Ist die Kuh den Indern noch heilig?

Seit Tagen beschäftigen mich die Kühe, die auf den Straßen von Rishikesh herumirren. Die romantische Vorstellung der heiligen indischen Kuh schwindet dahin. Denn bei genauem Hinschauen und einer kleinen Recherche musste ich herausfinden, was es mit den Kühen auf der Straße auf sich hat.

Die Kühe sind im Grunde keine Kühe. Es sind vielmehr männliche Rinder, Kälber und alte Kühe, die keine Milch mehr geben. Zunächst dachte ich, dass sie obdachlos durch die Straßen irren. Dann habe ich aber erfahren, dass sie so etwas wie ein zu Hause haben, dass man aber nicht mehr dazu bereit ist, sie zu füttern, weil sie ja keinen echten Nutzen mehr bringen.

Da die Inder aber immer noch glauben, dass die Kuh ihnen heilig ist, werden die Kälber nicht wie in anderen Ländern behandelt, in denen ihr Leben unter diesen Voraussetzungen meist im Schlachthaus endet. In Indien, in einem Land, in dem die Kuh als heilig angesehen wird, ist den Kälbern ein Leben auf der Straße vorbestimmt. Hier sind sie schon morgens um 6 Uhr unterwegs und suchen nach Futter.

rinder

Sie leben von Abfällen, wenn sie Glück haben, und wenn sie nichts finden oder bekommen – denn die Inder neigen eher dazu, sie zu vertreiben – essen sie einfach alles, was sie finden: Papier, Plastik, Süßigkeiten – egal was – einfach nur um etwas im Bauch zu haben. Oder entscheiden sie sich bewusst für den Tod?

Kühe sind ja Wiederkäuer. Sie würgen das Essen hoch und kauen es dann noch einmal durch. Kannst du dir vorstellen, wie das für ein Rind sein muss, wenn es eine Plastiktüte wiederkäut, die es aus Versehen oder bewusst in sich aufgenommen hat? Die Tiere haben häufig dick aufgeblähte Bäuche von den ganzen Dingen, die sie so in sich aufnehmen und nicht verdauen können. Schließlich verenden sie erbärmlich, weil sie nicht mehr essen und verdauen können.

Die Inder oder der Hinduismus erklärt alles über die Lehre der Reinkarnation. Und so heißt es, dass Menschen, die eher ungute Taten vollbracht haben, als Tiere wieder geboren werden. Sie haben laut Swami Advaitananda aus dem Sivananda Ashram in Rishikesh nicht die Möglichkeit in ihrer Inkarnation als Tier eine bewusste Entwicklung in ihrer spirituellen Evolution zu gehen. Als Tier verbringen sie einfach nur eine gewissen Zeit auf der Erde in einem Tierkörper, um ein bestimmtes Karma zu erfüllen, um dann wieder durch die Gnade Gottes einen menschlichen Körper einzunehmen.

So scheinen manche Inder auch kein Problem zu haben ihre Mutter, die Kuh, auf die Straße zu schicken, um zu betteln, wenn sie keine Milch mehr gibt. Ist es nun gut, die Inder für dieses Handeln zu verurteilen? Verurteilung wird wahrscheinlich niemandem den Seelenfrieden bringen. Aber wahrscheinlich ist es doch gut, sich jetzt und hier von der romantischen Vorstellung der heiligen Kuh Indiens zu verabschieden und den Tatsachen ins Auge zu sehen, dass diese Lebewesen es auch hier nicht besonders gut haben.

buckelrind

Ist das nun der Wille Gottes, dass die Tiere so behandelt werden? Und wohin soll das führen? Unmittelbar muss ich dabei an das Ende des Volkes von Krishna in Dwaraka denken. Für Krishna war das so in Ordnung, denn alles geht auf die ein oder andere Art zu Ende. Und wenn das für Krishna okay war, dann heißt das, dass es für Gott okay war. Wie soll es nun weitergehen mit den indischen Rindern?

 

Teil 1: “Good Morning Rishikesh”
Teil 2: “Rishikesh – Gurudev Kutir”
Teil 3: “Ist die Kuh den Indern noch heilig?”
Teil 4: „Arundhati und die sieben Rishis“
Teil 5: „Was bleibt, ist die Erinnerung…“

 

6 Kommentare zu “Ist die Kuh den Indern noch heilig?

  1. Plastikfrei Blog

    Danke für diesen tollen Artikel, hätte nicht gedacht, dass ich beim googeln auf so etwas stoße 🙂 Ich denke auch, dass die Kuh den Indern natürlich noch heilig ist. Ich frage mich jedoch, ob der Ganges ihnen noch heilig ist. Es ist unfassbar, wie mit diesem Fluss umgegangen wird, obwohl er doch so wichtig für Indien ist. Plastikmüll wo man hinschaut, auch die Wasseruntersuchungen haben katastrophale Werte ergeben. Ich hoffe, dass dort bald etwas passiert.

    LG Christoph

  2. Miramuun, vielen Dank für deine Ergänzungen. Mich hat das sehr schockiert, als ich angefangen habe, genauer hin zu schauen.

  3. Indien ist in wenigen Jahren zur Nr. 1. zum Export-Weltmeister* von Rindern/Schlachttieren aufgestiegen. Auch gibt es eine immer größer werdende Anzahl von Betrieben die illegal Rinder/Kühe schlachten. Übrigens muss man einmal den Umstand betrachten, dass nicht alle Inder gläubige Hindus sind, denen die Kühe heilig sind. Und ganz so vegetarisch leben viele Hindus auch nicht, da auch andere Tiere wie z.B. Hühner massenhaft verzehrt werden. Vegetarismus nimmt immer mehr ab, so wie der Milchkonsum/Milchpulver überproportional zunimmt. Je höher der Milch-/Produkte-Konsum umso ausbeuterischer wird mit den Kühen und Rindern umgegangen. Das Bild der heiligen Kuh ist daher eine eher romantische Vorstellung, vor allem, wenn man die ausgemergelten Kühe betrachtet, die sich mitten auf die Straße legen und dort liegen bleiben, weil sie oftmals überhaupt keine Kraft mehr haben, sich auf den Beinen zu halten.

    nur eine von mehreren Quellen: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/245664/umfrage/fuehrende-exportlaender-von-rindfleisch-weltweit/

    miramuun

  4. Ich finde den Text sehr schön. Danke liebe Mohini. Om Shanti nirmala

  5. Dieter Jahnke

    Im letzten Text dieses >>>dass es für Gott okay<<< war, nun: Hier wird von der menschlichen Logik ( Dualistisch ), auf die Göttliche geschlossen, das ist Grundsätzlich falsch !

  6. Dieter Jahnke

    Natürlich ist die Kuh in Indien noch heilig, wie jedes Tier was von Gott geschaffen ist, Heilig ist.
    Für die Masse Mensch in Indien womöglich nicht, aber für die, die nach Licht strebenden ( bharatias ) mit Sicherheit.

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