Können wir Liebe lernen? Selbstreflexion als Schlüssel für eine erfüllte Partnerschaft

“Die Partnerlosigkeit hat in Deutschland einen Höchststand erreicht. Viele Singles fühlen sich beziehungsunfähig” verkündet der Spiegel, einer der bedeutendsten Gesellschaftsmagazine in Deutschland. Können wir Liebe lernen? Wie verhilft uns eine Partnerschaft zum persönlichen und spirituellen Wachstum? Und was ist das Geheimnis einer harmonischen Partnerschaft?

Ist Lieben eine Kunst?

Sich zu verlieben ist meistens keine große Kunst. Doch wer naiv davon ausgeht, dass anfängliches Verlieben (“falling in love”) mit dauerhaftem Lieben („being in love“)  gleichzusetzen ist, wird häufig eine herbe Enttäuschung erleben. Liebe glückt in den wenigsten Fällen von alleine und schon Sozialpsychologe Erich Fromm geht in einem seinem Bestseller von 1956 davon aus, dass Lieben eine Kunst ist.

Liebe ist eine Aktivität und kein passiver Affekt. Sie ist etwas, das man in sich selbst entwickelt, nicht etwas, dem man verfällt. Ganz allgemein kann man den aktiven Charakter der Liebe so beschreiben, dass man sagt, sie ist in erster Linie ein Geben und nicht ein Empfangen.

Erich Fromm. Die Kunst des Liebens.

“Beziehungsarbeit” beginnt bei uns selbst, denn: Liebe beginnt bei uns selbst. Viele begehen den Fehler, den Fokus zu sehr nach außen zu richten und die Partnerin oder den Partner für alles verantwortlich zu machen. Doch mit der Erwartung und Hoffnung, im Außen etwas verändern zu können, geben wir einen großen Teil unserer Eigenverantwortung für die eigenen Lebenszufriedenheit und Einflussnahme auf die Beziehung ab.

Durch das Abgeben der Verantwortung verbleiben wir in einer kindlichen Energie, die unserer persönlichen Entwicklung immens im Weg steht. Wir halten uns dadurch in einem Zustand der Abhängigkeit und Ohnmacht gefangen – und in diesem selbst errichteten Gefängnis hat immer unser Ego das Sagen.

Dieses Verhalten spiegelt oft unerfüllte Bedürfnisse aus unserer Kindheit wider, die wir im Erwachsenenalter immer noch in unseren Beziehungen suchen.

Erwarten wir, was wir als Kind vermisst haben?

Selbstreflexion beginnt mit der Identifikation der eigenen Beziehungsmuster, die schon in frühester Kindheit und im Verlauf des Lebens erlernt werden und festlegen, wie wir uns beispielsweise zu den Themen Bindung, Abgrenzung und Autonomie als Erwachsener verhalten. Wenn wir zum Beispiel als Kind unter emotional kalten, ablehnenden Eltern litten, erwarten wir häufig unbewusst, in der Partnerschaft die Liebe zu bekommen, die wir damals vielleicht als Kind vermissten.

Parentifizierte Kinder (Kinder mit überforderten, schwachen Eltern) reagieren auf das hinderliche Beziehungsmuster, für das Wohl anderer sorgen zu müssen, entweder mit dem Zurückstellen der eigenen Bedürfnisse oder – in Situationen, in denen sie die Erwartungen anderer spüren – mit überbetonter Abgrenzung z. B. Trennung.

Ein Helfersyndrom schließt das Gleichgewicht von Nehmen und Geben in Beziehungen aus und dies erschwert die Kontinuität einer dauerhaften Liebesbeziehung. Beispielsweise kann die mütterliche Liebe, die als bedingungslos gilt, zu einem Helfersyndrom führen. Wenn dann eine Person zu sehr in die Rolle des “gegebenen Empfängers” verfällt und die bedingungslose Liebe als selbstverständlich ansieht, könnte dies die Motivation zur persönlichen Weiterentwicklung oder zum eigenständigen Wachstum schwächen.

In seinem Buch betont Fromm, dass eine dauerhafte und erfüllende Liebesbeziehung das Gleichgewicht zwischen Geben und Nehmen erfordert. In Beziehungen sollten beide Partner_innen sowohl Liebe geben als auch empfangen, um eine gesunde und nachhaltige Bindung aufzubauen.

Gerade im Akt des Schenkens erlebe ich meine Stärke, meinen Reichtum, meine Macht. Dieses Erlebnis meiner gesteigerten Vitalität und Potenz erfüllt mich mit Freude. Ich erlebe mich selbst als überströmend, hergebend, lebendig und voll Freude. Geben bereitet mehr Freude als Empfang nicht deshalb, weil es ein Opfer ist, sondern weil im Akt des Schenkens die eigene Lebendigkeit zum Ausdruck kommt.”

Erich Fromm. Die Kunst des Liebens.

Bedingungslose Liebe allein kann zwar eine starke Verbindung schaffen – aber um eine Partnerschaft zu fördern und zu stärken, ist es wichtig, dass beide Partner_innen sich gegenseitig unterstützen, einander zum Wachstum anregen und – grundlegend natürlich – auch den Willen und die Bereitschaft besitzen, sich weiterzuentwickeln.

Liebe lernen: Das Gegenüber als Spiegel

Unser_e Partner_in schenkt uns die Möglichkeit, mit unseren hinderlichen, veralteten Mustern aus der Kindheit in Kontakt zu kommen und daraus “herauszuwachsen”. Allerdings birgt die Berührung mit diesen alten Mustern, welche durch die Nichterfüllung verschiedenster Grundbedürfnisse des Kindes entstanden sind, ein hohes Maß an Verletzlichkeit.

Die Begegnung zweier verletzter “Kinder” in Konfliktsituationen – auch, wenn sie bereits erwachsen sind –, hat in den seltensten Fällen einen konstruktiven Ausgang. Daher ist vor allem die Kultivierung von Selbstfürsorge zum eigenen, inneren, verletzten Kind in Form eines inneren Begleitungsprozesses ein wichtiger Schlüssel für eine harmonische Partnerschaft.

Du kennst wahrscheinlich auch die Situation, dass es manchmal besser ist, während eines Konfliktes zunächst aus dem Kontakt zu gehen, um dann, wenn “der Kopf wieder frei ist”, erneut zueinander zu finden zu können. Emotionen und Vernunft haben eine negative Korrelation, d. h. je höher deine Emotionen bzw. Spannungszustand, desto geringer die Möglichkeit, rational zu denken.

Nach der Selbstregulation der eigenen Emotionalität gibt es verschiedene Kommunikationsmodelle, um dem Gegenüber authentisch und respektvoll begegnen zu können. Das wohl bekannteste ist das Zwiegespräch nach M. L. Moeller und C .M. Fatia, bei dem jeder dem Anderen mitteilt, wie er sich selbst, den anderen, die Beziehung und die jeweilige Situation gerade erfährt – sozusagen ein “Austausch zweier Selbstportraits”, wodurch ein lebendiges Miteinander entstehen kann.

Wirkliche Konflikte zwischen Menschen, die nicht dazu dienen, etwas zu verdecken oder auf den anderen zu projizieren, sondern die in der Tiefenschicht der inneren Wirklichkeit, zu der sie gehören, erlebt werden, sind nicht destruktiv. Sie dienen der Klärung und führen zu einer Katharsis, aus der beide Partner wissender und gestärkt hervorgehen.”

Erich Fromm. Die Kunst des Liebens.

Trigger als Chance zum Liebe Lernen – für Wachstum und Heilung

Das bewusste Erkennen unserer Muster spielt eine entscheidende Rolle in unserem persönlichen Wachstumsprozess. Indem wir uns unserer emotionalen Auslöser bewusst werden und die tieferen Ursachen hinter unseren Reaktionen verstehen, öffnen wir die Tür zu einem tiefgreifenden Selbstreflexionsprozess.

Trigger ermöglichen es uns somit, verborgene Wunden, ungelöste Konflikte und ungesunde Verhaltensmuster zu identifizieren, die uns daran hindern, unser volles Potenzial zu entfalten. Der Prozess des Erkennens und Heilens kann sehr herausfordernd sein, aber er führt zu einem tiefen Verständnis von uns selbst und ermöglicht es uns, uns von alten Begrenzungen zu lösen und zu wachsen.

Es scheint, als würden uns bestimmte Themen und Situationen immer wieder begegnen. Das passiert so lange, bis wir uns ihrer wirklich annehmen, bei uns selbst schauen – und sie so letztlich heilen und transformieren. Dieser Zyklus der Wiederholung ist keine zufällige Laune des Schicksals, sondern eine Gelegenheit für persönliche Entwicklung und spirituelle Reife, die uns das Universum schenkt.

Diese wiederkehrenden Erfahrungen können sich in verschiedenen Menschen und Beziehungen manifestieren, um uns wieder und wieder daran zu erinnern, dass wir uns mit diesen Aspekten auseinandersetzen müssen. Wenn wir die Lektionen aus unseren Triggern lernen, können wir alte Verhaltensmuster loslassen und uns in Richtung eines bewussteren und erfüllteren Lebens bewegen, was automatisch zu harmonischeren und glücklicheren Beziehungen führt.

Das Bewusstsein darüber, dass jeder Mensch seine eigenen Herausforderungen und Muster hat, ermöglicht es uns, mit Mitgefühl und Verständnis auf die Trigger anderer zu reagieren. Indem wir erkennen, dass uns allen ähnliche Lektionen begegnen, können wir uns gegenseitig unterstützen und inspirieren, um unseren individuellen Wachstumsprozess voranzutreiben.

Das Erkennen unserer gemeinsamen Erfahrungen schafft eine Atmosphäre der Verbundenheit und des Zusammenhalts, die uns ermutigt, unser Bestes zu geben und uns gegenseitig zu unterstützen, während wir gemeinsam auf dem Weg des Wachstums und der Heilung voranschreiten.

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Zum Abschluss noch ein paar Impulse …

  • Du kannst dein Gegenüber nicht ändern, nur dich selbst und deinen Blickwinkel. Das ist dein Einflussbereich auf die Beziehung.
  • Verlagere den Gesprächsschwerpunkt nicht auf dein Gegenüber. Versuche, bei dir zu bleiben und dein Erleben mitzuteilen.
  • Versuche, Vorwürfe zu vermeiden und stattdessen mehr zu reflektieren und zu identifizieren, welche Beziehungsmuster und Trigger bei dir durch deine_n Partner_in ausgelöst werden. Nimm diese als Wegweiser, als Chance zum Wachstum wahr und kultiviere Dankbarkeit für diese Geschenke.
  • Öffne dich dafür, dass du mit deiner Partnerin oder deinem Partner nicht immer auf der gleichen Wellenlänge sein wirst, das völlig normal und außerdem sehr lehrreich ist.
  • Nimm dich und deine_n Partner_in als gemeinsames Zusammenspiel wahr und nicht wie zwei unabhängige Individuen. Wenn man sich wirklich für die Liebe und eine tiefe Bindung öffnet, wird aus zwei Ichs ein Wir.
  • Vermeide Feindseligkeit gegenüber deiner Partnerin oder deines Partners. Das einzige, was “bekämpft” werden sollte, ist dein eigenes Ego. Eine Partnerschaft ist kein Duell, sondern ein Duett.
  • Versuche, einfühlsame Gespräche als wesentlichen Bestandteil in die “Beziehungsarbeit” zu integrieren.
  • Erkenne und kommuniziere deine Gefühle, Bedürfnisse und Grenzen auf wertschätzende Art und Weise.

Die Liebe enthält in allen ihren Formen folgende Grundelemente: Geben, Fürsorge, Verantwortungsgefühl, Achtung vor dem anderen und Erkenntnis. Liebe ist die tätige Sorge für das Leben und das Wachstum dessen, was wir lieben.

Erich Fromm. Die Kunst des Liebens.

Die Magie der Liebe entdecken

Erfahre, wie du ein Leben in Zuneigung, Verbundenheit, Herzlichkeit, Freundlichkeit, Selbstlosigkeit leben, aber auch Selbstliebe, Hingabe und Leidenschaft steigern kannst. Liebe ist nicht nur ein Gefühl. Diese Welt kam aus Liebe, sie besteht in Liebe. Liebe ist nicht nur eine Lebenseinstellung, Liebe ist das Leben! Yoga und Meditation helfen dir, in der Liebe zu dir, deinen Mitmenschen und dem Absoluten zu wachsen.

Höre bei z. B. Apple Podcasts oder Spotify, welche Tipps für mehr Liebe in Partnerschaft und Beziehung sowie spirituelle Ratschläge für eine tiefere Herzensverbindung – und sinnvolles Zusammenleben Sukadev für dich bereithält. “Den Partner in Liebe verstehen”, “Einssein entwickeln”, “Selbstliebe” oder “Yoga und Sexualität” sind nur einige der vielen hörenswerten Folgen.

3 Kommentare zu “Können wir Liebe lernen? Selbstreflexion als Schlüssel für eine erfüllte Partnerschaft

  1. Hannelore Tetenborg

    Ihr Lieben,

    Herzlichen Dank für dieses Schreiben!

    Alles Liebe
    Hannelore

  2. die kritische

    Kümmere dich in einer Partnerschaft nicht darum was du heraus holen kannst.

    Kümmer dich darum wie du deine Göttlichkeit verwirklichen kannst.

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