Wie du deine Menstruation zu einer spirituellen Erfahrung machst

“Die Menstruation war für mich lange Zeit ein unter Männern und Frauen ungleich verteiltes Übel”. Erst starke Regelschmerzen führten bei Lisa zu einem Umdenken – und öffneten ihr das Tor zu dem faszinierenden spirituellen Potenzial ihres Zyklus.

Ein schwieriger Start

Ich kann mich nicht mehr an den Tag erinnern, an dem ich das erste Mal meine Periode bekam. Es war wohl irgendwann in der sechsten oder siebten Klasse. Und scheinbar war es mir so unangenehm, dass mein Gehirn diesen Moment lieber aus meinen Erinnerungen löschte. Stattdessen erinnere ich mich an die Schulsportstunden, an denen ich deshalb nicht teilnehmen musste.

Jeden Freitagvormittag saßen zwei, drei Mädchen am Rand der Sporthalle auf den langen Holzbänken und bluteten vor sich hin. Für mich, die Schulsport nie gemocht hatte, schien es der einzige Vorteil, den die Menstruation bot. Denn alles andere, womit ich die Periode in meinem Kopf verband, war negativ: Schmerzen, Stimmungsschwankungen, Scham. Die Menstruation war für mich lange Zeit ein unter Männern und Frauen ungleich verteiltes Übel.

Heute sieht das anders aus. Denn vor einigen Jahren begann ich mich genauer mit dem Menstruations-Zyklus zu beschäftigen. Ursprünglich interessierte ich mich nach dem Absetzen der Pille aus Gründen der Verhütung für dieses Thema. Dann kamen durch starke Menstruationsschmerzen gesundheitliche Gründe hinzu. Und letztlich begann ich mich aus spirituellen Gründen für die Menstruation zu interessieren.

Seither wurde meine Perspektive auf meinen Körper und den Menstruations-Zyklus ganz schön auf den Kopf gestellt. Und so herum gefällt mir das Ganze wesentlich besser. Denn ja, die Menstruation kann eine äußerst spirituelle Erfahrung sein, wenn du dich darauf einlässt.

Zyklus der Menstruation als die inneren vier Jahreszeiten

Aber fangen wir einmal von vorne an. Wie du vielleicht weißt, ist der Menstruations-Zyklus in vier verschiedene Phasen unterteilt. Viele Zyklusexpertinnen sprechen in diesem Zusammenhang auch von den vier inneren Jahreszeiten.

Frühling, Sommer, Herbst und Winter

Jeder Menstruations-Zyklus beginnt mit dem ersten Tag der Blutung. Die Zeit der Periode, bzw. meist schon ein, zwei Tage vor der Periode wird der innere Winter genannt. Danach folgt die Phase vor dem Eisprung, auch Folikelphase oder innerer Frühling.

Die Zeit um den Eisprung herum wird auch als innerer Sommer bezeichnet und der Kreis schließt sich mit der Phase nach dem Eisprung, auch Gelbkörperphase oder innerer Herbst. In kommenden Blogartikeln werden wir uns auch noch den anderen Zyklusphasen widmen und wie du diese Phasen spirituell für dich nutzen und mit der passenden Yogapraxis begleiten kannst.

Mit Pille ist ohne Zyklus

Zuvor ist es jedoch wichtig zu erwähnen, dass du keinen Menstruations-Zyklus hast, wenn du die Pille nimmst oder ein anderes Verhütungsmittel mit künstlichen Hormonen benutzt (NuvaRing, Hormonspirale, Hormonpflaster, etc.). Denn in diesem Fall hast du keinen Eisprung und die Hormone fluktuieren nicht wie im natürlichen Menstruationszyklus.

Auch die Blutung ist dann keine Menstruation, sondern eine sogenannte Abbruch-Blutung und die hier genannten positiven Effekte auf Körper, Geist und Seele fallen weg. Für mich war das alles, zusammen mit den vielen anderen Nebenwirkungen, die hormonelle Verhütungsmittel auf den Körper haben, Grund genug, die Pille abzusetzen. Meine Frauenärztin war damals dagegen. Ich wechselte die Frauenärztin und setzte die Pille trotzdem ab.  

Schmerzen während der Menstruation: Ein Perspektivwechsel

Ungefähr ein Jahr, nachdem ich die Pille abgesetzt hatte, quälten mich jeweils in den ersten Tagen meiner Periode starke Menstruationsschmerzen bis hin zu Schwäche- und Schwindelanfällen. Ich erinnere mich ganz konkret an einen Uni-Tag, an dem ich meine Periode bekam und plötzlich so schwach war, dass ich es nicht mehr mit dem Fahrrad nach Hause schaffte.

Auf dem Fußweg bis zu meiner WG wäre ich fast umgekippt. Ich kenne viele Frauen, für die ihre Regel eine wahrhafte Tortur ist, die sie nur mit 600er Ibuprofen überstehen können. Auch psychische Probleme, wie starke depressive Verstimmungen, Selbstwertprobleme und Sorgenkreise gehören für viele kurz vor und während ihrer Periode dazu.

Aber: Das ist nicht normal. Ein gesunder Körper und Geist, der sich in einem hormonellen Gleichgewicht befindet, hat weder vor, noch während der Menstruation, Schmerzen oder depressive Verstimmungen. Wenn du Schmerzmittel benötigst, um durch deine Periode zu kommen, dann ist das ein deutliches Zeichen deines Körpers, das etwas aus der Balance geraten ist.

Die Begründerinnen des Systems der vier inneren Jahreszeiten, Alexandra Pope und Sjanie Hugo Wurlitzer, sind sich nach jahrzehntelange Erfahrung in der Aufklärung über den Menstruationszyklus sicher: Wenn die Natur des Menstruationszyklus wieder in den Alltag integriert wird, kann die Periode für jede menstruierende Person nicht nur schmerzfrei erlebt werden, sondern revitalisierend, inspirierend und sogar ekstatisch sein. Wenn das mal nicht gute Neuigkeiten sind!

Menstruation als spirituelle Erfahrung leben

Die Menstruation kann deine Meditation auf eine neue Stufe heben

Der größte Knackpunkt ist dabei, die Menstruation wieder als das zu verstehen, was sie ist: ein Geschenk. Eine allmonatliche Erinnerung Altes loszulassen und Neues einzuladen. Quasi der Reset-Button der Natur. Wie oben schon erwähnt, beginnt die Phase des inneren Winters eigentlich ein paar Tage vor dem Einsetzen der Blutung und endet mit dem letzten Tag der Periode.

Die Menstruation ist eine monatliche Kur

Wie die typischen Assoziationen mit der Jahreszeit Winter steht diese Phase des Menstruationszyklus für Rückzug, Innehalten, Ruhe, Verarbeitung und Regeneration. Oder auch: dein ganz persönliches spirituelles Retreat. Jeden Monat.

Diese Qualitäten bewusst zu erleben und dadurch mühelos durch den Prozess der Erneuerung zu gehen, ist die Einladung der Menstruation an uns. Konkret bedeutet das, dich so gut es geht, aus dem Alltag herauszunehmen und deinen ganz persönlichen Safe Space zu kreieren. Die Menstruation ist die Zeit, um dich selbst zu verwöhnen.

Wie gesagt, denke: Retreat! Du kannst dir dazu eine besondere Atmosphäre schaffen, z. B. mit einem Menstruations-Altar oder einer bestimmten Kette, die du nur während der Periode trägst. Tue Dinge, bei denen du dich entspannen kannst und die du gerne tust. Vielleicht ziehst du mal wieder eine Handarbeit heraus oder musizierst, malst, oder legst dich mit einem guten Buch oder einfach mal ganz ohne Ablenkung aufs Sofa.

Wähle sorgsam aus, wen du in dieser sensiblen Zeit um dich haben möchtest und lege nur Treffen mit ausgewählten Menschen in diese Zeit. Kraftraubende Projekte sind viel leichter in anderen Zyklusphasen zu bewerkstelligen, also gehe diese lieber erst nach der Periode an.

Der Wocheneinkauf lässt sich z. B. gut kurz vor deiner Menstruation erledigen und stattdessen kannst du mehr bewusste Zeit in der Natur verbringen. Oder bitte deine*n Partner*in, sich in der Zeit um den Haushalt und das Kochen zu kümmern. Viele Expertinnen empfehlen auch eine Auszeit von Social Media zu nehmen und sich allgemein von Bildschirmen fern zu halten. Lieber ganz im Jetzt sein und Wahrnehmen. Und der Rest ist reine Magie.

Von Visionen und Red Tents

Die Zyklusexpertinnen Alexandra Pope und Sjanie Hugo Wurlitzer gehen davon aus, dass ein bewusst gelebter Zyklus die höchste spirituelle Praxis ist, die ein menstruierender Mensch ausführen kann. Denn wer die Menstruation bewusst im Rückzug vom Alltag erlebt, kann die Verbindung mit sich selbst stärken, Zugang zu intuitivem Wissen erhalten und sogar Visionen über den folgenden Zyklus oder die fernere Zukunft schauen.

Und das sind keine New-Age-Spekulationen. In vielen indigenen Völkern war es üblich, dass sich Menstruierende in einen Safe Space zurückzogen (z.B. das sogenannte Red Tent) und dort Rituale ausführten, ihre Periode und Fruchtbarkeit feierten und tiefe spirituelle Erfahrungen machten. Denn während der Menstruation sind Körper und Geist besonders sensibel gegenüber feinstofflichen Energien.

Und das Ganze funktioniert wirklich. Seitdem ich meine Menstruation als spirituelle Erfahrung ansehe und die Gedanken, die ich während der Periode habe, ernst nehme, hatte auch ich schon einige Eingebungen. Beispielsweise bekam ich während der Menstruation einmal die starke Lust, mich mehr auf das Filmen und Schneiden von Videos zu konzentrieren, was in der damaligen Lebenssituation wenig Sinn ergab.

Ein Jahr später wurde genau das plötzlich und unvorhergesehen meine berufliche Hauptbeschäftigung. Hierfür kann es hilfreich sein, während der Periode ein Notizbuch bei sich zu tragen und solche Eingebungen, egal wie sinnlos sie klingen, aufzuschreiben.

Ebenso kann die Menstruation geeignet sein, um eine Erfahrung oder einen Menschen loszulassen oder Klarheit über ein Problem zu gewinnen, indem quasi über das Thema geblutet wird. Das kann z. B. in Form einer Intention zu Beginn der Periode passieren.

Viel mehr ist dann gar nicht zu tun. Am Ende der Menstruation ist meist ganz plötzlich eine Antwort da. Einfach so. Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich frage mich, wie viel Kraft wohl von Frauen unangetastet bleibt, weil sie nie gelernt haben, wie sie die Menstruation für sich nutzen können.

Ist ja schön und gut, aber wie geht das in der heutigen Zeit?

Ich persönlich glaube daran, dass sich unsere Gesellschaft dahin entwickeln wird, Menstruierenden Zeit für ihr Retreat während der Periode einzuräumen. Länder, wie Spanien, Schweden, Indonesien oder Sambia machen es uns vor, dort gibt es nämlich bereits den sogenannten Menstruationsurlaub, d. h. zusätzliche Urlaubstage während der Menstruation. Deutschland ist da ja leider noch nicht ganz so weit…

Ich finde es besonders hilfreich, offen über meine Zyklusphasen zu sprechen. Wenn ich meine Menstruation habe, dann erzähle ich das. Natürlich nicht jedem Hans Wurst, dem ich auf der Straße begegne, aber vertrauenswürdigen Menschen, mit denen ich in dieser Phase Zeit verbringe, also Freund*innen, Familie, Partner, Vorgesetzten. Ich kündige den Menschen um mich herum an, dass ich nun mehr Zeit für mich benötige und nicht so viel leisten kann, wie sonst. Und ich stoße dabei auf sehr viel Verständnis.

Generell kann ich empfehlen, klein anzufangen. Als ich z. B. noch als Yogalehrerin im Uni-Sport gearbeitet habe, bekam ich meine Periode oft mittwochs, genau an dem Tag, an dem ich zwei lange Yogastunden gab. Da ich die Yogastunden nicht absagen wollte, beschloss ich, es mir danach richtig gut gehen zu lassen.

Also gönnte ich mir jeden Menstruations-Mittwoch nach den Yogastunden in einem kleinen Café eine unglaublich leckere hausgemachte Tomatensuppe und trank einen frischen Hibiskus-Ingwertee. Es war etwas Besonderes für mich, weil ich nur sehr selten Essen ging. Und das wurde mein Menstruationsritual.

Menstruieren ist Leistung genug

Wenn du aus diesem Artikel eine Sache mitnimmst, dann bitte, dass du während deiner Menstruation im Außen nicht dieselbe Leistung erbringen musst, wie sonst. Denn wenn wir uns einmal dem Inneren zuwenden, merken wir, dass unser Körper während der Periode bereits auf Hochtouren arbeitet. Er verwendet sehr viel Energie darauf, die Gebärmutter immer wieder zu kontrahieren und zu entspannen und das ist letztlich nichts anderes als kleine Wehen.

In diesem Prozess löst sich die Gebärmutterschleimhaut Stück für Stück und wird ausgeschieden. Von der psychischen Reinigung unseres Systems ganz zu Schweigen. Letztes Jahr hatte ich mit ein paar Freundinnen ein kleines Haus in Polen gemietet und ich bekam ausgerechnet am letzten Tag, an dem Aufräumen und Putzen angesagt war, meine Periode.

Ich spürte das starke Bedürfnis, mich auszuruhen, aber gleichzeitig kam mir das den anderen gegenüber unfair vor. Als ich gerade an der Spüle stand, sagte eine der Frauen zu mir: „Lisa, setz dich in die Hängematte und blute einfach! Damit tust du heute schon genug!“

Menstruierende leisten zyklisch

Wenn ich meine Periode als wirklich erholsam erlebe und es schaffe, zumindest vorübergehend den Gedanken beiseite zu schieben, dass ich im Außen dauerhaft Leistung erbringen muss, erlebe ich anschließend oft ein regelrechtes Wiedergeburtsgefühl und bin voller Kraft und Energie für den kommenden Zyklus und den Alltag. Auch erlebe ich dann die folgende Periode oft wesentlich schmerzfreier und angenehmer.

Noch leichter fällt mir das Ganze, seitdem mir eine Hormonyogalehrerin klarmachte, dass Menstruierende nicht stetig, sondern zyklisch leisten. Also dass es keinen Grund zur Sorge gibt, wegen der Menstruationspause, einen langfristigen Leistungsabfall zu erleben, da sich das Niveau, sei es sportlicher oder beruflicher Natur, ganz von selbst wieder nach oben einpendelt, wenn die Periode vorüber ist.

Vor ein paar Tagen habe ich mich mit einer Frau in ihren Fünfzigern unterhalten. Sie erzählte mir von ihrer Menstruation, die sie bis zum 48. Lebensjahr regelmäßig gehabt hatte, dann noch zwei Mal unregelmäßig und dann sei es vorbei gewesen. Als sie mit 50 dann offiziell in der Menopause angekommen war und ihr klar wurde, dass sie nun nie wieder ihre Periode bekommen würde, wurde sie traurig. Sie erzählte mir: „Da ist mir aufgefallen, dass ich während der Menstruation einfach immer so weitergemacht hatte wie bisher.

Es war nichts Besonderes für mich gewesen, ich habe dem Ganzen gar keine große Beachtung geschenkt. Heute weiß ich, dass es sehr besonders war.“ Auch ich bedaure, dass ich den besonderen Moment meiner ersten Menstruation verdrängt habe, weil mir nicht klar war oder es mir nicht klar gemacht wurde, was für ein Geschenk die Menstruation ist.

Ich würde mich gerne an meine erste Periode erinnern können. Und ich hätte sie gerne voller Lebensfreude begrüßt und gefeiert. Stattdessen mache ich es jetzt zu einer Priorität, ihr die Wertschätzung entgegen zu bringen, die sie verdient. Jeden Monat neu.


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Über die Autorin

Für Lisa Brenner ist der Körper Brücke zu sich selbst, Medium für den ganz individuellen (künstlerischen) Ausdruck und als Verkörperung von Shakti Weg zum Göttlichen im tantrischen Sinne.

2021 absolvierte sie ihr Bachlorstudium an der Leuphana Universität Lüneburg und der Université Bordeaux Montaigne mit den Schwerpunkten Körper, Sexualität und holistische Bildung.

Im selben Jahr schloss sie die Hatha-Yogalehrerausbildung bei Yoga Vidya ab und begann Literarisches Schreiben und Kulturjournalismus an der Universität Hildesheim zu studieren.

Seither ist sie als Yogalehrerin tätig, hält Seminare und Vorträge zu den Themen Körper und Sexualität und gibt Schreibworkshops für Jugendliche und Erwachsene. Seit Februar 2023 lebt sie im Ashram in Bad Meinberg.

3 Kommentare zu “Wie du deine Menstruation zu einer spirituellen Erfahrung machst

  1. Anonymous

    Schön geschriebener Artikel und total tolle neue Eindrücke über dieses kraftvolle Geschenk der Natur!

  2. Vielen Dank, toller Artikel.

  3. Kirsten Parashakti

    Liebe Lisa,
    Vielen Dank für diesen Artikel. Ich beschäftige mich gerade sehr intensiv mit dem kleinen Zyklus, der sich monatlich wiederholt und dem großen, der ein Leben abbildet. Mein großes Thema sind gerade die Wechseljahre. Ähnlich unterschiedlich, wie die Menstruation wahrgenommen wird, wird auch das Klimakterium wahrgenommen. Von den Frauen und deren Umgebung. Dein Artikel ist eine schöne Inspiration. Auch die Wechseljahre haben große transformatorische Kraft. Aus Deinem Artikel kann ich viel für mich und meinen Unterricht mitnehmen. Om Shanti parashakti

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