Heutiger Weltmeerestag – Aquakultur, die vergessene Massentierhaltung

In Aquakulturen leiden die Fische in der Regel so massiv, dass diese Form der Massentierhaltung eins der weiteren drängendsten Tierschutzprobleme unserer Zeit darstellt. Bislang bringen wenige Menschen Mitgefühl für Fische auf. Das mag daran liegen, dass die Leiden der Fische für das ungeschulte Auge kaum erkennbar sind. Und so ist es vielleicht erklärbar, dass der Schutz von Fischen bei den meisten Tierschutzorganisationen ein Schattendasein fristet. Unsere Bitte an Sie: Machen Sie es besser als die meisten anderen – haben Sie ein Herz für Fische. Swami Sivananda – Sei gut, tue gutes. Sei mitfühlend, und tue keinem Wesen ein leid an.

Rund die Hälfte des weltweit gegessenen Fischs stammt inzwischen aus Intensivtierhaltung, Tendenz steigend: Der Sektor Aquakultur wächst seit 1970 um durchschnittlich 9% pro Jahr und wächst damit von allen Sektoren in der Lebensmittelwirtschaft am schnellsten. Die Zahl der weltweit getöteten Tiere ist deutlich größer als die aller Schweine und Rinder zusammen – Grund genug, sich aus Tierschutzsicht mit dem Thema auseinanderzusetzen.

Fühlen Fische Schmerzen?

Die Frage, ob Fische wie andere Wirbeltiere Schmerzen, Angst und psychologischen Stress empfinden, wird nur noch von wenigen Wissenschaftlern verneint. Immer mehr Studien bejahen diese Frage eindeutig. Literaturverweise zu diesen und allen anderen Themen dieses Artikels finden Sie über die weiterführenden Informationen ganz unten.
Haltungsbedingungen

In Aquakulturen werden Fische auf engstem Raum gehalten. Lachse, die einen Dreiviertelmeter lang sind, erhalten in der Regel den Platz einer Badewanne. Den gleichen Raum müssen sich 13 bis 27 Forellen teilen. Dieser Platzmangel bringt viele Probleme mit sich:

Verhaltensstörungen

In Aquakulturen schwimmen die Fische meistens ständig im Kreis, was mit dem ständigen Auf- und Abgehen von Tieren in vielen Zoos und Zirkussen und den entsprechenden Leiden vergleichbar ist. Diese Verhaltensstörungen sind durch eine Absenkung der Bestandsdichte in den Griff zu kriegen, allerdings entwickeln die Tiere bei zu niedrigen Dichten (die noch immer deutlich über den natürlichen Dichten liegen) wiederum oft Aggressionen. Kritiker sehen dies als Hinweis, dass eine artgerechte Aquakultur nicht umsetzbar ist.

Verletzungen, Krankheiten, Todesraten

Durch das ständige Reiben an Artgenossen bzw. den Begrenzungen der Haltungseinrichtung entstehen schmerzhafte Verletzungen an den Flossen. Auch Schäden an den Augen sind sehr häufig. Viele Tiere leiden an Grauem Star, der sogar zu Blindheit und Blutungen führen kann. Häufig treten auch Herzkrankheiten und Skelettverformungen auf. Ansteckende Krankheiten können sich schnell verbreiten, was durch die hohe Besatzdichte und durch stressgeschwächte Immunsysteme bedingt ist. Dies kann zu gravierenden Problemen führen – wie aktuell in Chile. Die Mortalitätsraten in Aquakulturen liegen häufig oberhalb von 20%.

Meeresläuse

Häufig sind Aquakulturen in offenen Gewässern zu finden. Dadurch, dass so viele Tiere auf engstem Raum leben, werden Meeresläuse angelockt und können sich optimal vermehren. Werden die Tiere nicht behandelt, können sie schwere und sogar tödliche Verletzungen davontragen. Das geht so weit, dass bei lebenden Lachsen Teile des Schädels offenliegen können (auch »Todeskrone« genannt). Die drei gängigen Behandlungsmethoden beinhalten ein Bad der Tiere in chemischen Substanzen (inkl. Umweltproblemen), die Verwendung von Wasserstoffperoxid (führt zu starken Reizungen, teilweise sogar zum Tod der Tiere) und den Einsatz von Lippfischen, welche die Meeresläuse fressen (endet für die Lippfische oft tödlich, weil sie oft von Lachsen gefressen werden oder verhungern).
Weitere Probleme

Aufzucht

Um Eier und Spermien zu gewinnen, werden verschiedene Techniken angewandt. Dazu zählt, dass den Tieren mit starkem Druck der Hände über den Bauch gefahren wird. Manchmal wird den Fischen auch über eine Nadel Druckluft injiziert, um die Eier herauszupressen. Eine dritte Variante beinhaltet das Töten der Muttertiere, um ihnen dann die Eier aus dem Körper zu entfernen.

Töten von Fressfeinden

Je nach Lage der Aquakultur ziehen die Einrichtungen verschiedene Fressfeinde an, die häufig sterben müssen. So werden häufig Vögel und Robben, in einigen Ländern wie Kanada und Chile auch Seelöwen erschossen, um die Bestände zu schützen.

Andere Vögel, ob Fressfeind oder nicht, verfangen sich in Netzen und sterben elendig.

Genetische Selektion und Manipulation

Da die sexuelle Reifung der Fische die Fleischqualität mindert, werden verschiedene Verfahren eingesetzt, um dieses Problem zu lösen: Da (je nach Fischart) weibliche Fische später reifen als Männchen, werden junge Fische oft mit Hormonen gefüttert, um rein weibliche Fischbestände zu erhalten.

Außerdem werden oft sterile Fische erzeugt, indem frisch befruchtete Eier Hitze- und Druckstößen ausgesetzt werden. So entstehen Triploide: Fische mit drei statt der üblichen zwei Chromosomen. Triploide leiden überdurchschnittlich oft an Wirbelsäulenverformungen sowie Herz- und Augenkrankheiten. Außerdem sind die Mortalitätsraten erhöht.

Um ein schnelleres Wachstum und eine bessere Futterverwertung sicherzustellen, werden Fische häufig speziell gezüchtet. Die Gesundheits- und Tierschutzfolgen ähneln denen der Tiere in der Landwirtschaft.

Mittels Genmanipulation kann die Wirtschaftlichkeit der Aquakultur noch weiter erhöht werden. Allerdings wachsen damit auch die Tierschutzprobleme. Zusätzlich steigen die Gefahren, die entstehen, wenn Tiere aus ihrer Gefangenschaft flüchten. Noch mehr als bei gezüchteten Tieren sinken die Überlebenschancen der Nachkommen, wenn sich Aquakultur- und Wildfischen kreuzen. So werden Wildbestände ernsthaft gefährdet.

Fütterung

Wird Futter nicht auf der gesamten Fläche, sondern nur lokal konzentriert und in kleinen Mengen angeboten, so kommt es zu Kämpfen und Verletzungen. Insgesamt problematisch ist das Mästen von fleischfressenden Fischen in Aquakulturen. Die Tiere werden häufig mit anderen Fischen gefüttert, die auch für den menschlichen Konsum geeignet wären, oder eine wichtige Nahrungsgrundlage für andere Fische sind. So tragen Aquakulturen maßgeblich dazu bei, dass die Fischbestände immer weiter sinken. Dies lässt sich nur lösen, wenn im großen Stil auf pflanzliches Futter bzw. pflanzenfressende Fische umgestellt würde. Eine derartige Entwicklung ist aber zum einen nicht in Sicht und zum anderen besteht die Gefahr, dass das Futter in Konkurrenz zu Nahrungsmitteln für den Menschen angebaut würde. Kritiker bezeichnen Aquakulturen daher als »Proteinfabriken im Rückwärtsgang«, da drei bis fünf kg Futter notwendig sind, um ein kg Fisch zu erzeugen.

Lebende Fische in Supermärkten

In vielen Einzelhandelsgeschäften, Markthallen und Kaufhäusern werden lebende Fische in von allen Seiten einsehbaren Becken zum Verkauf angeboten. Dabei wird keine Rücksicht auf die Schreckhaftigkeit der Fische genommen, sodass die Tiere einer ständigen Überreizung durch Lärm, Licht und schnelle Bewegungen ausgesetzt sind. In dieser Zeit werden sie auch nicht gefüttert. Die Fische weisen oftmals Verletzungen und deutliche Stresssymptome auf.

Es gibt keine aktuellen Rechtsvorschriften zum Schutz dieser Fische, die neuere wissenschaftliche Erkenntnisse berücksichtigen. Das letzte Gutachten der Bundesregierung ist über 30 Jahre alt, obwohl im Gutachten vermerkt ist, dass »die Sachverständigen eine Überprüfung der Aussagen und Forderungen dieses Gutachtens in angemessenen Zeitabständen für geboten halten«. Generell ist zu sagen, dass eine tierfreundliche Umsetzung unmöglich erscheint. Wir raten daher vom Kauf lebendiger Fische strikt ab.

Schlachtung

Die Schlachtungsmethoden für Fische in Aquakulturen können besonders grausam sein. Zunächst lässt man die Tiere häufig sieben bis zehn Tage vor der Schlachtung hungern, damit sich der Verdauungstrakt vollständig leert. Die verwendeten Tötungsmethoden beinhalten das Ersticken der Fische an Land oder auf Eis gelegt. Auf Eis gelegt verlieren die Tiere erst nach 15 Minuten das Bewusstsein. Werden die Fische vor der Tötung betäubt, so erfolgt das häufig mit CO₂, das zu panikartigen Reaktionen bei den Fischen führt. Nach 30 Sekunden hören die Fische auf, sich zu bewegen, verlieren das Bewusstsein allerdings nicht für weitere vier bis neun Minuten. Wie uns der Verein fair-fish mitteilt, wird in letzter Zeit auch vermehrt elektrisch oder per Schlag betäubt, was weniger Leid verursacht als die CO₂-Betäubung.
Fazit

In Aquakulturen leiden die Fische in der Regel so massiv, dass diese Form der Massentierhaltung eins der drängendsten Tierschutzprobleme unserer Zeit darstellt. Bislang bringen wenige Menschen Mitgefühl für Fische auf. Das mag daran liegen, dass die Leiden der Fische für das ungeschulte Auge kaum erkennbar sind. Und so ist es vielleicht erklärbar, dass der Schutz von Fischen bei den meisten Tierschutzorganisationen ein Schattendasein fristet. Unsere Bitte an Sie: Machen Sie es besser als die meisten anderen – haben Sie ein Herz für Fische.

Was man tun können (in aufsteigender Reihenfolge)

Esse keinen Fisch aus konventioneller Aquakultur!
Esse nur Friedfische wie Karpfen, Tilapia oder Pangasius aus Bio-Aquakultur, da hier zumindest kein Fischmehl verwendet wird und die Bedingungen etwas besser sind.
Esse auch keinen Fisch aus Bio-Aquakultur, denn auch hier können Leiden für die Fische und für Fressfeinde keinesfalls ausgeschlossen werden.
Die gesundheitsfördernden Omega-3-Fettsäuren in Fisch können Sie genauso gut über Rapsöl (1 Teelöffel pro Tag), Leinöl (1/4 Teelöffel pro Tag), Walnüsse (3 Hälften pro Tag), oder gemahlene Leinsamen (1 Teelöffel pro Tag) zu sich nehmen

Warum sagt niemand, dass wir zu viel Fisch essen?

Zum heutigen Weltmeerestag möchten wir die Organisation fair-fish zitieren, die die oben genannte Frage stellt.

Immer wieder wird von Umweltschutzverbänden und Verbrauchern eine nachhaltigere Fischerei gefordert. Dies ist zwar vollkommen richtig, übersieht aber den eigentlichen Kern des Problems: Wir essen schlicht und einfach zu viel Fisch.

fair-fish vergleicht den Effekt aller Maßnahmen für eine nachhaltigere Fischerei mit dem Effekt eines Katalysators für Autos: Eine gewisse Wirkung ist nicht zu leugnen, aber der immer weiter zunehmende Verkehr sorgt dafür, dass der positive Effekt der Katalysatoren wieder neutralisiert wird. Ebenso verhält es sich mit dem Fischkonsum, der von vielen Seiten bedenkenlos beworben wird.

Laut fair-fish geben Weltmeere und Aquakultur nicht mehr als ein bis zwei Fischmahlzeiten pro Person und Monat her. Darüber hinaus möchten wir aus zwei Gründen anregen, noch weniger bzw. gar keinen Fisch zu essen: Zum einen werden sich nur wenige auf 1-2 Fischmahlzeiten pro Monat beschränken, weshalb es zum Ausgleich vieler Menschen bedarf, die keinen Fisch essen, und zum anderen spricht vieles dafür, dass Fische in etwa genauso leidensfähig sind wie Tiere, die an Land leben.

 

Quellenangabe:
http://albert-schweitzer-stiftung.de/tierschutzinfos/massentierhaltung/aquakultur

http://albert-schweitzer-stiftung.de/aktuell/warum-sagt-niemand-dass-wir-zu-viel-fisch-essen

1 Kommentar zu “Heutiger Weltmeerestag – Aquakultur, die vergessene Massentierhaltung

  1. Klasse, dass Ihr hier so ausführlich berichtet!
    Mein Vegetarierdasein beinhaltet selbstverständlich auch das Nichtessen von Fischen, ich bin immer wieder geschockt, wie viele, ansonsten schon kluge Menschen, das Leid der Fische tatsächlich ausklammern!

    Katrin

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