Yoga Vidya Journal Nr. 13, Frühjahr 2005
Yogische Konfliktbearbeitung
und -lösung
Yogis strahlen Zuversicht aus. Yogis meistern jede
Anforderung mit einem Lächeln, leuchten von innen
heraus und kennen Krankheiten nur vom
Hörensagen; von vorübergehenden
Befindlichkeitsstörungen einmal ganz abgesehen!
Yogis denken immer positiv, handeln immer konstruktiv
und bleiben immer vollkommen ruhig und
gelassen. Regungen wie Begierde, Ärger oder Wut
haben sie gelassen hinter sich gelassen. Innere
Anspannung, Zweifel, Ängste? Fehlanzeige! Dafür
positive Energiefelder meilenweit um sie herum.
Dauerhaft. Immer.
Und wenn Yogis nun nicht i m m e r so sind?
Na, da machen die bestimmt was falsch. Sie müssen ganz einfach was falsch machen.
Sonst wären sie ja nicht so. So... normal, irgendwie. Mit Ängsten. Gefühlen.
Schwächen! Auch nicht perfekt. Warum machen die denn dann überhaupt Yoga?
Jeder Yogi und jede Yogini kennt vermutlich diese und ähnliche, von Zeit zu Zeit ausgesprochenen
Mutmaßungen unserer lieben (ja, wirklich!) Mitmenschen darüber, wie
Yogis zu sein haben, was sie fühlen müssen (oder auch nicht!), wie sie handeln
müssen usw. Man kann dies - und sollte es vermutlich auch - mit Humor nehmen und
mit Humor darauf reagieren. Trotzdem wird hier das yogische Selbstverständnis
davon, wie ich als Yogi bzw. Yogini in der menschlichen Gesellschaft stehe bzw.
glaube stehen zu müssen, fundamental berührt. Denn: Von außen kommt immer nur
das zu einem zurück, was a) begründet ist, und b) Widerhall im eigenen Sein und
Selbst findet.
Ausgehend von der yogischen Art, die Welt zu verstehen, möchte ich deshalb hier
yogisches Leben in der modernen, westlichen Gesellschaft etwas näher beleuchten.
Ich versuche dies anhand eines einzelnen Beispiels: Der yogischen
Konfliktbearbeitung und -lösung.
Yoga als moderner Lebensweg
Yogis und Yoginis sind im Einklang mit den yogischen Grundüberzeugungen gehalten, von
sich aus keine Konflikte in die Welt zu bringen. Und diesbezüglich gibt es dankenswerterweise
sehr viele hilfreiche Erfahrungen und auch Anleitungen, z. B. die yamas
und niyamas von Patanjali. Der moderne integrale Yoga ist ein sehr guter, erprobter, Erfolg
und Begleitung versprechender Weg von Persönlichkeitsentwicklung, Transformation
und - wenn Mensch dies möchte – Gotteserkenntis! In seiner mehrtausendjährigen
Tradition, seinem allumfassenden Ansatz und seiner gewollten und bis heute geglückten
Verbindung von Spiritualität, Philosophie, Wissenschaft und körperlichen Praktiken
steht Yoga vielleicht sogar einzig da in der heutigen Welt. Trotzdem stößt man sehr
schnell an (dem Yoga innewohnende?) Grenzen, will man als ernsthaft bemühter Yogi
in unserer modernen Gesellschaft Yoga als Lebensweg verwirklichen.
Die folgenden drei Fragen stellen das gedankliche Zentrum dar, um welches dieser
Beitrag kreist:
Gibt Yoga auf drängende Fragen unserer modernen Gesellschaftsordnung
hilfreiche und alltagstaugliche Antworten?
Womit könnte es zusammen hängen, dass im Yoga so wenig Konkretes zu
lesen und zu hören ist über heutige Alltagskonflikte und deren wirklich
gelungene und glückliche Lösung?
Wie können Yogis und Yoginis glücklich, konstruktiv und yogisch (!) mit von
außen an sie heran getragenen massiven Konflikten im Leben umgehen,
mit Dingen wie Übler Nachrede, Bedrohung durch körperliche und geistige
Gewalt, Mobbing am Arbeitsplatz usw. - mit Konflikten also, die ihre
eigene Unversehrtheit (und die anderer Wesen) gefährden?
Ich möchte diesen Beitrag als Beispiel für die Notwendigkeit verstanden wissen, intensiv
nach yogischen Lösungen für heikle, aber unausweichliche Fragen des modernen
Lebens zu suchen, wie z. B.: soziale Verantwortung des Einzelnen der Gesellschaft
gegenüber; praktizierte Gewaltfreiheit und Pazifismus im globalen Verständnis;
Organspende: ja oder nein; aktive Sterbehilfe usw.. Ich verbinde mit der Idee, yogische
Ideale in die Gesellschaft leuchten zu lassen, die Hoffnung, unsere Welt zu einem
glücklicheren Ort zu machen bzw. werden zu lassen; zu einem Ort ohne Mühsal, einem
ashram. Ich hoffe, mir ist es im Folgenden gelungen, die Theorie auf das zum
Verständnis notwendige Maß zu beschränken. Leider geht es nicht immer ganz ohne
Theorie. Möge aber aus Theorie glückliche, friedvolle Praxis im täglichen Leben
werden.
Zum Einstieg ein echter Konflikt
Schauplatz: Ein Schlachtfeld in Indien, Zeitpunkt: etwa 3100 v. Chr. Handelnde
Personen: Sri Krishna, Arjuna usw. Die Geschichte ist geläufig: Der Krieg der Bharater,
der große indische Bruderkrieg der Mahabharata endete mit der völligen gegenseitigen
Ausrottung des damaligen indischen Adels, dem Tod von geschätzten einer Million
Menschen, einem weit gehend verwüsteten Land und, zumindest geistig, der
Weitergabe der vollkommen friedlichen Yoga Philosophie an die Menschen, wie sie in
der Bhagavad Gita dargelegt ist.
Die vermutlich um 300 v. Chr. schriftlich fixierte Gita gilt manchen als spätere
philosophische Rechtfertigung des großen Krieges. Andere verstehen sie im übertragenen
Sinne und losgelöst von aller geschichtlichen Wirklichkeit als Sinnbild eines
inneren Kampfes. Sie spricht sehr viel von inneren Konflikten, von großartigen
Methoden und Techniken, das Selbst zu transformieren und (damit) Gott zu erkennen
und zu verwirklichen, blendet dabei die äußere Wirklichkeit aber nie komplett aus. Ein
äußerer gesellschaftlicher Konflikt zeigt sich hier gleichzeitig als existentieller innerer
persönlicher Konflikt Arjunas. Die Problemzone, wie man heute vielleicht sagen würde,
ist damit umrissen:
Handeln in der Welt hat immer Folgen im eigenen Inneren und umgekehrt.
Konflikte klassisch-yogisch
Yoga weiß um die Unausweichlichkeit von Konflikten im täglichen Leben der
Menschen und beschreibt diese auch. Der klassisch-yogische Weg, den weltlich
geprägten Konflikten zu entgehen, ist der Weg der Entsagung. Dieser Weg kann räumlich
und/oder zeitlich beschritten werden, und er wird in der yogischen Literatur umfassend
gewürdigt und beworben. Es gab und gibt aber immer auch Yogis und Yoginis, die ihr
„normales“ Alltagsleben mit Familie, Beruf usw. über den Yogaweg spiritualisieren
und im Einzelfall auch auf diesem Weg die Verwirklichung erreichen. Yoga ist ein auch
in dieser Hinsicht umfassender Lebensansatz, der durchaus viel Raum für individuelle
Wahlmöglichkeiten bietet. Die Beziehungen des traditionellen indischen Yogi zur
äußeren Welt sind u. a. durch yamas und niyamas geregelt und haben tendenziell eher
passiven Charakter bis hin zur teilweise offensiv vertretenen Selbstkasteiung und
Leidensfähigkeit. Ob diese Form der Weltbegegnung der modernen Welt bzw. der
Welt überhaupt gerecht wird, muss Mensch je für sich entscheiden. Ob damit eine wirkliche
und konstruktive partnerschaftliche Konfliktbearbeitung und -lösung erreicht
werden kann, lässt sich aber durchaus kontrovers diskutieren.
In den Yoga Sutras des Patanjali wird beispielsweise, neben anderen Tugenden, die
auch heute noch wundervolle ahimsa (absolute Gewaltlosigkeit, Nicht-Verletzen) als
notwendig für ein yogisches Leben eingesetzt. Ahimsa kann sehr dazu beitragen,
Konflikte gar nicht erst entstehen zu lassen. Inwieweit sie dazu beiträgt, bereits
laufende Konflikte zu mildern oder zu schlichten, wäre eine andere Frage. Wie ahimsa
dauerhaft im modernen Leben praktiziert werden kann, die nächste. Alleine, ob ahimsa
das in-Notwehrhandeln grundsätzlich ausschließt oder nicht, dürfte kaum je
erschöpfend zu beantworten sein.
Betrachtet man die traditionellen Lehren indischer Mönche, so dienen Yogis und
Yoginis Gott dem zufolge am besten, wenn sie sich von der grobstofflichen Welt mit
ihrem Konfliktpotential möglichst zurückziehen, diese als vorläufig verstehen und alles
Bestreben auf persönliche Befreiung und Verwirklichung richten.
Kein Mensch kann letztlich der Welt entsagen, lebt er doch aktuell (nur) in ihr und
durch sie.
Der Mensch kann aber, anders als alle anderen Lebewesen, bewusst bestimmten
weltlichen Notwendigkeiten entsagen. Und genau dies tut der klassische indische Yogi,
wenn er sich in die Waldeinsamkeit zurückzieht. Wobei die an sich charmante Idee des
weisen Waldeinsiedlers, der als kompetenter Ratgeber für Fürsten, Könige etc.
fungiert, gerade im hinduistisch-folkloristischen Kontext ziemlich überstrapaziert wird.
Zudem betreffen die guten Ratschläge an die Herren der Welt zumeist deren eigenes
Innenleben, und nicht äußere gesellschaftliche oder staatstragende „Sachzwänge“.
Yoga heute
Yoga boomt! In Deutschland praktizieren wohl deutlich mehr als eine Million
Menschen regelmäßig und ernsthaft Yoga. Und möglicherweise waren die Menschen
für „neue“, friedliche, positive und aufbauende Weltanschauungen wie Yoga selten so
offen wie heute, nach d e m Schreckensjahrhundert der Menschheitsgeschichte
schlechthin. Im Vergleich zu anderen Gruppierungen ähnlicher Stärke ist der gesellschaftliche
Einfluss des Yoga hier zu Lande trotzdem erstaunlich gering. Das verwundert. Und
es überrascht, dass Yoga sich bislang noch nicht in einen echten gesellschaftlichen
Impuls verwandeln konnte, einen Impuls, der angesichts dessen, was Yoga „zu bieten
hat“, notwendiger denn je wäre. Wie kommt das?
Yoga wird zwar auf der einen Seite mit sich-gut-fühlen in Verbindung gebracht und in
Gesundheits-Fabriken usw. angeboten. Ernsthafte Yogis und Yoginis mit dem persönlichen
Anspruch, Yoga als Lebensweg zu gehen, gelten andererseits häufig als ein
wenig exotisch, merkwürdig oder gar weltfremd. Sie sprengen jedes Arbeitsessen und
jeden Betriebsausflug mit ihren kulinarischen Exaltiertheiten, weigern sich hartnäckig,
MitarbeiterInnen zu mobben, bestehen darauf, auch im harten Berufsalltag redlich
und achtsam zu handeln, ziehen sich nicht stündlich die neuesten Gräuel oder den
seichtesten „Unsinn“ der Welt per TV und Radio rein, nur, um mitreden zu können
usw., usf... Zudem scheinen sie ständig ihr Ego zu entwickeln und ihr Leben kreist im
Vergleich zu vielen anderen Menschen, in der Natur des Yoga liegend, ziemlich auffällig
um Selbstverwirklichung. Da yogische Selbstverwirklichung und Selbstverwirklichung
im Rahmen einer modernen Industriegesellschaft etwas grundlegend
Unterschiedliches meinen bzw. meinen können, sind hier Missverständnisse geradezu
vorprogrammiert.
Nicht selten werden Yogis auch von außen als selbstbezogen/egozentrisch wahrgenommen;
z. B., weil sie meditieren, anstatt in der Welt etwas zu verbessern. Obwohl
Meditation sich jenseits des Ego abspielt, lässt sich dies nicht so ohne weiteres
vollständig entkräften, ohne dabei in echte Erklärungsnot zu geraten, denn:
Meditation findet jenseits des Ego statt, aber in dieser Welt.
Und man kann auch durchaus Verständnis entwickeln dafür, dass aktive, im Leben
stehende Menschen es merkwürdig finden, dass Yogis aus Achtung vor dem
Lebendigen Vegetarier sind, sich ansonsten aber eher wenig engagieren, wenn es um
Hunger, Folter, Krieg, bedrohte Tiere usw. in der Welt geht.
Diese Tendenz, missverstanden zu werden, scheint dem Yoga innezuwohnen. Die
Gründe dafür sehe ich persönlich vor allem a) im yogischen Weltverständnis selbst,
b) darin, die inneren Überzeugungen des Yoga nicht nach außen hin transparent und
aktiv zu vertreten und c) in mangelndem Interesse an wirklichem gegenseitigen
Verstehen im menschlichen Miteinander. Auf die Punkte a) und b) werde ich nachfolgend
eingehen; c) ist kein eigentlich yogisches Problem und soll deshalb hier nicht
weiterbehandelt werden.
Die Realität der äußeren Welt im klassischen Yoga
Yoga erreicht die philosophische Lösung der schwierigen und komplexen Geist-Welt-
Beziehung laut dem Religionshistoriker Mircea Eliade durch eine „Abwertung des
Lebens“. Im atheistischen, dualen samkhya beruht die metaphysische Erkenntnis
darauf, dass die Welt lediglich durch die Unwissenheit des Geistes wirklich ist. Im theistischen
Yoga ist die Welt ebenfalls real, die eigentliche Wirklichkeit kann allerdings
nur abseits des täglichen Lebens in Meditation dhyana und Gottesverehrung ishvarpanidhaya
erfahren werden, und die Verbindung innere Welt-äußere Welt-Geist ist
nicht wirklich zufriedenstellend gelöst.
Die theistische, nonduale vedanta geht in gewisser Hinsicht und ähnlich dem
Buddhismus sogar so weit, die Welt selbst als Illusion zu verstehen. Das persönliche
höhere Selbst atman als saccidananda, Sein, Wissen und Glückseligkeit, und das höhere
göttliche Selbst brahman als eigentliche Wirklichkeit stehen letztlich jenseits allen
Irdischen, sind davon dauerhaft unbeeinflusst und werden (können!) nur im überbewussten
Zustand samadhi wirklich erkannt werden. Trotz des im Grunde allumfassenden
Ansatzes der vedanta bleibt die philosophische Geist-Welt-Beziehung daher in
gewisser Hinsicht eine trennende: hier Geist, dort Welt.
Die Auffassung von Eliade ist also nicht ganz unbegründet. Und obwohl es z. B. in der
Chandogya-Upanishad heisst:
Das brahman ist diese ganze Welt, hat es wirklich ein wenig den Anschein, als ob der menschliche Verstand vor dem anscheinend nicht beeinflussbaren Außen kapituliere
und sich eine zeitlose, von den Weltenläufen unabhängige und, wenn auch nur mit
einiger Anstrengung, vollkommen beeinflussbare und letztlich gute Innenwelt schaffe.
Die Realität der äußeren Welt im modernen Yoga
Liest man Schriften verwirklichter Yogis, ist von der o.g. Trennung selten etwas zu
spüren. Swami Sivananda fordert uns auf, die gesamte Schöpfung und alle ihre Lebewesen
als brahman zu begreifen und zu ehren, und nicht (nur) als Abbild oder Teil von
brahman. Ein Stein i s t brahman, Wasser i s t brahman, Pflanzen, Tiere usw. s i n d brahman,
alles Manifeste i s t brahman! Alles ist eins, und es sind lediglich verschiedene
Arten, dies zu erleben und zu beschreiben.
Yogis und Yoginis sind also heute aufgerufen, die Spaltung des Menschen in Körper,
Geist, Seele und Absolutes als (die eigentliche?) Illusion zu begreifen und das Wissen
um die Einheit von allem und die Wirklichkeit der Welt in die tägliche Praxis umzusetzen,
denn Alles ist brahman das unveränderbare Absolute, das Kosmische Bewusstsein.
Die Weltenläufe dagegen sind ein Spiel der Verschleierung maya mit der Urnatur
prakriti auf der kosmischen Leinwand von Werden und Vergehen. Brahman ist davon
vollkommen unbeeindruckt.
Das Thema betreffend bedeutet dies: Ein Mitmensch, der bewusst und vorsätzlich
meine persönliche weltliche Integrität als Mensch in einem sozialen Zusammenhang
beschädigen will oder beschädigt, ist laut Yoga ebenso brahman, wie ich selbst oder
Wesen, die mir Gutes tun und die ich liebe. Eine großartige Vision, ein zur Entwicklung
einer friedlichen, glücklichen Welt vielleicht absolut notwendiger Denkansatz, aber auch
eine ziemliche Herausforderung für das eigene Ego. Allerdings: Menschliche Beziehungen
sind gleichzeitig begrenzt und komplex, sie sind dynamisch und voller schöpferischer
Erfahrungen und Wandlungen. Brahman dagegen erscheint als unbegrenzt und dabei
nicht komplex (brahman ist und bleibt einfach immer nur brahman und nichts sonst),
statisch, auf ewig unveränderbar, leer und unbeindruckt von allem Werden und
Vergehen. Also auch unbeeindruckt von allem, was ich denke, fühle oder tue.
Anders ausgedrückt: Welt und letzte Wirklichkeit sind a) irgendwie unterschiedlicher
Natur, b) dauerhaft unbeeinflusst voneinander, und c) trotzdem eins. Das ist schwer zu
verstehen. Aber es wird noch schwieriger.
Das Miteinander von atman, brahman und prakriti
Tatsächlich kann sich Bewusstsein atman im Yoga nur innerhalb der manifesten
Schöpfung (mula)prakriti evolutiv entfalten und (selbst) erkennen: Ohne prakriti kein
atman, ohne atman kein (Erkennen von) brahman, ohne brahman keine prakriti usw.
Alles ist eben miteinander verbunden und verwoben.
Insofern ist die von Eliade so benannte yogische „Abwertung des Lebens“ nicht
unproblematisch, blendet sie doch, trotz eines grundsätzlich allumfassenden, holistischen
Ansatzes, einen entscheidenden Teil des Ganzen als Illusion aus, ohne dies letztlich
überzeugend begründen zu können. Die überbewusste Wirklichkeit wird so zur
eigentlichen und einzigen Realität erhoben, und die Erfahrungen in der äußeren Welt
wie auch die persönlichen Wünsche, Begierden usw. gelten letztlich als Illusion.
Ein bis heute im Yoga - und nicht nur dort - ungelöstes Problem.
Das moderne, dynamische Weltbild kann hier durchaus Entscheidendes zu einer Weiterentwicklung
beitragen und auch Yoga kann hier sicher das eine oder andere lernen,
ohne dabei seine Wurzeln und Grundüberzeugungen in Frage stellen zu müssen.
Exkurs: Ganzheitlichkeit und Transzendenz heute
Der Mensch sieht sich auch heute noch gerne als „Bürger zweier Welten“: der
grobstofflich-manifesten und der feinstofflich-geistigen. Mit seinen fünf
Sinnen erfährt er die materielle Welt, mit dem so genanten „sechsten“ die
transzendente, geistig-seelische. Interessant ist, dass die schöpferische Natur
prakriti deutlich mehr als (nur) die uns Menschen zugänglichen fünf Sinne
bzw. Arten der Wahrnehmung geschaffen hat und diese auch nutzt, im
Tierreich beispielsweise: „Sehen“ des polarisierten Lichtes z.B. bei Bienen;
Abbilden der Wärmestrahlung vergleichbar einer Infrarot-Kamera in sog.
Grubenorganen bei einigen Schlangenarten; verschiedenste, sehr genaue
Körper eigene Kompasse, Thermometer, Magnetfeldrezeptoren usw.;
Nervenkomplexe, die auf bestimmte chemische Substanzen in der Außenwelt gezielt reagieren u. v. a. m.. Diese weiteren Sinne würden, wären sie einzelnen
Menschen „zugänglich“, von uns mit ziemlicher Sicherheit in den Bereich
der übersinnlichen Wahrnehmung siddhi eingereiht werden. Sie sind aber
handfest grobstofflich und lebensnotwendig für viele Lebewesen, nur eben
vermutlich nicht für uns Menschen. Insoweit ist es möglicherweise ein grundlegender
(männlicher?) Irrtum, die Schöpfung in mehrere, von einander getrennte
Welten aufzuteilen. Viel eher steht zu vermuten, dass auch die Welt-
Schöpfung eins und nur eine ist; dass alles, was ist, ob Körper, Geist oder
Seele, innewohnender und sich entwickelnder Teil dieser Schöpfung ist.
Chaostheorie und Synergetik zeigen, dass komplexe Formen und selbst
Verhaltensweisen wie Staatenbildung o.ä. in der belebten und unbelebten
Natur aus sich selbst heraus sich bilden können, ohne erkennbare oder
notwendige Ursache, ohne vorgegebenes Ziel, und vermutlich auch ohne
einen unbewegten aristotelischen Beweger bzw. Schöpfer als Urgrund allen
Werdens.
Die alte Frage, ob Gott existiert oder nicht, wird dadurch allerdings nicht
beantwortet. Z. B. hat Brahma traditionellerweise mit der Weltentfaltung und
-einrollung (Tag und Nacht Brahmas) nicht wirklich aktiv schöpferisch zu tun.
Die Fähigkeit der prakriti zur Selbstorganisation, verbunden mit Ideen wie die
der „morphogenetischen Felder“ als Informations- oder Bewusstseinsträger,
ermöglichen darüber hinaus heute Fragen wie die, ob manifeste Natur und
Bewusstsein möglicherweise gleichzeitig Ursache und Wirkung des evolutionären
Prozesses der Weltentfaltung mulaprakriti sind, aber niemals nur
Ursache oder Wirkung allein.Heute wird auch durchaus sehr offen diskutiert,
ob Körper, Geist und Seele derselben Welt angehören. Was hieße, dass die
Seele, und damit auch das Höchste Bewusstsein, nicht außerhalb und von der
Welt getrennt sich manifestiert, sondern Teil von ihr sein m u s s, damit
Zustände kosmischer Harmonie wie turiya und samadhi von uns Menschen
überhaupt erfahrbar sind. In manchen yogischen Texten findet man Aussagen,
die sehr nahe an dem eben Gesagten dran sind, andere Texte sehen es völlig
anders. Ausformulierte, ganzheitliche Ansätze, welche manifeste Schöpfung,
Transzendenz und Transformation gleichermaßen beinhalten und Wert
schätzen wie das göttliche Bewusstsein, sind jedenfalls v. a. im Rahmen der
neuzeitlichen Frauen-, Umwelt- und Naturschutzbewegungen gesellschaftsfähig
geworden. Wie auch immer: der gangbare und glückliche Weg, innere
und äußere Wirklichkeit gleichermaßen anzuerkennen und zum Wohle des
Ganzen miteinander zu versöhnen, gleichzeitig inneren Seelenfrieden und
äußeren Weltfrieden zu schaffen, gleichbedeutend bewusste und überbewusste Erfahrung in den Dienst der gesamten Schöpfung zu stellen, Transformation
nicht zwingend nur mit persönlicher Transformation gleichzusetzen, ist auch
im Yoga eher eine Fragestellung der Moderne als der klassischen Schriften. Die
vollkommene Einheit bei bzw. sogar wegen(!) stofflicher Verbundenheit von
Körper, Geist und Seele als Grundvoraussetzung für den turya oder samadhi ist
v. a. eine moderne Sichtweise. Und die uralte Frage, ob bzw. wie ein gottgefälliges
Leben in einer weitgehend als gottlos empfundenen Welt möglich
ist, wird heute durchaus anders beantwortet, als von 2000 Jahren.
Yogisches Handeln in der Konklikt beladenen Welt
Yoga findet in dieser Welt statt, so begrenzt, illusionär oder verschleiert sie uns auch
erscheinen mag. Als Alltags-Yogi bin ich grundsätzlich gehalten, alles, was ich in der
Welt tue, auf sattwige (erhebende, reine) Weise zu tun. Dies erleichtert die persönliche
spirituelle Praxis, das Üben sadhana, und ist gleichzeitig gut für alle anderen Mitlebewesen.
Yoga ist immer auch das alltägliche Leben.
Yogis und Yoginis - im ashram wie auch „draußen“ in der Welt – haben Freunde,
Gegner, vielleicht sogar Feinde. Sie stehen in sozialen Zusammenhängen, die evtl.
entschlossenes Handeln, Zivilcourage, Zurückhaltung, heilende Hinwendung usw. verlangen,
aber alles eben sattwig. Gleichzeitig sind sie bemüht um Transzendenz und
Transformation, um Läuterung des Ego und Verwirklichung des Selbst.
Für einen Yogi in einer mehr oder minder geschützten und (selbst) begrenzten yogischen
Umwelt (ashram, spirituelle Lebensgemeinschaft etc.) gibt es einige Hilfestellungen,
um eine konfliktbeladene Situation, wenn sie denn eintreten sollte, Erfolg versprechend und v. a. yogisch (!) zu meistern, kann er ja unter Gleichgesinnten
agieren und reagieren. Die Chance, im Einklang mit yogischen Grundüberzeugungen
sich gegenseitig richtig zu verstehen, ist vergleichsweise gut.
Für den „Alltags-Yogi“ mit gewollten Verbindungen in und Anhaftungen an die Welt
geht es im Einzelfall darum, in Wertesystemen zu agieren, die er vielleicht nicht voll
umfänglich teilt. Manchmal geht es möglicherweise auch darum, Mitmenschen ihre
ureigene Verantwortung nicht dadurch abzunehmen, dass man ihnen mit dem Hinweis
auf karma yoga auch dasjenige abnimmt, was sie selbst noch schöpferisch, lernend und
wachsend leisten könn(t)en.Ein Mensch kann, wie die moderne Psychologie weiß
dauerhaft nicht gleichzeitig in verschiedenen Wertesystemen denken, fühlen und
hadeln, ohne dabei Gefahr zu laufen, schizoid (seelisch gespalten) zu werden. D. h., auf
weltliche Konflikte müssen Yogis und Yoginis einerseits angemessen, eindeutig und verstehbar reagieren (können), ohne andererseits damit ihre persönliche
Integrität und yogische Grundüberzeugung in Frage zu stellen. Zudem sollte ihr
Handeln konstruktiv, d.h. erfolgversprechend sein, denn nur dann macht
Handeln überhaupt Sinn.
Und:
Flucht vor der äußeren Wirklichkeit in die Innerlichkeit allein löst, wie
schon die Bhagavad Gita zeigt, weder innere noch äußere Konflikte.
Wie kann Yoga den Yogis und Yoginis konkret helfen, die Kinder hier in der
Welt haben, deren Unversehrtheit und Zukunft ganz konkret durch Übergriffe
bedroht ist? Was tun in Einklang mit den yogischen Lebensregeln, wenn ich
mobbende ArbeitskollegInnen habe, die mir das Leben zur sprichwörtlichen
Hölle machen, ich aber auf diese Arbeit stelle als existenzsichernde Grundlage
angewiesen bin, weil ich eine Familie zu ernähren habe, weil ich selber essen
muss, um Körper und Geist u. a. für das regelmäßige Praktizieren von Yoga
erhalten zu können usw.? Vielleicht hilft uns das Wissen um das Gesetz des
karma hier weiter: Das kosmische Gesetz von Ursache und Wirkung karma stellt
Menschliches-Allzu-Menschliches in einen großen kosmischen Zusammenhang.
Wenn letztlich alles Teil eines absolut gerechten kosmischen Kreislaufs ist,
reduziert sich vieles rein auf die Zeitfrage: Manchmal treten die Folgen meines
Handelns direkt ein, manchmal eben erst einige Leben später. Und manchmal
geschehen Dinge einfach auch ohne karmischen Grund nur deshalb, damit ich
persönlich daraus etwas lernen kann. Jegliches Handeln hat seinen tieferen, mir
vielleicht (noch) unbekannten Sinn, und somit auch jegliches menschliche
Handeln in der Welt.
Das Wissen darum hilft grundsätzlich, gelassener zu sein und eigenes Tun
darauf zu richten, vorhandenes karma abzuarbeiten und neues karma gar nicht
erst entstehen zu lassen. Leider scheint dem Gesetz des karma aber eine
gewisse Tendenz zum Statischen innezuwohnen. Und alleine mit Aushalten ist
es in unserer schnelllebigen Zeit womöglich nicht immer getan. Anscheinend
lassen sich hier menschliche und kosmische Bedingtheiten (noch) nicht passgenau
ineinander fügen. Es gibt also noch viel zu tun; gerade auch für Yogis und
Yoginis in der Welt. Und verwirklichte Meisterinnen und Meister zeigen uns
Wege auf, die wir beschreiten können, ohne diese dazu völlig verstehen zu
müssen, denn: Auf das Tun kommt es an.
Yogische Gelassenheit als Konfliktlöser in der Welt
Gelassenheit gilt heute zu Recht als besonders hilfreiche und erstrebenswerte
yogische Eigenschaft, gerade auch für das Alltagsleben. Keine Frage: Gelassen
geht fast alles leichter und besser. Das Praktizieren yogischer Gelassenheit in
allen Lebenslagen kann allerdings in nicht yogisch geprägter Umgebung
duchaus seine Tücken haben. Komplexe Gesellschaften, menschliche wie übrigens
auch tierische, haben nämlich aus Erfahrung Verhaltensweisen, Gebärden,
Emotionen usw. kultiviert und tradiert, um das Miteinander durchschaubarer zu
machen. Angenommen, ein Mensch, mit dem mich ein weltliches Abhängigkeitsverhältnis
verbindet, z. B. Arbeitgeber, Vermieter, PartnerIn stellt mich zur Rede, ob die (unwahre) Behauptung eines Dritten stimme, dass ich ein der Polizei bekannter
Straftäter sei, gegen den aktuell ermittelt wird.
Reagiere ich jetzt ausschließlich mit yogischer Gelassenheit, mag es gut sein, dass dies
als Eingeständnis bzw. Zustimmung verstanden wird. Von einem redlichen (satya)
Menschen wird - vielleicht auch zu Recht - erwartet, dass er/sie sich gegen böswillige
Unterstellung deutlich erkennbar verteidigt.
Unabhängig davon, dass mein echtes Problem in dieser Welt mit Gelassenheit alleine
wohl nur selten gelöst werden kann, schließt sich auch die Frage an, ob ich damit
andere Menschen vielleicht sogar zu einem falschen Bild von mir verleite und dazu,
weiterhin Unwahres über mich zu glauben oder zu verbreiten, was dem Praktizieren
von satya wohl auch nicht entspricht.
Ein Mitmensch, der mir, warum auch immer, wirklich und aktiv schaden möchte in diesem
Leben, wird sich nicht immer davon beeindrucken lassen, dass ich ein friedfertiger Yogi
bin bzw. sein möchte. Erfahrungsgemäß fordert ihn dies eher noch heraus, seine
Tätigkeiten auszuweiten, bis Widerstand kommt (actio-reactio als Prinzip in der Welt
der Kräfte). Er stellt mir also eine w i r k l i c h e Aufgabe im Leben, an der ich wachsen
kann, ohne vielerlei philosophisch-weltanschauliche Ausflüchte für mein eventuelles
Nicht-Handeln zu finden - geht es doch jetzt um meine körperliche und geistige
Unversehrtheit, um die Grundlage meiner gegenwärtigen Existenz. Und, die Frage sei
erlaubt, wenn ich jetzt nicht handelnd tätig werde, wann dann?
Yogische Gelassenheit bedeutet nicht Untätigkeit.
Im schlimmsten Falle wird er/sie solange weiter mobben, Unwahres verbreiten, Gewalt
anwenden, bis ich umziehe, den Arbeitsplatz wechsele etc. und sich dann vielleicht
sogar ein neue Zielscheibe für seine Tätigkeiten suchen. Abgesehen von den
seelischen, psychosomatischen und finanziellen Belastungen, die dies für einen selbst
die Angehörigen (und mögliche spätere Betroffene; Stichwort: soziale Mitverantwortung!)
mit sich bringen kann, folgt dann alles irgendwie dem (sehr weltlichen) Motto:
Der Klügere gibt nach. Wenn immer der/die Klügere nachgibt, wie soll dann jemals
eine wirklich lebenswerte Gesellschaft entstehen?
Konfliktbearbeitung und -lösung auf yogische Art und Weise
Yogis und Yoginis sind friedliebende Menschen, die keinem Wesen schaden wollen.
Daraus aber eine Tendenz zum Leiden und Aushalten zu machen wäre sicher nicht
glücklich. Yogis und Yoginis haben ganz sicher das Recht und vielleicht sogar die
moralische Verantwortung, sich aktiv gegen Übergriffe und Ungerechtigkeiten in der
Welt zu wehren und sich und andere aktiv zu schützen. Entscheidend sind der
Beweggrund und die Art des Handelns. Eine Handlung sollte derart beschaffen sein,
dass die positiven Folgen für das Ganze davon deutlich überwiegen. Sie sollte unter
Einhaltung der yamas und niyamas, ohne Anhaftung an die Früchte des Handelns und
ohne Böswilligkeit usw. erfolgen und in jeder Hinsicht gewaltfrei sein.
Wenn etwa in der Wohnung, aus welcher mich mein Nachbar mobben will, z. B. auch
ein Pflege bedürftiger Mensch lebt, ein Kind mit Freundschaften in der Nachbarschaft
oder ein Hund, der auf einen unmittelbar vorhandenen Zugang ins Grüne angewiesen
ist, sollte ich auch als Yogi oder Yogini vielleicht nicht den Kopf in den Sand stecken
und es (nur) mit yogischer Gelassenheit versuchen, sondern aktiv und yogisch handeln.
Privates Handeln findet immer auch in
einem gesellschaftlichen Kontext statt,
und bestimmte Verhaltensweisen gelten,
wie immer man sie auch dreht und
wendet, für den Einzelnen wie für das
Ganze als „schlecht“. Und wem ist
damit gedient, wenn sie auf ewig
unverbessert oder unwiderstanden
weiter praktiziert werden? Vielleicht
ermöglicht uns das Leben in einer
besseren, weil friedlichen, gleichberechtigten
und sozial starken
Gesellschaft ja auch die leichtere (im
Sinne von mühelosere, glücklichere)
Abarbeitung von karma für jede(n) von
uns, ob Yogi oder nicht? In einer
ashram-Gesellschaft sozusagen, einer
Gesellschaft mit hohem Verwirklichungspotential,
einer Gesellschaft
glücklicher Zuversicht.
Praktische Anregungen
Swami Sivananda sagt: „Jeder Gedanke muss anderen Frieden und Trost bringen“.
Dies gilt sicher auch für alle Handlungen. Vor diesem Hintergrund hier einige
Anregungen zur gewaltfreien yogischen Konfliktlösung:
Sich fragen, wieviel Verantwortung für den Konflikt liegt auf meiner Seite? Habe
ich schlecht gedacht, geredet, gehandelt in Bezug auf meinen feindseligen
Mitmenschen? Manchmal kommen alleine dadurch überraschende Erkenntnisse ans
Bewusstseinslicht, die auch für das weitere Leben von großer Bedeutung sind.
Versuchen, mich in den Anderen hinein zu versetzen und auf diesem Wege den
wahren Grund für das Geschehen zu erkennen. Nicht immer hilfreich und sehr
spekulativ. Zudem besteht die Möglichkeit, dass ich zusätzliche schlechte Dinge und
Energien in den Konflikt trage, die damit nicht in Zusammenhang stehen. Dies wäre
dann womöglich eher kontraproduktiv. Immer das Gute und Göttliche im
Gegenüber sehen; Liebe üben. Gedanken sind schöpferische Materie. Deshalb nur
gute, gerechte, erhabene und konstruktive Gedanken denken (s.a. „Bliss divine“
von Swami Sivananda).
RajaYoga-Techniken helfen, die schlechte Energie aus dem Konflikt zu ziehen, die
Situation zu entspannen und im glücklichsten Falle sogar zu transformieren.
Mitgefühl, Verständnis und Dankbarkeit für den Menschen entwickeln, der mir
Schaden zufügen will. Schließlich nimmt er die unerfreuliche Aufgabe auf sich,
durch sein Tun eigenes agami karma zu schaffen, gibt mir aber dadurch gleichzeitig
die Möglichkeit, einen Teil meines eigenen karma/prarabdha karma abzuarbeiten,
sofern ich angemessen, glücklich und im Einklang mit den kosmischen Gesetzen
darauf reagiere.
Das Senden von Licht und Liebe an die feindseligen Gegenüber und die geistige
Abgabe des Konfliktes an höhere Mächte mit der Bitte um heilende Umwandlung
ist sehr hilfreich. Manche karmische Verwickelungen erkenne weder ich noch mein
Gegenüber, sondern nur die kosmische Intelligenz in all ihren Namen und
Gestalten. Und nur sie kann entscheiden, ob bzw. wie dieser Konflikt gelöst werden
kann.
Die körpereigene Intuition bitten, mir eine richtige und glückliche Reaktion auf
Angriffe von außen zu zeigen. Es braucht allerdings sehr viel Übung und Erfahrung,
seine intuitive Reaktion von einer emotional aus dem Bauch heraus gesteuerten zu
unterscheiden.
Im Zweifel bei Vertrauenspersonen, Lehrern etc. um Rat fragen und einen guten,
begründeten Rat im Einzelfall auch gegen die ursprüngliche eigene Intention
annehmen und danach handeln; Vertrauen entwickeln. Wenig hilfreich dürfte es im
allgemeinen sein, das Üben von Mitgefühl und Dankbarkeit nach außen hin, z. B.
verbal an die betreffende Person heranzutragen. Dies wirkt sehr schnell überheblich,
befremdlich oder wird als ironisch missverstanden und ist einer
Konfliktlösung wohl eher nicht dienlich.
So handeln, dass meinem Gegenüber und mir die größtmögliche körperliche,
seelische und geistige Freiheit und Unabhängigkeit erhalten bleibt; keine
Bevormundungen etc. Sich selbst und andere vor Übergriffen schützen, nicht
Wegsehen, Zivilcourage praktizieren, handelnd eingreifen.
Es gibt noch sehr viel mehr Möglichkeiten dieser Art. Alle sind sie hilfreich und
begrüßenswert. „Problem“ dabei: Mein vielleicht eher grobstofflich orientierter
Mitmensch bekommt hierbei von mir nicht immer genügend „grobstoffliches Futter“,
mit dem er/sie konstruktiv umgehen kann (actio-reactio). Deswegen kann es durchaus
sinnvoll und hilfreich sein, die genannten oder ähnliche Methoden mit allgemein
anerkannten und erfolgversprechenden, gewaltfreien Konflikt-Lösungs-Strategien zu
kombinieren.
Es gibt noch sehr viel mehr Möglichkeiten dieser Art. Alle sind sie hilfreich und
begrüßenswert. „Problem“ dabei: Mein vielleicht eher grobstofflich orientierter
Mitmensch bekommt hierbei von mir nicht immer genügend „grobstoffliches Futter“,
mit dem er/sie konstruktiv umgehen kann (actio-reactio). Deswegen kann es durchaus
sinnvoll und hilfreich sein, die genannten oder ähnliche Methoden mit allgemein
anerkannten und erfolgversprechenden, gewaltfreien Konflikt-Lösungs-Strategien zu
kombinieren.
Unlösbare Konflikte?
Trotz allem wird es, wie die Erfahrung zeigt, Fälle geben, wo all das nichts hilft, wo ich
damit meine Angehörigen und mich selbst nicht erfolgreich vor Übergriffen in der
Welt schützen kann. Anscheinend gibt es einfach Konflikte, die sich aktuell durch
nichts und niemand aus der Welt schaffen lassen. In diesen Fällen ist es wohl auch für
Yogis und Yoginis angemessen, alle gesetzlich-moralisch anerkannten und zur
Verfügung stehenden Mittel zum Schutz und zur Verteidigung in Anspruch zu
nehmen, sofern dies eben ohne die erklärte Absicht erfolgt, dem anderen zu schaden.
Wenn alles nichts hilft, sollte Mensch zum Selbstschutz aber wirklich auch umziehen,
den Arbeitsplatz wechseln etc., um aus der gefährdenden Umgebung herauszukommen
in eine andere, in welcher Heilung und persönliches Wachstum möglich ist,
wo Stress bedingte Erkrankungen keine Chance haben zu entstehen und ich meinem
Gegenüber zu guten Handlungen Anlass geben kann. Laut Yoga leben wir derzeit ja
im kali yuga, dem dunklen Zeitalter. Vielleicht ist all diese Verwirrung auch genau das,
was das kali yuga ausmacht? Was wir wirklich tun können ist: durch eigenes (yogisches)
Bemühen immer dort, wo wir gerade sind, durch Abarbeiten von karma, durch
Praktizieren von Yoga im integralen, umfassenden Sinne Platz schaffen für das Helle,
Lichte, denn: Wo Licht ist, kann kein Dunkel sein.
Insoweit ist es immer gut, alle meine Mitlebewesen, Freunde, Feinde, als brahman zu
ehren. Wir sind alle eins und unser Denken und Handeln sollte darauf ausgerichtet
sein, für den Einzelnen und für das Ganze Gutes zu bewirken, Frieden zu schaffen,
liebevolle Hinwendung zu üben, yamas und niyamas zu praktizieren und diese durchaus
auch offensiv, aber nicht dogmatisch nach außen hin zu vertreten, um die eigene
Weltanschauung für andere Menschen transparent werden zu lassen. Alleine dies wäre
schon ein Beitrag dazu, die Welt zu einem freundlicheren Ort werden zu lassen.
Weltliche Konflikte müssen a u c h , aber nicht nur, auf ihrer weltlichen Ebene gelöst
werden und spirituelle Konflikte/Erlebnisse gleich lautend auf ihrer spirituellen Ebene.
Beide Ebenen der Wirklichkeit ergänzen sich dabei hilfreich und wechselseitig. Es klingt
paradox, aber dies wird vielleicht nur dann möglich sein, wenn wir innere, äußere und
transzendente Welt als jeweils gleich wichtigen Teil desselben Ganzen begreifen. Für
jeden dieser Teile brauche ich das jeweils passende Werkzeug, kann dies aber nur dann
erfolgreich einsetzen, wenn es in Harmonie mit den jeweils anderen Teilen geschieht.
Und Yoga bietet eine Vielfalt an exzellenten Werkzeugen, das Leben im Inneren und
Äußeren glücklich, friedlich und zum Wohle des Ganzen zu meistern. Und vielleicht, so
schmerzhaft dies auch wäre, muss der Mensch, ob Yogi oder nicht, tatsächlich von der
Illusion lassen, dass alle Konflikte auf der Welt völlig gewaltfrei gelöst werden können;
zumindest so lange nicht, bis sich eine konstruktive, partnerschaftliche Friedengesellschaft entwickelt hat. Und damit
es zu einer solchen Gesellschaft überhaupt
kommen kann, braucht es eine positive
Einmischung in die Weltläufe, gerade auch von
Yogis und Yoginis, die in ihrem persönlichen
Kosmos das schon zu praktizieren versuchen,
was als e i n wegweisendes Modell für eine
friedliche Welt gelten kann. Mit Waldeinsamkeit,
Dogmatismus und Selbstbezogenheit
alleine wird im 21. Jahrhundert wahrscheinlich
kein erfreulicher, wegweisender yogischer
Impuls in die Gesellschaft leuchten können.
Und schon die Bhagavad Gita zeigt, dass es
mehrere Arten des richtigen yogischen
Handelns gibt, je nach Aufgabe, Zeitpunkt,
Persönlichkeitsstruktur usw. Als Yogis und
Yoginis stehen wir, in Abwandlung eines Satzes von Isaac Newton, `auf den Schultern
von Riesen, und nur deshalb können wir (vielleicht) weiter blicken als manche andere
Menschen`. Nutzen wir dieses Geschenk, begreifen wir es als Aufgabe und nehmen wir
diese Aufgabe verantwortungsvoll zum Wohle der Welt und des Ganzen wahr, wo
immer wir gerade sind. In der Welt. Aktiv. Jeden Tag. Jede Minute. Nicht nur im Yogazentrum
oder zu Hause im stillen Kämmerlein, wo es (ich weiß, ich weiß!) manchmal so
verführerisch leicht scheint, ein perfekter Yogi zu sein.
Die tägliche Praxis zeigt uns, wo wir gerade stehen.
Leicht ist dies nicht, das hat die Vergangenheit gezeigt. Aber es ist möglich. Und ich
hoffe, mit diesem Beitrag eine entsprechende Diskussion innerhalb des BYV anregen
zu können. Insofern würde ich mich sehr freuen, wenn ihr, die YogalehrerInnen des
BYV, euch mit mir und untereinander über dieses Thema austauscht. Fernziel wäre
eventuell ein spiritueller Leitfaden für/über gutes yogisches Leben in der Welt. Danke
für euer Interesse. Dank auch an Swami Sivananda und seine niemals endende
Inspiration in allen Fragen. Om shanti.
Literaturtipps:
Ken Wilber: Eine kurze Geschichte des Kosmos; Fischer Verlag Frankfurt (1997)
Mircea Eliade: Yoga - Unsterblichkeit und Freiheit (1960), Ausgabe suhrkamp 1127 (1985)
Peter W. Atkins: Schöpfung ohne Schöpfer - Was war vor dem Urknall?; Rowohlt (1984)
Rupert Sheldrake: Das Gedächtnis der Natur; Scherz Verlag (1990)
Upanishaden - Die Geheimlehre der Inder; Diederichs Gelbe Reihe (versch. Jahrgänge)
Volker Arzt & Immanuel Birmelin: Haben Tiere ein Bewußtsein?; Bertelsmann Verlag GmbH,
München (1993)
Matthias Roth, Yogalehrer (BYV),Bürgelstraße 18,34466 Wolfhagen;05692/99 49 6
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