Autobiographie von Swami Sivananda

Kapitel 11 - Praktische Ratschläge für den spirituellen Weg

 

Unterweisung von Schülern per Post

Ich habe keine vorgefertigten gedruckten Yogalektionen für das schriftliche Training meiner Schüler. Üblicherweise schicke ich ein paar Bücher, die zur Veranlagung des Schülers passen. Die Lektionen gebe ich gut abgestuft in Briefform. Sie berichten mir über ihren Tagesablauf, ihr Wohlergehen und ihren Fortschritt, führen ein spirituelles Tagebuch und befolgen meine "20 wichtigen spirituellen Anweisungen". Ich helfe ihnen mit Ratschlägen und räume Zweifel und Hindernisse aus. Ich schicke ihnen Gedanken des Friedens. Durch diese persönliche Betreuung haben Tausende von Schülern aus allen Ländern wunderbare Fortschritte gemacht. Zu fortgeschrittenen Lehrgängen kommen sie in den Ashram, bleiben ein paar Wochen oder Monate und erhalten die Einweihung.

Alle schätzen diese Art persönlicher Aufmerksamkeit. Ich erhebe von niemandem Gebühren für die Yoga-Ausbildung und verlange kein Geld für den Unterhalt im Ashram. Unweigerlich bezahlen mich die Schüler freigebig oder tragen freudig freiwillig zum Fortschritt der Einrichtung und zur Verbreitung von Wissen bei. Dadurch erlangen sie Chitta-Shuddhi (Reinheit des Geistes) und spirituellen Fortschritt.

Auf den folgenden Seiten gebe ich ein paar typische Briefe an Anwärter wieder, um meine Ausbildungsmethode aufzuzeigen. Bei allen hebe ich nachdrücklich die moralischen und ethischen Ideale hervor. Andere ermahne ich, sich anzustrengen - kurz, ich zeige den Weg, ein göttliches Leben zu führen.

 

Der Weg zum Frieden

Swarg Ashram, 16. August 1930

Verehrter Bruder,

vielen Dank für Deine freundlichen Zeilen. Stehe um 4 Uhr morgens auf. Sorge für einen abgeschlossenen Meditationsraum. Laß ihn niemanden betreten. Bewahre dort ein Gayatri-Bild, die Gita und so weiter, auf. Meditiere über das Gayatri (heiligster Vers der Veden; auch Name der Göttin, die über das Mantra regiert). Wiederhole das Gayatri-Mantra im Bewußtsein seiner Bedeutung. Konzentriere Dich bei geschlossenen Augen auf Trikuti (Drittes Auge), den Punkt zwischen den Augenbrauen. Setz Dich in Padmasana (Lotus). Versuche, zwei Stunden lang sitzenzubleiben. Studiere die Gita regelmäßig. Sage um jeden Preis die Wahrheit. Beherrsche Ärger. Diene Armen, Kranken und Heiligen. Gib etwas Geld für wohltätige Zwecke. Das wird Dein Herz reinigen. Schließe Dich nicht an weltliche Menschen an. Diene, liebe, achte jeden. Gib Ninda (Kritisieren), Verleumdung, Nörgelei und Klatsch auf. Sei bescheiden. Sei gehorsam. Rede freundlich. Du wirst Frieden finden. Beachte täglich eine Stunde und an Feiertagen drei Stunden Mauna (Schweigen).

Mit brüderlichen Grüßen

Swami Sivananda

 

Nach Wissen streben

Ich rate von Emotionalität und Ungestüm bei der Entscheidung für den Weg der Entsagung ab; stattdessen empfehle ich, noch im weltlichen Leben das Streben nach geistigen Werten zu kultivieren.

Swarg Ashram, Kutir 22

29. August 1930

Om Sat-Chit-Ananda
Du bist der Atman. Du bist unsterblich. Fürchte Dich nicht. Realisiere die Würde Deines Selbst. Befreie Dich von den Trugbildern des Geistes und weltlicher Gegenstände. Mein lieber Yogi, möge Gott Dich segnen.

Mit unendlicher Freude habe ich Dein Schreiben vom 21. dieses Monats gelesen. Du bist ein Mann mit spirituellen Samskaras (Eindrücke im Unterbewußtsein). Hege und pflege sie. Verstärke sie.

Komm nicht zu mir!

Wenn Du es fertigbringst und sicher bist, daß Du keine Gefahr für die Gesellschaft darstellst und Deine Triebe zügeln kannst, werde ein Naishthika Brahmachari, ein sexuell Enthaltsamer bis zum Ende Deines Lebens. Du bist nicht reich. Wie könntest Du mit einer Familie und Kindern zurechtkommen? Das würde Deinen geistigen Fortschritt verhindern.

Jugendliche Begeisterung allein reicht nicht. Gefühle allein genügen nicht auf dem spirituellen Weg. Er ist nicht rosig. Er ist voll Dornen, Skorpionen und Schlangen. Der Weg ist uneben, steil und ausgesprochen schwer, aber leicht für einen Menschen mit der festen Entschlossenheit: ,Ich muß verwirklichen – sogar um den Preis meines Lebens.‘ So stark muß der Wunsch nach Wissen sein.

Entwickle schrittweise reine (sattwige) Tugenden – Geduld, um Ärger entgegenzutreten, Zufriedenheit, um Gier zu zügeln, Dienst (Seva Bhava) um Stolz und Überheblichkeit zu zerstören. Entwickle Demut, Wahrheitsliebe und Titiksha (Duldungskraft, Hitze, Kälte, Schmerz ertragen). Liebe alle. Sei nett zu allen. Laß Dich nie reizen oder aufregen. Führe ein Tagebuch über Deinen spirituellen Fortschritt. Halte alles fest. Lebe unter entwickelten Menschen. Besuche die Ramakrishna-Mission und diene den Meistern (Mahatmas). Diene Älteren mit Begeisterung, Liebe und tiefer Zuneigung. Kläre Deine Zweifel. Ich wünsche Dir Frieden und Glückseligkeit.

Dein Sivananda

Hari Om Tat Sat

Om Shanti!

Besorge Dir ein Exemplar meines ,Yoga- und Vedanta-Sadhana`.

In Zukunft schicke mir eine Rückantwortkarte oder einen Rückumschlag für meine Antwort.

 

Verlasse die Welt nicht voreilig

c/o Vizianagaram House

Camp/Calcutta

12. Dezember 1930

Om Sat-Chit-Ananda

Komme eine Weile lang nach Rishikesh. Zweifellos wirst Du die Einsamkeit und die spirituellen Schwingungen genießen. Berufe Dich auf mich. Man wird Dich unterbringen und Dir helfen. Sieh (Darshan) Shri Swami Advaitanandaji, Shri Swami Tapovanji Maharaj, Shri Swami Purushottamanandaji. Sie sind fortgeschrittene Seelen und stehen in enger Verbindung mit mir.

Zieh Dich nicht voreilig aus der Welt zurück. Die Welt ist eine Bühne zur Entwicklung verschiedener reiner (sattwiger) Eigenschaften. Sie ist der beste Lehrer für den, der Nutzen aus ihr ziehen will. Warte noch eine Weile. Verdiene und genieße. Vairagya (Leidenschaftslosigkeit) entsteht aus Bhoga (Genuß). Dann wird sie stark, beständig und tief. Heirate nicht. Das ist etwas anderes. Die Welt ist keine Hölle. Sie ist reines Ananda (Wonne), wenn das Ego und Raga-dvesha (Zuneigung und Abneigung gegenüber Objekten) vergehen. Ändere Deine innere Einstellung. Komm und schaue Dir alle diese Orte und Meister (Mahatmas) an. Das wird Dich inspirieren.

Führe ein göttliches Leben, während Du dort bist. Der spirituelle Weg ist überhaupt nicht rosig. Er ist voller Dornen. Bereite Dich erst darauf vor. Gewinne Reinheit und innere Kraft durch Japa (Mantrawiederholung) und Meditation. Baue Dich auf.

Ich wünsche Dir Kaivalya Moksha (Befreiung).

Swami Sivananda

Hari Om Tat Sat

Tat Twam Asi

 

Schau hin, bevor du springst

Die vorstehenden beiden Briefe an einen meiner Schüler zeigen, wie ich Aspiranten vor übereilten Entschlüssen warne. Aber wenn ich merke, daß jemand große Leidenschaftslosigkeit (Vairagya) und unerschütterliche Entschlossenheit besitzt, erfüllt mich das mit unmittelbarer Freude und Entzücken. Damals, als ich allein lebte und keinen eigenen Ashram hatte, sträubte ich mich sehr dagegen, Schüler bei mir aufzunehmen. Ich wollte nicht, daß jemand kam und bei mir blieb. Als jener Anwärter daher ein wirklich starkes Bestreben und einen unerschütterlichen Willen an den Tag legte, hielt ich es für besser für ihn, in einem aktiven Ashram zu leben, um schnellere Fortschritte zu machen. Statt mich selbst der Dienste von Aspiranten zu bedienen, stellte ich meine eigenen Interessen hintan, zu ihrem Wohlergehen und zum Nutzen anderer religiöser Einrichtungen.

Geliebtes Selbst,

Deine Hingabe an Gott und die Religion wird Dich zweifellos von Samsara (Kreislauf von Geburt und Tod) erlösen. Möge Gott Dir geistige Stärke und Kraft verleihen, das Ziel des Lebens – Gottesverwirklichung – zu erreichen.

Bitte schließe Dich dem Shri-Aurobindo-Ashram oder der Ramakrishna-Mission an. Dort wirst Du Dich stark verbessern. Ich verspreche es Dir. Ich versichere es Dir. Bleibe ein paar Jahre im Ashram. Du kannst zu Besuch hierher kommen, aber nicht auf Dauer. Schau hin, bevor Du springst. Denke nach. Überlege gut. Die Welt ist der beste Lehrer. Du mußt viel lernen. Sei nicht voreilig! Laufe nicht weg in die Höhlen des Himalaya! Jugendlicher Elan und Begeisterung werden Dir nicht viel helfen. Es ist eine anstrengende, gewagte Sache. Du wüßtest nicht, wie Du hier Deine Zeit sinnvoll verbringen solltest.

Ich bin nur ein gewöhnlicher Sadhu (Mönch). Ich könnte Dir nicht viel helfen. Außerdem nehme ich keine Schüler an. Ich kann bis zu meinem Lebensende Dein aufrichtiger Freund sein. Ich möchte niemanden längere Zeit bei mir haben. Ich gebe ein paar Monate lang Unterweisung und bitte die Menschen dann, an einsamen Orten in Kashmir oder Uttarakashi zu meditieren.

Ich wiederhole: Schließe Dich einem guten Ashram an, wo Du spirituell wachsen kannst. Bleib dort. Ertrage Schwierigkeiten. Am Ende stehen Unsterblichkeit und unendliche Wonne (Ananda).

Dein Eigenes Selbst

Swami Sivananda

Ermuntere Dich. Sei frei, mutig und furchtlos. Du bist ein Kind des himmlischen Nektars. Hari Om Tat Sat. Entwickle Geduld. Sprich die Wahrheit. Beherrsche den Zorn. Entwickle Titiksha (Duldungskraft). Diene. Liebe. Gib. Verzeih anderen. Sprich wenig. Sprich sanft.

 

Tipps für die Entwicklung

Hier ein paar wertvolle Hinweise in komprimierter Form – kurz und bündig, zur sofortigen Umsetzung:

Swarg Ashram, 3. Oktober 1930

Fürchte Dich nicht. Mache Dir keine Sorgen.

Du bist Sat-Chit-Ananda Rupa; Deine Natur ist Sein-Wissen-Wonne, Amrita Atma, das unsterbliche Selbst.

Du bist nicht dieser begrenzte physische Körper (Jada).

Möge Gott Dich segnen.

Bitte arbeite mein Buch ,Geheimnisse und Beherrschung des Geistes‘ durch. Das bringt Dir praktischen Nutzen für den Fortschritt in der Meditation. Spare so viel Geld wie möglich. Heutzutage brauchen selbst Sannyasins Geld, da es an Unterstützung durch Menschen, die im Berufs- und Familienleben stehen, mangelt. Mache Studium und Meditation zur Quelle Deines Vergnügens. Löse Dich von allen äußeren Zerstreuungen.
Prüfe. Verstehe. Verwirkliche
Analysiere (Gegenstände). Erkenne (ihre wahre Natur) und gib (sie) auf
Erkenne Dich selbst und werde frei
Bleibe immer in Deiner Mitte
Bete und sei tugendhaft
Strebe und dränge vorwärts
Verneine (den Körper) und setze (Brahman) durch
Tat Twam Asi ("Das bist Du") – vergiß das nie

Sivananda

 

Das verborgene Göttliche entfalten

Meinem Rat folgend schloß sich der Aspirant der Ramakrishna-Mission an und blieb trotzdem weiter mit mir in Verbindung. Ich verweigerte ihm meine Obhut und Unterweisung zu seiner Entwicklung nicht, da ich alle Ashrams als meine eigenen ansehe und keine alleinige Verfügungsgewalt über einen Aspiranten anerkenne, der sich mir mit der Bitte um Führung nähert.

Swarg Ashram, Rishikesh

Verehrter Bruder,

Om Namo Narayanaya. Möge Gott Dich segnen.

Ich bin gerade von einer langen Reise zum Kailash zurückgekehrt. Ich freue mich zu hören, daß Du Dich der Ramakrishna-Mission angeschlossen hast. Ich gratuliere Dir herzlich dazu. Bleibe hartnäckig wie ein Blutegel im Ashram. Es ist Dein Ashram. Fühle das. Du wirst ganz sicher Fortschritte machen. Du bist die Sonne der Sonnen. Du bist die Hoffnung der Welt. Du hast ein verantwortungsvolles Gewand angezogen. Entfalte das Göttliche. Mögen Heiligkeit, Glanz und Herrlichkeit Dich begleiten.

Du mußt alle irdischen Bindungen durchtrennen. Jetzt kannst Du ungehindert auf Deinem Weg voranschreiten. Bleibe bei der Mission und diene allen Älteren ehrerbietig, aufrichtig und erwartungslos. Sprich um jeden Preis die Wahrheit. Die Wahrheit sagen kann niemandem Leid zufügen. Das gibt Dir innere Kraft. Wahrhaftigkeit kann man nur erreichen, indem man die Wahrheit sagt. Beherrsche Ärger, indem Du Geduld, Kshama (Gleichmut), kosmische Liebe, Dienen und Geben (Daya), Demut, Großmut (Audarya) und Mut entwickelst.

Du solltest sechs Stunden lang ununterbrochen studieren und sechs Stunden lang meditieren. Das ist meine Methode. Vergiß die Vergangenheit. Lebe in der Gegenwart. Gib jegliche fantastische Erwartung auf. Bleibe ruhig, selbst wenn man Dich verfolgt, haßt oder verspottet. Räche Dich nicht. Lies jeden Tag die ,Bergpredigt‘, bevor Du an die Arbeit gehst. Ich zitiere einen Abschnitt. Wenn Du ihn dir jeden Tag in Erinnerung rufst und danach handelst, wirst Du Weisheit erlangen.
,Liebe deine Feinde. Segne jene, die dich verfluchen. Tu Gutes denen, die dich hassen und bete für jene, die dich verachten und verfolgen.‘

Matthäus.

Es ist schwer, das in die Tat umzusetzen, aber man muß und kann es. Mahatma Gandhi handelt danach. Das ist das Geheimnis seines Erfolgs.

Mit Grüßen und Liebe (Prem)

Dein demütiger Bruder

Swami Sivananda

 

Erneuerung der niederen Natur

Als der Aspirant später zu mir kam und mich von seiner Entschlossenheit zur Entsagung und seiner eisernen Willenskraft überzeugte, weihte ich ihn trotz meines anfänglichen Widerstrebens bereitwillig in das Gelübde der Entsagung (Sannyasa) ein. Er stürzte sich in die Arbeit im Dienst Gottes, die damals gerade in ihrem Anfangsstadium war und bald riesige Ausmaße annehmen und die Welt mit einem gewaltigen Sturm geistiger Erneuerung und göttlicher Inspiration bei Millionen von Menschen verblüffen sollte. Dennoch vergesse ich nie das Ziel des Lebens, den Grund, weshalb man sich von der Welt zurückzieht und ermahnte ihn wiederholt, auf spirituelle Praktiken (Sadhana) und Selbstdisziplin zu achten:

Shivoham Shivah Kevaloham. Möge Gott Dich segnen.

Ich setze große Hoffnungen in Dich. Du bist ein Ruhm für Indien und die ganze Welt. Mögen das Göttliche Licht, Göttlicher Glanz und Ruhm auf immer in Dir leuchten. Lebe in Wahrheit. Fühle Wahrheit. Verwirkliche Wahrheit. Verbreite Wahrheit. Reguliere Deine Energie. Bewahre sie. Nutze sie, wenn Du sie brauchst. Meditiere. Lebe in einem geschlossenen Raum. Sei nicht viel mit anderen zusammen. Habe nicht viele Freunde. Ein wahrer, aufrichtiger Freund ist genug. Bettle nicht in einer bettelnden Geisteshaltung. Befiehl und Du wirst alles bekommen, was Du brauchst. Die ganze Welt ist Dein Zuhause. Prakriti (die Schöpfung) und neun Riddhis stehen Dir zu Diensten. Beherrsche die Indriyas (Sinnesorgane). Meide weibliche Gesellschaft. Werde nicht nachlässig. Bringe Feuer in jede Zelle, in jedes Wort. Ich weiß, Du wirst in kurzer Zeit Wunder vollbringen. Lies die Upanishaden und die Gita, damit Du sie besser kennst. In dieser Hinsicht bist Du eine Null.

Du solltest regelmäßige systematische Studien, Meditation und Japa betreiben. Denke nicht: "Ich werde in Uttarakashi studieren, wenn ich allein bin und nicht arbeiten muß." Das ist falsch. Das ist Torheit. Es muß eine tägliche Gewohnheit sein. Jenes ,Morgen‘ wird nie kommen. Trockne das Gras, wenn die Sonne scheint. Ernte das Getreide, wenn der Wind bläst. Konzentriere Dich. Meditiere. Bleibe ein paar Stunden für Dich allein. Sei höflich. Sei niemals überheblich. Sei duldsam und geduldig. Laß diese Tugenden sich beim Sprechen auswirken. Achte auf jeden Gedanken. Das ist kein Spiel. Du hast ein verantwortungsvolles Gewand angezogen. Fühlst Du das? Halte Dich von Frauen fern, scherze und lache nicht mit ihnen. Das sind alles Erscheinungsformen von Lust.

Bettle nicht. Bitte nicht mit einer bettelnden Geisteshaltung. Befiehl. Alles wird kommen. Die ganze Welt ist dein Zuhause. Spüre das. Fühle es. Zeige mir einen Bericht über Deine regelmäßigen geistigen Übungen (Sadhana). Dein Tagesablauf muß methodisch und diszipliniert sein. Prüfe Deine Beweggründe genau. Zerstöre selbstsüchtige Motive. Vernichte alle Arten von Niedrigkeit. Werde edel bis in jede Einzelheit Deines Handelns. Kämpfe nicht um geringfügige Kleinigkeiten. Gib Verleumdung und Zuträgerei auf. Die niedere Natur muß unbedingt erneuert werden.

 

Der Fluch eines rein sinnesorientierten Lebens

Ich betone nochmals die Wichtigkeit von Sadhana (spirituellen Praktiken) und die Notwendigkeit, sich vor den negativen Auswirkungen eines rein sinnesorientierten Lebens zu schützen:

Schaue den Schmutz nicht wieder an. Richte Dich nicht selbst zugrunde. Du kennst die Freude und Wonne des geistigen Weges zur Genüge. Wozu nach weiteren Herrlichkeiten trachten, wenn Du Dich durch Yoga voll entwickelst. Nimm Dich in acht. Hüte Dich. Werde nicht zum Sklaven Deiner Sinne. Verlaß Dein Zimmer nicht. Höre mit allen Tätigkeiten auf. Verbirg Dich in einem Zimmer oder komm sofort zum Ananda Kutir zurück. Geh in Dich und meditiere.

Wenn Du Moha (Täuschung) nicht widerstehen kannst, verlasse die Stadt lieber sofort. Die Probeabzüge werden von selbst fertig. Ich mache mir nicht das geringste daraus. Wenn Du stark genug bist, kannst Du noch eine Weile dortbleiben und die Arbeit zu Ende führen. Triff aber auf jeden Fall Vorkehrungen, bald nach Rishikesh zu kommen.
Ein Leben der Sinne wird zur Last ohne gleichzeitiges ideales Leben in der inneren, alldurchdringenden Gegenwart. Es ist gleichbedeutend mit primitivem Leben. Die Welt ist ein Traum. Der innere Kern ist die dauerhafte Wirklichkeit. Vergiß das nie. Du bist Atma (das Selbst), Akarta (der nicht Handelnde), Sakshi (der unbeteiligte Beobachter).

 

Sadhana – eine tägliche Gewohnheit

Die folgenden wichtigen Hinweise für den Yogaweg stammen aus verschiedenen meiner Briefe an Aspiranten. Sie sind sehr nützlich zum richtigen Verständnis einiger praktischer Seiten des spirituellen Weges.

Du mußt regelmäßig und systematisch meditieren, Mantras wiederholen (Japa), Schriften studieren und dienen. Denke nicht: "Ich werde studieren und meditieren, wenn ich alles erledigt habe, wenn ich allein in den Höhlen des Himalaya bin." Bleibe ein paar Stunden allein und prüfe den Geist. Bereite dich jetzt langsam für das Leben in Abgeschiedenheit vor.

 

Nishkama Seva - selbstloser Dienst

Dazu braucht man keine großen Geldmittel. Wenn man bereit ist, der Menschheit zu dienen, wird Gott alles einrichten. Besorge dir nützliche Medikamente und verteile sie an Kranke oder pflege sie gut. Erwarte von niemand irgendetwas für deine Dienste. Unterrichte arme Kinder in deinem Dorf. Sorge für deinen Lebensunterhalt durch Almosen aus vier oder fünf Häusern. Lebe zurückgezogen. Praktiziere Sadhana. Höre auf, Luftschlösser bauen. Das ist ein Feind des inneren Friedens. Mache so viel du kannst, entsprechend deinem Können, deiner Leistungskraft und deinen Mitteln, mit der richtigen inneren Einstellung und Haltung.

 

Probleme durch Pranayama

Von vielen Schülern, die versuchen, die Kraft der Kundalini (schöpferische Kraft im Menschen) durch gewaltsame Pranayama-(Atem-) und Kriya-(Reinigungs-) Yogapraktiken zu erwecken, habe ich ähnliche Berichte über Probleme erhalten. Sie tun mir leid wegen ihres Übereifers und ihres unvollständigen Wissens. Weniger oder gar nichts mehr zu essen nützt überhaupt nichts. Das Feld muß durch regelmäßige tägliche Praxis gut vorbereitet werden. In den fortgeschrittenen Phasen braucht man die persönliche Führung und Überwachung durch Ältere, die Meisterschaft und Vollkommenheit auf dem Yogaweg erreicht haben. Reinheit des Herzens, gleichgesinnte Gesellschaft, richtiges Verständnis der Schriften, eine förderliche Atmosphäre und Umgebung voll spiritueller Schwingungen spielen eine wichtige Rolle für einen schnellen Erfolg. Übereile nichts und sei nicht ungeduldig. Einseitige Entwicklung ist nicht hilfreich. Verdirb deine Gesundheit nicht durch zu viel Fasten. Das schwächt dich. Iß viel energiereiche, leicht verdauliche, nahrhafte Lebensmittel sowie Früchte und Milch. Atme ein paar Monate lang sehr, sehr langsam ein und aus. Halte den Atem nicht an (Kumbhaka). Wenn du etwas fortgeschritten bist, ziehe dich im Sommer an einen kühlen Ort zurück und mache drei Pranayama-Sitzungen. Halte das Verhältnis von 1:4:2 ein beim Einatmen, Anhalten und Ausatmen. Der Nutzen ist unermeßlich. Für fortgeschrittene Schüler ist diese Übung harmlos.

 

Niedergeschlagenheit und Schwermut überwinden

Gehe ins Freie. Übe sanftes Pranayama. Singe OM. Singe mit Hingabe. Tanze in Verzückung. Jede Niedergeschlagenheit wird schnell schwinden. Deine eigene Natur ist Wonne (Ananda Swarupa) – wo wäre da Platz für Schwermut und Niedergeschlagenheit? Das sind nur Vorstellungen des Geistes. Schweige. Du gewinnst mehr durch Stille. Weiche über Nacht ein paar Mandeln ein und iß sie am Morgen mit Kandiszucker. Das ist ein sehr wirksames Stärkungsmittel für das Gehirn. Reibe den Kopf mit Amalaka-Öl ein. Nimm auch Huxley-Sirup.

 

Wenn man aufgeregt ist

Lasse Japa (Mantrawiederholung) und Sadhana (spirituelle Praktiken) nicht einmal für einen Tag aus. Passe dich an und füge dich ein. Ertrage Beleidigungen und Unrecht. Lerne, Kleinigkeiten zu vergessen. Gehe feinfühlig mit Menschen um. Bringe allen Bhajans (Lobgesänge) und Kirtan (Mantrasingen) bei. Schaffe spirituelle Schwingungen, wo immer du hingehst. Dann wirst du Frieden finden, Freude, Glück und Wohlergehen. Freude wird auf allen Gesichtern sein. Das ist der Weg zu Harmonie. Wenn du aufgeregt und verwirrt bist, halte dich an Japa (Mantrawiederholung) oder verlasse den Ort für eine Weile. Liebe alle und diene allen.

 

Keine Übertreibungen im Yoga

Mache so viel Yogaübungen wie angenehm. Vermeide Extreme. Stelle keine zu hohen Ansprüche an dich selbst. Für Menschen im Ausland sind Padmasana (Lotussitz) und Shirshasana (Kopfstand) oft schwierig. Zum Beten und Meditieren kannst du irgendeine bequeme Stellung einnehmen. Du mußt eine Haltung wählen, in der du lange Zeit bequem sitzen kannst. Die einzige Bedingung ist, daß Nacken und Wirbelsäule aufgerichtet sein sollten. Schließe die Augen, atme sehr langsam ein und aus, wiederhole geistig das Mantra OM OM OM und denke an die göttlichen Eigenschaften des Herrn. Dann wirst du in stille Meditation hineinkommen. Du wirst großen Frieden genießen und innere Kraft erwerben.

 

Was ist echter Yoga

Yoga besteht nicht darin, sechs Stunden lang mit gekreuzten Beinen dazusitzen, den Herzschlag anzuhalten oder sich eine Woche oder einen Monat lebendig begraben zu lassen. Das sind alles nur körperliche Kunststücke. Yoga ist eine wissenschaftliche Methode, um den persönlichen mit dem kosmischen Willen in Einklang zu bringen. Yoga verwandelt die niedere Natur, erhöht Energie und Lebenskraft und verleiht ein langes Leben und gute Gesundheit. Versuche, deine Konzentrationskraft zu erhöhen. Japa (Mantrawiederholung) verhilft dir zu einem einpünktigen Geist.