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15. Kapitel : Der Yoga des Höchsten Geistes

Purusha und Prakriti
Hier steht „Geist“ nicht für „manas“, das Denkprinzip, sondern für „purusha“, den „höchsten Geist“. „Purusha“ ist die Seele oder das Bewusstsein, und „uttama“ heißt das Höchste.
Purushottama“ ist der höchste Geist, das höchste Bewusstsein.
Es gibt verschiedene Bedeutungen von  „purusha“

1) Purusha als universelles und individuelles Bewusstsein
In der Sankhya-Philosophie ist „purusha“ das Bewusstsein, das nichtstoffliche unveränderliche ewige Bewusstsein, welches in allen Wesen gleich ist. Es verbindet sich mit der „prakriti“, der Ur-Natur, und splittert sich scheinbar in Einzelseelen auf, so dass der „purusha“, der durch ein Körper-/Geistkontinuum hindurch wirkt, als Einzelseele erscheint und die Welt wahrnimmt. In diesem Sinne entspricht dem Purusha (Begriff aus der Sankhya-Philosophie) in etwa dem Prinzip von „Brahman“, dem Absoluten, und „Jiva“, der individuellen Seele, in der Vedanta-Philosophie.

2)       Purusha als Lebewesen
Die eher wörtliche Übersetzung ist „das was beseelt ist“.

3)       Purusha als Mensch
In anderer Hinsicht wird „Purusha“ einfach im Sinne von „Mensch“ verwendet.

4)       Purusha als kosmischer Organismus
Die „purusha suktam“, eine uralte, machtvolle Hymne aus dem Rigveda, die bei größeren Pujas (Ritualen) in Indien und auch im Haus Yoga Vidya an den meisten indischen Feiertagen und einmal im Monat am Donnerstag rezitiert wird, ist eine Anrufung Gottes als kosmischer Purusha. Das ganze Universum ist wie ein Organismus. Das physische Universum ist der physische Körper Gottes, das astrale Universum ist der Astralkörper Gottes und das kausale Universum ist der Kausalkörper Gottes. Gott im höchsten Sinn bleibt aber jenseits des gesamten manifesten Universums. „Purusha“ oder „Ishvara“, Gott, verkörpert das Universum als Gesamtorganismus und wir als Individuum, als „jiva“, beseelen dieses Körper-Geist-Psyche-System.

Dies entspricht übrigens einer modernen Hypothese der Systemtheorie in der Biologie, wonach Leben nicht als eine Ansammlung von Teilen zu verstehen sei sondern als Organismus. Jede Zelle ist ein eigenständiger Organismus. Sie hat bestimmte Organisationsprinzipien, steht in Kontakt mit anderen Zellen, nimmt Stoffe auf, gibt Stoffe ab. Innerhalb von hundert Tagen tauschen sich fast alle Atome des menschlichen Körpers aus. Aber die Zelle als Gesamtorganismus existiert relativ lange. So verändert sich auch unser Körper ständig, als Gesamtorganismus lebt er aber länger. Die Atome und Moleküle werden nach bestimmten Organisationsprinzipien immer wieder ähnlich angeordnet. Das gilt für jede Zelle, die wiederum Teil eines größeren Organismus ist, z.B. eines Organs, welches wiederum ein in sich geschlossenen Systems ist, das mit der Umwelt in Austausch steht. Jedes Organ ist Teil dieses ganzen „Mensch“ genannten Organismus: Der Mensch seinerseits ist Teil eines Familiensystems, die Familie wiederum Teil einer größeren Gemeinschaft usw.

Je nach Lebensumständen ist man Teil mehrerer verschiedener Organismen bzw. Organisationsprinzipien, von denen man auch beeinflusst ist – nicht vollständig natürlich, aber sie haben einen gewissen Einfluss.

Praxisbeispiel:

Bei Yoga Vidya sind wir zum Beispiel eine Ashramgemeinschaft. Wenn Menschen für Aus- oder Weiterbildungen oder Yogaferien hierher kommen, merken sie, dass das energetisch und von der Atmosphäre her etwas anderes ist als zum Beispiel eine Hotelgemeinschaft mit zwei- oder viertausend Betten auf Teneriffa. Man tritt bis zu einem gewissen Grad in diesen Organismus ein. Egal was man macht, man ist nicht im leeren Raum, sondern immer Teil des jeweiligen Umfeldes. Daher ist es auch wichtig und hat seine Vorzüge, wenn man bewusst auswählt, von welchem größeren Organismus man Teil sein will.

Wenn wir das Ashrambeispiel weiter ausbauen wollen, sind wir auf gewisse Weise auch Teil des spirituellen Körpers von Swami Sivananda, dem Yogameister, in dessen Tradition wir bei Yoga Vidya den ganzheitlichen Yoga leben und lehren. Über die Lehre und das Übungssystem sind wir mit seiner Energie und seiner Führung verbunden.

Das Wunder des Organismus Erde

Wir sind Teil dieses Ökosystems des Planeten Erde. Dass es überhaupt Leben auf der Erde gibt, ist eines der allergrößten Wunder. Dass dieses komplexe fragile Ökosystem immer noch existiert und funktioniert, ist ein noch größeres Wunder. Warum? Um nur einen Aspekt dieses Wunders zur Illustration herauszugreifen: Zum einen muss der Planet eine gewisse Temperatur haben, um Leben dieser Art, wie es auf der Erde existiert, zu ermöglichen. GaiaAngenommen die Temperatur läge dauerhaft über 40 Grad, dann würden alle Eiweißmoleküle zerstört. Angenommen die Temperatur läge dauerhaft unter 0 Grad, dann würde das Wasser gefrieren und es wäre auch kein Leben möglich. Im ganzen Universum variiert die Temperatur von minus 263 Grad Celsius bis mehrere 100.000 Grad Celsius. Das Temperaturspektrum zwischen 0 und 40 Grad, das Leben auf dieser Erde ermöglicht, ist also sehr begrenzt. Damit die Temperatur dauerhaft so bleibt, muss eine Atmosphäre da sein, müssen Wolken da sein, muss Wasser kühlen usw. Dieses Gleichgewicht kann jederzeit gestört werden. Es gab in der Geschichte der Erde zum Beispiel schon mehrmals Meteoriten-Einschläge, die das ganze Ökosystem durcheinander gebracht haben. Dabei sind über die Hälfte der Lebensformen auf der Erde untergegangen, aber irgendwie hat das System sich wieder regeneriert.

Die Erde verhält sich wie ein sich selbst regenerierender Organismus, so als könne sie Krankheiten haben und diese selbst wieder heilen, als könne sie sich einstellen auf unterschiedliche Umweltbedingungen und sich immer wieder anpassen und regenerieren.

Wir Menschen sind wie Zellen im Organismus der Erde – und hoffentlich sind wir Zellen und nicht schädliche Bakterien. Ich gebe einen treffenden Witz weiter, wo sich zwei Planeten im Universum treffen. Der eine sagt: „Oh, mir geht es gar nicht gut“. Fragt der andere: „Ja was hast du denn?“. Er antwortet: „Ich hab’ Homo Sapiens“. Darauf der andere: „Das vergeht, mach dir keine Sorgen.“

Hoffen wir also, dass wir nicht Krankheitserreger sind, die entweder von selbst wieder verschwinden oder von den Selbstheilungskräften von Mutter Erde ausgeschieden werden, sondern dass wir nützliche Zellen dieses Organismus’ sind, die ihre Funktion haben und erfüllen.

Aus indisch-yogischer Sicht ist die Erde  „Bhumi Devi“. „Devi“ heißt sowohl „die Strahlende“, was ausdrückt, es ist nicht nur eine physische Präsenz, sondern auch ein Astralkörper mit einer höheren steuernden Intelligenz, wie auch „Göttin“.

In den Puranas (Göttergeschichten; eine Kategorie indischer Schriften) heißt es, dass manche Einzelwesen sich im nächsten Leben als Planeten-Devata inkarnieren. So ist „Bhumi Devi“ ein Organismus mit einer Einzelseele. Und als solcher ist sie, wie andere Devas und Devis, Teil von „Surya Bhagavan“ – dem Sonnengott bzw. Sonnensystem. Dieses ganze Sonnensystem wird beseelt von einer Intelligenz, einem Wesen, „Surya“, dessen Hauptorgan die Sonne ist. Das ganze Sonnensystem ist wie der erweiterte Körper von Surya. Surya wiederum ist Teil des Milchstraßensystems und gemäß einer Interpretation gilt „Indra“ als Devata hinter dem ganzen Milchstraßensystem. Das Milchstraßensystem ist eine Galaxis und alle Galaxien aller Dimensionen zusammen bilden einen Gesamtorganismus mit einem physischen, einem astralen und einem kausalen Körper, und das ist der „purusha“, wie er in der „purusha suktam“ beschrieben wird. Ein einziges Bewusstsein hinter allem manifestiert sich in und durch all diese verschiedenen Körper.

Darauf wird auch in der Bhagavad Gita im 11. Kapitel Bezug genommen, wo es um „Virat Svarupa“, die kosmische Gestalt Krishnas geht. „Virat Svarupa“ ist in vedantischer Terminologie die Welt, das Universum als der physische Körper Gottes. „Hiranyagarbha“ ist der Astralkörper Gottes, das kosmische Gemüt, und „Ishvara“ der Kausalkörper Gottes, in dem die Gesetze der Schöpfung in Samenform angelegt sind. So ist Gott zum einen reines Bewusstsein, Brahman, aber eben auch das Bewusstsein hinter dem Organismus der Welt als Ganzes.

Übung: Erinnere dich auch tagsüber immer wieder daran: Die Welt ist der Organismus Gottes. Übe bei allem, was du machst, sei es beim Spazierengehen, beim Geschirrspülen, in der Stille oder wo auch immer, bewusst zu spüren: Ich bin eine Zelle von Mutter Erde, ich bin Teil dieses Planetensystems, alles ist miteinander verbunden. Ich stehe im Austausch mit allen als Teil dieses kosmischen Organismus. Wenn du das wirklich fühlen kannst, entsteht eine ungeheure Liebe, Freude und Erweiterung des Bewusstseins.

Eine solche Erweiterung des Bewusstseins kann in verschiedenen Formen erfolgen. Einmal als Erkenntnis und Erfahrung von „Aham brahmasmi“ – ich bin Brahman. Oder als „Neti, Neti“, – „nicht dies, nicht das“ – ich bin nicht der Körper, nicht die Emotionen, nicht die Gedanken; ich bin weder dies noch jenes, ich bin das Bewusstsein hinter allem. Oder als „Iti Iti“ – „dies und das“. Ich bin Teil Gottes und somit eins mit Gott und damit das Bewusstsein hinter allem. Dann bin ich das Bewusstsein hinter diesem einen Körper, aber auch das Bewusstsein hinter all den anderen Körpern mit all den wunderbaren Ausdrucksformen und ihrem faszinierenden Spektrum. Ich bin das Bewusstsein hinter den Bäumen, dem Himmel, den Wolken, hinter dem, der spricht, hinter dem der interessiert zuhört. Alles ist nichts als eine Manifestation des Einen, Unendlichen, Absoluten.

5.) Der höchste Purusha
Welchen „purusha“ meint die Bhagavad Gita hier im 15. Kapitel? Sie meint den „purusha uttama“, den höchsten Purusha, dieses höchste alldurchdringende Bewusstsein.