26. Kapitel Vaikunta Ekadashi

Vaikunta Ekadashi129  fällt in den Monat Margasîrsha (Dezember/Januar). Dieser Tag wird in den Vishnu-Tempeln feierlich begangen. Fasten ist an allen Ekadashi-Tagen, jeweils am elften Tag jeder Mondhälfte, also zweimal im Monat, üblich.

Wenn man im Kali Yuga (dem jetzigen „Eisernen Zeitalter“) auch nur ein einziges Vaikunta Ekadashi mit Glauben und Hingabe feiert und den Geist ganz auf Hari130 ausrichtet, wird man befreit vom Kreislauf von Geburt und Tod. Daran gibt es keinen Zweifel. Die Schriften sichern uns das ausdrücklich zu.

Wer dieses Fest begehen will, fastet am Tag, bleibt nachts wach und wiederholt Mantras (Japa), singt Vishnu-Kirtans (Lieder) und meditiert. Manche trinken nicht einmal etwas131. Wer nicht in der Lage ist, vollständig zu fasten, kann etwas Obst und Milch zu sich nehmen.

An Ekadashi sollte man keinen Reis essen. Einem Mythos zufolge nahm der Schweiß, der vom Haupte Brahmas (des Schöpfers) fiel, die Gestalt eines Dämonen an. Der Dämon sagte: „O Herr, nun gib mir einen Platz zum Wohnen.“ Brahma erwiderte: „O Dämon! Geh und wohne in den Reiskörnern, welche die Menschen an Ekadashi verzehren und werde zu Würmern in ihren Mägen.“

Wer regelmäßig an Ekadashi fastet, stimmt Gott Hari günstig. Alle Fehler werden aufgehoben. Der Geist wird gereinigt. Allmählich entwickelt sich Hingabe, die Liebe zu Gott wird stark. Strenggläubige Menschen in Südindien halten sich auch an den gewöhnlichen Ekadashi-Tagen an striktes Fasten und halten Nachtwache. Für Verehrer Vishnus ist jedes Ekadashi ein sehr heiliger Tag.

129.Ekadashi = der 11. Tag nach Voll- oder Neumond; gilt als besonders günstig zum Fasten; Vaikunta = Name für Vishnu, den erhaltenden Aspekt Gottes; Himmelsebene, die Vishnu zugeordnet ist.
130. ein Name für Vishnu oder Krishna, manchmal auch für Gott allgemein.
131. Bei gesundheitsorientiertem Fasten empfiehlt es sich viel zu trinken, um dem Körper genügend Flüssigkeit zu geben und „Schlacken“, also Stoffwechselprodukte, ausscheiden zu können. Ein vollständiges Fasten ohne Aufnahme von Flüssigkeit ist nur für kurze Zeit (z.B. einen Tag) und nur für gesunde Menschen zu empfehlen.

Positive Wirkungen des Fastens

Heutzutage halten sich viele Menschen aufgrund materialistischer Einflüsse nicht mehr an das Fasten an diesem besonderen Tag. Sobald sich der Intellekt ein wenig entwickelt, beginnen die Menschen, alles in Frage zu stellen und nutzlose Diskussionen zu führen. Der Verstand ist ein Hindernis auf dem spirituellen Weg. Wer nur den Verstand entwickelt und nicht sein Herz, beginnt ständig zu zweifeln und zu fragen. Die Menschen möchten ein „Warum“ und „Wie“ und „wissenschaftliche“ Erklärungen für alles.

Gott ist jenseits von Beweis und Annahmen. Der Religion und den Schriften muss man sich mit großem Glauben, Ehrfurcht und Reinheit des Herzens nähern. Nur dann offenbaren sich einem die Geheimnisse der Spiritualität so eindeutig wie ein Apfel in der Hand.

Fasten hilft, Wünsche, Gefühle und Sinne zu beherrschen. Es ist eine gute Übung, die Geist und Herz reinigt und viele Fehler tilgt. Fasten kontrolliert insbesondere den Geschmackssinn, der viel zur Ablenkung des Menschen beiträgt. Fasten regeneriert die Atmung, den Kreislauf, das Verdauungs- und das  Ausscheidungssystem. Es schwemmt Unreinheiten und Gifte aus. Es beseitigt Ansammlungen von Harnsäure. Wie unreines Gold seine Reinheit durch wiederholtes Schmelzen in einem Schmelztiegel zurück erhält, so wird auch der Geist durch wiederholtes Fasten immer reiner.

Junge gesunde Brahmacharis (spirituelle Schüler, die enthaltsam leben) sollten fasten, wenn Leidenschaft aufkommt. Nur wenn der Geist zur Ruhe gekommen ist, können sie wirklich tief meditieren. Das Hauptziel des Fastens besteht darin, den Organismus zur Ruhe zu bringen, so dass man während dieser Zeit in der Lage ist, lange zu meditieren.

Ziehe die Sinne zurück und verankere deinen Geist in Gott. Bete zu Gott und bitte ihn, dich zu führen und deinen spirituellen Weg zu erhellen. Während des Fastens bete mit innerer Beteiligung: „O Gott, führe mich! Beschütze mich, beschütze mich! Ich bin Dein, ich bin Dein! Verlasse mich nicht!“ Du wirst mit Reinheit, Licht und Stärke gesegnet werden.

Fasten ist einer der zehn Grundsätze des Yoga. Vermeide aber übertriebenes Fasten, denn das schwächt dich. Setze deinen gesunden Menschenverstand ein. Wenn du nicht vierundzwanzig Stunden lang fasten kannst, faste zehn bis zwölf Stunden und nimm dann ein wenig Milch und Früchte zu dir.26. Kapitel

Erhöhe das Fasten schrittweise auf fünfzehn Stunden usw. bis zu vierundzwanzig Stunden. Fasten macht den Menschen stark, sowohl spirituell als auch geistig.

In seinem Gesetzbuch, dem Manu Smriti, schreibt der große Gesetzgeber Manu132 Fasten für die Beseitigung der fünf Hauptfehler vor.

Krankheiten, die von Ärzten für unheilbar gehalten werden, können durch Fasten geheilt werden. Gelegentlich ist ein vollständiges Fasten sehr zu empfehlen, um bei guter Gesundheit zu bleiben, den inneren Organen Ruhe zu gönnen und Verzicht zu üben. Viele Krankheiten haben ihren Ursprung im zu vielen Essen und Fasten ist oft tatsächlich die einzige Möglichkeit, sie zu heilen.

Vollständiges Fasten hilft, den Schlaf zu regulieren. Es ist nicht gut, Tee oder andere Mittel für den Schlaf einzusetzen. Du gewinnst keine spirituelle Kraft, wenn du von äußeren Wirkstoffen abhängig bist. Während des Fastens meide nach Möglichkeit Gesellschaft und bleibe für dich. Nutze die Zeit für spirituelle Praxis. Wenn du dann das Fasten brichst, nimm keine üppige Mahlzeit oder schwer verdauliches Essen zu dir. Milch oder Fruchtsaft ist gut verträglich.

Mäßigung beim Essen und Zurückziehen der Sinne in Meditation sind die Vorder- und Rückseite einer Medaille. Mäßigung bedeutet, wenig zu essen, gerade genug, um den Körper in guter Verfassung zu halten.

In der Bhagavad Gita steht: „Wahrlich, Yoga ist nichts für den, der zu viel isst, noch für den, der zu wenig isst, noch für jemanden, der zu viel schläft, noch für den, der übermäßig lange wach bleibt.“

Der Yogi zieht seine Sinne von den Sinnesobjekten zurück. Er wendet sie zum Geist hin oder zieht sie in den Geist hinein. Wenn man das erreicht, beherrscht man die Sinne vollkommen.

Einst tyrannisierte der Dämon Mura die Götter. Die Götter baten Hari (Vishnu) um seinen Schutz. Hari sandte Yoga Maya (maya = Täuschung, Illusion), um den Dämon zu töten, was sie auch erfolgreich tat. Daraufhin sagte Gott zu Yoga Maya: „Wer Ekadashi einhält, wird von allen Fehlern befreit und dein Name sei Ekadashi.“

König Ambarisha war ein großer Verehrer von Hari. Er hielt ein Jahr lang jeden Monat das Ekadashi-Fasten ein und erlangte die Gnade Gottes. Einmal fastete er drei Tage lang. Er war gerade dabei, sein Fasten zu beenden, als der Seher (Rishi) Durvasa zu ihm kam. Der König empfing ihn mit gebührendem Respekt und lud ihn zum Essen ein. Durvasa nahm die Einladung an und ging, um im Fluss zu baden. Der König wartete lange geduldig, aber der Rishikam nicht zurück. Die Zeit verging; wenn der König bis zum Ende des Tages nichts aß, würde das Vrata (Gelübde) keine Früchte tragen. Aß er jedoch, würde er damit dem Rishi nicht die nötige Achtung erweisen. Als Kompromiss nahm der König ein wenig Wasser zu sich, um beiden Bedingungen gerecht zu werden.

Als Durvasa von seinem Bad zurückkehrte, wusste er genau, was vorgegangen war und war ärgerlich. Er riss sich ein Haar aus und lud es mit seiner Kraft auf, damit es Ambarisha töte. Der König blieb unversehrt. Der Diskus von Vishnu zerstörte die Kraft des Haares von Durvasa. Es verfolgte von nun an den Rishi überall hin und versuchte, ihn zu töten.

Durvasa ging zu Brahma und Shivaund bat vergeblich um Hilfe. Schließlich wandte er sich an Hari und dieser sprach zu ihm: „Ich hänge von meinen Verehrern ab. Sie besitzen mein Herz. Gehe daher zu Ambarisha, bitte ihn um Verzeihung und du wirst gerettet werden.“

Ambarisha betete daraufhin zu dem aufgeladenen Haar, von seinem Lauf Abstand zu nehmen und rettete so den Rishi. Durvasa dankte ihm aus tiefstem Herzen.

132.Manu gilt als Stammvater der Menschheit und ihr Gesetzgeber.