Yoga Vidya Journal Nr. 13, Frühjahr 2005
Wie finde ich einen guten Lehrer/Meister?
Eine gute Frage, welche ich auch immer wieder
mal gestellt bekomme.
Andrè van der Braak hat ein Buch geschrieben
(„Liegestütz zur Erleuchtung“), in dem er von
seinen 11 Jahren berichtet, in welchen er seinem
Meister, Andrew Cohen gefolgt ist… und
am Ende sich von ihm getrennt hat.
Warum? Weil er feststellen musste, das sein
Meister nicht der spirituelle Erleuchtete ist, für
welchen er ihn gehalten hatte. Es stellte sich
heraus, dass dieser eher ein charismatischer,
exzentrischer Narzisst ist, welcher sich gut zu
verkaufen weiß. Wieso er dazu 11 Jahre
brauchte, um dies zu merken und auszusteigen,
ist mir schleierhaft, ich habe sein Buch allerdings
auch nicht gelesen.
Wie nun finde ich also einen spirituellen,
erleuchteten Meister? Ich möchte mal behaupten, gar nicht. Ein Mensch, welcher in
allen Ebenen vollkommen erleuchtet ist, warum sollte der dies veröffentlichen und
Schüler anwerben, um damit Geld zu verdienen? Also diese Illusion, sollte man sich,
glaube ich, abschminken und damit aufhören, diesen vollkommenen Lehrer/Meister zu
suchen. Es ist genau so eine Suche, wie die Suche nach dem perfekten Menschen oder
perfekten Partner.
Einen Lehrer zu finden, ist hingegen nicht schwer, ist das Angebot hier bei uns doch
riesig. Dazu sollte man sich aber erst einmal genau darüber klar werden, was man denn
nun lernen will. Hat man dies dann für sich herausgefunden, dann sollte man sich als
nächstes einen Überblick darüber verschaffen, wer dies denn nun alles anbietet, was
ich lernen möchte.
Ja, und dann bleibt einem nichts anderes übrig, als auszuprobieren, „zu schnuppern“
und die verschiedenen Anbieter/Lehrer/Meister/Institute/Schulen etc. kennen zu lernen.
Oft ist es auch sehr hilfreich, sich nicht nur die Lehrer, sondern auch den Schlag
der Schüler dort genauer anzusehen. Die Schüler sagen meist sehr, sehr viel über den
Lehrer aus. Und man kann sie natürlich auch ausfragen.
Es ist ein einfacher Vorgang und wer diesen Weg nicht geht, weil er denkt, seine eigene
Wahrnehmung sei nicht die Beste, der sollte vielleicht zu allererst daran arbeiten
und sich evtl. auch von unabhängigen Menschen beraten lassen. Es ist wichtig, seinen
eigenen Wahrnehmungen und seinem eigenen gesundem Verstand zu vertrauen und
nicht die Verantwortung für sein eigenes Leben abzugeben. Alles andere ist kindliche
Dummheit.
Leicht verstrickt man sich allerdings auf der Suche nach einem spirituellen Lehrer in
eigene Elternprojektionen, Wunschbilder, etc..Und wenn man dann nicht weiß, was
das bedeutet, wird’s natürlich schwer. Dann gerät man leicht an einen charismatischen
„Lehrer/Meister“, welcher seine Schüler nur dafür „missbraucht“, um seine eigene Bedürftigkeit nach Liebe, Anerkennung, Bewunderung, Aufmerksamkeit, Zuneigung
etc. zu befriedigen. Oder er lebt seine eigenen nicht verarbeiteten Traumen auf dem
Rücken seiner Schüler aus, und die bezahlen auch noch dafür.
Aber auch dies alles ist nicht unbedingt so tragisch, da man auch dadurch viel lernen
kann. Nämlich was die eigenen Projektionen sind und wie es sich anfühlt, auf sie reinzufallen.
11 Jahre allerdings muss das nicht unbedingt dauern. Und es sollte auch nicht
so teuer sein, da ja eigentlich dieser Lehrer schon sehr viel von mir bekommt, nämlich
die Befriedigung seiner Bedürftigkeiten. Eigentlich müsste ein solcher „Lehrer/
Meister“ seine Schüler bezahlen!
Auch mir selbst ist da vor Jahren einmal etwas ganz Extremes passiert, wo ich mich von
einer so genannten Tantralehrerin mit 20 Jahren Erfahrung in ein Seminar locken lies,
in welches ich eigentlich nicht passte. Da sie ganz in der Nähe wohnte, hatte ich mich
bei ihr persönlich vorgestellt. Ich sagte ihr, das ich erst bei einem kleinen Tantraseminar
dabei war, also keine Ahnung von Tantra hätte und gern einmal bei ihr ein Schnupperwochenende
mitmachen würde.
Ja, sagte sie, ich könnte da beim dritten Abschnitt ihres Jahrestrainings mitmachen, das
wäre demnächst und würde 10 Tage dauern. Oh, fragte ich, ob ich denn damit nicht
überfordert wäre? Sie schaute mich an und sagte, na komm, du bist doch ein hübscher
Mann, du kannst das schon.
Sie sagte mir dann den Preis für die 10 Tage und es war mir zum Schnuppern viel zu
teuer. Sie sagte, dass sie manchmal noch Männer bräuchte um die Gruppe paritätisch
zu machen und dann würde sie die Hälfte verlangen. Dies sei dann aber kurzfristig.
Gut, sagte ich, sie solle dann anrufen. 2 Tage vor dem Seminar rief sie dann auch an
und sagte, ich könne für die Hälfte mitmachen, sie bräuchte noch 2 Männer. Gut, dachte
ich, das Schicksal hat entschieden und ich
sagte zu.
Nun gut, ich lernte eine Lehrerin kennen, welche
schlimmer nicht sein könnte. Sie hat wohl
ein eigenes, nie richtig aufgearbeitetes
Missbrauchsthema und lies ihren Hass und
ihren Schmerz seit 20 Jahren an Menschen aus,
welche sich in ihre Obhut begeben. Technisch
weiß sie sehr, sehr viel, aber sie ist total verhärtet
und ziemlich kaputt.
Wir verstrickten uns total. Für mich stand da
meine Mutter, welche diktatorisch, manipulierend,
kontrollierend, puschend, und rigide
Menschen verletzt. Dabei mussten alle, auch
die Assistenten absolut duckmäusern und sie
war der große Star. Widerreden, Kritiken etc.
wurden hart bestraft. Sie nennt ihre Kurse grotesker
Weise „Tantra für Rebellen“.
Was genau bei ihr ablief, weiß ich nicht. Auf
jeden Fall war ihr gar nicht klar, was da lief
und sie behandelte mich auf übelste Weise und schmiss mich dann sogar am 8. Tag aus
der Gruppe, ich musste nach Hause fahren.
Vorher hatte sie mich tagelang behandelt
wie ein Stück Scheiße. Total verletzt und
aufgebracht fuhr ich über 300 km in diesem
Zustand alleine nach Hause.
Es kam damals noch nicht einmal ein Anruf,
ob ich denn gut nach Hause gekommen bin.
Auch kam keine Erstattung der 2 Tage, welche
ich ja als Kursgebühr mit Übernachtung
und Verpflegung bezahlt hatte. Eigentlich
hätte ich sie damals verklagen müssen. Aber
sie ist nur eine arme, alte und verhärtete
Frau, sie tut mir leid. Ich verkörperte wohl
all das, was sie in sich abgekapselt hat und
ja nicht mehr spüren will.
Irgendwann traf ich sie dann mal auf einer
Gartenparty, wo sie ankam, mich sah und
ausrief: „Wenn der da ist, dann geh ich wieder“,
drehte sich um und ging. Witzigerweise kam ein halbes Jahr später ein Brief, in
dem sie mir mitteilte, sie sei mir nicht mehr böse und ich könne jetzt doch wieder
Seminare bei ihr belegen…
Ja, ja, so kann es einem gehen, wenn man keine Ahnung hat. Aber ich habe aus diesen
8 Tagen sehr viel gelernt, nämlich was man als Lehrer alles falsch machen kann und wie
sich dies für einen Schüler anfühlt. Und dies ist natürlich als Lehrer auch wichtig zu lernen.
Für jeden Lehrer ist ein sehr schlechter Lehrer ein wichtiger Lehrer.
Nun gut, was also macht einen guten Lehrer/Meister aus?
Zunächst will ich erst einmal so frech sein, und sagen, es ist egal, ob ich nun einen spirituellen
Meister oder einen Mathematik Nachhilfelehrer suche. Die Kriterien, welche
wichtig sind, sind die Gleichen. Ich möchte unterscheiden zwischen Kriterien, welche
unerlässlich sind und welchen, die vernachlässigbar sind.
Unerlässlich finde ich folgende Kriterien für einen Lernprozess:
Der Lehrer ist mir auf dem Gebiet, auf dem ich was von ihm lernen will, mindestens
einen Schritt voraus. Er ist also kompetenter als ich. Er weiß auf diesem Gebiet mehr
und/oder hat dort mehr Erfahrungen.
Der Lehrer kann mir seinen Vorsprung so vermitteln, dass ich ihn auch verstehe, auf
diesem Gebiet wachse und ihn irgendwann nicht mehr brauche. Er hat also gewisse
pädagogische Fähigkeiten wie Einfühlungsvermögen etc.. Er kann sich auf mein Niveau
begeben und mir in meiner Sprache das zu Erlernende vermitteln.Es nutzt mir also
nichts, wenn mein Lehrer ein Genie auf seinem Gebiet ist, ich ihn aber nicht verstehe,
weil er eine andere Sprache spricht. Wenn er z. B. Mathematik Professor ist, mir aber
sein Wissen nicht vermitteln kann, weil er einfach meine Probleme des Verstehens nicht
versteht und nur Fachdeutsch spricht. Es gibt hier keinen schlechten Schüler, sondern
nur einen schlechten Lehrer/Pädagogen.
Zwischen Lehrer und Schüler besteht ein Rollenverhältnis, welches von beiden anerkannt
wird. Lehrer und Schüler müssen also bereit und fähig sein, sich auf ihre Rollen
einzulassen.
Es nutzt auch nichts, wenn ich einen guten Lehrer habe, dieser aber vom Schüler
menschlich abgelehnt wird und als Lehrer nicht anerkannt wird. Wenn also der Schüler
die menschliche und die fachliche Ebene nicht trennen kann.
Er könnte sich ja sagen, menschlich mag ich ihn nicht besonders, aber als mein Lehrer
kann ich ihn anerkennen, da er erstens mehr weiß als ich und zweitens mir dies auch
gut erklären kann. Ein Lehrer/Schüler-Verhältnis muss nicht zwangsläufig von Freundschaft
begleitet werden! Dies setzt aber eine gewisse Einsicht in diese Problematik
beim Schüler voraus. Umgekehrt natürlich genau so.
Fehlt eins dieser drei Kriterien komplett, so ist ein Lernen schlecht möglich bzw.
unmöglich.
Und nun zu all den schönen, zusätzlichen Kriterien, welche aber wie gesagt nicht zwingend
für das Lernen notwendig sind:
Durch das Lehrer-Schüler-Rollenverhältnis ist klar, das der Schüler etwas vom Lehrer
will/braucht und nicht umgekehrt! Somit begibt der Schüler sich in ein einseitiges
Abhängigkeitsverhältnis. Dies darf von dem Lehrer nicht bewusst ausgenutzt werden.
Natürlich ist der Lehrer auch nur ein Mensch und in gewissem Maße von seinem
Unterbewusstsein gesteuert. Aber er ist verpflichtet, sein Handeln immer wieder sorgfältig
selbst zu überprüfen/reflektieren!
Der Lehrer merkt, wann der Schüler so gut ist, dass er ihn entlassen kann, da er ihm
nichts mehr beibringen kann. Und dann tut er es auch, ob der Schüler dies will oder
nicht. Er unterstützt kein Abhängigkeitsverhältnis, auch nicht wenn er davon profitieren
würde.
Der Lehrer hat seine eigene Geschichte soweit aufgearbeitet, das er zumindest bewusst
merkt, wenn er sich persönlich verstrickt. Und somit darauf entsprechend reagieren
kann, ohne seine persönlichen Traumen auf dem Rücken seiner Schüler auszuagieren.
Der Lehrer lebt das, was er lehrt. Sein Beruf ist für ihn Berufung. Er geht als Beispiel und Vorbild voran. Zum Beispiel ein Yogalehrer, welcher auch selbst Yoga praktiziert.
Und er ermuntert seine Schüler, das zu leben was sie lernen.
Der Lehrer ist in der Lage, über sich Selbst und seine Lehre, zu lachen. Er ist also nicht
verhaftet in sein Tun und hat einen gewissen Abstand davon. Er weiß, dass auch der
Lehrer nur eine Rolle von vielen ist.
Der Lehrer verträgt Kritik, sowohl an seiner Person, als auch an seiner Arbeit.
Der Lehrer ist transparent, offen und ehrlich.
Lehrer und Schüler sind sich sympathisch und haben eine gewisse Freundschaft.
Der Lehrer liebt sich, seine Arbeit und die Menschen.
Diese Liste wäre bestimmt noch zu verlängern, aber immer vor dem Hintergrund, dass
diese Dinge zwar hilfreich, aber nicht zwingend notwendig sind für den Lernprozess
des Schülers. Ja, manchmal braucht es bestimmte fehlende Eigenschaften beim Lehrer,
damit der Schüler etwas davon lernt!
Das Preis-Leistungs-Verhältnis sollte entsprechend den Angeboten im jeweiligen
Fachgebiet natürlich auch stimmen, es sei denn, ich habe es so dick, das mich dies nicht
interessiert.
Arnold Neumann, freier Mitarbeiter im Mainzer
Zentrum,
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