6. Nirvana Prakarana - Von der Befreiung

Vasishtha sprach zu Rama: „Oh Rama! Ein Gegenstand, der zunächst Freude bereitet, verursacht im nächsten Moment Schmerzen. Milch bereitet solange man gesund ist Freude, aber sie verursacht Schmerzen und Erbrechen bei Fieber, Verstopfung und Durchfall. Diese Erfahrung machen alle Menschen. Nur wenn du den Wunsch hegst, einen Gegenstand zu besitzen, bereitet er dir Freude. Deshalb ist der Wunsch Ursache der Freude. Der Genuss befriedigt die Wünsche vorübergehend. Bist du gesättigt, dann bereitet dir der Gegenstand keine Freude mehr.

Es ist schiere Dummheit, in vorübergehenden Freuden Wonne zu finden. Oh Rama! Lösche alle Wünsche und Gedanken aus. Bringe den Geist nicht mit Gegenständen in Berührung. Wer nichts über Atman weiß, ist verhaftet, wer aber Brahma Jnana besitzt, ist von der Verhaftung befreit. Deshalb, oh Rama, meditiere ständig und intensiv auf Brahman und erlange Brahma Jnana.

Dieser Geist ist ein boshafter Schelm. Er verursacht Verhaftung und Befreiung. Immer wandert er. Er springt in Sekundenschnelle von Patala zum Firmament. Es steht in seiner Macht, die ganze Welt in einem Moment zu erschaffen oder aufzulösen. Die Schwankungen des Geistes erzeugen die Illusion. Der Geist ist die Wirkung von Avidya oder Unwissen. Oh Rama! Lösche diesen Geist durch die Zerstörung der Vasanas oder die Kontrolle von Prana aus. Der Geist ist nichts weiter als ein Bündel Vasanas. Wenn die Vasanas zerstört sind, kann der Geist nicht länger bestehen.

Die Ausdehnung und Zusammenziehung des Geistes verursacht die Zurschaustellung und Auflösung der Welt. Deshalb beende die Taten des Geistes, indem du die Vrittis oder Sankalpas oder die Gedankenwellen kontrollierst. Die Kontrolle von Prana führt zur geistigen Kontrolle. Bewegt sich Prana, so bewegt sich der Geist. Der Atem des Lebens leitet die weltlichen Geschäfte genauso wie er sie auch zum Stillstand bringt. Halte über die Praxis des Pranayamas oder der Atemregulierung den Atem zurück. Wenn der Geist zerstört ist, wirst du dich unendlicher Wonne erfreuen. Wenn die sichtbaren Dinge und die Sicht im Seher ineinanderfließen, wenn der Wissende, das zu Wissende und das Wissen (Jnata, Jneya und Jnana) verbunden werden, d.h. wenn sich die Triade (Triputilaya) auflöst, wirst du den höchsten Frieden Atmans verwirklichen.

Wunschverzicht, Atemkontrolle und die richtige Erforschung ziehen das Handeln von Herz und Geist zusammen und prüfen folglich das Entstehen von Leidenschaft und Illusion. Das richtige Verständnis schwächt den sinnenfreudigen Geist. Falsches Verständnis verfestigt und nährt die fleischlichen Begierden. Der Geist eines Weisen ist kein Geist. Er ist Brahman selbst. Er ist selbst die Essenz der Reinheit. Genauso wie durch alchemistische Prozesse Kupfer zu Gold verwandelt wird, so wird auch das Sinnliche durch den Meditationsprozess zu reinem Geist. Unterscheidung und Verschiedenartigkeit entstehen nur im Geist. Sie bestehen nicht wirklich.

Der niedere oder unreine Geist spielt mit den Gegenständen dieser Welt. Der höhere oder reine Geist ruht friedlich in Brahman oder dem Höchsten Selbst. Brahman ist Eins. Er wird durch den Geist, der teilt, unterscheidet, spaltet und trennt, zur Vielheit. Die trennende Wand oder die Aufteilung zwischen Mensch und Brahman (Gott) ist der Geist. Eine gewöhnliche Wand wird aus Ziegeln, Stein und Zement gefertigt. Aber diese geheimnisvolle Wand besteht aus Vasanas, Gedanken, Egoismus und Vorlieben und Abneigungen.

Wenn diese geheimnisvolle Wand durch Erforschung und Meditation niedergerissen wird, erfährst du nur Gleichwertigkeit, Einheit oder Einssein. Nur das „Eins“ ist wirklich. Nur Brahman ist wirklich. Das „Viele“ ist so trügerisch wie eine Schlange als Seil oder Wasser in einer Fata Morgana oder ein Dieb als Pfosten.