Yoga Geschichten

Das Vogelpaar

Es war einmal ein Vogelpaar, das gerade ein Nest gebaut und Eier hinein gelegt hatte. Es war an einem Strand am Meer. Eines Tages kam plötzlich eine Springflut und riss das Nest mit sich. Die beiden Vögel waren ganz verzweifelt und traurig und überlegten fieberhaft, was sie machen könnten, um ihr Nest zu retten. Schließlich beschlossen sie, einfach den ganzen Ozean zu leeren. Sie machten sich an die Arbeit: Jeder von ihnen nahm ein paar Tropfen Wasser in den Schnabel. Dann flogen sie auf die andere Seite des Berges, wo sie das Wasser herunter fallen ließen. Dann kehrten sie wieder zurück, nahmen wieder einige Tropfen in den Schnabel und flogen abermals zur anderen Seite des Berges. So flogen sie stundenlang hin und her.

Zu der Zeit gab es dort einen Weisen namens Agastya. Dieser Agastya war eigentlich dabei, zu meditieren. Als er gerade die Augen aufmachte, sah er die Vögel hin- und herziehen. Für ihn war es zuerst eine schöne Nackenübung, schließlich fragte er sich aber doch, was die beiden Vögel vorhatten. Er fragte sie: „Was macht ihr denn da?“

„Siehst du das nicht? Wir leeren den Ozean.“

„Warum denn das?“

„Der Ozean hat unser Nest mit unseren Eiern weggenommen. Und jetzt leeren wir den Ozean, um das Nest wieder zu finden.“

Agastya schaute sich das noch ein paar Minuten an. Doch schließlich hatte er Mitleid mit den Vögeln. Er ging zum Ozean, machte eine bestimmte Mudra (Yogahaltung) und wiederholte einige Mantras (gesprochene oder gesungene Urschwingungen der kosmischen Energie). Plötzlich floss der ganze Ozean in Kubikkilometern in seinen Mund und er verschlang ihn. Der Ozean sank Meter für Meter immer tiefer. Da tauchte der Meeresgott auf und fragte Agastya: „Was machst du denn da?“

„Ich schlucke dein Wasser.“

„Warum machst du das?“

„Weil du diesen Vögeln ihr Nest weg genommen hast. Ich werde so lange das Wasser trinken, bis das Nest wieder auftaucht.“

„Weißt du nicht, dass es ihr Karma ist, dass sie Nest und Eier verlieren?“

Darauf sagte Agastya: „Wenn du ihnen das Nest und die Eier nicht zurück gibst, dann ist es dein Karma, alles Wasser zu verlieren.“

So gab der Ozean das Nest zurück und Agastya spuckte das Wasser wieder aus.

Das war übrigens ein sehr vollständiges Kunjar Kriya (yogische Reinigungsübung für den Magen-/Darmtrakt) und man sagt, dass das Wasser, das durch den großen Heiligen ging, geheiligt worden sei. Das ist mit ein Grund, weshalb am Meer eine besonders gute Schwingung herrscht. Natürlich wäre es für die Vögel eigentlich unmöglich gewesen, den Ozean zu leeren. Aber die Geschichte soll zeigen, dass konzentrierte Gedanken- und Willenskraft auch das Unmögliche möglich machen kann. Agastya symbolisiert die voll entwickelte, starke Gedankenkraft.