Biographie
von Swami Sivananda
Frühe
Kindheit
Sri
Swami Sivananda, der bekannte Meister des 20. Jahrhunderts, wurde am 8.
September 1887 in Pattamadai im Bezirk Tirunelveli in Tamil Nadu, Südindien,
geboren. Er trug den Namen Kuppuswami. Sein Vater Vengu Iyer war fromm,
ein Anhänger Shivas und Nachkomme von Appayya Dikshitar, einem Heiligen
und Gelehrten des 16. Jh. Seine Mutter war Parvatiammal.
Bereits
in früher Kindheit zeigte sich seine Neigung zur Freigebigkeit, zum
rückhaltlosen Teilen. Swami Shuddhananda Bharati, ein Jugendfreund,
erinnerte sich, wie Kuppuswami als kleiner Junge eines Tages mit seinem
Essensteller auf die Straße hinausrannte, als er draußen einen
Bettler hörte.
Der
intelligente Junge hatte schon damals die Gabe göttlicher Einsicht.
Wenn sein Vater ihn zum Einkaufen von Früchten für den täglichen
Gottesdienst schickte, verteilte er die Früchte oft unterwegs an Arme
und Bedürftige und erklärte seinem Vater dann zu Hause, daß
er Gott bereits in Gestalt der Armen verehrt habe. Was für eine großartige
Vision!
Der
Meister sagte, als Kind sei er sehr mutwillig gewesen. Aber es war nicht
die Art von Mutwillen, die wir heutzutage bei Kindern beobachten können.
Zum Beispiel sprang er einmal wagemutig in einen trockenen Brunnen, um
seine Familie zu verblüffen und zu erschrecken.
Schul-
und Studentenzeit
Während
seiner Schulzeit zeichnete sich der Meister sowohl im Unterricht als auch
im Sport aus. Er war immer Klassenerster. Er war mutig und fröhlich.
Bei einer Aufführung von Shakespeares
Mittsommernachtstraum
spielte
er die Rolle Helenas!
Gute
Gesundheit war ihm genauso wichtig wie Lernen. Er praktizierte Gymnastik
und Fechten. Er stand schon morgens um drei Uhr auf, um seine Übungen
zu machen. Bevor er sein Zimmer verließ, arrangierte er Decken und
Kissen in einem unschuldigen, spielerischen Täuschungsmanöver
so, daß seine Mutter glauben sollte, er liege noch im Bett!
Da
der Wunsch, anderen zu dienen, in der Natur des Meisters lag, war es mehr
als natürlich, daß er sich für eine medizinische Laufbahn
entschied. Obwohl seine Eltern von ihm erwarteten, eine andere Richtung
einzuschlagen, blieb er fest bei seinem Wunsch, Arzt zu werden. Nach seiner
Immatrikulation studierte er am Tanjore Medical Institute.
Der
Meister war bemerkenswert intelligent und besaß auch ein unglaubliches
Gedächtnis. Er war ausgesprochen fleißig und ging während
der Ferien nie nach Hause. Stattdessen verbrachte er seine Zeit im Krankenhaus
und versuchte, noch mehr zu lernen. Alles was er las, behielt er sofort
- so großartig war sein Gedächtnis. Bereits im ersten Studienjahr
konnte er die Prüfungsfragen des 5. Jahres beantworten.
Nach
Abschluß seines Studiums arbeitete der Meister eine Weile in Indien
und gab eine medizinische Zeitschrift mit dem Namen Ambrosia heraus.
Als
Arzt in Malaya
Aber
die Arbeit in Indien befriedigte den Meister nicht. Sein anspruchsvoller
Charakter trieb ihn nach Malaya, um dort Beschäftigung zu suchen.
Er erinnerte sich an seine Ankunft:
"Sobald
ich von Bord gegangen war, suchte ich Dr. Iyengar auf, der mich einem Bekannten,
Dr. Harold Parsons, vorstellte. Ich rechnete zuversichtlich damit, eine
Stelle zu finden. Dr. Parsons selbst brauchte keinen Assistenten, aber
es gelang mir, ihn so zu beeindrucken, daß er mich bei Herrn A.G.
Robins, dem Direktor einer Gummiplantage mit einem eigenen Krankenhaus,
einführte.
Glücklicherweise
suchte Herr Robins damals gerade einen Assistenten für das Krankenhaus.
Er war ein schrecklicher Mensch mit einem hitzigen Temperament, ein Riese
von einem Mann, groß und stark. Er fragte mich: ‘Können Sie
ein Krankenhaus ganz allein führen?’
Ohne
zu zögern antwortete ich: ‘Ja, ich kann sogar drei führen!’ Er
stellte mich sofort ein."
Seine
ausgesprochen freundliche, liebevolle Art war bald weitherum bekannt. Er
war für die Plantagenarbeiter und die Einwohner gleichermaßen
ein liebevoller Freund.
Neben
der Arbeit im Krankenhaus betrieb er seine eigene Praxis. Er verlangte
niemals irgendwelche Honorare von seinen Patienten. Oft gab er ihnen sogar
Geld aus seiner eigenen Tasche für ihre Diät. In Ernstfällen
wachte er nachts bei den Patienten.
Er
liebte den Sport. Seine Lieblingsbeschäftigung in der Freizeit war
Radfahren. Er las viele Bücher über westliche Sportarten und
nahm an Turnieren teil. Eine Zeitlang betätigte er sich sogar als
Sportberichterstatter der
Malaya Tribune.
In
Malaya führte der Meister ein luxuriöses Leben. Er legte Wert
auf elegante Kleidung und baute eine Sammlung merkwürdiger, phantastischer
Gebilde aus Sandelholz, Gold und Silber auf. Er pflegte verschiedenste
goldene Ringe und Halsketten zu kaufen und alle gleichzeitig zu tragen!
Er besaß viele Hüte, die er aber selten aufsetzte.
Weltliche
Entsagung
Sein
Lebensstil hielt den Meister jedoch nicht davon ab, seine täglichen
spirituellen Praktiken auszuüben und die Gesellschaft Heiliger zu
suchen. Als sein Geist allmählich Unterscheidungsvermögen entwickelte,
begann er nachzudenken:
"Gibt
es kein höheres Ziel im Leben als den täglichen Kreislauf von
Arbeit, Essen und Trinken? Gibt es keine höhere Form von ewigem Frieden
und Glück als all diese vergänglichen, illusorischen Vergnügungen?
Wie ungewiß ist doch das Dasein auf dieser Erde, voller Furcht, Sorgen,
Ängste, Krankheiten und Enttäuschungen. Die Welt der Namen und
Formen verändert sich ständig. Die Zeit ist vergänglich.
Alle Hoffnungen auf Frieden und Glück in dieser Welt enden in Schmerz,
Verzweiflung und Leid."
Gedanken
dieser Art beschäftigten ihn ununterbrochen. Sein Beruf als Arzt führte
ihm genügend Beweise für die Leiden dieser Welt vor Augen. Es
wurde ihm klar, daß Wohlstand allein kein wahres, dauerhaftes Glück
bringen kann. Mit fortschreitender Reinigung des Herzens durch selbstlosen
Dienst hatte er eine neue Vision. Er war zutiefst davon überzeugt,
daß es einen Ort unbedingter Sicherheit, vollkommenen Friedens und
dauerhafter Glückseligkeit geben müsse - eine liebliche Wohnstätte
voll von göttlichem Glanz, Reinheit und ungetrübter Herrlichkeit.
Folgerichtig
gab er sein angenehmes, bequemes Leben auf und kehrte nach Indien zurück
auf der Suche nach einem idealen Ort für Gebet, Meditation, Studium
und eine höhere Form des Dienstes an der ganzen Welt.
Als
der Meister nach vielen Jahren nach Hause zurückkehrte, wurde er von
seinen Eltern und den Familienmitgliedern liebevoll empfangen. Man erzählt,
daß seine Familie ihn plötzlich vermißte, während
der Fuhrmann sein Gepäck ablud. Er hatte das Haus noch nicht einmal
betreten. Seine Familie dachte, er sei vielleicht Freunde besuchen gegangen.
Aber in Wirklichkeit war der Meister auf der Stelle davongestürzt!
So groß waren seine Leidenschaftslosigkeit und sein glühendes
Verlangen, Gott zu suchen, daß er mit einem Schlag der ganzen Welt
des Wohlstands und der Familie entsagte.
Als
Mönch in Rishikesh
1924
kam der Meister in Rishikesh in Nordindien an. Eines Tages saß er
am Ufer des heiligen Ganges, nachdem sich das Armenhaus geweigert hatte,
ihm Essen zu geben. Swami Vishwananda, ein ehrwürdiger Heiliger, warf
zufällig einen Blick auf ihn. Die ungewöhnliche spirituelle Aura
des jungen Mannes zog seine Aufmerksamkeit auf sich und bewegte ihn dazu,
ihn sogleich in den Orden der Sannyas einzuweihen. Am 1. Juni 1924 trat
der Meister als Swami Sivananda in diesen Heiligen Orden ein und ließ
sich im Swarg Ashram nieder.
Sein
Zugang zur Spiritualität war einzigartig und ursprünglich. Er
ahmte nichts nach. Er gestattete einfach seinen natürlichen, angeborenen
Neigungen, sich zu entfalten und ihren süßen Duft an alle um
ihn herum zu verströmen.
Im
Dienst an Mönchen
Trotz
strengster Askesepraktiken und verlängerter Meditationszeiten fand
der Meister Zeit, kranken Mönchen und Pilgern zu dienen. Er reinigte
die Räume der Kranken und hielt in ernsthaften Fällen manchmal
die ganze Nacht Wache. Einmal trug er Lek, einen Mönch aus Europa,
zum Krankenhaus. Die orthodoxen Mönche von Rishikesh glaubten nicht
an irgendeine Art von selbstlosem Dienst. Daher machten sie sich über
Swami Sivanandas Tätigkeiten lustig.
Viele
Mönche waren durch Fehlernährung und die extreme Winterkälte
geschwächt. Die meisten litten an häufigen Fieberanfällen
und Ruhr. Der Meister konnte es nicht ertragen, die hilflose Notlage dieser
heiligen Mönche zu sehen. Er wollte ihnen helfen, aber er brauchte
Arzneimittel und Medikamente, für die erst Geld beschafft werden mußte.
Er
erinnerte sich an seine Rücklagen bei einer malayischen Versicherungsgesellschaft
und es gelang ihm, 5.000 Rupien zu beziehen. Diesen Betrag hinterlegte
er beim Postamt und nutzte die Zinsen für Medikamente und Nahrungsmittel
für die leidenden Mönche.
Innerhalb
einiger Monate hatte er das dringende Bedürfnis, dieses Hilfsprogramm
besser zu organisieren. In der Folge entstand die Satya Sevashram-Apotheke
für die Mönche und Pilger.
Ein
rührendes Beispiel seiner Art, den Pilgern zu helfen, ist überliefert:
Eines
Morgens stellte der Meister fest, daß er versäumt hatte, einem
Wandermönch eine bestimmte, sehr nützliche Medizin zu geben.
Der Pilger hatte seine Reise schon sehr früh am Morgen fortgesetzt.
Als der Meister aufbrach, um ihm nachzugehen, war er bereits ein gutes
Stück entfernt. Ohne sich davon abhalten zu lassen, lief der Meister
meilenweit, bis er ihn endlich nach fünf Meilen eingeholt hatte und
ihm das kostbare Medikament geben konnte!
Diese
atemberaubende Ernsthaftigkeit und Aufrichtigkeit seines Bestrebens und
seine leidenschaftliche Liebe des selbstlosen Dienens wurden zum krönenden
Höhepunkt seiner Berufung im Leben.
Der
spirituelle Weg
Im
Swarg Ashram führte der Meister ein Tagebuch, in dem er seine Gedanken
aufzeichnete. Er pflegte bis zu sechzehn Stunden täglich zu meditieren.
Seine Methode, bestimmte Tugenden zu entwickeln, war, eine herauszugreifen
und sie einen Monat lang zu praktizieren. Er gab auch zu, daß er
am Anfang Skorpione getötet hatte.
Über
seine eigene Gottesverwirklichung enthüllte der Meister einem Schüler
gegenüber:
"Während
meiner spirituellen Praxis erlebte ich keine besonderen Erfahrungen. Es
gab weder äußere noch innere Hindernisse im Fortschreiten meines
Sadhana. Das war das einzig Auffallende. Ich meditierte in tiefer Meditation,
dem Grundton meines inneren Lebens. So machte ich sanfte, stetige Fortschritte
und erreichte bald die höchste spirituelle Erfahrung."
1936
gründete der Meister die Divine Life Society in einem Gebäude,
das früher als Kuhstall gedient hatte. Aber es dauerte nicht lange,
bis Sucher von seiner magnetischen Persönlichkeit angezogen wurden,
so daß die Gesellschaft schnell wuchs.
Die
Persönlichkeit des Meisters
Der
Meister verhielt sich einfach und kindlich und gleichwohl wie ein ehrwürdiger
Weiser. Er verneigte sich vor Heiligen und Straßenkehrern, vor Steinen,
Ziegeln und Eseln. Selbst kleine Kinder sprach er höflich an. Er achtete
die Rechte der Tiere und begegnete ihnen mit größter Liebe und
Mitgefühl.
Göttliche
Weisheit floß in einem ständigen Strom von seinen Lippen. Seine
machtvollen, inspirierenden Gedanken beeinflußten Menschen auf der
ganzen Welt. In seiner beispiellosen sprichwörtlichen Nächstenliebe
verteilte er die meisten seiner Bücher kostenlos.
Heilige,
Minister und Politiker, Philosophen und Doktoren, Filmstars und Künstler
huldigten dem Meister zu seinen Lebzeiten.
Der
folgende Vorfall führt uns das Wesentliche von Swami Sivanandas Lehren
und seiner inneren Vision Gottes bildlich vor Augen:
Einmal
vermieden die Mönche einen bestimmten Weg zum Armenhaus. Der Meister
entdeckte, daß sich unterwegs die Hütte eines kranken Mönchs
befand, der an der gefürchteten Cholera litt. Er ging sofort zu ihm,
pflegte ihn und tadelte die anderen Mönche:
"Ihr
seid alle hierher gekommen, um Gott zu suchen. Gott in der Gestalt eines
kranken Mönches liegt im Sterben und ihr habt nicht das Herz, Gott
in ihm zu sehen und ihm zu dienen!"
Das
war seine Einstellung!
Der
Meister war ein Optimist. Eine negative Einstellung hatte bei ihm keinen
Platz. All seine Worte und Sätze strahlten eine ungewöhnliche
spirituelle Macht aus, denn er lehrte, was er selbst im täglichen
Leben praktizierte. Das war das herausragendste Merkmal seiner Persönlichkeit.
Der
göttliche Meister strahlte Frieden und Heiterkeit aus, weil er selbst
erfüllt war vom Frieden und der Heiterkeit Gottes. Liebe ging von
ihm aus, weil er die Liebe Gottes in sich trug. Er verbreitete das Licht
der Wonne, weil sein Herz erfüllt war vom Licht Gottes.
Sein
Leben lehrt uns, daß auch wir Gott im und durch das Leben verwirklichen
können, ohne uns in Höhlen oder in den Urwald zurückziehen
zu müssen. Sein Leben war ein vollendetes Beispiel für die Lehren
der heiligen Schriften.
Die
Gabe göttlichen Wissens nahm einen einzigartigen Platz in seinem Herzen
ein. Seine Argumentation war:
"Gib
den Hungrigen zu essen; nach einer Weile werden sie wieder hungrig sein.
Gib den Unbekleideten etwas anzuziehen; sie werden bald wieder Mangel leiden.
Gib den Bedürftigen Geld; sobald sie es ausgegeben haben, werden sie
neues brauchen. Gibt man aber allen göttliches Wissen, dann stellt
man ihnen alles Nötige zur Verfügung, damit sie selbst für
sich sorgen können."
Schluß
Swami
Sivananda ging am 14. Juli 1963 in Gott auf. Er hinterließ zahlreiche
Anhänger und Nachfolger auf der ganzen Welt, die seine großartige
Lehre von der Liebe und vom Dienen weiterverbreiten.
Paramahansa
Yogananda, der Gründer der weltbekannten
Self-Realisation Fellowhip
und
Verfasser des berühmten spirituellen Klassikers "Autobiographie
eines Yogis"
zollte dem Meister noch zu dessen Lebzeiten einen glühenden
Tribut:
"Das
Leben des großen Rishi Swami Sivananda ist ein vollkommenes Beispiel
selbstlosen Handelns. Er segnet Indien und die Welt durch seine Gegenwart."
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