist keine unabhängige Existenz.

Swamiji: Das ist genau das, was ich sage. Es gibt für niemanden eine unabhängige Exi­stenz.

Dr. Rao: Nein. Doch dann frage ich mich, - falls es so ist - , wieso entwickle ich mich während des Durchganges durch mehrere Geburten und Tode getrennt von dieser Weisheit?

Swamiji: Richtig gesprochen sollten jene Geburten und Tode nicht stattfinden, wenn dieses Bewußtsein bereits vorhanden ist. Aber irgendwie finden sie statt, weil das Bewußtsein nicht richtig in die Individualität eingepflanzt worden ist. Das Ego verhält sich so, als würde es sich außerhalb befinden.

Dr. Rao: Aber, wer hat es so eingepflanzt?

Swamiji: Das weiß niemand. Es ist so, als würde man fragen: Wer erschuf die Welt?

Dr. Rao: Dieselbe Antwort hattest Du dem kanadischen Rechtsanwalt gegeben. Genau die gleiche Antwort.

Swamiji: Irgendwie hat der Funke oder der Teil eine Unabhängigkeit angenommen; diese Unabhängigkeit wird Egoismus genannt.

Dr. Rao: Aber Du sagtest, daß es letztendlich diese Unabhängigkeit nicht gibt. Sie scheint zu existieren, tut es aber nicht wirklich.

Swamiji: Sie sollte nicht da sein und ist auch nicht wirklich vorhanden. Falls diese Persönlichkeit namens ”Ego” damit übereinstimmt, wird sie sich vollständig der Ganzheit, zu welcher sie gehört und dessen Teil, - wieso nur ein Teil? - sie ist, hingeben. Sie selbst ist ”DAS”. Dann wird die ganze Kraft des Kosmos in die Persönlichkeit eintreten und Du wirst die innere Stärke fühlen, welche mit keiner anderen Kraft auf dieser Welt vergleichbar ist. All dies erzähle ich, damit Du Dich in einer Minute in den Zustand der Meditation versetzen kannst, vorausgesetzt, Du bist in der Lage, Deine Gedanken zu sam­meln und in den richtigen Zusammenhang zu bringen. Dazu braucht man keine Stunde. Du bist sofort ”DAS” - Du bist das, worauf Du Dich konzentrierst.

Dr. Rao: Deshalb denke ich, daß ich ”DAS” bin, oder daß ”DAS” ich bin, oder was das Ganze auch immer sein mag.

Swamiji: Auch, wenn Du ”DAS” sagst, solltest Du Dir keine Entfernung zwischen Dir und ”DAS” vorstellen. Es gibt keine Entfernung. Es ist eine vollständige Integration des Bewußtseins, wobei die Entfernung automatisch abgeschafft wird.

Dr. Rao: Worauf es Dir also ankommt, ist die Tatsache, sich darauf zu konzentrieren, daß es keine Entfernung zwischen sich selbst und ”DAS” gibt - da man selbst ”DAS” ist.

Swamiji: Richtig. Es gibt nirgendwo eine Entfernung zwischen irgend etwas. Es ist ein ”Selbst” und dieses ist das eine "SEIN", das die Leute ”Gott” nennen. Es gibt keinen Gott außerhalb.

Dr. Rao: Hier erhält das Intellektuelle in mir irgendwie eine Erklärung, - indem ich die These verstehe, daß "DAS" nicht teilbar ist, erreiche ich die Wurzel auf verschiedenen Wegen und gelange doch zur selben These. Ich denke, dies kommt den Grundsätzen der Upanishaden sehr nahe. Nun, - einmal zu der Schlußfolgerung gekommen, daß "DAS" nicht verschieden von mir ist, bin ich dennoch unschlüssig, da ich noch immer nach der logischen Erklärung dafür suche, wieso es zu dem getrennten Gefühl kommen muß, aus dem heraus ich fühle, daß ich getrennt bin. Doch das ist genau der Punkt, wo Du sagst, daß wir diese Nachforschungen nicht über eine bestimmte Ebene hinaus ausdehnen können. Mit anderen Worten, es kann nicht erklärt werden, wie es dazu kommt, daß wir uns getrennt vom "DAS" empfinden.

Swamiji: Die Schwierigkeit ist die, daß wir nicht in der Lage sind über das Verständnis der egoistischen Persönlichkeit hinauszugehen. In allem, was wir denken, nehmen wir an, daß 'wir' existieren. Selbst das Bewußtsein von ”Ich meditiere” muß sich auflösen.

Dr. Rao: Das bedeutet, daß man sich selbst auflösen muß. Nun gibt es aber 'Etwas', das diese Sache handhabt und damit das Prinzip des Lebens begründet. Das Leben als solches wird aufgrund dieses besonderen 'Etwas' in jemanden hineingegossen, weshalb man, unabhängig von diesem "DAS", nichts ist. Außerdem erlaubt man mir nicht, mich logisch auf dieses Prinzip zuzubewegen und zu sagen: " Wenn ich schon nicht unabhän­gig vom "DAS" bin, das mich beherrscht, dann sollte doch dasjenige, das mich be­herrscht, alles beherrschen".

Swamiji: ”DAS” beherrscht alles.

Dr. Rao: Wenn ”DAS” mich kontrolliert, warum sollte ich dann überhaupt erst nach­denken und für irgend etwas getadelt werden?

Swamiji: Du wirst nicht dafür getadelt, vorausgesetzt Du bist Dir sicher, daß Du nicht der Handelnde bist. Doch da Du Dir nicht sicher bist, fühlst Du Dich als Handelnder. Wenn Du diese vollkommen untrennbare Einheit mit dem Ganzen fühlst, können Dich Deine Handlungen nicht binden. Die Bhagavad Gita dient allein der Darstellung dieser Wirkungsweise.

Dr. Rao: Aber, wenn ich zu dieser Schlußfolgerung komme, dann muß ich diese Hürden auch überqueren.

Swamiji: Das liegt ganz bei Dir. Du kannst jede Methode annehmen. Die Bhagavad Gita sagt folgendes: Keine Handlung kann Dich binden, vorausgesetzt, Du folgst der Kosmi­schen Einsicht.

Dr. Rao: Das ist meine Art, die Dinge zu betrachten. Während die These von einem ”Universellen Prinzip”, das unsichtbar ist, logisch nachvollziehbar ist (so weit ich es verfolgen kann), beruht die Beziehung zwischen dem sogenannten Individuellen und dem Absoluten auf......

Swamiji: Schau, - es gibt eine konzeptionelle aber keine wirkliche Beziehung; und die konzeptionelle Beziehung ist nicht...

Dr. Rao: Nur, wenn man über das Konzept hinausgeht, fühlt man, daß man in das Prin­zip integriert ist. Zuerst muß man durch jene Evolution, den Denkprozeß, hindurchgehen.

Swamiji: Das ist Meditation. Mach Dir das immer wieder klar.

Dr. Rao: Swamiji, was Du auch immer sagst, pflanzt sich in mir ein und bleibt haften. Ich denke jeden Tag daran, aber dennoch habe ich mich noch nicht in „DAS” hinei­nentwickelt.

Swamiji: Die Tatsache, daß Du imstande bist zu verstehen, zeigt, daß Du Dich genug entwickelt hast, um ”DAS” zu einem Teil Deines Lebens zu machen.

Dr. Rao: Ich bin damit aber nicht zufrieden, Swamiji.

Swamiji: Du nimmst Dir nicht genug Zeit zum Nachdenken.

Dr. Rao: Entweder nehme ich mir nicht genug Zeit, oder ich bin an einem Punkt ange­langt, den ich nicht in der Lage bin zu durchbrechen.

Swamiji: Glaube nicht, daß Du nicht in der Lage bist zu verstehen; Du kannst es verste­hen. Du mußt es nur in Deinem Bewußtsein verankern und Du wirst dabei nichts verlie­ren. Du wirst dadurch zum wirklichen Gewinner. Deine gesamte Dimension wird sich ausdehnen, und warum solltest Du weiterhin sagen, daß Du keine Zeit zum Nachdenken hättest, wo es doch tatsächlich "DAS" ist, wonach Du wirklich suchst? Möch­test Du nicht eine größere Person mit noch größerer Dimension werden? Wie kannst Du sagen, Du hättest keine Zeit?

Dr. Rao: Andernfalls würde das Nachforschen aufgegeben werden.

Swamiji: Möchtest Du nicht gefördert werden? Sage nicht: „Ich habe keine Zeit.” Du wirst sicherlich die Zeit finden, wenn Du damit beginnst...

Dr. Rao: Ich will sehen - es ist eigentlich keine Frage der Zeit. Ich habe weitestgehend alle Deine Bücher gelesen.

Swamiji: Es ist tatsächlich keine Frage nach dem Auffinden der Zeit, sondern nach der Qualität der Gedanken. Sie sollte so von Dir Besitz ergreifen, wie von jemandem, der im Wasser ertrinkt, - wo es nur noch einen Gedanken gibt. Du wirst an nichts anderes mehr denken.

Dr. Rao. Die Fragen des kanadischen Rechtsanwaltes (nachzulesen in 'THE PRO­BLEMS OF SPIRITUAL LIFE' bzw. in der dtsch. Übersetzung mit dem Titel 'Mysterium der Existenz') entsprechen meinen Fragen und sie werden weiterhin meinen Fra­gen entsprechen. Um der intellektuellen Zufriedenheit willen, verfolgen mich die Fragen des kanadischen Rechtsanwaltes und seiner Frau, weil es auch meine Fragen sind.

Swamiji: Es sind die Fragen von jedermann.

Dr. Rao: Deine Antworten haben meine Zweifel nicht vollständig gelöscht.

Swamiji: Du mußt immer wieder darüber nachdenken; der ganze Gedanke sollte sich in Dein Fühlen hineinsenken, so daß Du diesen Gedanken lebst. Du solltest nicht einfach nur denken, sondern „DAS” sein.

Dr. Rao: Und dann der Blick auf mein Umfeld, über das wir diskutiert haben, - die Shankaracharyas und die verschiedenen Intellektuellen oder religiösen Führer usw. - die Art ihrer Handlungen läßt nicht das Vertrauen entstehen, das man sich von diesen Führern erhofft.

Swamiji: Sie mischen sich unnützer Weise in Angelegenheiten, die niemandem helfen. Daraus ergibt sich weder ein Nutzen, noch dient es einem (wirklich spirituellen) Zweck. Sie steigen so tief in die vielschichtigen sozialen Ebenen hinab, was nicht einmal ihre so­ziale Aufgabe ist. Sie sollten Dich auf spirituelle Weise anregen und sich nicht in politi­sche Angelegenheiten einmischen. Das ist nicht ihre Aufgabe. Was ist der Grund dafür? Warum sind sie so sehr daran interessiert? Obwohl politische Aktivitäten der Mühe wert sind, gibt es doch andere Leute, deren Aufgabe dies ist. Warum sind diese spirituellen Menschen so darüber beunruhigt? Wenn jedermann nur Politiker sein würde, wer wird dann über das (wahre, spirituelle) Wissen nachdenken und dieses weitergeben? Jeder kann Geschäftsmann werden. Aber was wird dann geschehen?

Shri Krishnamurty: Nun aber, Swamiji, wie verhält es sich mit den 'Gunas'? Wenn es nicht einmal zwei gleiche menschliche Wesen gibt und wenn alle Menschen Teile des­selben Ganzen sind..

Swamiji: Unter der Voraussetzung, daß Du tief meditierst, werden die „Gunas” aufhören zu existieren. Die ”Gunas” werden in dieser Zeit nicht wirksam sein, und falls überhaupt zu diesem Zeitpunkt eines der Gunas vorhanden sein sollte, dann ist es „Sattva-Guna”. „Rajas und „Tamas” werden dann nicht vorhanden sein. Nur wenn Du auf Deiner indivi­duellen Persönlichkeit beharrst, treten „Rajas" und „Tamas” wieder auf, denn beide sind Eigenschaftsmerkmale des Ego-Bewußtseins, wohingegen „Sattva” charakteristisch ist für das göttliche Bewußtsein. Allmählich werden sie verschwinden. Wie spät ist es jetzt? Wir meditieren regelmäßig und du kannst mit uns meditieren. Wir beginnen um fünf Uhr, - von fünf bis sechs Uhr.

Dr. Rao: Ich bin sehr belesen, d.h. ich habe praktisch alle Deine Bücher gelesen, und ich lese die Botschaft, die Du mir bei jedem meiner Besuche direkt gegeben hast. Sie machen einen sehr großen Eindruck auf mich. Aber dennoch bin ich, wie Du es nennen magst, ein zweifelnder „Thomas”, - eine Person, die sich intellektuell zufriedengestellt fühlen muß.

Swamiji: Ich glaube, daß Du weitestgehend zufriedengestellt bist.

Dr. Rao: Nein Swamiji. Mit anderen Worten, ich bin nur bis zu dem Punkt zufriedenge­stellt, daß ich verstehe, daß es ein ”Universelles Prinzip” gibt und dieses unteilbar ist, - auch daß es weder Geburt noch Tod usw. gibt. Bis zu diesem Punkt ist es für mich lo­gisch verständlich.

Swamiji: Aber Du mußt auch die Schlußfolgerung daraus ziehen.

Dr. Rao: Das ist die Stufe des Universellen und des Individuellen. Du weißt, wie es im Christentum und im Hinduismus ist, - Ich denke, daß jede Religion versucht, diese be­sondere Beziehung zu erklären, und sie haben es auch auf ihre Weise getan, dennoch habe ich manchmal das Gefühl, daß dies alles nur intellektuelle Erklärungen sind. Des­halb gilt für mich, - so könnte man sagen - , daß ich irgendwie verwirrt bin.

Swamiji: Wenn sich der Intellekt durch tiefes Nachdenken selbst erklärt, wird er zum Gefühl, und wenn Intellekt und Gefühl zusammenfinden, kann es zu einem Aufblitzen kommen, was man Intuition nennt. Intuition ist nichts anderes als die Vereinigung von Intellekt und Gefühl. Gewöhnlich handeln sie getrennt voneinander. Das, was wir verstehen, fühlen wir nicht, und das, was wir fühlen, verstehen wir nicht. So sollte es aber nicht sein. Beide müssen parallel zusammen handeln, so daß sie zu einer Handlung von Ver­stehen und Fühlen werden. Das Fühlen ist Dir näher als das Verstehen. Das Gefühl ist das, was Du tatsächlich bist. Dorthinein muß das Verstehen sinken. Das ist es, was als Prozeß vom Hören (Shravana), vom Nachdenken (Manana) und vom Meditieren (Nidi­dhyasana) bekannt ist. Das, was wir gerade diskutieren, ist Hören. Ich höre, was Du sagst und Du hörst, was ich sage. Dann denkst Du über die Sache nach, und versenkst die Gedanken in Dich hinein. Schließlich wirst Du selbst zu dem Gedanken, - was man Meditation nennt. Dies muß praktisch über den ganzen Tag hinweg durchgeführt werden und nicht nur für die Dauer von wenigen Minuten in einem Puja-Raum oder etwas ähnlichem. Selbst wenn Du in einem Büro arbeitest, - was hindert dich daran, eine Minute innezuhalten und den Schreibstift niederzulegen? Denke eine Minute darüber nach, es wird Dich inspirieren. Dann beginne zu arbeiten. Es erfordert nur eine Minute. Lege den Schreibstift hin.

Shri Krishnamurty: Ich habe diese Erfahrung im Büro gemacht.

Dr. Rao: Wenn Du dieses Gefühl hast, werden sich Deine Handlungen wesentlich von der jetzigen Handlungsweise unterscheiden, denn so, wie Du über das Gefühl informiert bist, sollte es sich in Deinen Handlungen widerspiegeln. Falls ich mich getrennt fühle, ist alles von mir getrennt, und dieses Gefühl in mir drückt sich in unterschiedlichen Handlungsweisen aus. Die Art und Weise, wie ich die Dinge betrachte, wie ich auf diese reagiere, was auch immer ich denke, unterscheidet sich weitgehend von dem, was ist, wenn ich erkenne, daß alles „DAS” ist, daß ich „DAS” bin, daß Du „DAS” bist und daß ich mich nicht vom „DAS” unterscheide, nicht wahr Swamiji? Mit anderen Worten, es sind die Gedanken, die die Art und Weise und den Charakter Deiner Handlungen bestimmen. Nun, wenn das Gefühl der Teilbarkeit, - daß Du Dich von mir unterschei­dest - , den Teil meines Verstandes, der meine Aktivitäten kontrolliert, erreicht, würden meine Handlungen selbstsüchtig werden.

Swamiji: Sicherlich würden die Handlungen selbstsüchtig, wenn die Dinge getrennt von­einander sind.

Dr. Rao: Aber wenn sich der kontrollierende Gedanke auf das ganze Universum er­streckt, das durch mich wirkt und „DAS” ich bin...

Swamiji: Dann sind Deine Handlungen unteilbar.

Dr. Rao: Vollständig unteilbar. Darum kann man, ausgehend von der Art der Aktivitäten, mit denen wir beschäftigt sind, den Gedanken bestimmen, der uns dazu antreibt, diese Dinge zu tun. Ist es nicht so?

Swamiji: Ja.

Dr. Rao: Obwohl es mir bei verschiedenen Gelegenheiten große Erleichterung gebracht hat, oder mich Versuchungen widerstehen läßt, mein Denken zu beeinflussen, - was ich dem Konzept, "Schau her, dies sollte ich nicht tun", zuordne, - habe ich trotzdem in den Zeiträumen, in denen ich etwas aktiv unternehme, noch nicht aufgehört, Dinge zu tun, die ich intellektuell als nicht wünschenswert betrachte. Daher hat der kontrollierende und intellektuell zu würdigende Gedanke noch nicht wirklich damit angefangen, meinen Verstand zu kontrollieren.

Swamiji: Ja, ja. Ich verstehe. An der Stelle wirst Du kein Problem haben, wenn Du tat­sächlich anfängst. Beginne. Die Probleme werden automatisch verschwinden.

Dr. Rao: Ich weiß, vorausgesetzt ich durchschreite dieses Stadium.

Swamiji: Beginne damit. Du allein entscheidest, ”ich habe angefangen.”

Dr. Rao: Es ist, als ob ich mich an der Türschwelle befinde, doch die Tür öffnet sich nicht.

Swamiji: Nein, sie wird sich öffnen. Die Wahrheit triumphiert: Satyameva jayate. Und wenn diese Gedanken der Wahrheit entsprechen, werden sie erfolgreich sein, und nichts anderes kann erfolgreich sein. Du mußt nur ein wenig Vertrauen haben und es wird ar­beiten. Die ganze Atmosphäre wird sich verändern. Alles wird gut werden.

Dr. Rao: Ich bin noch immer auf der Suche danach und ich bin guter Hoffnung, daß das Licht in mir aufgehen wird.

Swamiji: Du solltest nicht den geringsten Zweifel darüber haben, ob es arbeitet oder nicht. Es wird arbeiten.

Dr. Rao: Ich bin vollkommen sicher, Swamiji.

Swamiji: Wenn Du etwas möchtest, mußt Du davon überzeugt sein, daß es bereits in Dir ist: ”Es ist bereits in mir”. Dieses ist eine der psychologischen Techniken, die die Leute gewöhnlich vorschlagen, - und es wird sofort erscheinen. Wenn Du wirklich etwas wünschst, wird es kommen.

Dr. Rao: Was auch immer ich tue, ich gebe niemals auf. Dadurch bin ich in der Lage, bestimmte Dinge zu tun, die getan werden müssen. Darum glaube ich fest daran, daß diese Handlungsweise zu dem Ziel, nach dem ich suche, führen wird.

Swamiji: Das ist genau der Gedanke, der Dir immer vor Augen sein muß. Ob Du im Auto sitzt, im Büro bist oder gerade zu Mittag oder Abend ißt - das ist der lebenswich­tige Gedanke, der Dich erhält. Du kannst ihn nicht ausschließen.

Dr. Rao: Das tue ich nicht. Es wäre nicht richtig, wenn ich sagen würde, daß ich mich zu irgendeinem beliebigen Zeitpunkt von diesem Gedanken entferne. Es könnte jedoch sein, daß ich vorübergehend an diesem besonderen Punkt über andere Probleme nach­denke...

Swamiji: Nein....In Bezug auf Probleme mag dieser Gedanke für einige Zeit in den Hin­tergrund treten; aber trotzdem wird er da sein.

Dr. Rao: Er ist da, Swamiji. Er ist bei meinen täglichen Aktivitäten dabei. Aber etwas ist für mich noch immer in ein Mysterium eingehüllt. Einige dunkle Bereiche sind im­mer noch nicht aufgeklärt. Einige Zweifel sind noch da. Auf diese Zweifel muß ich noch einen Scheinwerfer richten, um zu sehen, was es ist.

Swamiji: Dieser Scheinwerfer ist die Bejahung des „Universellen Bewußtseins”. Das ist das Licht, vor dem keine Dunkelheit bestehen kann. Die Bejahung des „Universellen Bewußtseins” kann nur durch das ”Universelle Bewußtsein” selbst erfolgen, und nicht durch Dich. Wenn Du so denkst, dann hast Du Dich in ”DAS” versenkt. Wer meditiert tatsächlich? Es nicht Dr. Rao, der meditiert. „DAS” meditiert, weil Du Dich bereits in „DAS” versenkt hast. Du bist ein Teil des „DAS” geworden, und darum meditierst Du nicht selbst. So etwas gibt es dann nicht mehr.

Dr. Rao: Das ist wahr. Aber, wie Du schon sagtest, solange man nicht verwirklicht, daß man „DAS" ist, wird man fortfahren zu glauben, daß man meditiert.

Swamiji: Nein, diese Dualität solltest Du nicht erschaffen.

Dr. Rao: Ich erschaffe sie nicht. Aber es ist für mich eine Tatsache, weil die andere These noch nicht in mir aufgegangen ist.

Swamiji: In gewisser Weise ist sie schon in Dir aufgegangen. Nur mußt Du sie Dir durch wiederholtes Nachdenken energisch verdeutlichen. Wenn Du Dir einmal über diesen Ge­danken klar geworden bist, solltest Du ihn nicht wieder loslassen, weil das Ego solche Macht hat, daß es Deinen Gedanken sofort wieder beschmutzen und, anstatt den göttli­chen Gedanken, sich selbst immer mehr behaupten wird. Das Ego zeigt immer seine Wich­tigkeit und gibt Dir das Gefühl, daß es wichtiger ist als alles andere. Wir sind ge­neigt zu fühlen, daß die Welt nicht wichtig für uns ist, - daß die Welt irgend etwas au­ßerhalb und ohne Verbindung zu uns selbst ist und nur für sich selbst sorgt, währenddes­sen wir unseren eigenen Geschäften nachgehen. Das ist unsere Auf­fassung. Wir fühlen uns völlig unabhängig. Wir können mit schwingenden Armen auf der Straße gehen und lassen uns von niemand ansprechen. Aber in Wirklichkeit ist es nicht so.

Selbst die Erde kontrolliert uns. Du kannst Dich auf diese Weise nicht völlig unabhängig auf der Straße bewegen. Die Gravitationskraft kontrolliert Deine Bewegungen. Es gibt, ausgenommen im kosmischen Sinne, keine Freiheit. Des Menschen Stolz, unabhängig zu sein, und tun und lassen zu können, was er möchte, ist ein verderbliches Hochgefühl. Niemand kann auf der Straße gehen, wenn es die Erde nicht erlaubt. So majestätisch ist die Struktur des Kosmos. Es ist sehr wichtig, sich daran zu erinnern. Du würdest in der Luft herumschweben, wenn die Erde Dich nicht durch ihre angemessenen Gravitations­kräfte herunterziehen würde. Wenn die Sonne Dich nicht gleichermaßen von oben anziehen würde, würdest Du am Boden kleben und Du könntest nicht einmal einen Fuß heben. So arbeiten sie wechselseitig zusammen und schaffen eine Situation, in der Du Dich bewegen kannst.

Dr. Rao: Dies sind die Gesetze der Natur; sie sind nicht veränderbar.

Swamiji: Und doch denken wir, ”Ich mache einen Spaziergang.” Wer geht spazieren? Sage es mir. 'Etwas' hilft Dir, Dich in Bewegung zu setzen.

Shri Krishnamurty: Es ist mysteriös, wie Gedanken entstehen.

Swamiji: Gedanken entstehen durch das Körperbewußtsein. Du glaubst, daß es einen Kör­per gibt. Das Bewußtsein von einem Körper wird Gedanke genannt. Es gibt darüber hinaus nichts anderes als das. Die Bestätigung dieses Körpers wird Gedanke genannt, das Verstandesbewußtsein konzentriert sich auf einen besonderen Bereich von Zeit und Raum. Das ist Individualität, das ist der Verstand.

Dr. Rao: Angenommen, man läßt die Dinge laufen, wie man es wünscht, - man versucht nichts zu kontrollieren, - man macht spontan, was auch immer man wünscht.

Swamiji: Was meinst Du mit, ”was auch immer man wünscht?”

Dr. Rao: ”Was auch immer man wünscht”, bedeutet, das zu tun, was einem spontan einfällt.

Swamiji: Das ist ein egoistischer Impuls.

Dr. Rao: Selbst wenn es egoistisch sein sollte, laß doch die Handlung davon gesteuert sein. Was ist falsch an der egoistischen Handlungsweise?

Swamiji: Solange sich das Ego nicht dem Kosmischen Wesen unterworfen hat, kann es Dir nicht helfen.

Dr. Rao: Nein. Aber warum brauchst Du Hilfe? Laß den Dingen ihren Lauf.

Shri Krishnamurty: Oder, mit anderen Worten, was bedeutet das Wort ”Hilfe”? Wie definierst Du Hilfe?

Swamiji: Es gibt einen Unterschied zwischen Spontaneität und Wissen. Das sind zwei verschiedene Dinge.

Dr. Rao: Laß Dein Ego die Aktivitäten kontrollieren. Was geschieht?

Swamiji: Das ist genau das, was heutzutage in der Welt geschieht. Ein jeder macht es so und dadurch ruiniert man sich gegenseitig. Die Menschen werden frustriert. Es gibt Kon­flikte untereinander. Ein Ego gerät mit einem anderen Ego in Streit. Kriege finden statt und haben Zerstörung zur Folge.

Dr. Rao: Ja, das stimmt, lassen wir das.

Swamiji: Dann finden endlose Wiedergeburten statt. Es gibt dort kein Ende. Dieser Fehler, - wenn er einmal gemacht wird...

Dr. Rao: Laß die Wiedergeburten stattfinden. Vielleicht wollen die Menschen geboren und wiedergeboren werden, da sie gegen eine Auflösung in eine höhere Ebene sind.

Swamiji: Das deutet auf die erzieherische Bankrotterklärung ihres Verstandes hin. Sie sind spirituell ein Nichts.

Dr. Rao: Ich glaube Du hast einmal gesagt: ” Denke ja nicht, daß Du das Universum, was auch immer in ihm geschieht - sei es gut, schlecht oder nichts dergleichen - verändern kannst. Es gibt nichts, was man als gut oder schlecht bezeichnen kann.”

Swamiji: Aber im Zustand des Einklanges zwischen Dir und „DAS", kann „DAS" ebenso durch Deine Individualität wirken. Wenn Du mit Deinem innersten Fühlen mit jener Kraft vereint bist, kannst Du ein Instrument in den Händen dieser Kraft sein. Diese Hände wer­den Dich zum Handeln antreiben. Man nennt sie Inkarnationen und Propheten. Sie sind Indivi­duen, die unter dem Kommando der Universellen Kraft wirken. Die ganze Univer­selle Kraft konzentriert sich dabei so in einem einzigen Individuum, - einer Inkar­nation -, wie die gesamte Sonnenkraft, die gebündelt durch eine Linse auf einen beson­deren Punkt brennt. Man nennt sie übermenschliche Wesen. Die Individualität dient ihnen nur zum Zwecke der Wahrnehmung, wobei ihre tatsächlichen Handlungen im Himmel stattfinden, da sie sich gleichzeitig im Bewußtsein von Himmel und Erde befinden. Das ist ein ganz eigentümlicher Zustand, - Jivanmukti genannt - , wo man befreit ist und sich doch der ganzen Schöpfung bewußt ist. Es ist ein Zwischenstadium zwischen dem Be­wußtsein des gewöhnlichen Menschen und dem Absoluten Bewußtsein, das als Inkar­na­tions-Bewußt­sein bezeichnet wird (Jivan­mukti- Bewußtsein). Es ist ein Zwischen­sta­di­um, wo man ein Kosmischer Arbeiter, ein Erretter der Welt, - wie sie genannt werden - , sein kann. All die Retter dieser Welt, - die Inkarnationen von Krishna, Christus, Buddha usw. - , sind Mittler der Kosmischen Kraft, die durch ihren, für uns sichtbaren, physi­schen Körper wirkt. Sie haben nicht durch ihren individuellen Körper, sondern auf einer weit höheren Ebene gedacht, weshalb wir sie Inkarnationen nennen. ”Inkarnation” be­deu­tet die Konzentration der Universellen Kraft in einem bestimmten Körper. Und das ist auch für Dich möglich. Du kannst zu einem Erretter der Welt, zu einem Propheten, zu einer Inkarnation werden, wenn Deine Gedanken Kosmische Gedanken sind. Und wenn Deine Gedanken ausschließlich in diese und in keine andere Richtung gehen.

Dr. Rao: Man kann die Qualität seiner Wahrnehmung durch eigenes Bemühen weiterentwickeln.

Swamiji: Ja, man kann.

Dr. Rao: Dies ist die These. Gibt es eine Rolle für das individuelle Bemühen?

Swamiji: Wenn „DAS" durch Dich wirkt, kannst Du dies nicht als individuelles Bemühen bezeichnen.

Dr. Rao: Aber wenn ich so eine These zugrundelege, dann finde ich dort eine Rolle für mich, - denn Du sagst uns ja immer wieder, daß wir uns beständig weiterentwickeln und auf dieses Prinzip zubewegen sollten, um letztendlich zu verwirklichen, daß man nicht verschieden ist vom „DAS", - daß man „DAS" ist, und daß es keine Subjekt-Objekt-Beziehung gibt. Man entwickelt sich von etwas Niederem zu etwas Höherem. Falls ich das alles richtig verstanden habe, dann findet sich darin für mich eine Rolle zur Weiterentwicklung.

Swamiji: Es gibt für Dich eine Rolle als Vertreter dieser Kraft, - ähnlich einem Botschafter des Kosmischen Wesens.

Dr. Rao: Ja, aber dann ist das immer noch meine Rolle. Falls ich diese Rolle nicht ausübe, wird mir die Kosmische Kraft auch nicht helfen. Darum muß ich diese Dinge hervorrufen...

Swamiji: Nein, - ”Meine Rolle” bedeutet, daß es nicht Deine individuelle Rolle ist. Du hast keinen persönlichen Willen. Du bist nur ein Instrument, durch das ”ES” wirkt.

Dr. Rao: Wenn ich ein Instrument bin, dann laß diese göttliche Kraft mich führen. Ich mache keine persönlichen Anstrengungen.

Swamiji: Du wirst wissen, daß „DAS” durch Dich denkt, wenn Du denkst. Du wirst „DAS" erkennen. Manchmal sagt man: ”Er wird durch göttliche Kräfte geführt.” Du bist durch „DAS” besessen, und Du weißt, daß „DAS” durch Dich wirkt, und daß jemand anderes durch Dich spricht.

Dr. Rao: Warum lade ich die göttliche Kraft nicht ein und sage: ”Nun, laß uns zusammen weitergehen”.

Swamiji: Es wird geschehen. „Es” kann tun, was auch immer für die Entwicklung des ganzen Universums notwendig ist. „Es” wirkt nicht für das Wohlergehen eines indivi­duellen Menschen. Es gibt keine besonderen „Individualitäten”.

Dr. Rao: Warum sollte ich dann meditieren, Swamiji?

Swamiji: Damit Du erfährst, daß dies die Wahrheit ist. Du glaubst immer, daß Du Dich an einem bestimmten Platz befindest. Du mußt diese Idee beseitigen. Der Verstand hat die eigenartige Gewohnheit zu behaupten, daß er sich an einem bestimmten Platz, in einer besonderen Form und unter einer besonderen Bedingung usw. befindet. Dieser Gedanke muß ausgelöscht werden.

Shri Krishnamurty: Dr. Rao meint wohl, daß, wenn ich „DAS” bin, ich mich nicht durch „DAS” auf dem richtigen Weg führen lasse?

Swamiji: ”DAS” wird Dich führen.

Shri Krishnamurty: Wenn das so ist, warum sollte ich meditieren?

Swamiji: „DAS” wird Dich nur dann führen, wenn Du und „DAS" EINS geworden sind. Darum mußt Du meditieren. Die Regierung beschützt und führt den Botschafter, aber dafür muß er erst zum Botschafter werden.

Dr. Rao: Aber der Botschafter unterscheidet sich von der Regierung. Er führt nur die Anweisungen der Regierung aus. Er ist nicht die Regierung. Die Regierung ist eine übergeordnete Instanz, - eine größere Einheit.

Swamiji: Das ist wahr. Deshalb handelt er als Vertreter der Regierung.

Dr. Rao: Das war meine Frage ganz zu Anfang: ”Bin ich ein Handelnder ?”

Swamiji: Auf einer Ebene bist Du ein Handelnder. Es gibt drei Ebenen.

Dr. Rao: Als Handelnder führe ich diese Anweisungen aus und kann nicht dafür haftbar gemacht werden. Ich bin niemandem gegenüber verantwortlich.

Swamiji: Sicherlich bist Du nicht haftbar, vorausgesetzt, Du hast Dein Bewußtsein auf ”DAS” ausgerichtet.

Dr. Rao: Indem Du einen Vorbehalt voranstellst, ist diese Sache plötzlich 'bedingt'.

Swamiji: Andersherum, wenn Du während des Sprechens plötzlich denkst, daß Du gerade als ”Dr. Rao” sprichst, dann funktioniert dies nicht.

Dr. Rao: Nein, wenn ich der Botschafter bin, weiß ich, daß mir die Regierung als dem Botschafter des Landes Anweisungen gibt, die ich befolgen muß. Und falls diese Anwei­sungen zu nichts führen oder wenn etwas Schlechtes dabei herauskommt, dann kann ich dafür nicht zur Verantwortung gezogen werden, da ich nur die Anweisungen der höhe­ren Instanz ausgeführt habe.

Swamiji: Der Botschafter ist nur verantwortlich, wenn er etwas anderes macht, als das, was die Regierung angeordnet hat.

Dr. Rao: Ja, aber Du sagtest auch, daß ich nicht einmal entgegen der Anweisung handeln könnte. Man wäre dazu aufgrund der Kontrolle durch „DAS” nicht in der Lage.

Swamiji: Manchmal ist es in einem Zwischenstadium möglich, daß man in das Ego-Be­wußtsein zurückfällt. Wenn Du jedoch fortgesetzt im Universellen Bewußtsein verweilst, bist du für nichts verantwortlich. Doch dieses Bewußtsein wird nicht immer aufrecht­erhalten. In dem früheren Zwischenstadium wandert der Geist in das Ego-Bewußtsein zurück, woraus sich Fehler ergeben können. Selbst Lord Krishna sagte: „Ich kann die Gita kein zweites Mal wiederholen.” Er kam herab aus der Ebene der Absoluten Uni­versalität, als er die Gita verkündete. Als Arjuna sprach: „Sag es mir noch einmal”, antwortete er, „Du bist ein dummer Mensch; Ich kann es jetzt nicht wiederholen.”

Dr. Rao: Falls man dort hinein rutscht, während man „DAS” logisch und hartnäckig verfolgt, bedeutet das, daß man entgegen der Anweisung handelt, und daß man selbst für dieses Abrutschen in die frühere Richtung haftbar ist?

Swamiji: Ab einer bestimmten Stufe wirst Du nicht mehr zurückfallen. Es ist die Macht der Individualität. Seit vielen Menschenaltern leben wir in unseren Körpern, so daß es selbst während der Meditation geschieht, daß man beharrlich am ”Ich bin auch da” festhält. Um das Gefühl des Körperbewußtseins zu überwinden, ist die wiederholte bewußte Bejahung (von >Ich bin „DAS"<) notwendig.

Dr. Rao: Man kann sich dadurch versöhnen, daß man sich sagt, daß das, was geschieht, Gottes Wille ist.

Swamiji: Man soll nicht nur sagen, daß es Gottes Wille ist. Du weißt, daß es Gottes Wille ist, und du weißt auch, daß Du es niemals mehr fühlen willst, daß Du es bist, der zu jener Zeit etwas tut. Es hängt vollkommen davon ab, was Du im tiefen Inneren fühlst. Was fühlst Du? Du wirst fühlen, daß Du nichts unabhängig tust.

Dr. Rao: Irgendwie fühle ich, daß wir sagen müssen, daß wir nichts unabhängig von dem Göttlichen Prinzip tun können. Du sagst aber auch, daß wir manchmal die Bezie­hung dazu verlieren können. Und daß es dann, wenn man die Beziehung verliert, zu einer Verstimmung zwischen einem selbst und dem Göttlichen Prinzip, verbunden mit Kummer, kommt. Nicht wahr? So ist es doch. Dann erkennt der Mensch, daß er, sozu­sagen wie eine Puppe in den Händen des Höheren Prinzips, vollständig kontrolliert wird, und daß er über diese Ebene nicht hinausgehen kann. Er spürt, daß er das immer ist, egal was er auch tut, - und sei dies gut oder schlecht oder sonstwie.

Swamiji: In der Tiefe des Seins gibt es zu dieser Zeit weder gut noch schlecht.

Dr. Rao: Nein, bis zum Zeitpunkt der Verwirklichung, wird man immer noch sagen, daß er etwas Gutes oder Schlechtes tut, und daß dies alles aufgrund der Handlungen des Göttlichen Prinzips geschieht.

Swamiji: Deine Handlungen finden zum Wohlergehen des Kosmos statt. Man kann es nicht im sozialen Sinne als gut oder schlecht bezeichnen.

Dr. Rao: Aber man sollte stets daran denken, daß man das Höhere Bewußtsein repräsentiert.

Swamiji: Du solltest nicht nur daran denken - Du mußt von diesem Gedanken überschwemmt sein und in keiner anderen Art und Weise mehr denken.

Dr. Rao: Ist bis zu diesem Stadium Dualität vorhanden?

Swamiji: Falls ja, dann bist Du für das, was Du tust, verantwortlich.

Dr. Rao: Das ist es, was Du sagtest, d.h., mit anderen Worten, - so lange man unwis­send bleibt, ist man der Handelnde und für die Früchte seiner Handlungen verant­wortlich. Das ist es doch, Swamiji, was Du sagtest, daß man ungeachtet des Grund­prinzips nichts ohne den Göttlichen Willen tun kann?

Swamiji: Selbst dann verbleibt die abstrakte Annahme, daß sich der Körper als ”Ich bin” behauptet.

Dr. Rao: Behauptet, - von was? Vom Göttlichen Willen?

Swamiji: Nein, sie (die Annahme) weist den Göttlichen Willen zurück.

Dr. Rao: Kann sie das?

Swamiji: Sie macht es auf einfältige Art und Weise.

Dr. Rao: Die Fähigkeit, sich vom Göttlichen Willen zu lösen, macht es uns irgendwie schwierig, dem Göttlichen Prinzip zu folgen.

Narayani: Aber es ist nicht gegen den Göttlichen Willen, daß es so aussieht, als wäre man davon getrennt.

Dr. Rao: Darum geschieht alles aufgrund der Verantwortung des Göttlichen Willen’ ?

Swamiji: Letztendlich ist es nur so.

Dr. Rao: Wenn das so ist, ist das, was geschieht, irgend etwas, das sich in dieser Welt ereignet...

Swamiji: Alles geschieht infolge Seiner Handlung.

Dr. Rao: Das ist es, was ich anfangs sagte, denn wenn Gott sich Selbst in Seiner voll­ständigen Existenz offenbart, sieht man all das, was man sonst als gut, schlecht oder unentschieden anschaut, wie es tatsächlich ist, - man sieht alles so, wie es ist und das Universum wird ebenfalls so gesehen, wie es ist.

Swamiji: Nichts im Universum kann entweder als gut oder als schlecht angesehen werden.

Dr. Rao: So ist das, was geschieht, was auch immer man nun sieht, eine Abweichung davon. Dies ist das Kali Yuga (Eisen-Zeitalter), das aus dem Treta Yuga und Dvapara Yuga entstanden ist. In diesem Zeitalter überwiegt das Schlechte gegenüber dem Guten. Und doch ist all dies nichts anderes als „DAS”.

Swamiji: Ja. „DAS” hat seinen eigenen Plan.

Dr. Rao: Es ist sehr schwierig, sich in diese unterschiedlichen Dinge hinein zu versetzen.

Swamiji: Dies obliegt dem Ratschluß der Gesetzes-Kommission des Universums.