Sivananda Yoga - von Swami Venkatesananda


Integraler Yoga


Es gibt drei grundlegende Elemente des Karma Yoga, die sich auch an Bhakti anlehnen, nämlich Yajna, Dana und Tapas. Yajna könnte Opfer bedeuten und auch Verehrung. Dana ist Nächstenliebe. Tapas ist Askese oder ein einfaches Leben. Wenn es diese Elemente nicht gibt, ist das Leben nicht wirklich spirituell. Das ist auch wieder das Besondere an Swami Sivananda - das Ritual und die Methode werden nicht abgelegt, sondern der Sinn darin entdeckt. Anders als die meisten Heiligen, die eine Sache ablegten, um eine andere zu erreichen, legte er nie etwas ab. Ihm bedeutete Yajna nicht nur selbstaufopferndes Dienen, sondern auch das Ritual Yajna.

Im Ashram hatten wir also eine endlose Reihe von Ritualen. Jeden Tag wurde eine Homa (Feuerzeremonie) durchgeführt. Wir machten auch Pada-Puja, fast jeden zweiten Tag. Alles war erlaubt - so dass nahe gelegt werden konnte, dass er jede Methode aufrechterhielt, so dass durch das bloße Ausführen der Methode der Sinn hervorgerufen werden konnte. Wenn man zwei trockene Zweige aneinander reibt, entsteht Feuer, aber was passiert, wenn ein Zweig feucht ist? Swami Sivanandas Antwort war: „Reibe weiter. Lege nie die Methode ab, weder aus dem Gefühl heraus, dass es nutzlos wäre noch, dass du das Ziel erreicht hättest. Reibe weiter, und der Sinn wird eines Tages aufsteigen.“

Er hat also nicht auf das Ritual Yajna oder die Homa verzichtet, sondern da sitzend und diesen Ritualen zusehend erinnerte er sich und die anderen an den Geist der Selbstaufopferung. Man sollte nicht einfach nur Opfergaben in das Feuer gießen, sondern dieses Opfer muss das Leben durchdringen. Zufälligerweise impliziert das Wort Opfer (engl. ‚sacrifice’)‚ es heilig (engl. ‚sacred’) machen’. Wenn man also in der christlichen Theologie Brot und Wein als Opfer gibt, macht man sie heilig. Wenn man Ghee (gereinigte Butter) und andere Opfergabe ins Feuer gibt, heiligt man sie dadurch. So entsteht heilige Asche. Wenn man auf dieselbe Weise alle Handlungen als Opfergaben in das kosmische Feuer Gottes gibt, wird unser Leben heilig. Es wird dann zu Brahma-karma-samadhi.

Dana (die Gabe) hatte in diesem Fall eine ganz eigene spezielle Wirkung. Manche Aussprüche drücken das aus:

Tvadiyam vastu govinda tubhyam-eva samarpaye

„Ich opfere das, Herr, was dein ist.“ Was gibt man als Gabe? Obst, Nahrung, Kleidung, Geld? Hat man irgendetwas davon erschaffen? -All diese Dinge wurden durch die Natur Gottes erzeugt. All diese Dinge selbst sind Gottes eigene Kreation. Und man nimmt diese und opfert sie Gott, als hätte man eine tolle Sache getan! Es gibt eine nette Geschichte, die dies illustriert: Ein sehr armer Mann wurde von einem Pandit gebeten, für etwa achtundvierzig Tage Ganesha-Puja durchzuführen. Ganesha selbst musste aus Rohzucker gemacht werden. Dieser Mann musste jenen Ganesha verehren und ihm ein paar Süßigkeiten als Prasad opfern. Er machte diese Puja seit über einem Monat, doch absolut nichts passierte. Wenn überhaupt, dann wurde er noch etwas ärmer, wegen des Prasad, das er jeden Tag opfern musste. Eines Tages vergaß er, die Bonbons zu holen. Er setzte sich halbherzig zu seiner Puja nieder, weil es eine Routine war und er auch befürchtete, dass etwas Schlimmes passieren würde, wenn er es nicht tat. Als für ihn die Zeit kam, zu der er etwas Prasad opfern sollte, sah er sich um und da war nichts. Er sah Ganesha an und dachte: „Das ist auch aus Süßigkeiten gemacht“, also kratzte er ein wenig von der Statue selbst, opferte es und sagte: „Ganesha, bitte nimm dies an.“

Das ist mehr oder weniger das, was alle tun. Alles gehört schon zu Gott, alles ist von Gott erschaffen. Man hat überhaupt nichts geschaffen und trotzdem will man es Ihm oder seiner Manifestation, welche ein lebendes Wesen ist, opfern und auch noch Anerkennung dafür, weil man es in Nächstenliebe gegeben hat. Swami Sivananda glaubte keineswegs daran, dass der Gebende auf irgendeine Weise dem Erhaltenden, dem Begünstigten gegenüber überlegen war. Niemand konnte ihn davon überzeugen. Für ihn war das eigentliche Geben ein Segen. Wenn er also gab, gebrauchte er immer einen Ausspruch aus der Bhagavad Gita:

patram pushpam phalam toyam yo me bhakta prayacchati tad-aham bhaktyupahritam asnami Prayatatmanah (IX.26)

„Wer immer Mir mit Hingabe und einem reinen Geist ein Blatt, eine Blume, eine Frucht oder etwas Wasser opfert - ich werde es annehmen.“ Er hatte das größte Vergnügen daran zu geben, zu teilen und zu jeder Gelegenheit sagte er „patram pushpam“, was soviel heißt wie „ich verehre dich damit.“ So leitete er auch den Ashram. Studenten, Schüler und Suchende kamen. Er nahm sie auf und gab ihnen, was sie brauchten, in dem Wissen, dass das, was ihnen gegeben wurde, ihnen schon gehörte. Derselbe Gott gibt mit der einen Hand und erhält es mit der anderen. Also war nicht einmal das Gefühl von „ich gebe all dies“ da. Das war seine besondere Einstellung.

Tapas bedeutet ein strenges, einfaches Leben zu führen. Nur der, der ein einfaches Leben lebt, kann Karma Yoga praktizieren. Wenn man ein Luxus liebender Mensch ist, kann man nicht Karma Yoga praktizieren, man kann nichts aus Nächstenliebe geben, man kann nichts in Selbstaufopferung geben. Tapas bildet die Grundlage spirituellen Lebens. Man sollte nicht damit prahlen. Wenn zum Beispiel darauf aufmerksam gemacht wurde: „Swamiji, du sagst, dass man Tapas praktizieren sollte, dennoch trägst du einen schönen, großen Mantel“, erinnerte er einen daran, dass eben das Tuch, das man trug, geschneidert und zum Mantel verarbeitet worden war. Das Tuch behindert die Arbeit, aber der Mantel tut dies nicht. Eine andere Form der Nächstenliebe, des Dienens, zu der er riet, war das Gebet. Man sollte nicht für sich selbst beten, sondern für andere. Zu beten - nicht nur für den Frieden im Allgemeinen, sondern im Besonderen - war also Teil seines Lebens. Früher war dies ein weiterer Dienst, der von den Schülern im Ashram durchgeführt wurde. Swamiji hatte großes Vertrauen in das Mrityunjaya Mantra (Mantra der Befreiung). Schüler schrieben ihm, dass sie (oder ein Mitglied ihrer Familie) krank waren und baten Swami Sivananda, das Mrityunjaya Mantra zu wiederholen. Alle mussten an diesem Ritual teilnehmen. Wir waren damals nur zehn und jeder von uns musste es oft singen. Wir mussten dem Schriftführer Bericht erstatten, der darüber Buch führte, wie oft wir das Mantra gesungen hatten, während an die Person gedacht wurde. Wir haben die Betreffenden niemals gesehen, aber wir hatten den Namen im Hinterkopf, und während wir an sie dachten und für ihr Wohlergehen beteten, machten wir am Ufer des Ganges Japa mit dem Mrityunjaya Mantra. Dies war eine weitere Form des Dienens, zu der er ermutigte. Hier wurden alle wichtigen Elemente des Sadhana direkt eingebracht. Eine Stunde am Ufer des Ganges Japa zu machen, ist Sadhana für jeden. Gleichzeitig ist es ein Dienst für den anderen Mann, ein Dienst für die Menschheit. Man verdient nichts dabei und lernt, was es heißt, selbstlos zu sein. Selbstloses Dienen, das auch das eigene Sadhana mit einschließt, ist eine schöne Mischung. Das machten wir oft. Wenn die geforderte Anzahl vollständig war, gab es ein Fest, das Essen für die armen Leute und so weiter und dann kam das Ritual zum Schluss. Zu der Zeit mag schon ein anderer Mann um das Mantra Japa gebeten haben. Dann ging es weiter.

Swami Sivananda wollte, dass es allen Menschen gut geht und tat sehr viel dafür. Wenn man für die Gesundheit, das Glück und den Frieden anderer betet, wird man zum Kanal für den Fluss der göttlichen Gnade. Das Wasser, das sich in einem Teich sammelt, mag zu irgendeinem Zeitpunkt schmutzig werden, aber das Wasser, das durch eine Leitung fließt, wird niemals schmutzig, weil es die ganze Zeit fließt. Wenn man also weiter ein Kanal für die göttliche Gnade ist, bleibt das Herz immer rein, man ist immer mit göttlicher Gnade angefüllt. Das war sein Trick. Durch Gebet wird man zum Kanal für diese göttliche Gnade, und so ist man voll davon. Indem man nichts davon für sich selbst beanspruchen will, ist man selbstlos und wird darum göttlich. Das ist nichts Neues. Menschen haben schon Millionen Jahre lang Gebete gesprochen, doch Swamijis Genie liegt in dieser Kombination. Durch das Kombinieren von dem, was im Grunde als Bhakti Praxis angesehen wird, mit einem ungeheuren Ideal an selbstlosem Dienen, vollbrachte er ein Wunder. Japa und Gebet waren ihm unheimlich wichtig, nicht nur für die eigene, persönliche Entwicklung sondern als Akt des Dienstes an der Menschheit. Wenn man das tut, kommt die persönliche Entwicklung ganz natürlich. Man muss sich dannnicht darum bemühen.

Normalerweise ist es das Ego, welches Probleme macht. Anstatt also für ‚mich’ zu beten, so als wäre das ‚ich’ hier in diesem Körper, könnte ich für das ‚ich’ dort in deinem Körper beten. Dann ist der Egoismus weg. Es gibt auch ein ‚ich’ in dir, warum also nicht für das ‚ich’ in dir beten? Ist das nicht dasselbe wie ich? Was ist der Unterschied? Wenn man anfängt, ein Mantra zu singen: „Gott, bitte errette mich“, soll man das sehr sorgfältig beobachten. Man chantet nicht für sich selbst, sondern für einen anderen, der krank ist. Jedes Mal wenn man also sagt: „Gott, rette mich“, wirdm man das ‚mich’ als ihn visualisieren und die Teilung zwischen einem und ihm hört auf. Das war Swamijis Magie. Bete, aber bete für das Glück, die Gesundheit und das lange Leben der anderen - und während man es tut, verschwindet die Illusion oder falsche Unterscheidung, die der Geist zwischen dir und ihm geschaffen hat - was bedeutet, dass das Ego abgetragen wird. Ohne Ego kann man mühelos meditieren.

Obwohl Bhakti Yoga und Karma Yoga erörtert worden sind, hat man sich im Grunde mit Raja Yoga beschäftigt. Es gab überhaupt keinen Unterschied. Die ganze Zeit hat man über einige der großen Tugenden der Yamas (Verhaltensregeln im Umgang mit anderen) und Niyamas (Verhaltens regeln im Umgang mit sich selbst) nachgedacht, meditiert, sie geprüft und in sich entwickelt. Ohne sich dessen bewusst zu sein praktiziert man Yama und Niyama ganz mühelos, obwohl man bis hierher noch nicht einmal die Namen gehört hat. Die ganze Zeit hat man Tapas, Svadhyaya, Isvarapranidhana gemacht. Wenn man am Ufer des Ganges sitzt und Mrityunjaya Japa für den Frieden und das Glück eines anderen macht, entsteht auch keine Rastlosigkeit, weil keine persönliche Ambition dabei ist. Wenn man es um seiner selbst willen tut, ist man versucht, sich zun kratzen und zu sehen, ob es sich verwirklicht. Aber da es für die Gesundheit und den Frieden von jemandem ist, den man noch nicht einmal getroffen hat und da man es auch nur tut, weil Swami Sivananda einen darum gebeten hat, weiß man ja nicht einmal, ob die Mantrawiederholung einen Nutzen hat oder nicht. Ohne jede Rastlosigkeit des Verstandes sitzt man also da und wiederholt das Mantra als einen Akt des Dienens, wie von Swamiji gelehrt, und darum gibt es absolut keine Rastlosigkeit.

Jedes Sadhana (sogar Meditation), das mit einem Ziel oder einer Absicht getan wird, bewirkt das Gegenteil. Nicht nur bringt es keinen Nutzen, sondern es verschlimmert Rastlosigkeit. Alle drei Minuten denkt man: „Warum schwebe ich nicht? Om Namah Shivaya. Nach der ersten Mantra - wiederholung muss ich mindestens fünf Zentimeter über dem Boden sein, Om namah Shivaya.“ Dieses Bestreben nach Fortschritt blockiert selbst den Fortschritt. Wenn Sadhana aber jemand anderem zuliebe gemacht wird, wird es komischerweise mühelos schön.

Swami Sivananda empfahl auch das selbständige Praktizieren von Yoga Asanas und Pranayama, um den Körper zu bewahren. Er lehrte, ihn nicht als Körper anzusehen, sondern als Tempel, in dem Gott selbst im Augenblick wohnt. Es ist gut, ihn sauber und gesund zu halten, nicht um des Körpers willen, sondern damit er gut als Tempel Gottes funktionieren und dienen möge. Er war äußerst sorgfältig im Umgang mit seinem eigenen Körper. Trotz der vielen Krankheiten, war er recht gesund und er tat alles nötige, um seinen Körper im Arbeitszustand zu halten. In dieser Zusammensetzung sind beide Worte wichtig. Arbeit und Zustand - der für das Arbeiten notwendige Zustand.

Während der All-Indian-Tour war das Programm in Madras wirklich äußerst anstrengend. Swamiji war zu diesem Zeitpunkt dreiundsechzig. Von morgens um sieben bis zehn Uhr abends wurde er von einem Programmpunkt zum nächsten herum geführt. Ein Gespräch hier, dort Bhajan (Lobgesang), ein Besuch in der Schule, Lunch irgendwo. Es ging immer weiter umd weiter. Massen von Leuten umgaben ihn die ganze Zeit, und auch wenn nur 5 oder zehn Leute um ihn waren, sprach und sang er, als wäre es eine Menge von fünf Millionen. Er machte da überhaupt keinen Unterschied. In Madras bekam er Fieber und sein Hals wurde trocken. Wir hielten dann eine Tasse mit Obstsaft für ihn bereit, damit er ab und an davon einen Schluck nehmen konnte. Wir waren gerade dabei, zu einem großen öffentlichen Empfang in das Museumstheater in Madras zu fahren. Ein orthodoxer Brahmane, der auch Richter des obersten Zivilgerichtes in Madras war, saß neben Swami Sivananda. Er war Vorsitzender des Empfangskomitees. Als das Auto in den Hof des Museumstheaters hinein fuhr, fragte mich Swamiji, ob noch etwas von dem Saft übrig war. Er war alle. Ich sagte: „Wenn du auf die Bühne gehst, werden wir welchen holen“, aber nein, Swami Sivananda ließ das Auto zu einem kleinen Eckladen fahren, wo Brause verkauft wurde. Der Richter des obersten Zivilgerichts selbst kaufte eine Limonade, öffnete sie und gab sie Swami Sivananda. Dann fuhren wir zurück. Die Veranstaltung war wunderschön. Am letzten Tag unseres Aufenthalts in Madras war noch ein letztes öffentliches Treffen, von wo wir direkt zum Bahnhof gehen sollten. Swamiji hatte hohes Fieber, der Saal war brechend voll mit zehn oder fünfzehntausend Menschen und draußen noch vier- oder fünf tausend. Alle hohen Leute waren auf der Bühne. Swamiji hielt sich die meiste Zeit am Mikrophon fest, weil er nicht einmal seine Stimme heben konnte. Derselbe Richter des obersten Zivilgerichts machte sich jetzt Sorgen. Er konnte sehen, dass Swamiji nicht gesund war und zitterte - und trotzdem weitermachte! Was würde passieren, wenn er plötzlich auf der Bühne zusammenbrach? Wir alle machten uns Sorgen. Einer nach dem anderen kamen die Beamteten zu uns hinauf und sagten: „Bittet ihn doch aufzuhören, es reicht doch. Er ermüdet sich total. Die Leute wollen ihn nur sehen, ihn anschauen und seinen Darshan haben.“ Nein, er machte weiter mit seinem Vortrag und seinem Kirtan. Obwohl er so dicht an das Mikrophon ging wie möglich, war er kaum zu hören. Der Körper sollte also im Arbeitszustand gehalten werden, so dass er arbeiten möge, nicht zum Vergnügen.

Den Körper als Tempel Gottes anzusehen, in dem Er wohnt und durch den er der Menschheit dient, war fest in seinem Leben verwurzelt. Wenn man dieses Gefühl hat, vernachlässigt man den Körper nicht und man sieht auch nicht diese Gesundheit als eigenen Besitz an. Mann soll sich bemühen, so gesund wie möglich zu sein, weil Gesundheit, Glück, Wohlergehen und Frieden Gott gehören, Der in allem ist. In dieser einfachen Aussage sind alle Yogawege miteinander verbunden. Hatha Yoga, Raja Yoga, Bhakti Yoga, Karma Yoga. Diese Einstellung war das Besondere an Swami Sivananda. Dies ist integraler Yoga und wenn man ihn praktiziert, befindet man sich in konstanter Meditation. Wenn man darin begründetm ist, befindet man sich in konstantem Samadhi (überbewusster Zustand), Sahaja Samadhi. Aber was geschieht mit einem? Wenn man ihm nahe war, war man natürlich auch in Samadhi. Es gab überhaupt keine Ablenkung. Es war ein wunderschönes Gefühl. Aber man befand sich nicht immer in seiner physischen Gegenwart. Wenn man fort fuhr oder er fort fuhr und man von anderen Kräften umgeben war, gab es die Möglichkeit der Ablenkung. Was war dann zu tun? Er empfahl Japa als den Notanker des Sadhana. Sein Begriff dafür war ‚Gedankenhintergrund’. Die Sache ist die, dass man sein Ishta Mantra (persönliches Lied) die ganze Zeit benutzt. Sobald man aufgewacht ist, beginnt man sein Ishta Mantra zu wiederholen. Dann steht man auf, wäscht sich kurz, setzt sich nieder und macht mit dem Ishta Mantra Japa bis man in die Meditation übergeht. Meditation muss geschehen.

Swami Sivananda beschrieb Meditation nie. Für ihn war Japa selbst Meditation. Wenn man versucht, Meditation zu praktizieren, lädt man die Ablenkung ein. Man wird nicht meditieren, man wird es nur versuchen. Aber macht man sein Japa weiter, wird man ohne Mühe, ohne Verlangen, ohne Versuchen und ohne ein darum Kämpfen in die Meditation hineingleiten. Man wiederhole das Mantra ununterbrochen. Während man mit jemandem spricht, vergisst man das Mantra. Man sollte es sich zur Gewohnheit machen, sich für zehn oder fünfzehn Sekunden zurückzuziehen, zum Beispiel zu jeder vollen Stunde. In diesen paar Sekunden erinnert man sich an Gott. Dann nehme man seine Arbeit wieder auf. Wenn man so weiter macht, wird man sehr bald feststellen, dass das Mantra im Unbewussten weiter fließt, wenn man mit jemandem spricht, wenn man mit etwas sehr aktiv beschäftigt ist oder sogar wenn man schläft. Es wird natürlich. Das ist der Zeitpunkt, zu dem Meditation leicht möglich wird.

In einem praktischeren Verständnis kann dieser Gedankenhintergrund einem unwahrscheinlich dabei helfen, was Swamiji Schlachtfeld - Pratyahara nannte. Dabei, wie man willentlich den Geist zurückziehen und seine Sinne nach innen richten kann. Wenn es eine Versuchung gibt, eine Bedrohung, ein Ärgernis oder eine Reizung, wenn jemand kommt und mitdiskutiert und man merkt, dass man in der nächsten Minute oder so explodieren muss, dann kann die Wiederholung des Mantras die Situation entschärfen. Swami Sivananda war darin ein Genie. Selbst wenn zwei Ashram-Bewohner vor ihm anfingen zu diskutieren, sah es so aus, als würde er eine Weile mitdiskutieren, um dann zu sagen: „Om Namah Shivaya“, und die ganze Sache entspannte sich. Es machte überhaupt nichts, wo die Diskussion sich gerade befand, wie weit sie sich entwickelt hatte und wer der Gewinner oder der Verlierer war. Man hatte sich gerade über etwas außerordentlich Wichtiges gestritten, und plötzlich beendete er es. Er konnte es zu jedem Zeitpunkt abbrechen, selbst wenn man gerade mit ihm diskutierte. „Om Namah Shivaya“ in diesem Kontext bedeutete ‚genug’.

Dies kann im Leben eine ungeheure praktische Hilfe sein. Gleichzeitig befähigt es einen, diesen Gedankenhintergrund zu stützen, so dass der Geist ohne jede Mühe dort hineingleitet und in die Meditation.