Samadhi Yoga

Kapitel 5: Negative Eigenschaften

1. Ärger

Der Ärger ist der stetige Diener der Sucht. Wenn du den Ärger kontrollieren kannst, wird die Sucht von alleine sterben. Moha ist ein treuer Freund des Geizes. Wenn du Moha beseitigen kannst, stirbt der Geiz von selbst. Kama (Begierde), Krodha (Ärger), Lobha (Habgier) und Moha (Täuschung) werden in dieser Rangfolge entsprechend der Stärke der Vrittis aufgeführt. Kama steht an erster Stelle, da es die stärkste Vritti ist. Kama und Krodha (Begierde und Ärger) sind Shaktis (Kräfte) Brahmans. Das ist der Grund, weshalb sie unstillbar und unkontrollierbar sind. Sie können jedoch durch Viveka (Unterscheidungskraft) – eine andere, stärkere, Shakti Brahmans – bezwungen werden. Ein Mensch in dem Viveka aufgegangen ist, erlangt langsam Kontrolle über Kama und erlebt wahrhaft Frieden im Geist.

Ärger gebiert acht Arten von Lastern. Alle negativen Eigenschaften rühren vom Ärger her. Wenn du den Ärger ausrottest, sterben alle schlechten Eigenschaften von selbst.

Ein Schüler sollte immer darauf achten, ob der Anblick einer unangenehmen Sache oder ein unangenehmer Klang seinen Geist irritieren oder aufregen. Er sollte versuchen, die Aufregung auszuschalten. Aufregung stört das Gleichgewicht des Geistes und erzeugt Verärgerung. Man sollte seine Launen unter vollkommener Kontrolle haben.

Narada sagt in seinen Bhakti Sutras:

taraṅgāyitā apīme saṅgāt samudrāyante

„Diese Neigungen, sind sie auch anfänglich bloß kleine Kräuselungen, werden in schlechter Gesellschaft zu rauer See.“ [Bhaktisūtra 45]

Darum meide schlechten Umgang.

In weltlich orientierten emotionalen Menschen kann der Zustand des Ärgers sich sehr schnell intensivieren (Udhara Avastha240). Aus belanglosen Gründen explodieren sie vor Zorn. Sie können ihren Ärger kein bisschen unter Kontrolle halten. Ihr Körper zittert, wenn sie wütend werden; ihre Augen werden rot und sie beißen sich auf die Lippen. In ihren Herzen brennt es intensiv. Dieser Zustand hält Stunden an. Sie gehen sogar so weit, ihren Gegner umzubringen. Sie wissen nicht, was sie tun.

Der Ärger ist es, der dem Menschen Zerstörung bringt: Unter dem Einfluss von Ärger tut er, was er will. Er tötet selbst seinen Bruder, seine Frau, seinen Vater oder seine Mutter. Er beleidigt sogar seinen Guru. Er weiß nicht, was genau er da tut. Er verliert sein Gedächtnis und jegliches Verständnis. Er kann Recht und Unrecht nicht mehr unterscheiden.

Wenn sich in zwei Freunden plötzlich negative Gefühle bilden, beginnt ihr Geist zu übertreiben und sich Dinge zusammen zu spinnen. Er sucht verstärkt nach Fehlern im anderen. Es ist sehr schwierig, der Wahrheit der Aussagen von zwei zerstrittenen Freunden und ihrer zerbrochenen Freundschaft auf den Grund zu kommen. Ihre Aussagen sind immer von ihren Gefühlen gefärbt. Ihre Fantasie geht mit ihnen durch. Maya wütet im Geist und durch seine Vorstellungskraft. Mögen zerstrittene Freunde Frieden finden! Möge zwischen ihnen größeres Verständnis und mehr Einfühlungsvermögen sein! Wenn zwischen zwei Freunden leichte Reibungen entstehen oder ein Riss, meint jeder, er sei im Recht. Meistens haben beide in gewisser Weise Unrecht. Wenn sich Wellen der Gereiztheit auf dem Geistsee bilden, wird das Verständnis von Wolken verschleiert. Dann ist der Mensch nicht in der Lage, seine eigenen Fehler zu erkennen. Das liegt an dem Einfluss, an dem Wüten von Maya. Missverständnisse schüren das Feuer und vergrößern die Probleme. Wenn die dunkle Wolke oder die negative Welle dann vorbeigezogen ist, beginnt bei beiden das ernsthafte Bedauern. Der Mensch entwickelt sich durch solche Ereignisse weiter, er sammelt Erfahrung und wird weise. Sie dienen unserem Wachstum und man kann sie im Kampf des Lebens nicht vermeiden.

Glas kann man nicht wieder kitten, wenn es einmal zerbrochen ist. Ist der Reis von der Hülse befreit, kann das Reiskorn nicht wieder in seine Schale gebracht werden. So ist es auch mit Freundschaft, die einen ernsthaften Riss erlitten hat, wenn die Gefühle der Freunde verletzt wurden; sie können nicht wieder vereint werden. Wenn man in dieser Welt friedlich dahinziehen will, ist es besser, keine intimen Verbindungen einzugehen. Übe Anpassungsfähigkeit, Vergebung und Toleranz. Lasse keinen Raum für Reibungen oder Zerwürfnisse mit anderen. Sprich keine harten Worte, die die Gefühle des anderen verletzen könnten.

Unter Freunden werden ganz natürlich und spontan Späße in der Unterhaltung gemacht. Aus diesem Grund kommt es zwischen ihnen häufig zu Brüchen, Reibungen und Streit und die Freundschaft hält nicht lange. Sei sehr achtsam in deinen Gesprächen mit Freunden. Verhalte dich anerkannten Umgangsformen entsprechend. Nur so wird die Freundschaft dauerhaft sein.

Du zeigst Dienern, Untergeordneten und hilflosen, schwachen Personen gegenüber deinen Ärger, aber deinem Meister, einem Chef, Vorgesetzten oder starken Personen gegenüber zeigst du ihn nicht. Warum? Weil du dich aus Angst zurückhältst. Kannst du deinen Dienern gegenüber keine Zurückhaltung üben? Wenn du versuchst, Gott in deinen Dienern zu sehen, wirst du ihnen gegenüber nicht ärgerlich sein. Ärger zerstört dich. Allein unter dem Einfluss von Ärger begeht man Verbrechen, falsche Handlungen, beleidigt Respektspersonen oder spricht harte Worte. Kontrolliere den Ärger mit allen Mitteln. Entwickle Geduld, Toleranz, Erbarmen und Liebe. Übe Vichara. Frage dich „Wer bin ich?“ Gehe in dich mit der Frage „Was hilft es mir, ärgerlich zu werden? All meine Energie geht verloren, wenn ich Ärger empfinde. Das Selbst ist Eins. Das Selbst ist in allen Lebewesen eins. Es gibt in Atman keinen Ärger. Wenn ich jemanden verletze, verletze ich mich selbst. Es gibt nur mein Selbst. Atman ist eine Verkörperung des Friedens.“ Die Vritti wird von alleine sterb

Ärger zerstört alles, was durch Tapas (Disziplin), Tyaga (Opfer) und Dana (Wohltat) erreicht wurde. Bändige deshalb den Ärger mit allen nur möglichen Mitteln.

Ärger, der mit anhaltendem Hass einhergeht, ist sehr gefährlich. Er wird schreckliche Verwüstung anrichten. Emotional impulsive Menschen bekommen manchmal, wenn sie beleidigt oder schlecht behandelt werden, explosive Wutanfälle, die nicht lange anhalten. Dies ist nicht ganz so gefährlich wie die andere Art von Ärger. Ältere Menschen und Jungen unterliegen derart explosiven Anfällen von Abneigung.

Kontrolliere zuerst die große Welle des Ärgers. Und wenn es dir nicht gelingt, sie zu kontrollieren, verkürze zumindest ihre Dauer. Kontrolle über die großen Wellen des Ärgers wird dir Kraft verleihen, Gereiztheit und schlechte Laune zu kontrollieren. Gereiztheit ist nur eine kleinere Welle. Bete und beobachte. Entwickle Geduld und Vergebung. Dann wird auch diese kleine Welle vergehen und du wirst höchsten Frieden genießen.

Es ist sehr schwierig, Ärger zu kontrollieren. Ärger ist eine Manifestation von Shakti. Versuche zuerst, seinen Vega241 zu mildern, seine Häufigkeit zu reduzieren und seine Dauer zu verkürzen. Setze alles daran, diesen Zustand, diese kolossale Vritti, zu mildern. Lass nicht zu, dass sie die Ausmaße einer riesigen Welle auf der Oberfläche des bewussten Geistes annimmt. Ersticke sie schon im Keim, wenn sie noch in Form von Gereiztheit im Unterbewusstsein auftritt. Lenke den Geist auf etwas anderes. Gehe göttlichen Gedanken nach. Praktiziere diszipliniert Japa oder Kirtan. Sprich einige Gebete oder Shlokas242 der "Bhagavad Gita", des "Bhagavata Purana", des "Ramayana" oder der "Upanishaden". Entwickle beständig entgegengesetzte göttliche Eigenschaften wie z.B. Geduld, Liebe und Vergebung. So stirbt der Ärger allmählich von selbst ab. Man kann nur schwer direkt gegen ihn ankämpfen. Aber es ist einfach, Ärger zu kontrollieren, wenn er noch die Form von milder Gereiztheit besitzt.

Triff am Morgen den festen Entschluss: „Ich werde heute nicht ärgerlich sein.“ Beobachte den Geist sorgfältig. Meide den Umgang mit Dingen oder Personen, die gewöhnlich deine Laune reizen. Versuche deinen Ärger durch Gebet und alternative Gedanken so gering und kurz wie möglich zu halten. Praktiziere Vichara. Wende den Geist umgehend etwas anderem zu und halte ihn vollständig beschäftigt. Das mag dir vielleicht ein paar Mal nicht gelingen, doch mit der Zeit wirst du an Stärke gewinnen. Der Ärger wird Stück für Stück ganz verschwinden. 

Befolge Mouna (Schweigen). Zügle die Zunge in angemessener Art. Denke drei Mal nach, bevor du sprichst, bevor du ein Wort über deine Lippen lässt. Wisse um die Macht, die jedes Wort besitzt und um die Wirkung, die es auf den Geist anderer haben wird. Gestatte der Zunge nicht, wild ohne Grenzen auszuschweifen. Sei nicht geschwätzig. Sprich wenig. Sprich liebe, herzliche Worte. Ein einmal ausgesprochenes Wort kann man nicht zurückholen, genauso wenig wie einen aus einer Pistole abgefeuerten Schuss. Sei achtsam in deinen Worten. Worte verletzen Menschen mehr als Taten. Raue Worte lassen das Herz bluten, auch wenn sie den Körper unversehrt lassen. Eine körperliche Wunde heilt schnell, aber eine Wunde am Herzen, die durch verletzende Worte entstand, heilt niemals. Körperliches Leiden ist vorübergehend und man vergisst es schnell wieder,  aber nicht so den Schmerz im Herzen. Sprich abgewogene Worte. Mache dir dies zur Gewohnheit indem du es lange übst. Dann kannst du mit Achtsamkeit reden ohne noch dabei nachdenken zu müssen.

Positive Tugenden wie Kshama243, Nachsicht, Toleranz, Vergebung, und Mouna zu üben wird den Ärger besiegen. Denke beständig an den Shanta Atman (das Selbst, das Frieden ist). Frage dich „Wer bin ich?“. Entwickle Mithya Drishti (Blick für die täuschende Welt). Denke darüber nach, was du davon hättest, ärgerlich zu werden. So stirbt die Welle des Ärgers langsam aber sicher.

Überlege drei Mal, bevor du sprichst. Doch sprich freimütig. Rege dich nicht auf, wenn du diskutierst. Lass dich vom unfreundlichen Verhalten eines Menschen nicht beleidigen, oder wenn jemand dich unangemessen behandelt oder dich ignoriert. Sei nicht erbost, wenn jüngere Menschen oder Menschen, die dir gegenüber niedriger gestellt sind, dir einen Rat geben. Kontrolliere deine Gefühle. Übe Vichara. Entwickle Willensstärke, Toleranz und Geduld. Meditiere regelmäßig. So wirst du spirituelle Kraft und Willensstärke entwickeln. Ziehe dich in die Ruhe deines inneren Selbst zurück, das eine Verkörperung des Friedens ist.

Du kannst so allezeit einen ruhigen und ausgeglichenen Geist bewahren. Spotte über niemanden. Runzele über keinen die Stirn. Halte alle deine Sinne im Zaum. Sei stets frohgemut. Schaue nicht zurück. Entledige dich aller Sehnsüchte, aller Begierden. Wirf deinen Stolz ab. Lenke deinen Blick nach innen. Kontempliere. So wirst du wahres Glück erfahren.

Dein wahrer Feind ist der Ärger. Alle möglichen schlimmen Taten geschehen, wenn man verärgert ist. Selbst dein Feind kann manchmal zu deinem Freund werden, aber dieser grausame Ärger wird immer dein Erzfeind bleiben. Kann man diesen Erzfeind zerstören? Ja, man kann ihn ausmerzen. Wie eine Schlange ihre Haut abwirft, so kannst auch du deinen Ärger abwerfen, indem du göttliche Eigenschaften entwickelst. Im reinen Selbst gibt es keinen Ärger. Wenn du dich mit dem Selbst identifizierst und ein Sakshi (unbeteiligter Beobachter) dieser Vritti bleibst, wird der Ärger von alleine sterben.

Suche Zuflucht im Namen Gottes. Mache täglich Japa. Singe Seinen Namen. Du wirst so unglaublich große innere spirituelle Kraft gewinnen. Pranayama wird dir ebenso dabei helfen, den Ärger zu kontrollieren. Sei wachsam. Bleibe ein Sakshi. Identifiziere dich nicht mit der Vritti (dem Ärger).

Wenn du über deinen Diener wütend wirst, weil er es einen Tag versäumt, dir wie gewohnt deine Milch zu bringen, lass die innere Frage zu: „Warum sollte ich denn ein Sklave der Milch sein? Oh Geist, warum willst du Milch? Warum soll ich meine Energie verschwenden?“ So wird die Welle des Ärgers sofort verebben. Sie wird auch in anderen Situationen nicht aufkommen, wenn du aufmerksam und sorgfältig bist.

Wenn du verärgert bist, schaue dein Gesicht im Spiegel an. Du wirst dich über dein hässliches fürchterliches Gesicht schämen. Dies ist eine Art, seinen Ärger zu kontrollieren. In Zukunft wirst du vorsichtig sein und die Impulse, die Ausbrüche von Ärger hervorbringen, im voraus kontrollieren.

Ersticke den Ärger im Keim. Bleibe ruhig und fange jedes Mal, wenn du in Ärger geraten könntest sofort mit Japa an. Wenn du dieser Methode folgst, wird die Wahrscheinlichkeit, dass du von Ärger ergriffen wirst langsam immer geringer. Und schließlich wirst du ganz vom Ärger befreit sein.

Vermeide überflüssige Worte und sei rücksichtsvoll wenn du redest. Denke nach bevor du sprichst. Lass niemals Worte verlauten, die andere verletzen könnten. Beobachte deine Gedanken achtsam, wenn du dich in der Gesellschaft bewegst. Vermeide impulsives Reden und emotionale Bekundungen sowie laute angeberische Äußerungen. Sei ruhig, behalte einen kühlen Kopf, bleib friedlich und gelassen. Zeige eine würdige Persönlichkeit, eine großmütige Haltung.

Sprich nicht, wenn du erbost bist, wenn der Ärger noch einfache Gereiztheit ist. Beobachte. Zieh die Bremse bevor der Ärger sich zu einer großen Welle aufbaut. Beginne Japa. Kultiviere Kshama. Ärger kann man nicht dadurch zerstören, dass man ihn angreift, sondern indem man die entgegengesetzten Tugenden kultiviert, nämlich Kshama, Geduld und Liebe. Lass den Ärger nicht nach außen, sondern versuche, ihn zu kontrollieren. Versuche zuerst, die Dauer deiner Verärgerung zu kürzen indem du den Geist auf Japa richtest, eine Schrift oder Kirtan oder eine andere angenehme Beschäftigung. Dünne diese Vritti also zuerst aus. Mildere ihre Wucht indem du den Geist mit etwas beschäftigst und ihn ablenkst.

Wenn du in der Welt lebst kannst du den Kontakt mit anderen Personen nicht vermeiden. Halte die Gespräche und die Länge der Begegnungen kurz.
Mit der Zeit wird das Brennen, das durch den Ärger verursacht wird, verglühen. Die durch Ärger erzeugte Kraft wird langsam an Intensität verlieren. Die Anfälle werden selten. Und sie werden nicht von langer Dauer sein. Die spirituelle Kraft, die durch Nirodha Samskaras (sattvige Potenzen  der Beherrschung) geboren wird, wird dir zu Hilfe kommen. Der Geist wird mit der Zeit immer ruhiger werden.

Ärger kann nur durch Nirvikalpa Samadhi in toto verbrannt werden. Wenn du diese schlimme Vritti durch regelmäßiges Japa und Meditation ausdünnst, wenn du seine Kraft herabsetzt, wird sie keinen Schaden anrichten. Sie wird wie eine Kobra sein, deren Giftzähne gezogen wurden. Sie mag sich hin und wieder aufrichten und zischen, doch sie kann leicht beherrscht werden.

Sage nichts, was die Gefühle von anderen verletzen könnte. Kontrolliere nach Möglichkeit deine Gereiztheit, deine Verärgerung. Benutze, wenn du ärgerlich wirst, keine Ausdrücke wie: „Idiot, Schwachsinn, Humbug, Betrüger, verdammt etc.“ Wache über jedes Wort, das aus deinem Mund kommt. Wenn du wirklich diese schlechten Gewohnheiten und negativen Eigenschaften abschalten willst, musst du mit einem fortgeschrittenen Yogi oder deinem Guru ein paar Jahre lang in engem Kontakt leben. Du kannst deine eigenen Schwächen nicht erkennen. Du wirst seinen Unterweisungen bedingungslos folgen müssen.

Es gibt kein Getränk, das mehr erfrischt und kühlt als Shanti (Frieden), um das Feuer des Ärgers zu löschen.

Ein Mensch mit ruhigem Geist kann viel Arbeit verrichten. Er weiß, dass er, wenn er sich schlecht verhält und einem anderen wehtut, sich selbst wehtut. Überall fühlt er Einssein. Er verbindet sich immer mit den anderen indem er Unterschiede schmelzen lässt. Er erfährt Einssein überall. Ein gereizter cholerischer Mensch schafft nie eine größere Menge an Arbeit.

Manchmal musst du Ärger zeigen, ohne ihn wirklich zu fühlen. Es ist eine seltsame Welt. Man kann nicht vorwärtskommen, wenn man immer nur Freundlichkeit und Milde zeigt. Wenn der Skorpion seine natürliche Eigenschaft verliert, zu stechen, werden die Menschen ihn für einen kleinen unschuldigen Schmetterling halten. Manchmal musst du nach außen hitzig und impulsiv sein, aber innen ruhig. Du musst zischen, aber nicht beißen.

Denke unentwegt an die verheerenden Wirkungen von Ärger, und was an Gutem kommen wird, wenn du über den Ärger absolute Kontrolle hast. Viele  haben sich schon ruiniert, indem sie Sklaven dieser hitzigen Erregung wurden. Du gewinnst absolut gar nichts daraus, einem anderen Menschen gegenüber Ärger zu zeigen. Der direkte Grund für das Ausbrechen eines Krieges ist der Ärger. Lies die Seiten deines Geschichtsbuches. Darin findest du, dass viele Nationen sich ruiniert haben, weil sie dem Ärger nachgaben. Wenn ein Verlangen nicht gestillt wird, nimmt es sofort die Form von Ärger an. Zwischen Mann und Frau kommen Streitereien im Haushalt auf, weil die gegenseitigen Wünsche nicht befriedigt werden.

Wenn in allen Wesen ein Selbst lebt, wie kann man dann ein anderes Leben verletzen? Aufgrund von Unwissenheit wirst du vom Ärger übermannt und schlägst zu, wenn du dich vergisst und deinem Nächsten Schaden zufügst weil jemand dich beleidigt. Wenn der Ärger dann langsam abklingt, tut dir deine schlimme Handlung leid. Doch obwohl du sie bereust, wirst du nach einiger Zeit wieder so handeln. Warum? Weil du keine innere Stärke hast, um deine Impulse und Emotionen zu kontrollieren. „Gleiches mit Gleichem vergelten“, „Auge um Auge, Zahn um Zahn“, „es jemandem in gleicher Weise heimzahlen“, das ist die Doktrin der Asuras244, des Wilden. Das ist deine animalische Natur. „Böses mit Gutem vergelten“, „die andere Wange hinhalten“, „für seine Verfolger beten“, „Gott in einem Dieb, in einer Kobra und in einer gefallenen Schwester mit schlechtem Ruf erkennen“, das ist die Doktrin des Gott-Menschen. Das ist die göttliche Natur.

2. Angst

Angst ist eine negative Vritti, eine negativer Geisteszustand. Sie gründet in Unwissenheit. Angst ist eine Illusion, sie ist nicht echt. Sie besitzt kein Leben. Mut ist positiv und wahrhaftig. Er kann nicht sterben.

Unwissenheit erzeugt Angst. Angst saugt dir deine Energie aus und erzeugt Verwirrung, Hass und Sorgen. Wenn du etwas unter dem Einfluss von Angst tust, tust du es auf verwirrte Art und Weise. Wo Angst ist, ist Verhaftetsein. Angst ist ein Erzfeind des Friedens. Töte die Angst schonungslos durch die Erkenntnis deines Selbst. Die Angst wird ihre Beine in die Hand nehmen. Denke an Mut. Die Angst kann dem nicht standhalten. Das Positive siegt immer über das Negative. Mögest du furchtlos werden. Mögest du das furchtlose Brahman erreichen.

Nur wenn Deha Adhyasa (Identifikation mit dem Körper) durch Selbsterkenntnis vergeht, kann man furchtlos werden. Abhayam (Furchtlosigkeit) ist die größte Frucht der Selbsterkenntnis.

Furchtlosigkeit kann nur durch Wissen um das Selbst zustande kommen. Unwissenheit erzeugt Angst. In der Dualität gibt es Angst. Die Dualität ist Unwissenheit. Wie kann der Weise, der sein eigenes Selbst kennt, der überall Einssein erfährt, Angst haben?

Brahman kennt keinen Tod, keine Geburt, es ist feinstofflich, existiert durch sich selbst, strahlt aus sich selbst, ist unteilbar, alldurchdringend, absolutes Sein, vollendete Wonne. Wenn du im Wissen um dieses Brahman aufgehst, welches dein eigenes Selbst ist, wirst du absolut frei von Furcht sein. Angst rührt von Unwissenheit her oder vom Verhaftetsein im Körper. Wenn du erkannt hast, dass du nicht der Körper bist, dass es nichts außer dem Selbst gibt, wie kannst du dann noch irgendetwas in dieser Welt fürchten?

Es gibt verschiedene Arten der Angst. Einer mag vielleicht keine Angst davor haben, auf dem Schlachtfeld von Kanonen aus dem Leben gerissen zu werden. Ein anderer hat vielleicht keine Angst, bei der Tigerjagd im Wald umzukommen, während ein Dritter wiederum keine Angst vor dem Skalpell eines Arztes hat  und mutig ohne Betäubungsmittel in eine Operation geht. Doch alle drei haben möglicherweise schreckliche Angst vor der Meinung der Gesellschaft oder vor öffentlicher Kritik. Erhebe dich über die Meinung der Leute und sei frei von Angst.

Hab keine Furcht vor irgendwelchen Dämonen. Die Angst selbst ist der größte Dämon. Töte zuerst diesen. Alle anderen Dämonen werden Fersengeld geben.

Alle Sorgen sind nur Einbildung. Angst kommt aus der Unwissenheit. Angst ist, wo Dualität regiert.

Lass mich meinen Kritiker versichern, dass ich keinen Menschen fürchte, weil ich in meinem Sat-Chit-Ananda Svarupa (wahre Natur als Sein, Wissen, Wonne) verankert bin. Angst ist eine Eigenschaft, eines scheuen Menschen. Angst ist ein Geisteszustand voller Leidenschaft und Verhaftetsein. Ich stehe über Körper und Geist. Wenn jemand an seinem Körper, an seiner Frau, seinem Sohn oder seinem Besitz hängt, hat er Angst. Ich habe weder einen Körper noch Besitz. Nichts gehört mir. Wo soll dann noch Angst sein für mich?

3. Stolz

Stolz ist eine der gefährlichsten Schwächen des Menschen. Er bringt ihn zu Fall. Stolz ist Unwissenheit. Eine handvoll Verdienst, Reichtum, Schönheit, Kraft oder Intelligenz machen Menschen schon trunken. Stolz sitzt auch sehr tief. Er muss gründlich durch das Entwickeln von Demut und durch Vichara an der Wurzel ausgerissen werden.

Stolz über Lernerfolge –  eine Form von Shastra Vasana (Wunsch nach Gelehrsamkeit) – ist eine völlig unreine Vasana. Sie ist ein Hindernis auf dem Weg zum Wissen. Sie verhärtet den Egosimus und lässt den Schleier der Unwissenheit dichter werden. Svetaketu (der Sohn von Uddalaka) war vor Stolz über sein angelesenes Wissen ganz aufgeblasen. Er benahm sich selbst seinem Vater gegenüber unfreundlich. Uddalaka brachte seinen Sohn auf den Boden zurück indem er ihm eine Frage stellte: „Oh Svetaketu, hast du jene höchste Wissenschaft erlernt, in Kenntnis derer man alles weiß?“ Die Antwort war nein. Schließlich unterrichtet Uddalaka ihn in der höchsten Wissenschaft, dem „Brahma Vidya“ der „Wissenschaft vom Selbst“.

Es ist leicht, einen Menschen zu unterrichten, der nichts weiß. Und es ist noch einfacher, einen Menschen zu unterrichten, der eine demütige aufnahmebereite Haltung einnimmt und danach strebt, Wissen und Weisheit zu erwerben. Es ist jedoch äußerst schwierig einen kleinkarierten Menschen zu instruieren, der vor Stolz über sein geringes Wissen aufgebläht ist, zu sehr von sich eingenommen ist und eitel meint: „Ich weiß alles“. Selbst Brahman kann einem derart arroganten Menschen in seiner grenzenlosen Eitelkeit kein Wissen schenken.

Man sieht bei anderen jeden Fehler, kehrt aber selten vor der eigenen Haustüre. Man glaubt eitel, in allem perfekt zu sein. Man glaubt, der andere ist ein Idiot, der keine Ahnung hat während man selber weise wie Salomon oder Sokrates ist. Das geschieht aus Unwissenheit.

Sprich keine Worte, die darauf abzielen, dich selbst zu glorifizieren.

Vergiss auf der Stelle, was schlecht war. Doch vergiss das Gute nicht, was dir durch andere zuteil wurde. Es gibt keine Sühne für einen undankbaren Menschen.

Vergiss deine guten Eigenschaften. Vergiss die schlechten Züge der anderen. Vergiss die Feindseligkeit derer, die dir abgeneigt sind. Vergiss deine guten Taten für andere.

Sena war seiner Kaste nach ein einfacher Friseur und doch war er ein Heiliger. Er war ein Schüler von Shri Ramananda, einem Vaishnaviten-Priester mit sehr liberalen Anschauungen und einem weiten Herzen. In Gottes Augen existiert kein Unterschied zwischen sozialer Schicht oder Hautfarbe. In den Augen eines wahrhaft Suchenden schmelzen diese Unterschiede ebenso dahin. Es ist sehr schwer vorauszusehen, wann und auf wen die Gnade Gottes niederkehrt. Schwache und Arme liebt Gott besonders. Stolze und reiche Menschen sind weit entfernt von Gott, weil sie trunken sind von Reichtum, ihrer sozialen Stellung oder ihrer Bildung.

Selbst wenn du schon ein fortgeschrittener Schüler auf dem spirituellen Pfad bist, sage dir in Gedanken, dass du nur ein Anfänger bist, der gerade erst eingeweiht wurde. Dann kann sich kein spiritueller Stolz einschleichen. Übe Sadhana nun mit dem gleichen Eifer, der gleichen Achtsamkeit und Freude wie damals, als du diesen Weg begannst. Der Grad deines Erfolgs steht im Verhältnis zum Grad deines Sadhana und der Aufrichtigkeit deiner Intention.

Raja Bhagiratha verzichtete auf sein Hoheitsgebiet zu Gunsten seines Feindes und ging von Tür zu Tür, um bei seinen ehemaligen Ministern um Almosen zu bitten. Das ist wirklich ein gutes Training, um sich zu stärken und den eigenen Stolz und die Selbstverliebtheit zu vernichten. Swami Vivekananda hielt auch einmal einen Bahnhofsvorsteher, der von ihm in Sannyasa eingeweiht werden wollte, dazu an, an den Haustüren seiner Untergebenen um Almosenzu bitten. Der Bahnhofsvorsteher folgte den Anweisungen bedingungslos. Vivekananda nahm ihn daraufhin als Schüler zu sich und gewährte ihm Sannyasa.

Sobald du von Verlangen, Selbstsucht, Selbstverliebtheit und Stolz befreit bist, wirst du hoch in die Gefilde der Freude und des Friedens aufsteigen. 

Erwache. Wasche deine Füße vom Schlamm. Steh auf. Beuge dich nicht aus Scham oder Angst. Zerstöre die Vasanas und steige aus diesem Käfig des Fleisches mutig wie ein Löwe heraus. Dann kann man dich zu Recht einen wahrhaften Bahadura245 nennen. Leere Titel und Ehrungen sind wertlos. Blas dich nicht mit diesen falschen Dingen auf.

Es gibt kein strahlenderes Licht als Jnana Surya (das Wissen vom Selbst), um die geistige Dunkelheit der Avidya (Unwissenheit) zu beenden.

4. Hass und Eifersucht

Die Wirkung von Hass ist Ablehnung. Die Wirkung von Raga ist Anziehung. Wenn du an einem bestimmten Menschen hängst, fühlst du dich dazu bewegt, dich um ihn zu kümmern und ihm zu dienen; wenn du einen Menschen nicht leiden kannst oder hasst, steht dir nicht danach, ihn zu bedienen und zu umsorgen. Anziehung und Ablehnung sind Vrittis des Geistes. Gehe hinaus über Anziehung und Abstoßung und weile im Frieden in deinem eigenen Atman, in dem es weder Anziehung noch Abstoßung gibt.

Hass existiert in Wirklichkeit nicht, da er eine negative Prägung des Geistes ist. Allein die Liebe existiert ewig. Liebe ist Gott. Unwahrheit hat keine reale Existenz, da es ein negativer Eindruck im Geist ist. Die Wahrheit existiert ewig. Wahrheit ist Gott.

Nahe Verwandte, Arbeitskollegen oder Menschen, die zusammen aufgewachsen sind, sind Gleichgestellten gegenüber anfälliger für Eifersucht, wenn diese eine bessere Position im Leben erreichen. Das sieht man täglich. Geschwister streiten sich und ziehen vor Gericht. Bürokollegen lästern und reden schlecht über ihre Kollegen. Du erinnerst dich sicher an Duryodhanas Neid gegen die Pandava-Prinzen in der Bhagavad Gita. Er hat ihn wie ein züngelndes Feuer verschlungen. Sein Geist konnte keinen Frieden finden. Oh, du eifersüchtiger Mensch! Du bist bemitleidenswert. Zerstöre diese schlimme Eigenschaft indem du eine hohe Gesinnung pflegst, Freigiebigkeit übst und ein großes Herz hast. Wie lange willst du noch in diesem schrecklichen Zustand verweilen? Schämst du dich nicht über deinen boshaften Geist? Suche die Gesellschaft eines edelmütigen Menschen. Begib dich in Gemeinschaft mit Mahatmas (Heiligen) und vernichte diese schändliche, düstere Eigenschaft.

Du magst durch ein Truggeschäft hunderttausend Rupien verdienen, doch das ist in Wahrheit nur Verlust für dich, da du damit dein spirituelles Wachstum zerstört hast. Du hast den Geist angefüllt mit niederen Schwingungen und Unreinheit. Du vermagst keine moralische Stärke aufzubringen. Dein Gewissen wird dich quälen. Und die schlechte Neigung des Geistes wird versuchen, sich wiederholt durchzusetzen. Du begehst vielleicht erneut die gleiche Tat in einer anderen Situation. Du wirst ein paar Jahre lang viel Anstrengung aufbringen müssen, um diese schlimme Neigung auszumerzen.



Der Gestank von Neid oder Selbstsucht ist widerwärtiger als der Gestank aus einem Abwasserkanal, aus einer Eiterbeule oder einem Abszess.  Eine faule Eiterbeule kann man in kurzer Zeit unter Zuhilfenahme eines starken Antiseptikums oder eines wirksamen Desinfektionsmittels reinigen, doch es ist äußerst schwierig, den Gestank von Neid aus dem Geist zu entfernen. Beständiges Japa (Mantrawiederholung), beständiges Meditieren und unermüdlicher selbstloser Dienst sind vonnöten, um diesen abstoßenden Gestank von Neid und Selbstsucht zu beseitigen. Menschen, die Gedanken von Hass, Eifersucht, Rache und bösen Absichten pflegen sind wahrhaft gefährlich. Sie verursachen Unruhe und Missgunst unter den Menschen. Ihre Gedanken und Gefühle sind wie drahtlos gesendete Nachrichten im Äther und werden von den Geistern aufgefangen, die auf solche Schwingungen reagieren. Gedanken bewegen sich mit enormer Geschwindigkeit. Menschen, die erhabene und fromme Gedanken pflegen helfen anderen nah und fern.

Hass hört nicht durch Hass auf. Hass hört durch Liebe auf.

Eifersucht kann beseitigt werden, indem man die Vorstellung von Dualität vernichtet. Jedesmal, wenn diese Vritti, diese Welle der Eifersucht in deinem Geiste aufkommt, denke, dass der Mensch, auf den du eifersüchtig bist, dein eigenes Selbst ist und dass er nicht anders ist als du bzw. nicht von dir getrennt ist. Das ist die beste Methode, Eifersucht zu überwinden.

Der Geist wird zu dem, woran er denkt. Das ist ein unverrückbares psychologisches Gesetz. Wenn du über die Doshas (Fehler) eines Menschen nachdenkst, und sei es nur für einen Moment, reitet dein Geist auf den schlechten Eigenschaften herum und lädt sich mit diesen Eigenschaften auf, ganz gleich, ob dieser Mensch jene Züge besitzt oder nicht. Es mag nur deine Fantasie sein, begründet auf falschen Gedanken, falschen Samskaras oder einer falschen geistigen Angewohnheit. Jener Mensch mag nicht ein Fünkchen jener schlechten Eigenschaften besitzen, die du ihm angedichtet hast, sei es aus Feindseligkeit, einer Form von Eifersucht, Kleinkariertheit oder gewohnheitsmäßigem Dosha Drishti, dem Hang, bei anderen Fehler zu suchen. Gib deshalb die gefährliche Angewohnheit, andere zu verurteilen und am Verhalten anderer etwas auszusetzen zu haben, auf. Lobe den anderen. Entwickle die Kraft, die Visionsgabe, in anderen gutes zu finden. Belle nicht wie ein wilder Hund über die schlechten Eigenschaften von anderen. Preise sie. Du wirst dadurch spirituell wachsen. Und du wirst von allen geliebt, geehrt und respektiert werden.

Eine rachsüchtige nachtragende Haltung ist Dvesha. Die Vritti, Gleiches mit Gleichem zu vergelten, „Auge um Auge, Zahn für Zahn“, ist Hass. Es ist Ahamkara (Selbstsucht, Hochmut) zu schwören: „Ich werde diesen Menschen niemals ungestraft davonkommen lassen“, „Ich werde ihm die Zähne einschlagen“. Die Vritti, die aus einem Geist mit der Einstellung „Alle sollen dasselbe erleiden wie ich“ kommt, ist Irshya246, eine Form der Eifersucht. Die Vritti, die der geistigen Haltung „Keiner sollte solches Glück erleben wie ich“ entspringt, ist Asuya247, auch eine Form der Eifersucht.

Ein spiritueller Aspirant sollte die Gefühle von Rache oder eine nachtragende Einstellung vollständig ablegen, sollte ihn jemand verletzen. Und noch mehr, es sollte für ihn überhaupt keinen Groll geben. Nur so wird er in höchstem Frieden verweilen. Vedanta erwartet von den Suchenden, dass sie im Leben stehen wie ein Stein. Sie sollten Ausdauer und Geduld in höchstem Masse entwickeln. Nur so werden sie stark und beharrlich wie ein

5. Wie man schlechte Eigenschaften beseitigt

Der Fluss menschlicher Emotionen und der treibenden Kräfte ihres Handelns fließt durch zwei parallele Kanäle, einen guten und einen schlechten. Lenke den gesamten Strom nach deinem Willen kraft deiner gesammelten Stärke und Weisheit durch den guten Kanal.

Der Mensch ist wahrhaft ein Wilder, wenn er kein Manushyatva (menschliche Eigenschaften) hat, wenn er also weder Milde, noch Liebe, Freundlichkeit, Selbstkontrolle, gutes Benehmen, Zuvorkommenheit, Höflichkeit etc. besitzt.

Halte für einen Moment inne und unterziehe das Treiben des Menschen in dir einer genauen Untersuchung. Du trägst eine doppelte Persönlichkeit in dir, eine asurische (dämonische) und eine daivische (göttliche). Zwischen den beiden herrscht ständiger Krieg. Alles Gute und Großmütige macht die göttliche Persönlichkeit aus. Die Bhagavad Gita spricht von Daivi Shatsampat (göttliche Eigenschaften). Alles Schlechte, Kleinmütige und Gemeine macht die asurische Persönlichkeit aus. Die Gita nennt es Asuri Sampatti (dämonische Eigenschaften). Zerstöre die niedere Natur durch die göttliche Natur. Merze negative Züge durch göttliche Tugenden aus, wie z.B. Shanti (Frieden), Santosha (Zufriedenheit), Brahmacharya (Enthaltsamkeit), Edelmut, Aufrichtigkeit, Demut, Bedürfnislosigkeit, Vergebung, Geduld, Milde und kosmische Liebe. Mehre das Sattva und Tamas wird verschwinden. Dann transzendiere Sattva ebenso. Sattva ist eine goldene Fessel. Weile schließlich im Ozean von Satchitananda, der jenseits der drei Gunas und der doppelten Persönlichkeit liegt. Das ist Nirvana248. Das ist die unsterbliche Heimat, Paramadhaman249 oder auch Paramagati250, aus der du nie wieder zurückkehren wirst. Das ist Avyakta bzw. Akshara, der unvergängliche Thron, den Shankara, Dattatreya, Mansur, Jnana Dev, Trilinga Swami aus Benares und Patanjali Maharshi, der Verfasser der Raja-Yoga-Philosophie, erreicht haben.

Man kann lernen, durch die Luft zu fliegen. Man kann aus Eisen Milch herauswringen und aus einer Fata Morgana Wasser schöpfen. Man kann die Nadel im Heuhaufen finden. Einen uneinsichtigen Dummkopf zu verbessern, seinen Geist auszurichten und ihn auf den rechten Pfad zu bringen ist hingegen sehr schwer.

Es ist nicht einfach, die subtilen rajasigen und tamasigen geistigen Unterströmungen wahrzunehmen. Wer regelmäßige Selbstanalyse übt, während Brahma Muhurta251Innenschau hält und dabei einen feinen, scharfen Intellekt besitzt, wird ihre Gegenwart ausmachen können.

Nur wer unreinen Herzens ist meint, dass andere unrein sind. Der Geist sieht sein Spiegelbild im Außen. Ein schmutziger Spiegel erzeugt ein schmutziges Bild.

Wem die Gefahren eines unreinen Lebens klar sind, der kann mit Erfolg nach Reinheit und Vollkommenheit streben.

Entwurzele jedes Jahr ein Laster, eine schlechte Angewohnheit. Im Verlauf weniger Jahre erlangst du so Vollkommenheit und göttliches Bewusstsein.„Was du denkst, dazu wirst du“, lautet das unverrückbare psychologische Gesetz. Deine Gedanken formen dein Leben. Deine Gedanken kannst du wählen. Die Art deines Denkens kannst du wählen. Du kannst dein Leben nach deiner Wahl gestalten. Wenn du schlechten Gedanken nachgehst, wirst du ein sehr erbärmliches Leben führen. Wenn du erhabene göttliche Gedanken pflegst, wirst du Göttlichkeit erreichen.

Das Fehlen spiritueller Lebensart ist die Wurzel der Kämpfe und des Zankes in der Welt. Der Mangel an gutem Verhalten bringt Unfrieden, Zwist und Entfremdung zwischen Menschen. Entwickle deshalb dieses spirituelle Verhalten Schritt für Schritt, erlange Frieden und werde weise.

Wenn man eine spirituelle Verhaltensweise entwickeln möchte, muss man über Gereiztheit, Ärger, den Impuls zu reden sowie über sexuelle Impulse die Kontrolle haben. Man befolgt Brahmacharya (Enthaltsamkeit) und nährt die Vitalenergie. Man spricht bewusste, freundliche Worte. Man hält täglich zwei Stunden Mouna (Schweigen). Nur so ist es möglich, die Kontrolle über das Sprechorgan zu haben. Nur dann kann man seine Worte bewusst sprechen.

Dein Antlitz ist schön, aber dein Herz ist hart wie Stein, weil du kein Mitgefühl entwickelt hast, weil du geizig bist, hinterlistig, leidenschaftlich, grausam und eifersüchtig. Lass es durch beständigen selbstlosen Dienst, Mildtätigkeit gegenüber den Armen und Verzweifelten und durch regelmäßiges Japa sowie Meditieren weich wie Butter werden.

Emotionen sind Zündstoff, gleich dem Dampf in einer Dampfmaschine. Sie helfen dir bei deiner Entwicklung. Ohne Emotionen wärst du in einen Zustand von Untätigkeit und Teilnahmslosigkeit gefallen. Sie geben Anstoß für Taten und Bewegung. Sie sind ein Segen. Du darfst nur nicht zur Beute von Emotionen werden. Du darfst den Emotionen nicht erlauben, Amok zu laufen. Du darfst ihnen nicht erlauben, überzuquellen. Reinige und beruhige deine aufsteigenden Emotionen. Du darfst ihnen nicht erlauben, langsam aufzukommen und dann leise im Geist-Ozean zu versinken. Du musst die Emotionen unter Kontrolle halten. Verwechsle physische Sinneswahrnehmungen nicht mit höheren erhabenen Emotionen. Lass dich nicht von Emotionen davontragen. Es gibt Leute, die hören gerne unentwegt von neuen sensationellen Ereignissen, einfach um Emotionen zu erzeugen. Sie leben von Emotionen. Das muss man abschalten, wenn man ein ruhiges, friedliches Leben haben möchte.

Die Sonne spiegelt sich auf sauberem Wasser ganz klar. Auf schmutzigem Wasser kann man ihr Bild nicht sehen. Genauso ist das Bild des wahren Selbst eines Menschen sehr klar, wenn er sattvig (rein) ist. Wenn sein Geist mit Emotionen und Leidenschaften angefüllt ist, wird das Bild des wahren Selbstes gestört und verzerrt. Es mag dann auch recht unscharf werden. Sei nicht leichtgläubig. Glaube nicht alles, was die Leute dir erzählen. Die Leute übertreiben in der Regel. Sei vorsichtig. Wäge ab. Der Großteil der Menschen neigt zu Böswilligkeit und Geläster.

Böse Zungen, Sensationshungrige, Unruhestifter und Lästermäuler sind dauernd im Streit und schaffen Konflikte, Unfrieden und Aufruhr. Sie selbst haben keine Sekunde lang geistigen Frieden und schwirren ziellos nach allen Seiten. Sie sind bedauernswert.

Ein Skorpion hat Gift in seinem Stachel. Eine Schlange hat Gift in ihrem Zahn. Ein Moskito hat Gift in seinem Speichel. Ein boshafter Mensch aber hat Gift im Körper.Im allgemeinen bereitet der Großteil der Menschen anderen Unannehmlichkeiten und erzählt einen Haufen Lügen. Schenke den Worten anderer daher nicht so einfach Glauben. Wäge sie sorgfältig auf deiner geistigen Waagschale bevor du sie annimmst.

Man kann boshafte Menschen nirgendwo völlig aus der Welt schaffen. Überall, wohin du auch gehst wirst du unter ihnen leben müssen. Geh nach Gangotri, wo der Ganges seine Quelle hat oder zu den einsamen Höhlen in Mansarovar oder zum Berg Kailash in Tibet. Auch da wirst du Eifersucht, Kleinkariertheit und Raga Dvesha finden. Du musst dir dein eigenes Umfeld schaffen. Lasse wieder und wieder reine Liebe erwachsen. Entwickle stetig aufs neue Atma Bhava (Selbstbewusstsein). Das wird jede Situation völlig verändern. Es ist das einzige spirituelle Allheilmittel, das dich zu jedem Zeitpunkt glücklich machen kann, egal wo du auch bist, egal wie die Umstände sind.

Mein Freund! Vor einer Kobra brauchst du keine Angst zu haben. Doch vor engherzigen, begrenzten Menschen, die stets darauf aus sind, andere zu diffamieren und erfolgreiche Menschen herunterzuziehen oder zu vernichten, die nur tratschen, lästern und Unfrieden stiften, solltest du dich fürchten. So jemand ist die giftigste Schlange von allen. Eine Kobra trägt ihr Gift im Zahn, aber solch ein Mensch hat es in seinem ganzen Körper. Diese Menschen sind eine Last auf Mutter Erde. Der Raum, den sie einnehmen wäre besser mit Luft gefüllt.

Vergelte Böses sofort mit Gutem und strafe den Übeltäter mit Scham. Das ist das Gebot, das Buddha beständig lehrte und lebte. Er pflegte zu sagen: „Wenn einer mir etwas Böses zufügt, antworte ich mit etwas Gutem. Je übler er mich behandelt, desto mehr werde ich ihm Gutes tun. Der Duft der Wohltat umgibt den, der Gutes tut und ein Übeltäter wird vom schädlichen Geruch des Bösen verfolgt.“



Die Hölle ist dort, wo der Geist von Hass, Leidenschaft und Eifersucht erfüllt ist. Der Himmel ist dort, wo der Geist von Liebe, Reinheit, Zufriedenheit und Großmut erfüllt ist.

Gott ist der Cholera-Erreger. Gott ist der Arzt der die Krankheit heilt. Er ist der Richter, der den Verbrecher verurteilt. Er ist der Henker, der den Verbrecher hängt. Er ist der Herr des Hauses, der den Dienern befiehlt. Er ist der Diener der seinem Herrn folgt. Er ist der Besitzer des Wagens. Er ist der Fahrer des Wagens. Er ist die Schlange, die zubeißt und der Heiler, der gesund macht. Er ist König und Untergebener. Er ist Anwalt und er ist Klient. Er ist der Garten und die Rose. Es gibt nichts außer Gott. Goldene Ohrringe und Armreifen sind nichts als Gold. Diese Welt aus Formen und Namen ist nichts als Gott. Wenn du dir das stets vor Augen hältst, wirst du eine neue Sichtweise erlangen. Du wirst von Anhaftung und Hass befreit werden. Du wirst den Himmel auf Erden besitzen. Verstehe Seine geheimnisvollen Lilas (Spiele) und werde weise. Bete Ihn in jeder Form an.

Sobald du Selbstbezogenheit, Gier, Lust, Wut, Eifersucht, Stolz und Egoismus entfernst, wirst du über jeglichen Zweifel hinaus klar fühlen, dass es Gott gibt.

Wirf dich nicht in hitzige Diskussionen mit anderen Menschen. Entferne zuerst diese negativen Eigenschaften. Dann wird das göttliche Licht von alleine in deinem Herzen erstrahlen.

Du kannst deine Entwicklung über deine Erfahrungen in Träumen beurteilen. Selbst im Traum solltest du niemandes Gefühle verletzten, keinen Zorn und Hass zeigen, keine schroffen Worte sprechen, keinerlei grausame Taten begehen und keine sexuellen Gefühle erleben. Nur dann hast du auf dem spirituellen Weg wirklich Fortschritte gemacht. Nur dann bist du bereit, das göttliche Licht zu empfangen.

Zügle die Sinne. Merze Raga Dvesha (Vorlieben und Abneigungen) aus. Dehne dein Mitgefühl auf allen Wesen aus. Schon bald wirst du Unsterblichkeit erreichen.

Rauchen schadet mehr als Alkohol. Nikotin ist ein weit tödlicheres Gift als Alkohol. Der Schweizer Arzt Dr. Lorand meint, dass Rauchen aktiv zu Arterien- und Venenverkalkung beiträgt. Er hat festgestellt, dass seine Wirkung sich besonders auf die Arterien von Gehirn und Herz schlägt. Wenn hauptsächlich das Gehirn degeneriert folgt ein Schlaganfall. Wenn die Herzarterien betroffen sind leidet der Patient unter angina pectoris (Herzenge). Dr. Lorand machte darauf aufmerksam, dass innerhalb der letzten Jahre ein Anstieg an Herzkrankheiten, Schlaganfällen und Nierenkrankheiten als Todesursache zu verzeichnen ist, was mit dem rasant zunehmenden Konsum von Tabak Hand in Hand geht.

Du musst die Schüchternheit über Bord werfen. Schüchternheit ist eine große Schwäche auf dem spirituellen Weg. Sie ist ein geistiger Vikara (Krankheit).

Allein der Mensch ist undankbar. Er vergisst all das Gute das ihm durch andere widerfahren ist. Schau dir den Hund an. Du brauchst ihm nur ein einziges Mal etwas zu fressen zu geben und er erinnert sich bis ans Ende seines Lebens an dich . Er erinnert sich an dich, egal in welcher Kleidung du ihm begegnest.

Sturheit verzögert spirituelles Wachstum und moralische Entwicklung. Sturheit ist ein Zug von kleinkarierten Menschen. Sturheit ist eine Form von Einbildung und Arroganz. Sturheit erwächst aus Tamas. Sturheit ist Dummheit.

Wenn du stur und unbeugsam bist, kannst du auf dem spirituellen Pfad keinerlei Fortschritt machen. Sturheit ist Tamoguna. Sie ist kein Zeichen von Willensstärke.

Den Besitz eines anderen haben zu wollen, Pläne zu hegen, wie man anderen Böses zufügt sowie irrige Vorstellungen wie „es gibt kein nächstes Leben“ oder „der Körper ist das Selbst“ zu haben, das sind die drei unheilvollen geistigen Handlungen.

Ein Chandala ist einer, der sein eigenes Selbst vergessen hat.  Ein Chandala ist einer, der ein Leben von Unwahrheit und Unmoral lebt; der andere hasst; seine Nachbarn ausnutzt; den Besitz anderer unterschlägt und nicht vermag, sein Selbst in allen Wesen zu sehen.

Was nützt es, deine Feinde zu besiegen, die Könige fremder Reiche? Besiege deine inneren Feinde, Lust, Wut und Gier, die unersättlich und unbesiegbar sind. Besiege die Faulheit, Pramada (Unaufmerksamkeit) und Schlaf und werde ein Gudakesha (Sieger über den Schlaf) wie Arjuna und Lakshmana. Nur dann bist du ein wahrer und mächtiger Herrscher.

Der Teufel wird alle Register ziehen, um dein Herz zu betören. Er wird dir böse Ratschläge ins Ohr flüstern. Sei wachsam. Das Laster wird versuchen, sich im Schafspelz der Tugend zu zeigen. Missbrauche die Gnade nicht. Schütze dich gegen die heimtückischen Attacken der niederen Natur. Oft ist es schwierig, ihren Einfluss und ihr heimliches Walten zu bemerken. Man braucht einen reinen, feinsinnigen Intellekt, um ihre Gewohnheiten und Wirkungsweisen zu verstehen. Der Teufel ist Ajnana (Unwissenheit). Lust, Gier, Stolz, Wut und Aviveka253 sind seine getreue Gefolgschaft.

Ehrlichkeit ist eine wertvolle und wichtige Tugend, die einem bei der Selbsterkenntnis hilft. Sie jedoch ist keine Selbstverständlichkeit. Sie muss in höchstem Maße gepflegt werden. Es gibt sie noch bei einfachen Einwohnern in Gegenden, wo die sogenannte moderne Zivilisation noch nicht tief eingedrungen ist.



Ein wahrer Schüler, der nach Selbsterkenntnis dürstet, sollte in allem, was er tut absolut ehrlich sein. Ehrlichkeit währt nicht einfach nur am längsten, sondern ist für den Schüler eine strenge Regel des täglichen Verhaltens. Wenn er nicht vollkommenes Asteya (Nicht-Stehlen) entwickelt hat, d.h. er stiehlt nicht und keinen Besitz begehrt, kann er nicht hoffen, auch nur einen Zentimeter Fortschritt auf dem spirituellen Weg zu machen. Er mag vielleicht seinen Atem fünf Stunden lang anhalten können. Er mag in der Mittagssonne Trataka machen. Er lässt sich vielleicht sogar für drei Monate unter der Erde begraben. Viele weitere yogische Meisterleistungen mag er vielleicht vollbringen. Das hat alles keinen Wert, wenn er immer wieder stiehlt. Man respektiert ihn und verehrt ihn vielleicht Wochen oder Monate lang. Doch die Leute werden nach ihm spucken, wenn sie ihn beim Stehlen erwischen.

In der Küche eines Ashrams steht Milch und ein Schüler nimmt immer wieder etwas davon für seinen eigenen Gebrauch und füllt die Milch mit Wasser auf. Ein Ladenbetreiber nimmt ein wenig Tee und Zucker für sich und bereitet sich am Abend Zuhause hinter geschlossenen Fenstern und Türen seinen Tee zu. Falls er Raucher ist, entwendet er heimlich Ghee, verkauft es auf dem Markt und kauft davon Zigaretten. Wenn alle zu Bett gegangen sind, kocht er besondere Gerichte und Parottas258. Nach außen präsentiert er sich als großer Gottesverehrer und Vairagin (Entsagender). Er betet mit der Perlenschnur, sitzt drei bis vier Stunden lang in ernsthafter Meditation und meint, er sei eine befreite Seele. Nie glaubt er, Unrecht zu tun. Sein Intellekt ist nicht fein genug, um seine Fehler und Schwächen zu entdecken. Aus Selbstbezogenheit und Stolz gibt er nie seine Fehler zu, selbst wenn ihn wohlmeinende Menschen und liebevolle Freunde darauf aufmerksam machen. Er hat die gefährliche Angewohnheit, sich zu rechtfertigen und zu posieren. Er ist von selbstsicherer rajasiger Natur. Wenn es auch unbedeutende Dinge sind, so ist die Gewohnheit zu stehlen doch sehr gefährlich. Sie kann sich zu ernsthaftem Verbrechen entwickeln, wenn es die Situation ergibt und die Umstände günstig sind. Wer auch nur den kleinsten Diebstahl begeht, hat weder moralische Stärke noch geistigen Frieden. Diebstahl ist ein großes Hindernis auf dem spirituellen Weg. Wenn sich nach einer Tat Angst, Scham, Zweifel, geistiges Unbehagen und ein schlechtes Gewissen einstellen, weißt du, dass du eine falsche Tat begangen hast.

Du wirst vom äußeren Auftreten einiger Menschen getäuscht. Höre nur diese außergewöhnliche Geschichte: Ein tief gelehrter Pandit259 war einmal Gast bei einem Regierungsbeamten. Er kannte die gesamten Veden und Upanishaden auswendig. Er hatte großes Tapas (Askese) gelebt. Er war sehr enthaltsam in seiner Ernährung. Er aß nur wenig.  Er war durch seine extreme Enthaltsamkeit sehr ausgemergelt. Er vergeudete nicht eine einzige Minute seiner Zeit. Jeden Tag war er ins Studium religiöser Bücher vertieft sowie in Puja, Japa und Meditation. Der Gastgeber hielt sehr viel von ihm. Eines Tages stahl dieser Pandit ein paar Dinge aus seinem Haus. Die Sachen waren völlig wertlos. Anfänglich leugnete er alles, später gab er den Diebstahl zu und bat um Verzeihung. Würde man einen so gelehrten, so strenges Tapas lebenden Pandit je für einen Dieb halten? Subtile Vrittis waren in seinem Gemüt verborgen. Er hatte sie nicht mittels Selbstanalyse und durchgreifendem reinigenden Sadhana (spiritueller Praxis) zerstört. Er hatte die Tugend des Edelmutes und der Integrität nicht entwickelt. Er hatte nur seine Zunge etwas gezähmt und ein paar Bücher auswendig gelernt.

Lass zuerst im Garten deines eigenen Herzens Frieden wachsen indem du das Unkraut – Lust, Hass, Gier, Selbstbezogenheit und Eifersucht – entfernst. Dann kannst du ihn nach außen manifestieren. Dann werden allen, die mit dir in Kontakt kommen, deine friedvollen harmonischen Schwingungen zugutekommen.

Gott ist der innere Herrscher über dein Herz und deinen Antaryamin (inneren Lenker). Er ist der stille Beobachter deiner Gedanken. Du kannst nichts vor Gott verstecken.

Nachdem du einmal die Gegenwart dieser negativen Unterströmungen ausgemacht hast, versuche sie auszumerzen, indem du ihr Gegenteil weiter entwickelst und regelmäßig meditierst. Sei achtsam und wachsam. Sie kommen vielleicht zurück, trotzen dir oder halten sich hartnäckig.

Nur durch die Gnade Gottes wird es dir möglich sein, deine Schwächen und Fehler zu entdecken. Wenn du deine Schwächen zugeben kannst, wenn du stets aufrecht darum bemüht bist, sie zu beseitigen, wenn du Gott um Hilfe und um seine Gnade bittest, dann werden sie schon bald schon ausgelöscht sein. Rajasige und tamasige Menschen gestehen sich ihre Fehler nicht ein. Sie werden wütend, wenn man auf ihre Schwachstellen deutet. Sei dem Menschen dankbar, der dir deine Fehler aufzeigt. Aus Selbstbezogenheit, Betäubung, Täuschung, Stolz und Verschleierung ist es dir nicht möglich, deine Schwächen zu erkennen. Du wirst ein paar Jahre unter der Führung deines Gurus bleiben müssen. Er wird dir deine Schwachstellen zeigen und wirksame Methoden vorschlagen, wie du sie beseitigen kannst. Nur so werden deine Schwächen ausgemerzt werden können. Ein Luftikus von Schüler, der mit seiner falschen Vorstellung von Freiheit und Unabhängigkeit herumzieht, ist wie der sprichwörtliche rollende Stein der kein Moos ansetzt. In seinem Geist lauern seine Fehler. Er mag über hohe vedische Philosophie sprechen, über Atmasakshatkara260und Nirvikalpa Samadhi, doch er ist durch und durch morsch. Erkenne deine Fehler. Triff die feste Entscheidung, sie loszuwerden. Bleib immer wachsam. Bete. Meditiere. Entwickle die positiven Tugenden. So werden alle Schwächen bald verschwinden.

Gestehe deine Schwächen und Unzulänglichkeiten ein. Erkenne deine Fehler. Verstecke sie nicht. Triff den festen Entschluss, von ihnen loszukommen. Wache beständig über den Geist. Halte stetigen Kontakt zu deinem Guru. Übe regelmäßig Japa, lies die "Gita", meditiere. Wende den Blick auf deinen Konzentrationspunkt oder auf den Gegenstand über den du meditierst. Denke dann nicht an deine Fehler sondern an den perfekten reinen Atman. Der Atman (das Selbst), ist frei von jeglichem Makel (Nirdosha261). Schon bald wirst du so von allen Fehlern befreit sein. 

Gib deine Fehler und falschen Taten vor anderen zu. Erkläre öffentlich: „Ich habe heute eine sehr niedere Handlung begangen.“ Du wirst stark werden. Die Angst vor öffentlicher Kritik wird verschwinden. Bitte selbst deinen Diener um Verzeihung, wenn du ihm gegenüber etwas falsch gemacht hast oder wenn du ihn in irgendeiner Weise verletzt hast. Du wirst spirituell wachsen. Du wirst geistigen Frieden finden. Das wirst du im alltäglichen Leben üben müssen.

Besiege Wut durch Liebe, Lust durch Reinheit, Gier durch Großzügigkeit, Stolz durch Demut, Egoismus durch Selbsthingabe an Gott. Du wirst göttlich sein.

Das Positive siegt stets über das Negative. Das ist ein Naturgesetz. Negative Gedanken können vor guten Gedanken nicht standhalten. Mut überwindet Angst. Geduld bezwingt Wut und Gereiztheit. Liebe siegt über Hass. Reinheit erstrahlt über die Begierde. Die Tatsache an sich, dass du dich unbehaglich fühlst, wenn ein negativer Gedanke während der Meditation an die Oberfläche deines Geistes kommt, zeugt davon, dass du dabei bist, spirituell zu wachsen. In der Vergangenheit hast du bewusst allerlei negative Gedanken gehegt. Du hast sie willkommen geheißen und gepflegt. Bleibe beständig in deinen spirituellen Praktiken. Sei beharrlich und eifrig. Du bist auf dem Weg zum Erfolg. Selbst ein minderbemittelter Schüler wird eine wunderbare Veränderung in sich wahrnehmen, wenn er zwei, drei Jahre lang ohne Unterbrechung Japa praktiziert und meditiert. Nun kann er nicht mehr ohne die Praxis sein. Selbst wenn er einen Tag einmal nicht meditiert hat er das Gefühl, dass er etwas vermisst. Sein Geist wird sich unbehaglich fühlen.

Versuche nicht, ihnen zu widerstehen, wenn aus dem Unterbewusstsein Unreinheiten aufsteigen und mit gewaltiger Kraft an die Oberfläche des Bewusstseins drängen. Wiederhole das Ishta Mantra (das Mantra deines persönlichen Gottesbezugs). Denke nicht lang an deine negativen Eigenschaften und Unzulänglichkeiten. Es genügt, wenn du Innenschau hältst und dabei deine Fehler erkennst. Versuche nicht, die negativen Eigenschaften anzugreifen, denn sie werden ihre Krallen zeigen. Sage dir nicht ständig: „Ich habe so viele Schwächen und Fehler.“

Das Positive siegt immer über das Negative.

Entwickle die sattvigen Tugenden. Durch Meditation, durch das Entwickeln von positiven Eigenschaften und durch die Methode Pratipaksha Bhavana262 werden alle negativen Eigenschaften von selbst absterben. Das ist der richtige Weg.

Kämpfe nicht gegen negative Gedanken, gegen negative Eigenschaften, Fehler, Schwächen oder schlechte Gewohnheiten an. Wenn du sie bekämpfst, werden sie stärker und es wird dir schwer fallen, sie zu besiegen. Pflege erhabene, göttliche Gedanken. Entwickle tugendhafte Eigenschaften. Lass gute Gewohnheiten entstehen. Übe Mantrawiederholung. Meditiere regelmäßig. Versuche, in Gott zu leben. Alle Unzulänglichkeiten, alle negativen Gedanken und alle Schwächen werden verschwinden.

Die Ersatzmethode, um negative Gedanken zu zerstören, ist sehr einfach. Entwickle im Garten deines Geistes positive tugendhafte Gedanken der Milde, Liebe, Reinheit, Vergebung, Integrität, Großzügigkeit und Demut. Die negativen Gedanken wie Hass, Lust, Wut, Gier und Stolz werden von selbst sterben. Es ist schwer, negative Gedanken zu überwinden indem du sie direkt attackierst. Es beansprucht deinen Willen und verschwendet deine Energie.

Denke nicht so oft an deine Unzulänglichkeiten. Darüber nachzudenken verstärkt sie bloß. Strebe inbrünstig. Lebe ein göttliches Leben. Wende dein Gesicht Gott zu. Wachse in deiner Spiritualität. Übe beständig Yoga. Lebe in Erwartung der Niederkunft des göttlichen Lichtes. Meditiere regelmäßig. So werden alle Schwächen und Fehler verschwinden. Dies ist die positive dynamische Methode, um negative Vrittis, Schwächen und Fehler zu beseitigen.

Fasten ist eine Art von Enthaltsamkeit, die die Wirkung falscher Taten aufhebt. Es ist eine Art Selbstbestrafung für schlimme Handlungen. Es hilft dabei, den Geist und die Sinne zu kontrollieren. Es hilft der Konzentration.

Führe täglich ein spirituelles Tagebuch und bestrafe dich, zum Beispiel mit einer Fastenrunde oder zusätzlichem Japa, wenn du eine ernsthaft negative Tat begangen hast. Übe tägliche Selbstanalyse durch Innenschau. Nur so wirst du spirituell wachsen. Möge Gott dir ein klares Verständnis und spirituelle Kraft schenken, um diese Schwachstellen aufzulösen!

Mögen alle als wahre Yogis leuchten!

Schneide die Wut durch Kshama (Geduld) an der Wurzel ab. Kappe die Lust durch Viveka (Unterscheidung), Vichara (Hinterfragen) und Brahmacharya (Enthaltsamkeit). Rotte die Gier durch Großzügigigkeit und Integrität aus und Falschheit durch Wahrhaftigkeit.

Wenn ein Mensch im Leben erfolgreich sein will, muss er Glücksspiel, Trinken, Verschwendungssucht, übermäßiges Schlafen, Trägheit, Angst, Wut, Apathie und  Zögern ablegen.

Es gibt keine wirksamere Reinigung als Japa, um die Unreinheiten des Geistes zu entfernen.

Töten bzw. Verletzen, Ehebruch und Stehlen sind die drei unheilvollen Körperhandlungen.

Reise nicht ohne gültigen Fahrschein. Bettle nicht und töte unter keinen Umständen das Selbst. Verhalte dich wie ein Sannyasin (Entsagender). Unterziehe deine Motive einer gründlichen Untersuchung. Überlege, bevor du einen Schritt tust. Bereue nicht im Nachhinein. Lass ab von den modernen Arten des Bettelns. Wenn du ohne Fahrschein unterwegs bist, wird dich dein Gewissen plagen. Das ist ein Zeichen dafür, dass du eine unrechte Handlung begangen hast.

Jedes Gefängnis sollte einen Sadhu oder Sannyasin haben. Er kann mit den Gefangenen beten, Kirtana singen und sie durch moralische Unterweisung zu guten Seelen machen. Menschen begehen Verbrechen aufgrund von Unwissenheit. Wenn Unwissenheit durch Vidya (Wissen) beseitigt wird, wird es weder Kriminelle noch Gefängnisse geben. Wir werden den Himmel auf Erden haben.

Mein lieber Ram! Du machst Fortschritte auf dem spirituellen Weg. Du bist jetzt still. Dein Vairagya ist stark und du liebst die Zurückgezogenheit sehr. Doch du bist griesgrämig und gereizt. Deine törichte, selbstbestätigende arrogante Natur zeigt sich sehr oft. Du weißt dich nicht auf die Menschen einzustellen, dich anzupassen. Du bist unstet. Dein Geist ist ruhelos. Manchmal bist du kleingeistig. Entwickle Dhriti (spirituelle Geduld), Udarata (Großherzigkeit) und Utsaha (Fröhlichkeit). Dann wirst du wunderbare Fortschritte machen.

Weisheit bzw. Erkenntnis des Selbst dämmern nicht in einem Geist voller Gier, Wut, Eifersucht und Lust, der unter der Herrschaft von Wünschen und Erwartungen steht und ihnen ausgeliefert ist und der keine Zufriedenheit kennt. Weisheit erstrahlt nur in einem reinen und ruhigen Geist.