Vorwort des indischen Herausgeber

Die Inder sind ein tief spirituelles Volk. Ihr Lebensziel ist die Selbstverwirklichung, das Erreichen des Gottesbewusstseins. Sie brauchen aber auch eine formelle Religion – eine Religionsausübung, die die Tiefen des Herzens berührt und den Rahmen schafft für Gebet, Hingabe und Liebe.

Alle hinduistischen Feste haben einen tiefen spirituellen Sinn und höchste esoterische Bedeutung. Sie enthalten religiöse, soziale und gesundheitliche bzw. hygienische Elemente. So beginnt jedes Fest bereits vor Sonnenaufgang mit einem Bad im Fluss oder am Brunnen. Während des Tages übt man Japa (Wiederholung eines Mantras, einer Sanskrit-Klangschwingung), Gebet, Kirtan (Singen von Mantras und Liedern zum Ruhm Gottes), man rezitiert Sanskrit-Verse und meditiert.

Harte Arbeit oder eintönige Beschäftigung ermüden den Menschen. Er braucht Abwechslung und Veränderung, Entspannung, Aufheiterung. Diese Feste machen fröhlich und glücklich und verleihen Ruhe und Frieden.

In diesem Buch erklärt Swami Sivananda die Bedeutung und Philosophie vieler dieser Fasten- und Festtage. Bei zwei Aspekten lässt er dabei sehr viel Freiraum: einmal bei der Festlegung des jeweils genauen Datums eines Fests, das, wie er im 11. Kapitel erklärt, je nach angewandtem Kalender unterschiedlich sein kann, und zum Zweiten bei der Art und Weise, wie ein Fest gefeiert wird. Zum Beispiel wird in Südindien als Besonderheit während der Durga Puja4 das sogenannte Kolu gefeiert, wo verschiedenste farbenfrohe Bildnisse, Spielzeug und Gegenstände aufgestellt werden, vor denen jeden Abend kleine Mädchen sitzen und singen. Anlässlich des Skanda-Festes (21. Kapitel) werden an manchen Orten Feuerläufe ohne Kavadis (Tragen vom Speeren) veranstaltet, zu Ehren von Draupadi Amman, die aus dem Feuer geboren wurde bzw. auf Sri Lanka zu Ehren von Kannaki Amman. Swami Sivananda stellte niemals den guten Glauben und die Bräuche von irgend jemand in Frage.

In diesem Buch ist ebenfalls beschrieben, wie die bedeutendsten Festlichkeiten im Sivananda-Ashram in Rishikesh in Indien begangen werden. Wenn der Leser/die Leserin also noch keine eigene Methode hat, ein bestimmtes Fest zu feiern, kann er sich am jeweiligen Ablauf im Sivananda- Ashram orientieren. Es genügt sogar, an dem Tag das entsprechende Kapitel über das Fest zu lesen, um sich den Geist dieses Anlasses in Erinnerung zu rufen.

Im Sivananda Ashram in Rishikesh werden nicht nur hinduistische Festtage gefeiert, sondern auch christliche und muslimische. Ein Beispiel, dem wir folgen sollten. Swami Sivananda hat da keine Unterschiede gemacht. Der Neujahrstag im Westen ist für ihn genauso bedeutend wie das tamilische oder Telugu-Neujahr. Wenn er daher in diesem Buch das Telugu-Neujahrsfest beschreibt, kann man das stellvertretend auch für das tamilische oder das von Gujarat (ind. Bundesstaat) betrachten.

The Divine Life Society

4. Neuntägiges Fest zur Verehrung Gottes in seinem weiblichen Aspekt als göttliche Mutter; s. 3. Kapitel