OM – Göttlicher Klang der Schöpfung

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Von Dr. Guido Telscher

In diesem Artikel werden die Hintergründe des wichtigsten und bekanntesten Mantras besprochen. Lies außerdem, wie du mit OM meditieren lernen kannst.

„Wir beginnen unsere Yogastunde mit dreimal OM. Atme tief ein – OOOOM…!“ So tönt es bei Yoga Vidya von nah und fern. Warum dieses Sanskrit-Wörtchen zu allen Gelegenheiten? Und was ist überhaupt ein Mantra, fragt sich nicht nur so mancher Yoga-Anfänger. 

 

Ich schlage in unserem Wiki nach und lese:

Om oder Aum ist das wichtigste und bekannteste Bija Mantra , das universelle Mantra; das ursprüngliche Wort, das alles in sich enthält. Repräsentation des Urklangs, der Schöpfung, die Essenz der Veden. (Vgl. wiki.yoga-vidya.de/OM)

OM 

Om ist eine Art ausgesprochene Energie, denn es ist das Mantra schlechthin: reine Energie, die im Universum schon vor uns Menschen bestanden hat und von den Rishis (Seher) des alten Indiens in tiefer Meditation gehört und geschaut wurde. Mantras tragen wirklich eine geheimnisvolle Macht in sich. Wer schon einmal eine Stunde lang ein Mantra rezitiert hat, der weiß, wie der Geist von dem Mantra regelrecht aufgesogen wird.

OM

Om umfasst alle drei Erfahrungen des Menschen.“ schreibt Swami Sivananda in seinem Buch „Samadhi Yoga“. „OM steht für alles, was in der Welt in Erscheinung tritt. Von OM aus wurde diese mit Sinnen erlebbare Welt projiziert. Die Welt existiert in OM und löst sich in OM auf. „A“ steht für die physische Ebene; „U“ steht für die geistige und die astralen Ebenen, die Welt der Geistwesen, Himmelsebenen; „M“ steht für den Zustand des Tiefschlafes und alles, was unbekannt ist, selbst im Wachzustand und alles, was jenseits der Greifweite des Intellektes liegt. OM steht für alles. Om ist das Fundament des Lebens, des Denkens und der Intelligenz.“

OM

Om oder AUM? Aus sprachlichen Gründen wird statt des A-U ein langes offenes O gesprochen oder gesungen. Geschrieben wird jedoch AUM. Nach dem M soll sich der Yogi einen lautlosen, vierten Buchstaben denken, der Turya genannt wird. Neben den drei gewöhnlichen Zuständen des Bewusstseins (Wachen, Träumen, Tiefschlaf) kommt noch als Viertes die Befreiung hinzu, das Ziel allen yogischen Strebens. Daher ist es wichtig, nach dem Tönen des M still zu werden und auf das Unhörbare zu lauschen. Das klingt paradox, aber hier geht es ja um etwas, was unser alltägliches Erleben übersteigt.

OM

Om stellt ein sogenanntes Bija Mantra dar. Bija bedeutet Samen oder Keim. Kurz und knackig wird das Entscheidende in nur einer Silbe auf den Punkt gebracht. Obwohl es so kurz wie ein Paukenschlag ist, trägt dieser klingende Same eine unglaubliche Fülle in sich. Neulich durfte ich eine Klangreise erleben, bei der auch ein großer Gong gespielt wurde. Dieser Gong wird auch nur kurz angeschlagen, aber er klingt wie ein ganzes Orchester.

Andere Bija Mantras sind: LAM, VAM, RAM, YAM, HAM für die Aktivierung der 5 unteren und mittleren Chakras, GAM oder zur Anrufung von Ganesha, aber auch AIM, HRIM und KLIM für die 3 Aspekte der Shakti. Viele dieser Mantras stammen aus dem Tantra und werden beim Kundalini Yoga verwendet, wo der Yogi feinstoffliche Energien durch Kanäle (Nadis) und Knotenpunkte (Chakras) seines Körpers leiten will.

OM

Om ist das universelle Wort, das alles in sich enthält, steht es doch für den ursprünglichen Klang der Schöpfung. Gemäß der heute gängigen, naturwissenschaftlichen Kosmologie wurde unser Weltall in einer gigantischen Explosion, dem Urknall, geboren. Aus diesem „Big Bang“ bildete sich die
Materie und aus dieser dann die Galaxien, Sterne, Planeten usw. Dieser Urklang war wohl eher ein ohrenbetäubender Knall, freilich konnte er noch keine Ohren schädigen. Dennoch lassen sich seine Auswirkungen, sein unendlicher Nachklang, noch heute wissenschaftlich nachweisen. Müssen wir uns nicht immer wieder an dieses kosmische Ereignis am Beginn von Raum und Zeit erinnern?

OM

OmGott sprach: Es werde … und es wurde!“ so steht es am Anfang der Bibel im Buch Genesis (1 Mose, Kapitel 1). Gott spricht sich aus: Welt und Mensch entstehen. „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Im Anfang war es bei Gott. Alles ist durch das Wort geworden und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist. In ihm war das Leben und das Leben war das Licht der Menschen“, findet sich im Johannesevangelium, Kapitel 1. Das Wort, im Evangelium mit Jesus Christus gleichgesetzt, erschafft durch sein Erklingen, Ertönen das All. Gott ist ganz in diesem einen Wort, seine göttliche Macht und Energie. In diesem Wort steckt alles Leben. Auch in anderen Schöpfungsmythen spielt das Wort eine wichtige Rolle: “Am Anfang sprach Ptah Worte, und die Welt wurde ins Leben gerufen.” (Antike nubische Hyroglyphentafel) sowie “Im Anfang war Prajapati. Mit ihm war VAK (das Wort), und VAK war wahrhaftig der höchste Brahma.” (Rig Veda)

OM 

Om ist schließlich auch die Essenz, also das Wesentliche der ganzen Veden. Die Veden sind Teil der Heiligen Schriften der Hindus, von Gott offenbart und den Rishis empfangen (s.o.). An ihrem Ende stehen die Upanishaden voller Weisheit und philosophischer Erkenntnis. Das eine Wort OM fasst also abertausende Zeilen Text und ganze Bücher zusammen. Das Absolute, Gott, Brahman ist das alles Entscheidende, die Grundaussage der Veden. Es ist die eine Wirklichkeit, ohne die rein gar nichts wäre. OM sagt alles aus. OM allein genügt. Alle übrigen Mantras sind aus dem einen OM geworden.

OM Shanti.

Frieden!

 

Mit dem Mantra OM meditieren:

Sitze in einer Meditationshaltung, etwa einem kreuzbeinigen Sitz oder dem Fersensitz. Halte den Rücken gerade, schließe sanft deine Augen. Konzentriere dich auf die Atmung: Atme tief in den Bauch, atme langsam aus und spreche dabei laut und mit langem O: OM. Halte einen Moment inne und lausche auf die Stille, auf den Nachklang. Wiederhole mit der Atmung das OM. Konzentriere dich auf Atmung und Mantra. Werde mit der Zeit immer leiser und wiederhole schließlich nur noch im Geist: OM (Stille)… Stelle dir dabei das OM-Zeichen vor. Konzentriere dich auf dein 3. Auge (Stirn-Chakra) zwischen den Augenbrauen oder in der Mitte deiner Stirn. Das Tönen des OM konzentriert die besagte Energie in diesem Chakra. So kannst du leicht meditieren lernen. Meditiere so anfangs nur einige Minuten, und bei regelmäßiger, täglicher Praxis mit der Zeit immer länger und tiefer.

OM – eine Quelle aus Klängen

Du erfährst in diesem Kurs das OM als einen Klangstrom, der einer Quelle tief in dir selbst entspringt. Von ihm aus entfaltet sich deine natürliche Stimme, zentriert dich und bringt dein ganzes Sein von innen her in Schwingung und du erfährst die heilende Wirkung des Nada Yoga.
Ab 140 € für 2 Übernachtungen
Bad Meinberg, 4. – 6. Dezember 2015

 

Buchtipp zum Thema OM:
Swami Vishnu-devananda: Meditation und Mantras
Paperback. 328 Seiten. 19,50 €

Erhältlich im Shop und auch online unter yogavidya.de/shopMeditation und Mantras

 

Telscher_Guido_2014_2__2Dr. Guido Telscher – Theologe und Yogalehrer (BYV); hat viele Jahre in verschiedenen Klöster im In- und Ausland gelebt, am Gymnasium unterrichtet und sich lange mit Spiritualität, Philosophie und den Weltreligionen beschäftigt.

Derzeit redigiert er in Bad Meinberg Printmedien. Sein Schwerpunkt ist Jnana Yoga.

 

 

 

Dieser Artikel ist erschienen im Yoga Vidya Journal – Ausgabe Nr. 30

 

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