14. Kapitel Sri Appayya Jayanthi

14. Kapitel


Appayya Dikshita wurde in der Phase des abnehmenden Mondes, also nach Vollmond (Krishna Paksha) des Monats Kanya im Jahr 1544 n.Chr. an einem verheißungsvollen Tag zu einer verheißungsvollen Stunde unter der Sternenkonstellation Uttaraproshtapada geboren. Sein Geburtstag (Jayanthi) wird jedes Jahr am 2. Oktober gefeiert.

Appaya
, einer der größten Namen in der Geschichte Südindiens des 16. Jh., ist der angesehene Verfasser von mehr als 104 Sanskrit-Werken über verschiedene Wissensgebiete. Berühmt wurde er vor allem dank seiner Werke über Vedanta (eines der sechs indischen klassischen Philosophiesysteme; wörtl. „Ende des Wissens“). Alle Vedanta-Schulen berufen sich auf die Thesen seiner Schriften, so dass sie einzigartige, unbestrittene Autorität genießen.

Von seinen Werken über Vedanta ist vor allem das Chaturmata Sara Sangrah („Vier Gedanken zur Essenz des Sangrah“) zu Recht berühmt wegen der Parteilosigkeit und Objektivität, mit welcher er dort die Lehrsätze der vier größten Schulen dargelegt hat. Diese vier Vedanta-Schulen sind Dwaita, Visishtadwaita, Shivadwaita und Adwaita. Das Chaturmata Sara Sangrah besteht aus fünf Teilen: Nyaya43, Muktavali, Nyaya Mukhamalika, Nyaya Manimal und Nyaya Manjari.

Auf fast allen Gebieten der Sanskritliteratur, Dichtung, Rhetorik und Philosophie war er unerreicht, nicht nur unter seinen Zeitgenossen, sondern auch unter Gelehrten mehrerer Jahrzehnte nach ihm und bis zum heutigen Tag. Sein Buch „Kuvalayananda“ ist grundsätzlich das erste Lehrbuch für Rhetorikstudenten. Einer seiner Zeitgenossen und Rivalen, der Schriftgelehrte Jagannath, setzt sich in seinem Buch „Rasagangadhara“ kritisch damit auseinander.

Seine Gedichte zur Lobpreisung Shivas sind bei Shiva-Verehrern sehr beliebt. Unter dem Titel „Parimala“ hat er auch einen gelehrten Kommentar über den Vedanta verfasst, ein einzigartiges Denkmal philosophischer Gelehrsamkeit.

Appaya Dikshitar
besaß einen scharfen Verstand. Er wurde bereits zu Lebzeiten verehrt und genießt auch heute noch große Achtung. Einmal besuchte er ein Dorf, den Geburtsort seiner Frau. Die Dorfbewohner, die stolz darauf waren, ihn einen der Ihrigen nennen zu können, bereiteten ihm einen großartigen Empfang. Es herrschte große Aufregung: „Der große Dikshita kommt zu uns.“ Tage vor dem Ereignis gab es bei den Dorfbewohnern kein anderes Gesprächsthema. Schließlich kam der große Tag und der berühmte Gast wurde von einer großen Menschenmenge begrüßt, die zusammengeströmt war, um einen Blick auf den „Löwen des Lernens“ zu erhaschen.

Eine neugierige alte Dame kam, auf ihren Stock gestützt, um das „Phänomen“ zu sehen. Mit Rücksicht auf ihr Alter ließ die Menge sie nach vorne durch. Sie starrte Shri Appaya eine Weile lang an. Schwache Erinnerungen an ein bekanntes Gesicht gingen ihr durch den Kopf. Sie grübelte: „Ich muss dieses Gesicht schon einmal irgendwo gesehen haben“, und rief plötzlich: „Warten Sie, oh ja, sind Sie nicht der Ehemann von Achha?“ Der große Gelehrte bestätigte ihre Vermutung mit einem Lächeln. Die Dame ging enttäuscht nach Hause zurück und bemerkte: „Was für ein Aufhebens sie machen – dabei ist es nur der Mann von Achha!“ Appaya verewigte diesen Vorfall in einem halben Vers und drückte darin eine Welt von Weisheit aus: „Asmin grame achha prasiddha“ – „In diesem Dorf genießt Achha Ruf und Vorrang.“

Appaya
gilt als Avatar (Inkarnation) von Shiva. Als er zum Tempel von Tirupati in Südindien kam, verweigerten die Vaishnavas (Verehrer Vishnus) ihm den Zutritt. Am nächsten Morgen hatte sich die Vishnu Murti (Bild, Statue) in einen Shiva verwandelt! Der Tempelvorsteher war verblüfft, bat Dikshitar um Verzeihung und flehte ihn an, die Murti wieder in Vishnu zurückzuverwandeln.

Dikshitar
lebte Mitte des 16. Jahrhunderts. Auf dem Gebiet der Dichtung machte er dem Gelehrten Jagannatha Konkurrenz. Er vertrat keine von der Vedanta-Lehre Shankaras abweichenden Ansichten, trug aber hitzige Auseinandersetzungen mit Vallabha-Verehrern44 in Jaipur (ind. Stadt) und anderswo aus. Sein Werk „Siddhantalesha“ ist die vortrefflichste Übersicht über die Unterschiede in den Lehrmeinungen der Nachfolger Shankaras. Er war ohne Zweifel eine der bedeutendsten Persönlichkeiten und Gelehrten, die Indien je hervorgebracht hat. Es gibt zwar keine eingehende Überlieferung seiner Lebensgeschichte, aber seine Werke zeugen ausreichend von seiner Größe.

Zur Geburtstagsfeier von Appayya am 2. Oktober sollte man zu Gott und dem Guru beten und Appayas Werke studieren, besonders das erbauende „Atmarpana Stuthi“.

Sivananda

43.Nyaya bedeutet, durch analytische und logische Erforschung einer Sache auf den Grund zu gehen.
44. Name eines Vaishnava-Heiligen, der die Shuddhadvaita-Philosophie begründete. Shuddhadvaita: Name einer Vedanta-Tradition, „Vedanta der gereinigten Nichtzweiheit“. Shuddha bedeutet Reinheit. Der Name weist darauf hin, dass auch eine vielheitliche Welt keine „Verunreinigung“ der Ur-Einheit von allem darstellt, sondern ganz in ihr aufgehoben ist.