76 Gelassenheitsübung: Wie wäre ich mit meinem Temperament ein Heiliger

Gelassenheit Entwickeln - Podcast für mehr Gelassenheit im Alltag

Kleine und machtvolle Gelassenheitsübung – als Meditation geeignet, oder auch machbar mit Papier und Stift – und beim Autofahren, Zugfahren, Fahrradfahren. Und auch umsetzbar, wenn du mal nicht weißt, wie du in einer bestimmten Situation dich verhalten kannst/solltest. Frage dich selbst: “Wie wäre ich, wenn ich mit meinem Temperament, mit meiner Persönlichkeit, ein Heiliger, eine Heilige wäre?” Anders ausgedrückt: Angenommen du wärst in ein paar Jahrzehnten heilig geworden, und du wärst dann in dieser Situation: Wie würdest du dann in dieser Situation umgehen? Wie würdest du denken, fühlen, handeln? Oder noch eine Möglichkeit: Angenommen es gäbe einen Weisen, der/die das gleiche Temperament, Persönlichkeit und Vorwissen wie du hätte – wie würde er/sie sich verhalten? Was würde er/sie machen? wie würde er/sie diese Situation erspüren, sich mit ihr fühlen? Eventuell findest du ein paar Sachen, die du sogar gleich umsetzen kannst. Sukadev erzählt auch über ein paar Yogis, die er selbst kannte. Diese gelten als große Yoga Meister – waren im Temperament aber sehr, sehr unterschiedlich.

76. Ausgabe des Yoga Vidya Gelassenheits-Podcast von und mit Sukadev Bretz. Mitschnitt aus einem SeminarGelassenheit entwickeln” bei Yoga Vidya Bad Meinberg.

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Heute eine kleine Übung: Wie würde ein Heiliger sein, wenn er mein Temperament hätte, wie wäre ich, wenn ich eine Heiliger wäre? Da könnt ihr gerade mal ein paar Momente selbst überlegen: Könnt ihr euch mit irgendeinem dieser Temperamente identifizieren oder feststellen, bin ich z.B. Vata, Pitta, Kapha oder Optimist, Pessimist oder zyklothym oder etwas ganz anderes. Und ihr könnt überlegen: Wie würde ein geschickter Umgang mit diesem Temperament aussehen. Oder anders ausgedrückt: „Angenommen, ich wäre mit diesem Temperament ein Heiliger, wie wäre ich?“ Yogis sagen ja, langfristig sind wir alle Heilige, ob in diesem Leben oder im nächsten Leben, aber manchmal kann das Temperament auch wechseln von einem Leben zum anderen. Aber nehmen wir an, ihr hättet dieses Temperament und da wäre was dran an der Reinkarnationslehre und ihr wärt irgendwann ein Heiliger mit diesem Temperament, könnt ihr mal überlegen: „Wie wäre ich?“ Wenn ihr wollt, könnt ihr das auch aufschreiben, wenn nicht, könnt ihr überlegen mit offenen oder geschlossenen Augen für ein paar Minuten. Das ist übrigens auch eine kleine Übung, die man so ab und zu mal machen kann, neben den vielen anderen Übungen. Und wie gesagt, schaut, welche euch am hilfreichsten ist. Man kann überlegen: „Angenommen, in zwanzig Jahren wäre ich vollkommen und mit dieser Vollkommenheit würde ich jetzt in diesen Körper zurückkehren, in diese Situation. Wie wäre ich?“ Und zwar realistisch gesehen, Körper ist so, wie er ist, Temperament ist so, wie es ist, die intellektuellen Fähigkeiten sind so, wie sie sind und die Wahrnehmungsfähigkeiten sind so, wie sie sind. Wie wärt ihr als Heiliger? Das kann man sich täglich überlegen oder einmal die Woche, am Sonntag z.B. Und manches, wird man feststellen, kann man dann sogar umsetzen.

Vielleicht anekdotisch noch: Ich kannte ja viele Schüler von Swami Sivananda. Und Swami Sivananda war etwas Besonderes als Meister in der Richtung, dass er viele Schüler hatte, die von ihren Schülern dann selbst als Meister verehrt wurden. Es gab keinen Meister, der mir bekannt ist, der so viele Schüler hatte, die dann selbst von ihren Schülern als Heilige verehrt wurden. Und die waren alle anders. Ich kannte so einen namens Swami Chidananda, das war der, der auch sein Nachfolger in Rishikesh war, der ist für mich die Inkarnation von Gelassenheit gewesen. Also, wenn man Gelassenheit in Reinstform nehmen will, es könnte kein besseres Beispiel geben. Der hat immer ruhig gesprochen. Der hatte eine ruhige Gestik. Wenn er Vorträge gehalten hat, saß er ganz ruhig. Er hat freundlich lächelnd die Menschen angeschaut, dann hat er die Hand gehoben und hat weitergesprochen. Er hat Pausen gemacht, er konnte auch mal schneller sprechen. Die gelassene Art war manchmal so, dass es zu Anfang schwerfiel, ihm zu folgen, aber wenn man die ersten fünf Minuten genutzt hat, sich bewusst darauf einzulassen, dann war man in diesem Geist von Gelassenheit, von Verbundenheit und letztlich, ich meine, er war im Gottesbewusstsein und das hat er dann auch übertragen. Wenn er gegangen ist, er ist nicht gegangen, er ist geschritten, er ist fast geschwebt. Er war auch ganz dünn gewesen, fast hager, es ist so ein Leuchten von ihm ausgegangen.

Und ich habe ihn in mehreren Situationen erlebt, wo Dinge auch schwierig waren. Er hat eine große Verantwortung gehabt als Leiter dort. In Indien ist es ja so üblich, zu den großen Lehrern, da kann man auch hingehen zu ihren Bürozeiten und dann geben die zwischendurch einem ein paar Ratschläge, anschließend kommt jemand, der will, dass ein Scheck unterschrieben wird, dann erzählt jemand anderes irgendwelche Horrormeldungen, da musste er schnell was sagen. Und das ist alles so öffentlich. Das ist eine interessante Sache, zumindest im Sivananda Ashram ist das so und ich kenne auch zwei andere Ashrams, wo das auch so ist. Da kriegt man die Interna gleich serviert und da weiß man, da wird nichts vorgegaukelt. Man lernt auch davon. Ich habe den Swami Chidananda eben gesehen auf seinen Reisen, die Ruhe selbst.

Dann habe ich den Swami Vishnu gekannt. Swami Vishnu, im Temperament das Gegenteil von Swami Chidananda. Emotional, wahrscheinlich hat er als Kind schon ein eher zyklothymes Temperament gehabt, das hat auch seine Mutter mal jemandem bestätigt, himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt, Hochenergie- und ruhige Energiephasen abgewechselt. Der konnte überschäumen vor Freude und vor Enthusiasmus und dann gab es Phasen, wo er gesagt hat, er will jetzt seine Ruhe haben und mehr meditieren, wo er mit niemandem sprechen wollte und ruhig war. Und das konnte Wochen, das konnte Monate dauern. In seinen späteren Jahren konnte er sich das auch leisten. In den ersten fünfundzwanzig Jahren im Westen konnte er das nur ein paar Wochen machen, wo er dann ganz ruhig war. Aber auch dort gab es dann Phasen, wo dann unglaublich viel Action war und ein Zentrum nach dem anderen eröffnet wurde, aber andere Phasen, wo es dann ruhiger war und dann hat er halt mehr meditiert. Und er konnte sich unglaublich über etwas freuen, er konnte sich aber auch ärgern, wenn Leute nicht gemacht haben, was zu tun war. Und dieses hat er dann auch Gott dargebracht. Er hat uns mal gesagt, er könnte auch sein Temperament zügeln – und ich habe auch Beispiele gesehen, wo ich das gemerkt hatte – aber er geht auch davon aus, Gott wirkt auch dadurch. So könnte ich jetzt noch von vielen anderen erzählen, ich kannte ein halbes Dutzend der engen Schüler von Swami Sivananda persönlich, jeder war anders und so zeigen die uns, jeder von uns kann anders leben. Also, Gelassenheit heißt auch für jeden anderes. Was heißt das praktisch? Man mag nach außen gar nicht gelassen erscheinen und ist es vom Inneren her doch.

Ich will dir gerade nochmals die Grundprinzipien dieser Übung vergegenwärtigen. Es ist eine kleine und machtvolle Gelassenheitsübung, als Meditation geeignet oder auch machbar mit Papier und Stift und auch immer wieder in allen Situationen. Frage dich selbst: „Wie wäre ich, wenn ich mit meinem Temperament, mit meiner Persönlichkeit ein Heiliger, eine Heilige wäre?“ Oder anders ausgedrückt: Angenommen, du wärst in ein paar Jahrzehnten heilig geworden und du wärst dann in dieser Situation. Wie würdest du dann in dieser Situation umgehen? Wie würdest du denken, fühlen, handeln? Oder auch, angenommen, es gäbe einen Heiligen, der hätte das gleiche Temperament wie du und das gleiche Wissen und die gleiche Persönlichkeit. Wie würde er, sie jetzt handeln? Und evtl. findest du, wenn du darüber nachdenkst, ein paar Sachen, die du sogar gleich umsetzen kannst. Dies ist sogar etwas, was du zwischendurch machen kannst. Wenn du irgendwo nicht weißt: „Wie soll ich damit umgehen?“ Dann überlege: „Wie würde ich umgehen, wenn ich mit meinem Temperament und mit meinem Vorwissen vollkommen wäre?“ Und dies hilft dir, das zu verstehen. Es ist auch gut, wenn du etwas mehr über verschiedene Heilige und Meister herausfindest, wenn du die Lebensgeschichten von Heiligen und Weisen liest. Nicht, um dich unter Druck zu setzen, sondern um zu sehen, jeder ist anders. Und natürlich, sei gelassen. Sei gelassen auch mit dir selbst. Selbst wenn du manchmal weißt, „so wäre es vielleicht gut, zu handeln, aber ich kriege es jetzt nicht hin“, ist das auch ok, denn ein Baby wächst irgendwann auf und ein Jugendlicher wird irgendwann erwachsen. Ähnlich gibt es auf dem Weg zur Gelassenheit viele Schritte und Stufen und es schadet auch nichts, wenn du mal scheiterst in deinem Bemühen, in jeder Situation gelassen zu sein. Das macht dich menschlich, das macht dich liebevoll und das hält dich auch demütig.

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