Singen für den Weltfrieden?

Für Menschen, die fest entschlossen sind, seelisch zu wachsen, haben alte Schriften und selbstverwirklichte Meister einen Katalog an guten Ratschlägen parat: Mäßige dich, meditiere, übe Yoga, ernähre dich sattwisch, faste. Diene dem höheren Selbst in jedem Menschen, übe Demut, vertraue deiner inneren Führung, hör auf, Zeitungen zu lesen und inspiriere dich stattdessen durch die Upanishaden, Bhagavad Gita und Co. Meide Zwiegespräche mit materiell eingestellten Menschen. Triff Gleichgesinnte. Schön und gut.

Manches davon lässt sich umsetzen. Für anderes können wir von mal zu mal unsere Willen stärken. Anderes scheint einem schlicht unmöglich, wenn man sich nicht gerade in eine Höhe im Himalaya zurückzieht. – Was ja nicht jedermanns Sache oder Dharma ist.

Das Leben im Hier und Jetzt sieht anders aus: Da will ich nur mal mein Email-Postfach aufräumen und schon erfahre ich, dass immer noch Tag für Tag Millionen Liter Öl ins mexikanische Meer sprudeln. Ich will friedlich spazieren gehen und komme prompt an Waldarbeitern vorbei, die ungerührt mit Bulldozern ganze Baumbestände erledigen. Ich treffe mich mit Freunden und erfahre, dass für den Bio-Tofu auf meinem Teller in Indonesien die letzten Regenwälder geopfert werden. Ach, all die innere Ruhe und Klarheit, die Sonne im Herzen und das Leuchten im Kopf – wo bleiben die nur, wenn man sie wirklich braucht? Können wir denn wirklich nichts tun, als das alles mit ansehen und lächeln? Und uns in uns selbst zurückziehen?

Schnell meldet sich die alte Standard-Antwort aus alten Zeiten: „Da kann man nichts machen. Wir können den Lauf der Welt nicht aufhalten. Und den Politikern und Konzernchefs der Welt eine spirituelle Brille aufsetzen, das schon gar nicht. Das wäre ja auch Manipulation.“ Sieht so aus, als bliebe uns nur ein Weg: Zeitung und Augen schnell wieder zuklappen, den Tofu weglassen, Pranayama und Asanas üben, was das Zeug hält. Unsere Pflicht tun. Entspannungstechniken anwenden. Den Geist zur Ruhe bringen. Yoga.

Bis man das nächste Mal dieses tiefe Gefühl der Verantwortung in sich entdeckt, das einen aufruft, nicht aufzugeben, aufzustehen und zu protestieren. Wo um Himmels Willen ist der Schalter, der diesem Wahnsinn ein Ende setzt? Irgendwo weit oben in den Sternen. Manchmal scheint es, als wären wir Kind, die vergeblich danach greifen.

Natürlich, Möglichkeiten zum Protest gibt es viele: Protestkundgebungen, Unterschriftenaktionen, Mahnwachen und Sitzblockaden sind ja inzwischen allgemein anerkannte Begleiterscheinungen von Atomendlagern, Gentechnik und Tierversuchen. Nur: Was ist schon eine Unterschrift? Und wenn man dann inmitten wütender Demonstranten steht, wird man auf einmal unendlich müde. Viel zu schwach, um den ganzen Ballast an Verantwortung zu tragen.

Letztens saß ich im Meditationsraum und sang eine Stunde lang „Om namo narayanaya“
, das Vishnu-Mantra für den Weltfrieden. Und wie ich so saß und sang und aufhörte, an irgend etwas zu denken, leuchtete plötzlich ein Licht tief in meinem Inneren auf, das alle meine Zellen zu überfluten schien. Einen kaum messbaren Augenblick lang war alles in mir angefüllt mit Energie und Leuchten. So grenzenlos und unbedingt, als hätte es nie etwas anderes gegeben. Wie gerne hätte ich dieses Licht in die aufgerissenen Bohrlöcher und Herzen dieser Welt geschickt. Bloß: Als ich mir dessen bewusst wurde, war es schon wieder vorbei.

Singen für den Weltfrieden? Das klingt ein bisschen nach dem weltfremden Luxus überversorgter Wohlstandsbürger, oder etwa nicht? Was soll das schon ausrichten? Andererseits: Was, wenn wir es schaffen würden, dieses Licht in uns ein wenig länger zu spüren? Und wenn wir das gar noch gemeinsam täten, so dass es gerade dann, wenn es in mir zu erlöschen droht, in dir oder dir aufleuchtet? Was, wenn wir das Licht von zehn, zwanzig oder gar hunderten von Menschen in die Welt schicken würden? Wer kann schon sicher sagen, was wir damit bewirken und wie viele Herzen wir damit bewegen könnten? Und die, die sagen, dass das unmöglich sei. – Woher wissen die das eigentlich?

Singen für den Weltfrieden kann man in den Yoga Vidya Seminarzentren jeden Tag von 19.00 bis 20.00 Uhr.

Treffen und Seminare für gemeinsame Lichtarbeit >>

Dietlind Arndt lebt und arbeitet seit Januar 2010 bei Yoga Vidya in Bad Meinberg.

3 Kommentare zu “Singen für den Weltfrieden?

  1. Hallo Heinrich, danke für dein konstruktives Feedback. Ich stimme dir voll zu: Mit beten und meditieren alleine werden wir die Welt nicht verändern. Ich treffe immer wieder auf Menschen, die die Dinge anpacken, Strohballen- und Lehmhäuser bauen, ihre eigene Energie produzieren, biogärtnern, usw. Im Großen und Ganzen sind das aber wenige. Viele leben das noch nicht (so wie ich). Die Zitate, auf die du dich hier beziehst, hatte ich nicht als “pragmatische Position” gemeint, sondern als eine ganz fatale Stimmung, in die man ab und an rutscht, ohne es zu wollen. Ich habe gemerkt, dass mir beten und meditieren (vor allem mit anderen) hilft, aus diesem Loch wieder herauszukommen. Anpacken kann ja dann erst kommen. Dazu übrigens noch ein Tipp für alle, die nicht recht wissen wie: Da lohnt sich eine Woche leben und arbeiten in einem Ökodorf, z.B. Sieben Linden. Die machen zwar wenig Yoga, leben dafür aber ganz praktisch nachhaltig in allen Facetten. Und man lernt, wie man auch “anders leben” kann …

  2. Heinrich

    Ein grds schöner Yoga-Beitrag. Allerdings halte ich die pragmatische Position a la “Was ist schon eine Unterschrift?” und “Viel zu schwach, um den ganzen Ballast an Verantwortung zu tragen.” für grundfalsch, denn diese Passivität würde gerade dazu führen, dass noch mehr Ungerechtigkeiten und Leid geschehen. Doch in weiten Teilen sind die Menschen gerade selbst verantwortlich, wie die Welt ausschaut, denn zu allen konventionellen/ umweltschädlichen Lösungen gibt es Alternativen. Der Bürger entscheidet selbst, welchen Energieanbieter er wählt, ob er Auto oder Bahn fährt, ob er kleine Biounternehmen wählt oder große Handelsketten, ob er Produkte aus Naturrohstoffen wählt oder alles behandelt und mit Chemieprodukten versehen sein muss etcetcetc. Das ist der intelligentere Weg, denn das bloße Vertrauen auf das innere Licht ist dann doch weit zu wenig für einen durchschnittlich aufgeklärten Geist, psychisches und physisches Handeln müssen sich stets ergänzen.

  3. Haripriya

    Danke für deinen wunderschönen Beitrag :-)))

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